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Der Güterbub wird ein Gassenbub

Diesmal mußte ich mein Bündelchen selbst tragen. Es wurde mir auch nicht schwer, es war bedeutend kleiner geworden; man hatte mir nichts Neues angeschafft, manches war abgegangen, und was ich hatte, war großenteils verwachsen. Ich wußte nun schon, was «verdingen» heiße, und erwartete düster das Schicksal, das mir werden sollte.

Als meine Reihe kam, sagte der Bauer: «Es cha-n-e e-n-angere näh, u o probiere, was das für eine-n-isch.» Kein Zureden konnte ihn andern Sinnes machen, er wußte wohl warum; er hatte auch eine Frau daheim, die etwas Meister war; es schickte sich ihm aber nicht, das zu sagen. Nun sprach man auch mir zu, und das eben nicht auf die lieblichste Weise, und fragte mich endlich, ob ich mich gar nicht bessern wolle? Erbittert, daß ich alle Schuld tragen solle, antwortete ich: «I ha nüt Schlechts g'macht, mi het mi o nüt geng z'prügle g'ha.» «Da g'höret dr's, wie-n-er eine-n-isch», sagte der Bauer; «Was brauchen wir weiter Zeugnis», dachten die andern. Auf diese Verdammung hin, wobei sie jedoch ihre Kleider nicht zerrissen, wollte mich niemand freiwillig auf das Gut nehmen, und ich wurde zu denen gestellt, die ebenfalls niemand nehmen wollte, um dann auf die Güter verloset zu werden. Endlich gegen Abend, ganz erschöpft von Hunger und Durst, denn man hatte mir nichts mitgegeben, und während dem ganzen Tag mir niemand etwas angeboten, fiel ich einem alten Bauern zu, der mich sehr unwillig mit sich nach Hause nahm und mir beim Heimgehen unfreundlich erklärte: er werde mich nicht behalten, sondern weiter verdingen, so einen könne er nicht brauchen. Am andern Morgen ging er fort, um Platz zu suchen, und brachte am Abend die Nachricht, es werde am nächsten Morgen jemand mich abholen. Es war mir leid, bei ihm hatte es mir gefallen, und ich hätte gerne alles Gute versprochen, aber niemand machte durch freundliches Benehmen mir Mut dazu, und mir war es einmal nicht mehr gegeben, mich von der bessern Seite zu zeigen; ich war verschüchtert und hartnäckig geworden; der Brunnen der Liebe war nicht mehr fließend; er war zurückgetreten, man mußte nachgraben, wenn man ihn finden wollte.

Am andern Morgen kam richtig ein alter, schlecht gekleideter Mann und holte mich ab. Wir gingen über Berge, durch Täler, mehrere Stunden weit in eine mir ganz unbekannte Gegend. Unterwegs fragte mich der Mann über alle meine Verhältnisse aus und über die Leute, bei denen ich gewesen war; ließ mich ordentlich reden, fuhr mir nie über das Maul; durch Zwischenfragen brachte er noch mehr hervor, wenn ich schweigen wollte, so daß ich auf dem Wege recht kurze Zeit hatte und ordentlich zutraulich wurde. Endlich kamen wir in ein kleines Tal im ebenen Lande, durch welches ein stattlicher Bach floß. Über dem Tale auf der Abendseite lag ein großes schönes Dorf, auf der Morgenseite ein mächtiger Eichenwald, und an der Spitze desselben, etwa hundert Schritte vom Bache, war eine kleine verfallene Hütte, mit zerbrochenen trüben Fenstern und unordentlichen, kotigen Umgebungen. Rings ums Haus lag der Mist von einigen Hühnern, einer Ziege und ihren Jungen, in demselben einiges Arbeitszeug zum Schnefeln und einige Spähne, welche den ganzen Holzvorrat ausmachten. Unter der kleinen rauchigten Haustüre mit der ausgetretenen Schwelle stand eine alte schmutzige Frau mit einer großen irdenen Kaffeekanne in der Hand, an welcher oben ein Stück ausgeschlagen war, und sagte uns, wir hätten Zeit zu kommen, sie hätte sonst allein z'Nacht g'fresse und wir hätten dann sehen können, was wir bekommen. In der Stube sah es nicht schöner aus als um das Haus. In einer Ecke war ein ärmliches Bett ohne Vorhang, in der zweiten ein zerbrechlicher, unsauberer Tisch, in der dritten ein vierfach gespaltener Ofen und in der vierten endlich ein grober Trog, daneben ein Rad mit Kuder; auf dem verlöcherten Boden liefen Hühner herum und auf dem Tisch saß eine Katze. Mir wurde unheimelig zumute. Doch als die Alte den Kaffee brachte und den Tisch unterstellte, damit er nicht zu sehr wackele; als ein mächtiger Eiertätsch dazu kam und gutes Brot, da vergaß ich meine Umgebung, denn ich war hungrig und müde. Als wir gegessen hatten und ich einnicken wollte, schüttelte die Alte einen Laubsack auf dem Ofen zurecht, hieß mich darauf liegen, deckte mich mit Hudeln zu und hieß mich wohl schlafen. Das war mein neues Bett. Ich hätte fast darüber geweint; allein der Eiertätsch war gut gewesen, der Schlaf gar mächtig; er ließ die Betrübnis nicht aufkommen, nahm mich in seine Arme und hielt mich umfangen, bis am späten Morgen ein Huhn mich weckte, das auf mir herumspazierte. Nun wurde ich in meinen neuen Wirkungskreis eingesetzt. Daß ich keine Kinder zu hüten hatte, nahm mir eine schwere Bürde ab dem Herzen; Kindermeitschi zu sein, war mir verleidet; ich sollte für die Ziege köhlen, den Hühnern nachsehen, daß sie die Eier nicht verlegen, zwischendurch Mist und Holz auflesen und herzutragen, was sie allfällig nicht herbeibringen konnten.

Das alles behagte mir so übel nicht; ein dunkles Gefühl versprach mir bei dieser Lebensweise eine Freiheit, welche für jedes Kind etwas unendlich Anziehendes hat. Wie gerne möchte manches geputzte Kind, das beständig unter Aufsicht an eine Beschäftigung gestellt ist, tauschen mit einem barfüßigen, das manchmal nur halb genug zu essen hat, aber laufen kann, wohin es will und wie es will? O es war zu schön, wenn ich ausziehen konnte in den Wald, um Futter zu suchen, mein Bündelchen bald gefunden war, und ich dann Stecken suchen und hauen konnte, einen schöner als den andern, oder Beeren suchen, zuerst Erdbeeren, dann Heiti-, später Himbeeren und endlich Brombeeren; wenn ich immer schönere fand und reichlicher, daß ich nicht alle essen konnte, sondern Schalen von Rinden machte, sie heimbrachte, die Alte mich lobte, Ziegenmilch darübergoß und sogenannten Erdbeeristurm machte; o das war dann eine Herrlichkeit! Und wie prächtig war es erst, die Ziege weiden zu können unten am Bach in den Stauden! Dort band ich sie an und saß dann ans Wasser und sah den Fischlein zu, wie sie auf und ab fuhren auf dem hellen Grunde, das dunkle Kraut suchend, darein sich zu bergen; wie sie wieder heraufschossen wie Blitze und richtig eine Mücke oder einen Heustüffel erhaschten.

Manchen Heustüffel band ich an einen langen Faden und ließ ihn im Wasser schwimmen. Ein Fischlein hätte ich gar zu gerne gehabt, und ein Jubel ohne Ende war's, wenn zuweilen der Heustüffel mir abgebissen wurde, und alle mußten den Faden sehen, und hören, wie ich einen großen, großen Fisch fast gehabt und das nächste Mal ihn gewiß erwischen wolle. Wenn ich dann heimkam vom Bache, strich ich meinen Hühnern nach und den mir gezeigten Nestern, nahm die Eier aus, und als ich einmal ein unbekanntes Nest fand in dicker Haselstaude und den Alten einen ganzen Kratten voll einliefern konnte und ich gestreichelt und gerühmt wurde und noch einmal soviel Eiertätsch erhielt beim Abendessen, da war ich so stolz, wie ein Feldherr nach einer gewonnenen Schlacht. Mich drückte, daß ich meist ganze Tage allein sein mußte. Wenn gut Wetter war, so zogen am frühen Morgen Mann und Frau aus, zu hausieren: sie mit einer Flasche Hofmannstropfen oder mit Nastüchern oder mit irgend etwas anderem Plunder; er mit einem Korbe oder Steinkratten oder irgendeiner Schnefelarbeit, und kamen meist erst heim, wenn es dunkelte. Da wurde mir der Tag gar lang, und das trockene Brot oder das Essen, das man mir für den Mittag anwies, genügte mir auch nicht recht, wenn ich schon wußte, daß es am Abend etwas Gutes absetzen würde, was die Mutter oder der Vater heimbrachten. Es wunderte mich oft, wieviel Geld sie lösten aus den mitgenommenen Kleinigkeiten, und wie aus diesen die Leckerbissen angeschafft werden konnten, welche sie aus fernen Dörfern heimbrachten; denn in dem nahen Dorfe, wo sie daheim waren, und wo die Gemeinde ihnen den Hauszins zahlte, da wurde gar nichts gekauft.

Da gab es Speck, Würste, Braten, selbst kleine Hammen, weißes Brot, Wein, Schnaps aller Art; es war ein Herrenleben gewöhnlich am Abend bei uns.

Ich klagte den Allen einmal meine Langeweile und bat sie, sie möchten doch zu Hause bleiben oder mich mitnehmen. Sie lachten mich aus und sagten, ich sei selbst schuld daran, warum ich mit meinem Mistbännli bloß um das Haus herumfahre und nicht auf die Landstraße hinüber ins Dorf; da hätte ich für einen ganzen Tag kurzi Zyti genug, wo Herre und Künge sechsspännig führen. Das schlug ein bei mir; den ganzen Tag hatte ich keine Ruhe; das kam mir vor als ein Ausflug in die Welt, wichtiger, als manchem eine Reise nach Amerika. Ich rüstete meine Bänne und die bessern Schuhe, dachte über alles, was mir begegnen würde, was ich sehen, wie ich mich benehmen könnte, und mochte den Abend und mochte den Morgen nicht erwarten; ich sah lauter Könige mit Kronen auf den Köpfen und schöne Königinnen in ganz güldenen Röcken. Mit klopfendem Herzen trat ich am andern Morgen meinen Ausflug an. Lebe wohl, du dunkler, schöner Wald; b'hüetdi Gott, du lieber klarer Bach; lebt wohl, ihr unschuldigen Freuden, die ihr botet; euch ergeht es nun auch wie vielen guten Freunden, die man vergißt im Treiben der Welt und ihren Genüssen! Ich fuhr durchs Tälchen, die Höhe hinauf und war bald auf der mächtigen Heerstraße, an deren beiden Seiten das schöne Dorf lang sich hinstreckte.

Mit einem Auge sah ich nach Mist mich um, mit dem andern nach den Königen und Königinnen, ihren güldenen Kronen und güldenen Röcken. Mist fand ich wohl; aber die Könige sah ich nicht, es wollte keiner kommen; statt deren aber kamen zwei verlumpete Buben, ebenfalls mit Mistbännen, und frugen mich, wer ich sei, was ich da mache, wer mir das Recht gegeben habe, hier Mist aufzulesen? ich solle auf der Stelle nach Hause fahren und mich hier nicht mehr blicken lassen, sonst würde ich wüst abkommen. Anfangs war ich verblüfft und in der fremden Umgebung schüchtern, und mancher ist unter seinem Dache ein Held, einige hundert Schritte davon würde er vor jedem Hasen davon laufen; allein ich hatte an so vielen Orten mich schon prügeln müssen, daß diese Verblüfftheit nicht lange währte. Drei Tage hintereinander prügelten wir uns mit den nötigen Unterbrechungen; am vierten machten wir ein Bündnis zusammen: wir drei wollten den Mist auf der Straße durch das Dorf allein sammeln, und wenn jemand anders in unser erprügeltes Recht eingriffe, ihn schlagen, bis ihm die Lust dazu verginge; und wir behaupteten dieses Recht, so lange ich da war. Später erklärte man mir, wie man dieses Recht in der Kunstsprache heiße.

Nun ging erst ein lustiges Leben für mich an, und ich wäre unglücklich gewesen, wenn ich einen Tag nicht auf der Landstraße hätte sein können. Unsere Arbeit ließen wir uns nicht sauer werden und waren gar nicht der Meinung, daß wir den ganzen Tag unabläßig dem Mist nachlaufen müßten. Jeder machte seinen bestimmten Kehr: einer wartete oben an dem Stutz um zu spannen, und manchmal waren wir alle da, trieben Mutwillen und redeten Streiche ab. Ich stund besonders gerne vor dem Wirtshaus, und sah da den Fremden zu. Freilich sah ich keine Könige, aber doch schöne geputzte Herren und Frauen und schöne Kutschen, und malte mir dabei aus, wie es so herrlich sein müßte, in einer solchen zu fahren, und machte mancherlei Pläne, dazu zu kommen; dachte dann auch an meine Hühner und an den Haber, den die Pferde fraßen, und wenn ich eine Handvoll einstecken konnte in Augenblicken, wo niemand um die Pferde war, so fühlte ich mich überglücklich. Niemand hatte mich über die Pflichten gegen das Eigentum belehrt; ich hatte bis dahin aber nicht Anlaß sie zu übertreten gehabt; der Trieb war nicht geweckt worden; er erwachte und wurde genährt.

Die Alten waren sehr zufrieden mit mir geworden; denn mein Gewerbe brachte ihnen Geld ein. Den Mist begehrten sie nicht, sie sagten: «Miaßli, dr Mist bruche mr nüt, mr wette Narre sy, öppis z'pflanze, und d'Müeh ha; d'Bure chäu für is schwitze, u sy vermöge sauft, is z'erhalte; verchauf du ne wie d' chast.» Die beiden andern Buben hatten den gleichen Befehl von Haus aus; wir verkauften ihn so gut wir konnten, und lösten je nachdem wir Käufer hatten. Konnten wir z. B. den Mist dem alten Pfarrer bringen, so waren wir z'weg; er zahlte einen Batzen für einen Kratten, und wir machten ihn immer aparti für ihn z'weg. Er sah nicht mehr ganz gut, so mischte man dann Sand, Kot und Staub darunter und hatte im Schwick einen Kratten voll; und in der ganzen Gemeinde sahen alle vom Statthalter bis zum Säuhirten dem Spiel lachend zu und hatten ihre Freude daran; da gab es gute Losig an solchen Lieferungstagen. Das Spannen trug auch etwas ab, jedoch kam es auf das G'fell ab; es gab Tage, wo einer von uns nichts erhielt, ein anderer viel. Da versuchten wir eine gemeinschaftliche Kasse, welche aber nicht lange bestand, da keiner ehrlich sein und gehörig abliefern wollte. Lange wurde ich betrogen, merkte es endlich, betrog auch; sobald die andern es merkten, fanden sie keinen Vorteil mehr bei einer gemeinschaftlichen Kasse, und sie wurde aufgegeben. Etwas Gemeinsames besteht nur durch Gewalt oder durch Ehrlichkeit; die letztere hatten wir nicht, die erstere nur in unsern auswärtigen Angelegenheiten. (Ist etwa dies eine von den Stellen, bei denen man es mir so bitter nachträgt, daß ich dem Leser Verstand zugetraut, zu begreifen, was ich meine, und deswegen keine Erklärung beifügte: ob sie auf das Neue oder das Alte zu beziehen sei?) Ein dritter Erwerbszweig war das Betteln. Wir liefen keinem Bauernwägeli nach, wir fürchteten die Peitsche; wenn aber eine fremde Herrschaft durchs Dorf rasselte und beim Wirtshause hielt (denn im Fahren erhielten wir nichts, besonders wenn es Engländer waren), versuchten wir ihnen beizukommen; nur mußte es der Wirt nicht sehen, der gönnte uns nichts, er wollte alles allein für sich.

Am liebsten liefen wir Chaisen nach, in denen ein junger Herr und eine junge Frau oder Tochter saßen; die gaben fast allemal, und jeder wollte es zwänge, um zuerst zu sein, und manchmal gaben deswegen beide. Wo aber alte Weiber saßen und Herren mit Perücken oder Schnäuzen, da gaben wir uns keine Mühe. Eine vierte Quelle hätten wir noch sehr gerne aufgetan. Einer meiner Kameraden kam aus dem Lande her, wo es mehr Gänse und Schweine gibt als ordentliche Menschen, und erzählte uns, dort sei vor jedem Dorf ein Türli, bei welchem viel zu verdienen sei, viel mehr als beim Spannen. Nun hatten wir lange Beratungen, wie ein solches zu errichten wäre. Wir versuchten den Bauern einzuschwatzen, ein Türli machen zu lassen; wir konnten ihnen aber den Nutzen davon nicht einleuchtend darstellen. Der Frau Ammännin waren eines morgens alle ihre Gänse gestohlen worden. Da ordneten wir einen von uns ab, der ihr vorzustellen hatte, dieser Diebstahl wäre nicht geschehen, wenn ein Türli gewesen wäre; ein solches würden die Diebe scheuen. Sie glaubte es, gab dem Abgeordneten ein Stück Brot und die Sache kam vor den Gemeinderat, doch umsonst; die Mehrzahl meinte: Diebe würden durch ein Türli noch weniger abgehalten als ehrliche Leute. Endlich beschlossen wir, eins auf unsere Kosten errichten zu lassen; wir lasen den Platz aus und bestellten einen Zimmermann, um es aufzurichten. Dieser glaubte aber, wir wollten ihn für einen Narren halten, und prügelte den, den er erwischen konnte, ordentlich durch.

So mußten wir unser Finanzprojekt mit Weinen und Heulen fahren lassen; dessen ungeachtet verdienten wir des Tages manchmal nur zwei, aber auch zehn Batzen. Daraus mußten wir uns aber beköstigen; denn meine Alten gaben mir nichts mit. Ich kaufte gewöhnlich weißes Brot und Käse, meine Kameraden aber Lebkuchen, Zuckerkandel, Bärendreck und solche Dinge bei einer Krämerin, welche von vielen Bettlern, aber auch von vielen Bauernweibern den Zulauf hatte, weil sie mit ihnen Tauschhandel führte. Den Bettlern kaufte sie gegen Schleckereien um einen Spottpreis ab, was sie erbettelt, den Bauernweibern um ähnliche Ware, was sie ihren Männern verflöckt hatten. Die Leute wollten reich werden, und die da reich werden wollen, verfallen in Versuchungen und Stricke. Zu dem Gekauften verschafften wir uns aus den Baumgärten der Bauern und den Kirschbäumen an der Straße überflüssiges Obst. Wir kannten in jedem Hause an der Straße die Hausordnung; wußten, wenn man in jedem aß, ungefähr wie lange, kannten das Geräusch der Türe etc.; nach diesem allem richteten wir uns und kamen meist ungestraft davon. Wenn man uns schon von einem andern Haus aus sah, so hatten wir doch nichts zu besorgen; sobald es nicht über die eigene Sache ausging, rührte sich kein Bauer vom Essen, sondern sah recht trostlich zu, wie wir seinem Nachbar und dessen Kirschen zusprachen.

Mein übriges Geld lieferte ich ordentlich zu Hause ab, und erntete allemal Lob und Preis; und wenn ich schon einmal wenig oder nichts brachte, gab man mir auch gute Worte und den Trost auf bessere Tage. Damit lachten mich meine Bundesgenossen aus und meinten, ich solle einen Mutech machen, wie sie auch täten; sie verführten mich dazu, ich machte einige Batzen auf die Seite. Sobald sie dieses merkten, mußte ich mit ihnen etwas g'werbe, oder mit andern Worten, spielen, entweder Stöckeln oder Kreuz und Bär machen; einmal brachte einer sogar ein altes Spiel mit, und wir spielten nach seiner Anweisung, Gott weiß was. Richtig verlor ich all mein Geld an sie; mein Hinterhalten brachte mir nur Verdruß; ich ließ es also bleiben. Nur hie und da behielt ich einiges zu einem Messer oder etwas anderm, um damit zu händelen; denn wenn wir einen andern Buben zwischen uns bekommen konnten, so suchten wir ihn zum Händeln zu bringen; entweder sollte er uns etwas abkaufen oder verkaufen, und wollte er nicht, so wurde er gewöhnlich geprügelt oder wenigstens ausgeschimpft.

Als ich nun noch gar den Hühnern Hafer heimbrachte, ging den Alten eine neues Licht auf; sie lobten mich gar sehr, und auch die Hühner liefen mir das nächste Mal entgegen und umgaggerten mich; das dünkte mich gar lustig, und es mußte nicht zu machen sein, oder ich brachte ihnen Hafer mit. Allein der Stallknecht war auch nicht blind und nicht alle Tage fraßen Pferde vor dem Wirtshaus oder im Stalle, während niemand darin war; als ich deswegen traurig heimkam, sagten mir die Alten: «Aber, Miaßli, bis doch nicht so dumm, ds Chorn ist ja ryf und bald dr Haber o; we d' übers Feld geyst, so streif ume-n-ab, es merkt's niemer, und we d'Bure afa drösche, u wenn sie z'Imbiß esse, su sy g'schwind es paar Hampfele aus em Tenn g'no.» Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und brachte fast alle Abende reichliche Beute für meine Hühner nach Hause, so daß ich einen ziemlichen Vorrat sammelte für den Winter, und wir auch mehr Eiertätsch zu essen hatten, als in keinem Herrenhause.


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