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Wie ich suche und finde, aber nicht das Rechte

Am andern Morgen packte ich meinen Habersack, und schickte mich an, ein schicklich Plätzlein für meine neuerfundene Schule aufzusuchen. Ich wollte nicht große Gasthöfe suchen, auch nicht abgelegene Pinten, wo alle zehn Wochen eine verstohlene Kindbetti ist, ein verlaufenes Hochzeit, und alle Morgen zwei Schnapstrinker, von denen der eine Kartoffelbranntwein, der andere Reckholderwasser sich zu Gemüte führt. Ich wollte eine ehrbare Dorfwirtschaft wählen, wo ehrbare Leute eine sich fast gleichbleibende Gastig bilden; ich wollte sorgfältig wählen, um nicht anzufangen und dann wieder gehen zu müssen, und so Zeit zu verlieren.

Ich wanderte wohlgemut des Wegs entlang, den alten Militär in nichts verleugnend; denn etwas mußte ich doch scheinen, wenn man mich nicht für einen Vagabunden ansehen, für etwas mich ausgeben, wenn mir nicht alles mißtrauisch aus dem Wege gehen sollte. Freilich steht der Söldner nicht in hohem Ansehen; aber ein alter Soldat verleugnet nicht gerne seinen Stand, besonders wenn er mit freier Seele sich ihm ergeben, eine freie Seele darin bewahrt. Mein Lebtag hab ich nie auf meinen vielen Wanderungen den Wirtshäusern so gwundrig entgegengesehen, bin nie so oft eingekehrt, als jetzt. Freilich gesellte ich mich zu jedem Bauer, der meines Weges ging, frug ihn aus über die nächsten Wirtsleute; aber gar selten waren die Berichte so, daß ich getrost vorbei marschieren konnte. Manchmal befanden sich zwei Wirtshäuser in einem Orte, so daß ich in die größte Verlegenheit kam, beide zu besuchen, ohne für einen ausgemachten Hudel angesehen zu werden. Oft gefiel es mir beim ersten Anblick nicht übel; aber es gelang mir nicht, alles zu sehen, zu vernehmen, was ich wollte; ich mußte länger bleiben, und am Ende doch weiter, weil gar zu vieles an den Tag kam, was mir nicht gefiel; so rückte meine Reise gar langsam vorwärts.

Am meisten scheute ich das Trinken des Wirts oder der Wirtin; denn wo das der Fall ist, ist es mit der Ordnung übel bestellt. Wie soll man das böse Exempel den Kindern verbergen und seine Folgen aufheben? Und was ich am meisten fürchtete: trunkene Menschen haben alle Augenblicke und mit allen Menschen Streit. Wie hätte ich hoffen können, an einem solchen Orte in Frieden zu bleiben?

Leider ging es nun oft so, daß es mir über Mittag an einem Orte recht wohl gefiel, und ich meinen Stab schon in eine Ecke stellen wollte, am Abend es mir erleidete und ich den Morgen fast nicht erwarten mochte, um weiter zu können, weil ich sah, wie ganz anders ein Mensch am Mittag und am Abend sein kann und welch großer Unterschied ist zwischen einem nüchternen und einem trunkenen Menschen. An eine Sache hatte ich nicht gedacht, auf sie nicht geachtet und wäre deshalb beinahe am unrechten Orte eingesessen. Es hatte mir da besonders gut gefallen: Wirt und Wirtin waren emsig; ein bedeutender Vertrieb machte Metzger, Stubenmädchen, Köchin, Stallknecht nötig; die Kinder waren vielversprechend, aber auch meisterlos in hohem Grade; die Gegend war wohlhabend und der Schlag der Leute gefiel mir. Ich war etwas früher ins Bett gegangen als die andern, hielt mich still, schlief aber nicht, denn mein Arm schmerzte mich; die wüste Bise war im Anzug. Da hörte ich, daß Leute in das Zimmer unter mir kamen, und hörte ganz deutlich, daß es Wirt und Wirtin waren, und hörte ganz deutlich, was sie mit einander sprachen; wahrscheinlich war über ihrem Ofen der Boden offen, um Wärme durchzulassen. Anfangs schwiegen sie still; endlich meinte die Wirtin: «Wie mengisch hei ds Mädi u du e-n-angere im Cheller atroffe?» Und er antwortete: «Grad so viel, als du u dr Metzger e-n-angere i dr Schaal.» Nun ging ein grausenhaft Gezänke los, und die beiden Leute hielten sich die leidesten Sachen vor, so daß, wenn nur der zehnteste Teil davon wahr gewesen wäre, sie den ganzen Tag abseits gewesen sein müßten, und doch hatte ich sie fast beständig in der Arbeit gesehen. Ob nun der eine oder der andere Teil größern oder kleinern Anlaß zu solchen Vorwürfen gab, das wußte ich nicht; aber das sah ich, daß die wütendste Eifersucht sie erfüllte. Er hatte Angst, ihre Kinder seien nicht von ihm; und sie war in Angst, er habe noch welche neben den ihren. Sie konnte nicht leiden, wenn er mit jemand lachte, und er nicht, wenn sie jemand ansah. Das Streiten und Vorhalten dauerte bis nach Mitternacht, aber auf eine Weise, daß ich wohl sah, es sei heute nicht das erstemal, sondern gewöhnliche Übung; denn es endete nicht mit Schlägen, nicht in wütendem Zorne, sondern zuletzt mit tiefem Schnarchen. Nun, dachte ich, da ist meines Bleibens auch nicht! Wie lange würde es gehen, so wäre auch ich ein Zankapfel zwischen diesen Eheleuten und ich hätte alle Abende das Vergnügen, anzuhören, wie der Mann mich und seine Frau lästernd im Kote herumzog.

Ja, die Eifersucht ist doch ein grundhäßlich, aber auch ein gefährlich Ding. Sie ist ein grundhäßlich Ding, denn sie zeuget vom Mangel an Glauben und Vertrauen in der eifersüchtigen Brust; sie stört alle Unbefangenheit, allen Frieden; denn wenn die Eifersucht recht einwurzelt, so dehnt sie sich nicht nur auf hübsche Mädchen und Frauen, muntere Bursche und Männer, sondern auf alle aus, die zwei Beine haben, auch wenn die Nase nicht mitten im Gesicht ist; dehnt sich aus gegen Eltern und Kinder, ja manchmal gar auf Hühner und Hunde. Wer Teufel wollte da des Lebens froh werden, wenn er allemal Lärm bekommt, wenn sein Hund ihm flattiert hat, oder ein Huhn ihm nachgelaufen ist! Sie ist grundhäßlich. Denn die Eifersucht zeuget manchmal, aber wohlgemerkt nicht allemal, vom Bewußtsein, was man selbst zu tun imstande wäre, was man selbst zu tun Lust hätte, wenn die Gelegenheit sich darböte, oder vielleicht schon getan hat. Kennt ihr das Sprüchwort, was der Bock – –? Die Eifersucht ist selten, die aus Bescheidenheit und Demut entspringt und von der Meinung herkommt, durch andere in Wert und Vorzügen übertroffen zu werden; diese Eifersucht ist mehr lieblich als häßlich, und läßt durch die Liebe sich heilen.

Die Eifersucht ist aber auch verteufelt gefährlich aus zweien Gründen. Habt ihr nie davon gehört, daß es das beste Mittel sei, Menschen vom Bösen abzuhalten, wenn man ihnen Zutrauen zeigt, und daß hingegen unverdientes Mißtrauen Ärger zeugt, und oft aus Trotz dann gerade das, woran man sonst nicht dachte? Was tausend, denkt der mit Eifersucht unverdienter Weise geplagte Mann oder Frau, tue ich etwas oder tue ich nichts, es kommt in eins; ärger kann man nicht mit mir machen, wenn man mich auf der Tat ertappt; man glaubt es doch, so habe man es auch!

Aber eins ist noch gefährlicher und geschieht noch häufiger. Ihr kennt doch die alte Mama Eva; der wäre es gar nicht in den Sinn gekommen, in den Apfel zu beißen, wenn nicht die Schlange sie aufmerksam gemacht hätte auf die Wunderäpfel; nun bekam sie Lust dazu, betrachtete sie alle Tage; ihr Herz brannte, der Mund wässerte immer mehr nach diesen Äpfeln, bis sie endlich einen derselben in ihren Rosenmund steckte und die Sünde geschehen war. Ihr werdet vielleicht meinen, die Söhne und Töchter seien klüger als die alte Mama; die Jugend bildet sich das gar oft ein, aber da irrt ihr euch; sie sind vielleicht noch schlimmer daran in diesem Punkt, wie folgendes Beispiel weist:

Es war einmal auch so ein naseweises Weibchen, welches das Urmütterchen verachtete und behauptete, es hätte nie in den Apfel gebissen, da hätte die Schlange lange locken, flattieren können und wären die Äpfel noch hundertmal lieblicher anzuschauen gewesen; und der Mann behauptete, daß nicht einmal mehr solche verlockende Schlangen nötig wären, daß es nur eine Warnung, ein Verbot vor etwas brauche, um die Lust nach dem Verbotenen zu erregen, und je mehr man verbiete, desto größer steige die Lust. Aber das Weibchen tat gar altklug, gab dem Mann mit dem weißen Händchen eins auf den Mund und verbat sich solche Lästerungen und sagte gar ernst: einmal ihr könne er verbieten, was er wolle, sie werde auch nicht von ferne daran denken, das Gebot zu übertreten; sie wolle mit ihm wetten, was er wolle. Der Mann lachte und sagte: «Du kennst hinter den Gärten den wüsten Fröschenweiher mit dem grünen Dach, in dem Regenmolleni und anderes Gezüchte so anmutig gramselen?» Das Weibchen wußte kaum, wo er war, und schauderte ordentlich, als sie sich seiner erinnerte; es habe sie von Jugend auf vor ihm geekelt, sagte es. «Nun», meinte der Mann, «ich verbiete dir, in diesem ein Fußbad zu nehmen, und wenn du's in Zeit zwei Monaten nicht tust, so will ich dir einen schönen Rock kaufen; tust du es aber, so fordere ich weiter nichts von dir, als daß du mir meine Strümpfe so flickst, daß ich immer ein Paar ganze anzuziehen habe.» Wie da das Frauchen auflachte und auf den Rock sich freute und die zu flickenden Strümpfe in die Ecke des Schaftes schob! Aber aus lauter Spaß wollte es doch einmal den verbotenen Weiher wiedersehen; der schlaue Mann sah sie alle Tage den Weg nehmen, merkte, daß sie ernster wurde, zerstreuter, und ehe zwei Wochen vergingen, fand er seine Frau mit bloßen Füßen im Weiher. Ihr könnt denken, daß das Weibchen auch erschrak, als sie den Mann sah, und denken, wie traurig sie die verschnürpften Strümpfe hervorklubete.

Aber könnt ihr auch die Lehre daraus ziehen? Ich will sie euch sagen. Es denkt sicher mancher Gatte an keine eheliche Sünde, aber seine Hälfte wirft sie ihm vor; durch diese Vorwürfe fällt ihm zum ersten Male die Möglichkeit ein, die eheliche Treue zu brechen. Sie wirft ihm ferner einen bestimmten Gegenstand vor, mit dem er sündigen wolle oder gesündigt habe. Er hatte keine Gedanken daran gehabt, die Person nie darauf angesehen; nun fängt er zum ersten Male an, sie zu betrachten, der Funke ist gefallen; je schwächer er ist, desto weniger denkt man ans Löschen, aber auch desto eher und desto sicherer wird die Flamme zu dem Dache ausschlagen.

Darum sage ich, sei die Eifersucht gefährlich, gerade weil sie die Sünde, vor welcher man sich fürchtet, erzeugt, gerade das Elend bringt, vor dem man sich hüten wollte; gerade sie ist die Schlange, die verlocket zugleich, aber das Herz fürchterlich quält, in dem sie ihr Nest gebaut. Darum, ihr Männer und Weiber, die ihr mit dieser Plage behaftet seid, macht, daß ihr von derselben kuriert werdet; sie ist ein Krebs am Herzen, dem aber fortzuhelfen ist.

Ich schnürte also meinen Bündel wieder, setzte meinen Stab weiter und wanderte fort, durch manchen Ort, manches Tal, fand mancherlei, aber nie das rechte.


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