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Die Rache und ihre Folgen

An einem Schnittersonntag war es, als ich wieder auf solche Weise hinter meiner Flasche saß, heiß von Wein und Wut. Durch die Nebentüre sah ich die Tanzenden, und unter ihnen auch meines alten Meisters, des Statthalters, Töchter, wie sie gar schön aufgeputzt daher rauschten, und, wenn sie keine vornehmen Tänzer fanden, auch mit andern vorlieb nahmen. Männer hätten sie wohl schon haben können; allein, die einen waren ihnen nicht reich oder vornehm genug, und den andern wollte der Statthalter zu wenig Ehesteuer geben, so daß sie des Märtens nicht einig wurden. Natürlich richtete sich mein Groll nun auf einen bestimmten Gegenstand, und ich konnte den Augenblick nicht erwarten, bis ihre Tänzer sie zum Weine brächten, um erst mit den Töchtern einen Wortwechsel anzufangen, und dann mit ihren Burschen eine Prügelte. Sobald sie da waren, fing ich an zu fragen, wie manchem Knecht ihr Alter seither den Lohn abgeleugnet hätte? So einer gehörte an einen andern Ort als ins Chor, und verdiente nicht einen Mantel, sondern eine apartige Kutte; es sei aber auch eine Regierung, zu welcher ein solcher Statthalter sich gar wohl schicke. Ich hielt ihnen vor, ihre französischen Bettstatten hätten ihnen auch nicht viel genützt, und wie manche Halbe Bätziwasser sie gebraucht hätten, ohne noch einen Mann zu bekommen. Dann frug ich, wie man jetzt das Fleisch bei ihnen koche und auf den Tisch gebe? und ich wolle wetten, wenn einist ihre Mutter gestorben sei, so werde es unghürig im Hause; die müsse alle Nächte wieder kommen, um Fleisch zu kochen und anzurichten. Da sollen sie machen, daß sie vorher Männer kriegten, ehe ihre Mutter stürbe; man habe sich vor ihr bei lebendigem Leibe gefürchtet, und wenn sie dann gar ein Gspenst sei, so käme kein Kilter mehr, nicht einmal solche Mooskälber, wie da zwei neben ihnen sitzen. Die Töchter hatten mir lange die Stange gehalten, die ganze Stube uns zugehört und das Feuer immer frisch angeblasen, ihre Begleiter auch darein geredet und gedroht, waren aber doch hübsch sitzen geblieben. Auf das letzte hin fing eine der Töchter zu weinen an; die Leute lachten laut auf, und die Burschen konnten nichts machen, als die gesuchten Händel anfangen. Ich schlug sie tüchtig ab, wobei des Statthalters Töchter auch noch einige blaue Mosen bekamen, prügelte noch manch andern dazu, erhielt auch meine wackern wieder, sang im heimgehen ein lustig Lied, wie seit langem nie, und schlief so fest und wohl, daß der Meister mich wecken mußte. Bald nach ihm erschien ein Landjäger und beschied mich nach dem Schlosse. Ich frug, welchen Tag ich erscheinen solle? glaubend, es gehe wie andere Male; aber der Landjäger verdeutete mir, ich hätte gleich mit ihm zu kommen. Das verwunderte mich gar sehr, war doch die Prügelte nicht halb so arg gewesen, wie manch früher Mal. Ich wußte damals noch nicht, daß alle Vergehen wegen irgend etwas, das zur Regierung gehörte, nicht nur doppelt und dreifach, sondern auch von Amtswegen, ohne bestimmte Kläger, gezüchtigt würden; ich wußte nicht, daß zu diesen Menschen, für die das Gesetz von Rechtswegen, während es für andere nur aus Gnaden da war, nicht nur der Statthalter, sondern auch seine Töchter, und nicht nur diese, sondern auch ihre Kilter gehörten; ich wußte nicht, daß es an den Hals ging, wenn man solche Begünstigte nur mit einem Finger berührte, und der Rücken darhalten müsse, wenn man einem von ihnen nur in seinen Schatten trappe. Aber sobald ich in die Audienzstube trat, sah ich, daß da ander Wetter sei als sonst. Wie gewohnt, saß die Frau Landvögtin mit der Lismete da; aber diesmal lismete sie nicht, sondern hörte mit angestrengter Aufmerksamkeit zu. Der Herr fuhr mich zornig an, kam aber im Reden gar nicht fort; man konnte nicht verstehen, was er meinte. Endlich winkte die Frau dem Landjäger; der führte mich in die Wartstube, bis wieder geklingelt wurde. Der Herr hatte sich gefaßt und fing ein zwar langsames, aber verständliches Verhör an. Die Prügelte war nur die Nebensache, meine Reden die Hauptsache.

Ich sollte Rede stehen, was ich gestern über die Regierung gesagt habe; über die Scheltungen, die ich wieder gegen den Statthalter ausgestoßen. Ich wollte nun erzählen, wie der Statthalter mich behandelt, um meine Reden zu erläutern gegen denselben. Aber die Frau winkte mit dem Finger wieder, und ich wurde abgeführt, bis es klingelte. Nun legte der Herr mir bestimmte Fragen vor: Ob ich nicht gesagt, die Regierung bestehe aus lauter schlechten Leuten, sie verdienten alle apartige Kutten zu tragen usw. Als ich einige beantwortet hatte, aber nicht wie man wollte, so winkte es abermals; aus meinen Worten zog die Frau neue Fragen und diktierte sie dem Herrn; so bis die Köchin kam und sagte, ds Herr Landvogts chönni cho esse, dSuppe syg uf em Tisch. Ich wurde ins Gefängnis geführt, mit dem Bedeuten, daß ich nachmittags besser die Wahrheit sagen solle, erhielt aber doch ordentlich zu essen. Nachmittags die gleiche Geschichte. Neue Beschuldigungen kamen zum Vorschein, allgemeine, und gegen den Statthalter insbesondere. Lange dauerte diesmal das Verhör, ohne Unterbrechung. Während dem Essen hatte die gestrenge Frau Zeit gehabt, den Herrn Gemahl gehörig zu instruieren. Endlich wurde zwischen den zwei Ehehälften und dem Schreiber eine lange Unterhaltung gepflogen, deren Resultat war, daß man mir ankündigte, man werde am Morgen Zeugen gegen mich aufführen und abhören, und wenn ich dann nicht eingestehen wolle meine Lästerungen gegen die gnädigen Herren und ihre getreuen Beamteten, so habe man Haselstöcke genug im Schloß, um mir das Maul aufzutun; das sei schlecht von mir, von der Regierung, welcher ich so viele Wohltaten zu verdanken hätte, so zu reden, und ihr nicht einmal Treu und Wahrheit zu leisten, wie es in der heiligen Schrift geboten sei. Worin die erhaltenen Wohltaten, die man mir vorhielt, bestanden, sagte man mir nicht, und ich hatte nicht Zeit, darnach zu fragen; der Landjäger, der wahrscheinlich durstig war, pressierte, mich abzuführen. Hätte ich fragen können, so hätte ich wahrscheinlich vernommen, ich sei ein uverschante Kerli, und man werde mir das Räsonnieren schon vertreiben.

Es ist überhaupt merkwürdig, wie eine gewisse Klasse Berner sich das Wort «Wohltaten» angewöhnt hat, und es sich noch jetzt nicht abgewöhnen kann, und es jetzt besonders im Zunftwesen gebraucht, aus den Zunftgütern für sich braucht so viel man will, von Rechteswegen, und, was man andern zukommen läßt, Wohltat heißt. Nichts Lächerlicheres gibt es aber, als wenn ein ehrlicher Zopfbürger, den man in der Stadt zu etwas gemacht, eben, weil er ein Tropf ist, die gleiche Sprache führt wie ein Landesfürst oder ein Erzengel.

Des andern Morgens sah ich eine Menge Leute nach dem Schlosse kommen: des Statthalters Töchter, ihre Kilter, den Wirt, Geprügelte und Ungeprügelte durcheinander; und als ich endlich in die Audienzstube geführt wurde, fand ich dieselbe halb voll sogenannter Zeugen aller Art, die Frau Landvögtin aber nicht darin. In der Nebenstube hinter der Türe saß sie und lismete, und dort ging der Herr zuweilen Atem oder Rat zu schöpfen, ich weiß nicht welches. Diese Zwischentüre soll noch heutzutage sehr komod sein. Der Herr begann nun sein Verhör, ohne irgend jemand abtreten zu lassen, und billigermaßen mit den Töchtern, die zu hinterst am Schwanze der Familien hingen, deren Landgut das ganze Land war. Es handelte sich über mein Verbrechen gegen die Regierung und ihre Beamtete, und da sollten nun alle als Zeugen aufgeführt werden, die anwesend gewesen. Die erste Tochter wurde gefragt: was ich denn gegen die gnädigen Herren gesprochen? Sie antwortete: ich hätte ihr die französische Bettstatt vorgeworfen, und noch viele andere wüste Sachen, und am Ende sie noch gar geschlagen; sie hätte noch jetzt große Mosen, und wolle sie dem Junker Landvogt gerne zeigen; er könne daran sehen, was ich für einer sei. Der gute Herr kam in Verlegenheit, seine Frau hinter der Türe verstund nicht Spaß; da ihm aber in der Verlegenheit das Reden schwer war, so gelang es ihm fast gar nicht, nicht sehen zu müssen, was er nicht sehen sollte, und durchaus nicht, das Mädchen von seinen Mosen auf das andere Kapitel zu bringen. Die andere Tochter merkte, daß das nicht recht sei, wußte aber auch das Rechte nicht zu fassen, sondern meinte: ich hätte gesagt, ihr Vater hätte mich um den Lohn betrogen, und die Regierung verdiene einen solchen Schelmen nicht; ihre Mutter sei eine Hexe, und werde einist ein Gespenst, weil sie niemerem Fleisch gönni; aber das wisse doch die Frau Junker Landvögtin wohl, daß das nicht wahr sei, und auch der Schreiber könne es sagen, daß sie andern Leuten etwas gönnten; sie hätte ihm erst gestern so gute Nidle gebracht, die er so gerne schlecke.

Da hustete es sehr laut in der Nebenstube und ich vernahm, daß die Junker Landvögtin ihrem Herrn, der nicht ganz leicht hörte, sagte: «Das chunt nüt nutz, du mueßt eis na'm andere näh!» Das geschah nun; aber das Verhör ging verzweifelt lang, wurde unterbrochen durch die Köchin und fortgesetzt, ohne daß der Herr auf dem Ohr gewesen wäre. Am Abend endlich ging der letzte Zeuge fort; ich wurde hineingerufen. Der Herr Landvogt wollte mir nun das Verhör ablesen und das meinige beginnen; allein der Schreiber bemerkte, es sei dazu doch wohl spät; man solle mir nur zu bedenken geben, daß ich morgen bei jeder Frage, die ich nicht bejahe, Prügel erhalten würde; denn alles sei bewiesen. Das sollte also ein noch weit bequemeres Verhör geben, als das jenes Junkers, dem sein Schreiber (nicht die Frau) ein Verhör aufgesetzt, mit der Bemerkung unter jeder Frage: Antwortet Delinquent das, so wird so gefragt; antwortet er aber so, das. Der Junker las nun ohne Unterbrechung die ganze Geschichte, Frage und Antwort, dem armen Sünder ab, und wollte es von ihm bestätigt wissen; dieser weigerte sich; da sagte der gestrenge Tropf: «Da gseht dr, Herr Amtsschriber, wie das eine-n-isch; Landjäger! tue mr dä Säubueb hingere.» In meinem Gefängnisse überlegte ich das Verhör und die Prügel; was ich nicht gesagt, wollte ich nicht eingestehen, Prügel wollte ich auch nicht. Ich merkte wohl, daß der Statthalter, der Fuchs, meiner gern los sein wollte und, um dieses desto leichter zu bewerkstelligen, mich als einen unzufriedenen, aufrührerischen Kopf recht schwarz angemalt, und daß eine solche Geschichte für den Junker Landvogt ein seltenes Herrenfressen sei, an dem er sich selbst erlaben und höhern Orts mit Hilfe seiner Frau wichtig und berühmt machen wolle. Ich gedachte, es sei schon mancher aus seinem Gefängnis entronnen, und zum Glück sei ich nicht im B…g...r Schloß, wo man seit Menschengedenken keinen habe entrinnen lassen; auch sei kein H...wyler, die berühmt sind in solchen Diensten, Kerkermeister. Ich brauchte List und Kraft, und obgleich ich kein Z...er war, die im Entwischen eine besondere Gewandtheit besitzen sollen, auch kein Maurer von Profession, befand ich mich doch in wenig Stunden im Freien und lachte über die langen Nasen, die man morgen im Schlosse haben werde.


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