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Wie ich Rekrut werde und allerlei Betrachtungen mache – Mein Aufenthalt in französischen Diensten

Nur daran hatte ich gedacht, den Prügeln zu entkommen, einen weitern Plan nicht entworfen. So viel war mir klar, daß man mich zuerst bei meinem Meister suchen, diesen zur Rede stellen werde: wo ich sei und wohin ich mich gewendet? Ich schlug daher den entgegengesetzten Weg ein, ohne zu bedenken, wohin er führe. Es ward Tag; ich mäßigte meinen Schritt, zog meine Gedanken ab von meiner Schadenfreude: wie sie luegen werden, wenn sie das Nest leer fänden? und begann mich umzusehen, wohin mein Weg mich bringen und was ich vorzunehmen hätte. Da trat aus einem Wirtshause am Wege ein Mann heraus, gesellte sich zu mir und betrachtete mich von oben bis unten.

Das kam mir verdächtig vor; zudem hatte er etwas in Postur und Kleidung, das einem verkleideten Landjäger ähnelte. Auf seine üblichen Fragen, woher und wohin, gab ich daher ausweichenden Bescheid oder gar keinen; denn im Ersinnen von Lügen war ich nicht bewandert. Der Mann, welcher in der Welt herumgekommen, merkte bald, daß bei mir etwas nicht richtig war, daß ich etwas zu verhehlen hatte, was aber doch nicht gar zu arg sein müsse, da ich am hellen Tage auf der Landstraße mich zeigte. Gerade diese Gemütsstimmung war ihm die rechte, um meines Körpers sich zu bemächtigen, den er immer sehr wohl, gefällig betrachtete.

Er gab sich als Werber in französischen Diensten zu erkennen, erzählte von dem Wohlsein der Soldaten und wie sie in Paris ein lustiges Leben hätten, und wie man dort von dummen Bauern nicht mehr geplagt werde um einen elenden Lohn. Da könne man leben wie ein Herr, sein Glück machen, ja, Oberst werden; sie hätten einen bei ihrem Regimente, der sei auch nur als gemeiner Soldat eingetreten, und jetzt sei er Oberst und habe einen Schnauz, den er unter dem Kinn knüpfen könne. Ich fing an zu hören; es öffnete sich da eine Aussicht, an die ich gar nicht gedacht. So mit einem Schnauz und einem großen Dreizink zurückkehren und dann in einem andern Ton mit den Leuten sprechen zu können, das schien mir gar zu prächtig. Ich frug nach Mehrerem, zeigte immer mehr Interesse; der Werber merkte, daß ich angebissen, und wie ein guter Angler zog er nicht plötzlich an, sondern so nach und nach, daß ich nicht weiß, wer eigentlich mit klaren Worten zuerst hervorrückte.

Er sagte mir nun, wir gingen jetzt gerade auf Bern ins Werbbureau; dort werde meine Kapitulation ausgefertigt und das Handgeld mir ausbezahlt werden. Das hatte ich gar nicht gedacht, sondern geglaubt, wir beide marschierten jetzt fußwarm nach Frankreich hin. Ich trug ihm meine Geschichte vor, und meinte, gar nicht nach Bern gehen zu dürfen, weil mein Landvogt mich der Polizei übergeben und diese mich in Bern am geschwindesten finden werde, da dort so viele Landjäger sein sollen als Abweissteine. Lieber, erklärte ich, als daß ich nach Bern gehe, gebe ich den Handel mit ihm auf; er solle seiner Wege gehen, und ich wolle schon einen Ort finden, wo der Landvogt nicht hin schmöcke.

Da sagte er lachend, ich sei auch so ein dummer Bauernkerl, der gar nicht wisse, wie es in der Welt zugehe. Ein Landvogt sei ein Herrgott in seinem Amte, da könne er regieren und kujonieren, so viel die Bauern erleiden möchten; aber in Bern, da habe er gar nichts zu befehlen; da sei ein Schreiber und ein Lieutenant in der Stadt mehr als ein Landvogt auf dem Lande; und wenn einer von ihnen in die Stadt komme, der auf seinem Nest keinem für einen Gruß danke, so ziehe er den Hut ab und bücke sich vor jedem Sekretär und tue mit eines jeden Ratsherren Jean wie ein alter Bekannter. Sobald wir nach Bern kämen, wollten wir zu seinem Lieutenant; dessen Vater sei Seckelmeister, und wenn der Landvogt nur ein Wort sage, so kriege er einen tüchtigen Abputzer für die ganze dumme Geschichte. Es komme da immer darauf an, wer den ersten Bericht mache und wer einer Sache sich annehme. Überhaupt sei man ein ganz anderer Mensch, wenn man in Städten wohne, statt auf dem Lande. Man fühle das auch gleich, und man sei kaum ein Jahr in einer Stadt, sei man nun wer man wolle, Junker oder Burger, Schreiber oder Pfarrer, Stallknecht oder Stubenmagd, Laufbub oder Kirchenrat, so begreife man erst recht, wer man eigentlich sei, und müsse alle andern für nicht viel besser als Esel, Kälber und Kühe ansehen, man möge wollen oder nicht. Das kam mir damals unbegreiflich vor; Ich hatte aber bald Gelegenheit, die Wahrheit eines Teils dieser Behauptung zu erfahren; und die Wahrheit des letzten Teils: daß, wer in die Stadt ziehe, in Jahresfrist seine frühern Kameraden mit ganz andern Augen ansehe und ein ganz anderer sei, und daß, wenn man von ihm wolle angesehen werden, man eine ganz besondere Ehrerbietung an den Tag legen müsse, was denn auch viele nicht ermangeln, und daß, wer dieses nicht tue, mit entfernender Kälte behandelt oder als böser Kopf, ehedem als Liberaler, jetzt als Aristokrat oder von dem einen so, dem andern anders, kurz, als ein dummer Mensch, der weder fassen noch urteilen könne, vermalestiert und abgefertigt werde –: wer hat ehedem und dermalen das nicht erfahren? Ja, man behauptet, diese Verwandlung komme auch an Leute, welche nur einen kleinen Teil des Jahres in der Hauptstadt seien, und Regierungsstatthalter und Gerichtspräsidenten, denen dieses Glück zu Teil werde, redeten in ganz anderem Tone als früher, und in einem ganz andern Tone zu Menschen, die das ganze Jahr über, oder teilweise, oder nur einige Tage in der Hauptstadt seien. Ja, man behauptet, es gebe Menschen, welche ein besonderes vorahnendes Jucken in sich fühlten, alle Menschen für Esel anzusehen außer sich, und diese böten alle Mittel auf, wie die Juden beim Schachern, um in die Hauptstadt zu kommen, und je mehr sie sich zu erheben gedächten, desto mehr erniedrigten sie sich auf die gemeinste Weise und mit Verleumdung und allerlei großen Worten. So sagt man; ob es wahr ist, weiß ich nicht. Indessen ging es gerade so, wie mein Werber gesagt hatte. Der Herr Lieutenant nahm mich in Gnaden an, hatte unbändige Freude an dem Prachtkerl, versprach vollkommenen Schutz und lachte über den Landvogt nicht wenig. Ich hatte damals meine sehr große Freude daran, daß so ein französischer Lieutenant in Bern mehr zu bedeuten habe als ein Landvogt; ich wußte damals auch noch nicht, daß es doch noch darauf ankomme, von welcher Familie der Lieutenant oder der Landvogt sei, oder wer mehr Freunde oder Verwandte im Rat hatte.

Nun war ich also schweizerischer Soldat im Dienste der französischen Majestät. Es kann nicht meine Absicht sein, alles zu erzählen, was mir während meiner langen Dienstzeit begegnet ist. Ich merke bereits, daß es mir gegangen ist, wie es ungelehrten Leuten gewöhnlich geschieht: je seltener sie zum Tampen Zeit haben, desto weniger können sie aufhören, wenn sie einmal sich warm geschwatzt haben. Wenn ich alle meine Erfahrungen erzählen wollte, so gäbe es ein dickes Buch wie die Bibel, und da würde es diesem Buche (mit Respekt nicht zusammengezählt!) auch gehen wie der Bibel: selten jemand würde es lesen; und doch schreibe ich es gerade deswegen, daß die Leute es lesen möchten; denn es soll ein Spiegel für viele sein. Meine Absicht ist, aufzuschreiben, was im Vaterlande mir begegnete, damit dabei etwas lernen könne, wer dieses liest. Von meinem Soldatenleben will ich nur erzählen, was jeder Schweizer davon wissen sollte, und was zur Erklärung meiner Person und meines endlichen Schicksals durchaus notwendig ist.

Eine neue Zeit sollte nun wieder in Frankreich beginnen und fünfundzwanzig vergangene Jahre der Vergessenheit übergeben, ausgekratzt werden die Züge, welche sie der Erde und den Menschen eingegraben. Wie Krähen bei einer Metzgeten, flatterten von allen Seiten Leute herbei, die nichts gelernt, nichts vergessen hatten. Von den alten, im Feuer und Wasser Erprobten behielt man nur so viele bei, als notwendig waren, die Maschine gehen zu machen, oder die, welche sich zu stellen vermochten, als hätten sie sich bis dahin verstellt, und wären eigentlich immer gewesen Leute von sogenannter guter Gesinnung, also gutgesinnte Leute, das heißt Leute, welche von Grund ihres Herzens überzeugt seien: es gebe zweierlei Menschen, die einen mit Sporen an den Füßen geboren, die andern mit Sätteln und Rücken, die einen vom Schöpfer zum Reiten und die andern, um geritten zu werden, ausstaffiert. Und wie es jetzt in allen Ämtern geschah, also geschah es auch in den Schweizerregimentern. Die alten Helden an der Beresina und die wackern Helden auf dem Marsfelde wurden, wenn die Gnade groß war, in Linienregimenter gesteckt, sehr viele aber, besonders die, welche zu vornehmen Schlechtigkeiten nicht schweigen wollten, mit Kopfnicken zur Ruhe gesetzt; und, wie Mäuse aus ihren Löchern, so krochen und hüpften, nachdem der Pulverdampf sich verzogen hatte, eine Menge Jünkerlein, die höchstens einmal einen Feuerteufel gerochen oder auf dem väterlichen Misthaufen einen Spatz geschossen hatten, herbei, und füllten die Garderegimenter. O, das war ein ganz eigener Anblick, ein Regiment zusammengesetzt aus den Männern der Kaiserzeit und den Leutchen der alten oder neuen Zeit, wie man will. Wie sie vor der Fronte stunden, die gebräunten Männer mit dem sichern Blick, dem eisernen Tritt, verschwistert Säbel und Arm, das Bewußtsein der Beresina in jedem Wort, jeder Bewegung; und unter ihnen dann die blanken Gesichter mit den dummen hochmütigen Augen, das Kinn hinaufgeschraubt zu höchst möglicher Keckheit, mit dem stolpernden Hahnenschritt, dem verlegenen Säbel, den verlegenen Händen, der schillernden Stimme und dem suchenden Blick, der etwas finden wollte und doch nichts sah – wer erinnert sich nicht dieses Anblicks? Und wie sich die Leute Augen machten, wie die einen glühten im kaiserlichen Zorn und Verachtung, und wie die andern starrten in aristokratischem Hohn und Übermut, und wie diese so oft vornehm auf die Seite und manches mit hoher Nase übersahen, was nicht nur den Säbel, sondern auch das Herz in Verlegenheit gesetzt hätte – wer erinnert sich nicht noch dessen? Aber es ändern sich die Zeiten, und mit ihnen die Menschen.

Von oben herab wehte scharf der Wind und immer schärfer gegen jede kaiserliche Erinnerung. Die gebräunten Männer wurden immer seltener vor der Fronte; und an einem schönen Morgen sah man Marschälle und Obersten, deren Schwerter auf hundert Schlachtfeldern im Siege gefunkelt, deren Adleraugen ebenso oft im Siege geblitzt hatten, mit Wachskerzen in den Händen, gesenkten Hauptes, schleppenden Schrittes durch die Straßen ziehen; da senkte sich manches andere Haupt, und seinem Auge entquoll eine Träne schmerzlicher Erinnerung. Die alten Soldaten sahen mit einem eigenen Gefühl die neuen Offiziere; ihnen waren alle Träume von Epauletten mit Offiziers-, Hauptmanns-, Obersten-Zeichen verschwunden; sie mußten sich von Menschen befehlen lassen, die weniger wußten als sie, mußten sich oft der Unkunde ihrer Offiziere wegen von ihren Kameraden auslachen lassen. Sie mußten sich nun auf einmal das Benehmen der Offiziere in Friedenszeiten verbunden mit der junkerlichen Kühle und Schroffheit gefallen lassen. Im Felde, wo man zum Leben und Tode gesellt ist, wo das Leben der Offiziere in der Soldaten Händen ist, wo im Gewühle der Schlacht der Schuß eines Kujonierten unbemerkt töten, der Schluck aus einer Feldflasche retten kann, da schließt unwillkürlich der Offizier dem Soldaten sich an, und bei aller Disziplin bildet sich ein kameradschaftliches Leben; aus einem Kessel ißt man, an einem Feuer liegt man. Von diesem Leben wußten aber die, welche nur auf dem Depot ihre Lorbeeren erworben hatten, oder die, welche ihre Stiefel noch frisch gewichst aus Berns Lauben brachten, nichts. Ohnedem entfremdet der Garnisonsdienst, wo das Leben so scharf sich trennt, kein Lieb und Leid zu teilen ist, fast unwillkürlich Soldaten und ihre Obern, und dem besten Offizier wird es ordentlich schwer, sich im rechten Verhältnisse zu bewahren. Und wenn so ein aufgeschraubter, frisch gewichster Lieutenant oder Hauptmann einen ansah, so kam einem unwillkürlich ein foutue bête zwischen die Zähne. Dies tat besonders den alten Unteroffiziers weh, und ihnen geschah am meisten, daß sie zuweilen gegen solche Puppen den schuldigen Respekt vergaßen, obschon sie eingewohnt waren in die eiserne kaiserliche Disziplin. Es waren meist nur kleine Verstöße, im Unmute entfahren, die aber doch gewöhnlich das Verlieren der Schnüre zur Folge hatten.

Nach und nach verschwanden bei der Garde auch mehr und mehr die alten Unteroffiziers, und die, welche blieben, fügten sich in die neuen Menschen, wurden schmiegsam, warteten auf und rapportierten so viel sie konnten und entluden einen großen Teil der Herrleins aller fernern Sorge um ihre Leute, damit sie Zeit übrig behielten für ihre Figur und andere Figuren auf Kanapees und Spielkarten. Dort waren ihre Schlachtfelder, dort holten sie ihre Wunden; und es war allemal ein Regimentsspektakel, wenn einer zum erstenmal hinkend oder mit dem weiten Geleise nebenbei lief und verschämt tat, oder drein schaute wie ein Bullenbeißer. Später zogen dann die Herren auf, so gelassen, als ob so etwas sich von selbst verstünde, und Pauken und Trompeten eben nichts anderes wären, als vornehme Gügerlein, also etwas ganz Ordinäres.

So etwas wirkte natürlich nicht am besten auf die Soldaten ein, die keine Kriegsehre im Leibe hatten, sondern nur den Kamaschendienst vor sich; auf alle Fälle verlor sich Scham und Scheu vor etwas, dessen man sich im Vaterlande auf das höchste schämt. Aber etwas anderes wirkte noch viel verderblicher, das war die Geringschätzung der Offiziere gegen unsern Gottesdienst. Sie legten es deutlich an den Tag, daß Feldprediger, Religion, Gottesdienst sie eigentlich nichts angingen, sondern nur für uns da seien, damit wir sogenannte Habersackpredigten zu hören bekämen und in Gehorsam gehalten werden könnten. Von ihnen kam nur, wer mußte, während wir hineingetrieben wurden; wer von ihnen kam, schlief, oder hörte sonst nichts, oder tat nichts als aufpassen, wer sich etwa rege, warf sich in die nachlässigste Stellung, je nach der persönlichen Eigentümlichkeit; und am Ende äußerte er sich vielleicht noch: das wäre aber eine Predigt gewesen, welche keine Sau gefressen hätte. Was mußten da wohl für Gedanken und Gefühle bei uns erwachen? Wenigstens keine religiösen.

Wenn wir dann Spaliere bildeten bei königlichen Prozessionen, oder die Begleitung bei königlichen Messen, da sahen wir unsere Offiziere alle, sahen sie in größter Aufmerksamkeit, ja Andacht, sahen sie der größten Ehrerbietung sich befleißen, sahen sie also ganz anders in fremdem Gottesdienst, als im eigenen. Was meint man wohl, was wirkte das, und dazu auf Menschen, die mehr oder minder roh waren, und daher in keiner Meinung, in keinem Glauben selbständig, ohne inneres Gegengewicht gegen die Sinnlichkeit, die so gerne alle Schranken durchbricht! So wurden wir unwillkürlich der Herrschaft unseres großen Herrgottes entzogen; aber dem frugen unsere kleinen Herrlein wenig nach. Vielleicht sahen einige es gar nicht einmal ungerne; teilt doch so ein kleines restauriertes Menschlein seine erhaltene Macht nicht gerne mit jemand, am wenigsten mit dem großen Gott, könnte ihm da ja gar nichts übrig bleiben! Und doch fühlten sie nicht Kraft genug in ihren wattierten Herzen und den selbstgemachten Gesetzen, uns ohne Gott in Reih und Glied zu behalten. Daß unser einer auch eine Seele hätte, daran hatten viele ihrer Väter schon mehrere hundert Jahre lang kaum mehr gedacht; warum sollte es gerade jetzt den dummen Enkeln beifallen? Was aus uns würde, was wir heim brächten ins Vaterland, haben das die je bedacht, welche Schweizerblut verkauften, Sold für die eigene verfallene Haushaltung, Brot für die verwahrlosten Söhne suchten? Gerade dieses Reislaufen unter obrigkeitlichem Schutz und Garantie brach den echten Schweizersinn; da wurden die Freien dressiert, bis sie Knechte wurden, bis sie schmeicheln, Stellen nachjagen konnten; da wurden sie entnervt durch fremdes Geld und fremde Laster, die einen reich, die andern desto ärmer. Aus den stehenden Heeren trug sich allmählich die Ordnung über in alle Verhältnisse des Vaterlandes, und wer unberufen das Maul auftat, kriegte Stockschläge, wie der Soldat in Reih und Glied, der räsonnierte.

Und in den reformierten Kantonen wirkte es aus oben angeführten Gründen noch viel schädlicher als in den katholischen.

Ich bin weit entfernt zu tadeln, daß die Schweizer, wenn sie keine eigenen Kriege hatten, sich schlugen in den Kriegen Anderer; lag es doch einerseits in den Sitten der Zeit, und haben die Schweizer ein eigenes kampflustiges Gemüt und eine eigene Hand, in die nicht nur der Pflug, sondern auch das Schwert paßt. Aber das verdamme ich, daß das angewohnte Reislaufen, welches die Obrigkeit, wenn es am gefährlichsten war, nie zu hemmen vermochte (höchstens die kleinen Diebe hängte sie, die großen ließ sie immer laufen), gedreht und förmlich organisiert wurde, daß es ward ein Brotkorb gewisser Familien, eine Pflanzschule von Herren und Knechten, ein Grab vaterländischer Tugend, ein fruchtbarer Schoß fremder Laster, eine Werkstätte ruchloser Gemüter, die nichts Heiliges mehr kannten. Das verdamme ich, daß an diesen organisierten fremden Dienst das Pensionswesen sich knüpfte, das unter verschiedenen Gestalten fortdauerte bis auf die neueste Zeit; daß um eine Lieutenants- oder Hauptmannsstelle beeidigte Väter des Landes in den vaterländischen Ratssälen ihre Stimmen und des Vaterlandes Söhne verkauften. Ist dies nicht, so ist fremder Kriegsdienst den Schweizern heilsam; sie müssen auswandern, haben im engen Lande nicht Platz und für böses Blut ist Kriegsdienst die kräftigste Badekur. So hatten wir beim Regiment nichts anders als das Vorspiel des aristokratischen Lebens zu Hause, auch eine Art Äußern Stand, nur mit dem Unterschiede, daß man bei uns weder Sinn noch Sitten zu bemänteln nötig zu haben glaubte. Von den Herren selbst hatten wir direkt wenig zu leiden; die meisten bekümmerten sich nicht um uns; einige sogenannte Regimentsbüffel (man nannte sie so, weil die meisten derselben kurze Hälse hatten) ausgenommen. Die schnurrten jeden an, und brachten etwas vor, um sich wichtig zu machen. Um die Offiziere aber stunden in dreifacher Kette die Reihe der Unteroffiziers und Instruktoren als Brillen und Eselsbrücken. Um die her in weiterm Kreise ihre Günstlinge, Nachwuchs in ihre Reihen, dann die tributpflichtige, zu hudelnde Menge der Unbedeutenden, auf die man nicht viel Rücksicht nahm, die aber viele Rücksicht zu nehmen hatten. Aus ihr taucht hie und da einer auf, der sich nicht alles will gefallen lassen, der räsonniert, klagt usw. Aber es ist gewöhnlich nur hie und da einer (das Zusammentreten mehrerer wäre als Aufruhr angesehen worden); von seinen Kameraden wird er, wenn es allfällig zum Reden kömmt, nicht unterstützt; er erhält seine Nüsse vor den Kopf, richtet nichts aus, wird auf die Mugge genommen, bis er zahm wird oder sich entfernt.


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