Friedrich Gerstäcker
Die Flußpiraten des Mississippi
Friedrich Gerstäcker

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Kapitel 28

Patrick O'Toole schritt, als er die Männer am Ufer verließ, rasch zu des Richters Wohnung hinauf. Diesen wollte er jedoch nicht etwa von seiner Absicht in Kenntnis setzen. denn er verlangte die Hilfe des Gesetzes noch nicht, sondern ihn vielmehr um den Kompaß bitten, da der Nebel immer dichter und hartnäckiger zu werden schien. Er fand aber den Richter nicht zu Hause, und da ihm die Leute dort auch nicht einmal bestimmt angeben konnten, wann er wieder zurückkehren würde, so beschloß er kurzerhand, auch ohne Kompaß aufzubrechen und sein gutes Glück zu versuchen. Ohne weiteres Zögern schritt er also zu seinem kleinen Boote zurück, machte es flott und ruderte nun langsam am westlichen Ufer hin, Bredschaws Wohnung zu, die er mit der Strömung in etwa einer Stunde erreichen konnte. Solange er sich so nahe zum Lande hielt, daß er das Ufer oder wenigstens die dunklen Schatten der Bäume noch erkennen konnte, ging das auch recht gut. Von Snags und Sawyern hatte er nichts zu fürchten; sein Fahrzeug war zu leicht, um von diesen ernstlich bedroht zu werden, und warf ihn auch die Flut dagegen, so trieb er bald wieder los. Höchstens konnte ihn vielleicht, wie das in der Tat manchmal geschieht, ein plötzlich empor schnellender Sawyer so auf die Seite werfen, daß er etwas Wasser einnahm. Das kam aber sehr selten vor, und rüstig, nur manchmal Ausschau haltend, ob er nicht ein erhebliches Hindernis vor sich sehe, legte er sich scharf in die Ruder. Der leichte Kahn schoß fast pfeilschnell auf der schäumenden Strömung und an Wald und steiler Uferbank vorübergerissen hin, bis sich rechts die Bucht öffnete, die Bredschaw bewohnte. In diese lief er ein und hörte nun von dem jungen Mann dieselbe Kunde, nur noch ausführlicher und bestimmter, wie jener sie dem Indiana-Bootsmann mitgeteilt hatte. Er fühlte sich jetzt auch ziemlich fest überzeugt, daß sein Verdacht nicht allein begründet gewesen sei, sondern daß er sogar die ziemlich sichere Spur habe, dem nichtsnutzigen Gesindel, gegen das er einen unbesiegbaren Groll hegte, auf die Spur zu kommen.

Allerdings riet ihm Bredschaw ebenfalls ab, solchen Weg so unvorbereitet und allein und noch dazu bei solchem Nebel zu unternehmen, wo er ja gar nicht imstande sein würde, die Insel zu finden; O'Toole aber, der störrisch das einmal angenommene Ziel verfolgte, erklärte, unter jeder Bedingung wenigstens den Versuch machen zu wollen, und meinte dabei ziemlich richtig, eigentlich sei solches Wetter gerade das geeignetste, da jener Platz, wenn er wirklich der Aufenthaltsort von Verbrechern wäre, heute gewiß nicht so sorgsam bewacht würde wie sonst. Er hielt sich denn auch, um die schöne Zeit nicht unnötig zu versäumen, nur kurze Zeit bei Bredschaw auf und nahm, von diesem fast gezwungen, noch eine wollene Decke mit für den Fall, daß er genötigt sein sollte, länger auszubleiben, als er jetzt beabsichtigte. Dann band er mit frohem Mute sein Fahrzeug los, dem jungen Mann noch dabei zurufend, er solle bald wieder von ihm hören, den Bootsschuften wolle er's aber eintränken, ihn auf solche Art zu behandeln.

Bredschaw blieb am Ufer stehen und sah ihm nach, bis das Boot seinen Blicken entschwand; nur noch eine Zeitlang hörte er die regelmäßigen, langsamen Ruderschläge des wackeren Iren, und dann verschollen auch diese endlich in weiter, weiter Ferne.

O'Toole ging keck und unverzagt, ein echter Sohn der ›grünen Insel‹, seinem Abenteuer entgegen, und mehr noch war es fast ein glücklicher Leichtsinn, ein sorgloses Überlassen der Zukunft als rein tierischer Mut, der ihn zu allerdings ungeahnten Gefahren trieb. Niemand in Arkansas hatte es aber auch für möglich gehalten, daß sich inmitten zivilisierter Staaten, auf dem breiten, einem jeden Boot offenen Wege des ganzen westlichen Handels eine so wohlorganisierte, fürchterliche Bande festsetzen und behaupten konnte, wie es hier wirklich der Fall war. Nicht einmal Waffen hatte er mitgenommen, ein einfaches kurzes Jagdmesser ausgenommen, das er unter der Weste mit einem Bindfaden am Knopfe seines Hosenträgers befestigt hatte und eigentlich mehr zum wirklichen Haus- und Feldgebrauch denn als Verteidigungswaffe bei sich führte.

Der Abend konnte nicht mehr fern sein. So angenehm unserem Kundschafter aber auch sonst wohl dieser Umstand gewesen wäre, da er ihn immer noch mehr vor Entdeckung schützte, so zweifelhaft wurde es ihm aber selber, ob er in solch undurchdringlichem Nebel jene Insel auch wirklich finden würde. Weit entfernt war er auf keinen Fall mehr davon. Der Zwischenraum von der Weideninsel bis Nr. Einundsechzig wurde auf dem Wasser nur für acht Meilen gehalten, und die Strömung allein mußte ihn bei dem gegenwärtigen Wasserstand fünf Meilen die Stunde führen; ruderte er also nur ein wenig zu, so konnte er recht gut die ganze Strecke in eben der Zeit zurücklegen. So lange er dicht am Ufer blieb, ging das auch an, er sah das Flußufer neben sich und behielt dadurch die genaue Richtung bei; jetzt aber, und nicht weit unter der Weideninsel, machte der Mississippi nach Arkansas hinein einen starken Bogen und zwang ihn, wenn er nicht ganz vom Wege abkommen wollte, das Ufer zu verlassen.

Nun war O'Toole allerdings noch nie in einem recht ordentlichen Mississippi-Nebel auf diesem Strom gewesen, sonst hätte er das auch wohl schwerlich ohne Kompaß gewagt. Er arbeitete im Gegenteil noch immer in dem Glauben, die Strömung müsse ihm auf jeden Fall zeigen, wohin der Fluß gehe, wobei das zahlreich treibende Holz einen vorzüglichen Wegweiser abgeben werde. Außerdem war die Insel Nr. Einundsechzig ziemlich lang und breit, und er durfte, wenn er sich nur in der Mitte des Stromes halten konnte, allerdings hoffen, sie zu erreichen. Eines jedoch hatte er in dieser sonst vielleicht sehr vorzüglichen Berechnung vergessen, daß nämlich die Bestimmung einer Strömung ganz unmöglich wird, wo jeder feststehende Haltepunkt für das Auge fehlt. Ebenso wie man auf der See auch nur dadurch die Richtung der Meeresströmungen bestimmt, daß man das Fahrzeug auf kurze Zeit entweder durch einen wirklichen oder bloßen Notanker so lange wie möglich auf einer Stelle festhält und die Bewegung irgendeines in die Flut geworfenen schwimmenden Gegenstandes beobachtet, ebenso ist es auf einem so ungeheuren Strome unmöglich, irgendeine Richtung anzugeben, wenn man sich in starkem Nebel auf seiner ruhigen Fläche befindet.

O'Toole ruderte nun zwar, als er das Ufer nicht mehr erkennen konnte, noch eine ganze Weile ruhig nach der Gegend fort, die er für die rechte hielt; gar bald aber machten ihn einzelne Stücke schwimmenden Holzes irre, und er hielt einen Augenblick, um zu sehen, welchen Weg diese trieben. Ja, die lagen, als er selbst mit Rudern aufhörte und also ebenfalls seinen Kahn der Flut überließ, gerade so ruhig da wie er selbst, und das Ganze sah aus wie ein von dichtem Dampf umschlossener See, der weder Ab- noch Zufluß habe und vollkommen stillstehe. Er beobachtete nun eine Zeitlang einzelne treibende Stämme, um zu sehen, auf welche Seite die Flut gegen sie drücke; das war aber nicht möglich; sie schwammen eben ungedrängt im Wasser und zeigten, da sie der Flut auch nicht den geringsten Widerstand leisteten, sondern sich ruhig mit fortnehmen ließen, auch nicht den mindesten Einfluß der Strömung. Er fing jetzt wieder an zu rudern, aber auch das blieb sich gleich; es war eben, als ob er auf einem Teiche oder stillen See herumfahre, und wo Ost, Nord oder West sein könnte, wurde ihm jetzt zu einem vollständigen Rätsel. Der Fluß lag in spiegelglatter Ruhe um ihn her, und nur die Nebel schwebten in dichten, fest ineinander gedrängten und, wie es schien, vollständig miteinander verbundenen Wölkchen darüber hin und wichen und wankten nicht. Was hätte er jetzt für einen einzigen, noch so fernen Blick des Ufers gegeben, um nur eine Ahnung zu bekommen, wo er sich eigentlich befinde. Der Wunsch schien aber nicht in Erfüllung zu gehen, ja die Dämmerung fing sogar an deutlich merkbar zu werden und er zweifelte nun fast daran, die Insel oder sogar in vielen Meilen Entfernung ein Ufer zu erreichen.

Nun gibt es allerdings ein Mittel, selbst in solchem Verhältnis und ohne Kompaß eine gerade Richtung beizubehalten; ist man nämlich gänzlich im Zweifel, woher die Strömung kommt oder wohin sie geht, so braucht man nur so lange im Kreise herumzurudern, bis man die Flut vorn unter dem Bug rauschen hört. Dann kann man überzeugt sein, daß man gegen die Strömung anhält, und ist nun imstande, die Richtung zu bestimmen. Allerdings würden aber selbst dann nur wenige Ruderschläge den Rudernden wieder auf den alten Fleck bringen; denn weil die seitwärts gegen das Fahrzeug andrängende Wassermasse auch den Bug bald stärker, bald schwächer niederdrückt, je nachdem, ob man ein ganz klein wenig mehr auf- oder abhält, so wäre es unmöglich, die Richtung so genau im Gefühl der Hand zu haben. Das einzige Mittel in diesem Falle ist – da man doch in einem zweirudrigen Boot mit dem Rücken nach vorn sitzt – die Augen fest auf das Fahrwasser seines Kahns zu halten, d.h. auf den Streifen, den das Boot beim schnellen Durchschneiden des Wassers hinter sich läßt. So lange dieser eine durchaus gerade Linie beschreibt – denn eine kurze Strecke kann man selbst beim stärksten Nebel sehen –, so lange behält auch das Boot dieselbe bei; die geringste Abweichung würde es gleich hinter dem Heck durch eine krumme Linie verraten. Man darf aber während dieser Zeit natürlich keinen Augenblick mit Rudern aufhören oder nachlassen, weil eine gleichmäßige Fortbewegung zu solcher Bestimmung unumgänglich nötig ist.

Davon hatte jedoch O'Toole, der sich sonst wenig mit Wasserfahrten beschäftigte, keine Ahnung; er wußte nur, daß er noch nicht weit genug vom Land entfernt sein könne, um sich schon oberhalb der Insel zu befinden. Trieb er also jetzt mit der Strömung abwärts, so führte ihn diese an seinem Ziele vorbei, und rasch griff er daher wieder zu den Rudern. Nur einmal noch betrachtete er mit prüfendem Blick die ruhige Nebelfläche um sich her, drehte dann den Bug dorthin, wo er die Mitte des Stromes vermutete, und zeigte in Handhabung der elastischen Ruder bald so viel Energie, daß das Wasser an seinem Bug rauschend schäumte und hoch aufspritzte. So arbeitete er wohl eine volle Stunde lang, daß ihm der Schweiß in großen perlenden Tropfen auf der Stirn stand und er bei richtiger Führung den Mississippi schon zweimal gekreuzt haben konnte, aber er bekam kein Land zu sehen, weder rechts noch links, weder vor noch hinter sich, und fühlte nun wohl, daß er in die falsche Richtung gefahren sei.

Einen Augenblick ließ er die Ruder sinken und wischte sich den Schweiß von der Stirn; dann aber ergriff er sie wieder und legte sich von neuem mit aller Kraft und bestem Willen hinein, bis er endlich einsah, daß alle seine Anstrengungen vergeblich sein mußten. Das beste also, was er jetzt tun konnte, war, nach Arkansas zurückzukehren, um den Versuch ein anderes Mal unter günstigeren Verhältnissen zu erneuern. – Aber, guter O'Toole, es erwies sich als ebenso schwer, nach Arkansas wie nach Mississippi hinüberzuhalten. Nacht und Nebel umgaben ihn bald mit undurchdringlichem Schleier, und keinen Laut hörte er, nicht einmal das Gequake von Fröschen, das ihm die Nähe des Landes gleichviel nun welchen Ufers verraten hätte. Er mußte sich inmitten des gewaltigen Stromes befinden. Da hielt er endlich, nachdem er sich noch eine ganze Zeitlang bis zu tödlicher Ermattung abgemüht hatte, mit dem Rudern ein, warf die Ruder in den Kahn und streckte sich selbst, gleichgültig gegen alles, was ihn befallen könnte, in dem Heck des Bootes aus. Einmal mußte er ja doch irgendwo antreiben oder doch wenigstens Geräusch von irgendeinem Boot oder dem Ufer, in dessen Nähe ihn die Strömung zuerst bringen würde, hören, und er hatte eingesehen, daß er selbst nicht imstande sein würde, das mindeste dafür oder dagegen zu tun. Er war förmlich verirrt und wußte in der Tat nicht mehr, wo er sich befand, ob er irgendwo festhänge oder immer stromab der Mündung des Arkansas zutreibe.

In dumpfem Brüten lag er in seinem Boot ausgestreckt und schaute schweigend zu der grauen Masse hinauf, die ihn in fast fühlbarer Schwere und Feuchtigkeit umgab. Da war es ihm plötzlich, als ob er das Quaken eines Frosches höre. Er horchte auf. Fast in demselben Augenblick vernahm er ein dumpfes Rauschen, und ehe er sich noch recht umschauen konnte, von welcher Richtung dies eigentlich komme – da er es natürlich auf der entgegengesetzten Seite erwartet hatte –, trieb auch sein schwankendes Boot schon in den starren Wipfel einer Eiche hinein. Land hatte er jetzt, Bäume wenigstens, und er wußte doch nun, daß er nicht mehr weiter stromab und von Helena fortgetrieben werden könnte. Wo er sich aber befand, ob in Arkansas, Mississippi oder an einer der weiter unten gelegenen Inseln, vielleicht Drei- oder Vierundsechzig, das war ihm unmöglich zu bestimmen, ja, so hatten sich seine Gedanken verirrt, daß es einer langen Zeit bedurfte, bis er mit sich überhaupt im reinen war, er befinde sich noch im Mississippi und sei nicht etwa in irgendeinen Fluß oder eine Bucht unversehens hinein- und diese, Gott weiß wie weit, hinaufgerudert. Das einzige, worüber er vollkommen Gewißheit zu haben glaubte, war, daß er wenigstens fünfzig bis sechzig Meilen von Helena entfernt sein müsse.

Wo aber befand er sich? Am Anfang wollte er rufen, denn vielleicht befanden sich Menschen in seiner Nähe, die ihn hörten. Doch konnte es nicht ebensogut möglich sein, daß er gerade in jenes Nest geraten wäre, nach dem er suchte, und welchen Empfang durfte er von denen erhoffen, die ihm noch vor kurzer Zeit so unzweideutige Beweise ihres Hasses gegeben hatten? Nein, da heute nun doch einmal keine Gedanke daran war, Nr. Einundsechzig noch zu erreichen, und der Nebel auch auf jeden Fall den Morgenwinden weichen mußte, so beschloß er, seinen Kahn an einer sicheren Stelle zu befestigen und nachher ruhig darin ausgestreckt den Tag abzuwarten.

Das war nun freilich nicht so leicht, wie er es anfangs erwartet hatte. Eine Masse Baumgewirr versperrte ihm überall den Eingang, und dort, wo er sich gerade befand, konnte er ebensowenig bleiben. Die Flut preßte gerade dagegen, und brachte sie irgendeinen fortgeschwemmten Baumstamm mit, so mußte ihm dieser, mit der Gewalt solcher Wassermassen vereint, unfehlbar das leichte Fahrzeug zertrümmern und ihn selber unter das Treibholz schwemmen. Er arbeitete sich darum jetzt mit aller Anstrengung links hin, bis er zu einer Art Landspitze kam; denn die Strömung brach sich hier mit großer Stärke am Ufer und schoß dann rasch und schäumend vorbei. Dort hatte auch augenscheinlich die Kraft des Wassers einen früher dort liegenden Baum zur Seite geschwemmt, so daß eine Art kleine Bucht entstanden war. In dieser lief er ohne Zögern ein und richtete nun, gegen eine äußere Gefahr geschützt, so gut es gehen wollte sein Lager her, um wenigstens ein paar Stunden schlafen zu können.

Kurze Zeit mochte er so gelegen haben, und das gleichförmige Rauschen des Wasser begann seine Wirkung auf ihn auszuüben, als es ihm, schon halb im Traume, so vorkam, als ob er Stimmen höre, die in ziemlich lebhaftem Gespräch miteinander begriffen wären. Im Anfang horchte er halb unbewußt den unverständlichen Tönen; er hatte schon geträumt, er sei in die See hinausgetrieben, und vom Ufer aus riefen sie hinter ihm her und warnten ihn vor den Gefahren des Golfes. Mehr und mehr aber wieder munter werdend, staunte er zuerst über den Ort, wo er sich befand, und konnte sich endlich nur mit vieler Mühe des Vorgefallenen erinnern.

Nun war O'Toole allerdings nicht Waldmann genug, um ein solches Lager in dem feuchten Flußnebel einem warmen Bette vorzuziehen; dennoch aber hielt ihn eine gewisse Angst zurück, jene Sprechenden anzurufen; die Absicht schon, in der er ausgezogen war, ließ ihn in jedem Menschen, den er traf, einen Räuber, Mörder und falschen Spieler erblicken. Er kroch also, um vor allen Dingen festzustellen, wo er eigentlich sei und in welcher Umgebung er sich befinde, aus seinem Boote heraus, über ein paar umgestürzte Stämme ans Ufer und schlich nun hier, so geräuschlos wie es ihm die jetzt wirklich außergewöhnliche Dunkelheit und die rauhe Wildnis erlaubte, vorwärts, dem Schalle nach.

Das Geräusch und Sprechen schienen an einem Ort zu bleiben, und O'Toole vermutete hier natürlich nichts weiter als eine Farmerwohnung, zu der er nur nicht den rechten Pfad getroffen habe, sondern in irgendeine neue Rodung geraten sei. Er hatte denn auch, obgleich mit entsetzlicher Anstrengung, schon einen guten Teil des Dickichts durchdrungen, als plötzlich alles wieder ruhig war und nur noch das einförmige Quaken der Frösche und das Zirpen einzelner Grillen die Totenstille unterbrach. Nichtsdestoweniger behielt er die Richtung bei, in der er früher die Laute gehört hatte, und erreichte gerade einen kleinen, ziemlich freien Platz, als er aus dem Nebel, und zwar dicht vor sich, zwei Gestalten treten sah, so daß er nur noch eben Zeit genug behielt, hinter einem niederen Busch auf die Erde zu sinken.

»Und ich sage Euch, Jones, Ihr dürft die Insel bei Gott nicht verlassen, ohne den Schwur geleistet zu haben«, beteuerte jetzt plötzlich der eine von ihnen, während er stehenblieb und sich gegen seinen Begleiter umwandte. »Es ist uns allen streng befohlen worden, Euch nicht fortzulassen.«

»Aber ich habe ja den Schwur leisten wollen«, rief der andere ärgerlich. – »Hölle und Teufel, ich kann doch nicht mehr tun, als Euch sagen, ich will beschwören, was Ihr begehrt? Es ist schändlich, mich jetzt gegen meinen Willen hier zurückzuhalten, wo ich in Mississippi drüben die besten Geschäfte machen könnte.«

»Auch das wißt Ihr, warum das jetzt nicht möglich ist«, erwiderte ihm der andere; »solcher Schwur muß seine gehörige Feierlichkeit haben und von allen gehört werden, damit es später keine Ausrede gibt. Die Versammlung ist aber erst morgen abend, und bis dahin werdet Ihr Euch also zu gedulden haben.«

»So? Und wenn nun bis morgen abend schon die saubere Bescherung hereinbricht, von welcher der Kapitän gemunkelt hat?« brummte Jones. »Was habe ich dann für ein Interesse, meine Haut ebenfalls dabei zu Markte zu tragen, he? Gehöre ich schon mit dazu, und würde ich nicht, mitgefangen, auch ganz unschuldig mitgehangen werden?«

»Unschuldig?« spöttelte der andere.

»Ja, ja, unschuldig«, rief Jones mürrisch, – »wenigstens in dieser Sache, und was am Ende noch viel fataler wäre, mit dem Bewußtsein, daß die Kanaillen aus Versehen den Rechten erwischt hätten. Nein, Ben, Ihr müßt mir einen Kahn verschaffen; ich will Euch den Eid leisten, und das wird Euch doch genügen können.«

»Mir? Verdammt will ich sein, wenn ich meinen Kopf statt Euren in die Schlinge zu stecken gedenke«, brummte Ben und wandte sich wieder zum Gehen, jetzt aber gerade auf den Iren zu, der dicht und regungslos an die Erde geschmiegt lag. – »Sobald Ihr einmal versprecht, den Eid zu leisten, so seid Ihr auch – Gift und Donner!« riefer plötzlich, vor der Gestalt zurückprallend, die sein Fuß berührt hatte.

»Was ist denn?« fragte Jones erschrocken und blickte scheu umher.

Der Ire rührte sich nicht. Die Unterredung der beiden Männer hatte ihm bald verraten, daß er sich an seinem Ziele befand, obgleich er noch nicht wußte, wo das eigentlich lag, und teils lähmte die Angst seine Glieder, teils war er auch noch unentschlossen, wie er sich verhalten solle. Floh er, so mußten ihn die mit dem Platze Vertrauten augenblicklich wieder einholen können, – stellte er sich zur Wehr, er war fast unbewaffnet, die Feinde dagegen sicher mit Messern und Pistolen versehen, so war er gleichfalls verloren. Endlich beschloß er, sich zu stellen, als ob er schlafe; sie mußten dann wenigstens glauben, daß er nichts von ihrer Unterhaltung gehört habe, und versuchten in diesem Falle vielleicht selber, ihn so schnell wie möglich wieder fortzubringen.

Das waren etwa die Gedanken, die ihm pfeilschnell durchs Hirn schossen. Bens nächste Worte teilten ihm aber nicht allein eine andere Rolle als die eines Schlafenden zu, sondern ließen ihn auch die Gefahr ziemlich deutlich ahnen, in welcher er sich befand.

»Seeschlangen und Meerwölfe!« rief Ben, während er heruntergriff und den Arm des Reglosen erfaßte. – »Soll mich dieser und der holen, wenn die verdammten Halunken nicht Tusk hierher geschleppt und liegengelassen haben. – Hol doch der Teufel das faule Zeug! – Nicht einmal zu dem Ort ihn hinzutragen, wo wir ihn einscharren wollen. Ei, da mag er zum Donnerwetter auch hier liegenbleiben; 's ist weit genug vom Lager, und er schläft hier ebensogut wie hundert Schritt weiter oben.« Damit warf er das Werkzeug, das er trug, neben dem vermeintlichen Leichnam von der Schulter nieder und fing an, die Erde mit der schweren Hacke aufzuschlagen.

»Dann will ich unterdessen hingehen und einmal zusehen, ob nicht irgendwo hier oben ein Boot befestigt ist«, sagte Jones; – »so lautete ja Kellys Befehl.«

»Ja und mich hineinsetzen, nicht wahr? Und ruhig den Strom hinabrudern?« äffte ihn der wilde Bootsmann nach, während er mit der Hacke auf den Boden stampfte. »Ei, zum Tenfel, Sir, Ihr müßt uns doch hier für gotteslästerlich dumm halten, daß Ihr uns auf solche erbärmliche Art anzuführen gedenkt. Ihr bleibt hier; die Ursache, weshalb Ihr mir zur Gesellschaft mitgegeben seid, ist, das Grab schaufeln zu helfen und nachher des Irländers Boot aufzuspüren und den Burschen abzufangen, – wenn wir ihn erwischen, heißt das. Also greift zu, wenn's gefällig ist, und glaubt nicht, daß Ihr mich von der rechten Fährte durch irgendeinen Seitensprung abbringt.«

Damit warf er dem kleinen Manne den Spaten zu und bedeutete ihm, die Erde aus-, aber nicht zu weit fortzuwerfen, damit sie dieselbe zum Aufhäufen gleich wieder bei der Hand hätten. O'Toole zitterte an allen Gliedern. – Dicht neben ihm wurde ein Grab gegraben, in das er lebendig hineingeworfen werden sollte, sobald er nur regungslos liegenblieb, und zeigte er, daß er noch lebe, so war sein Tod ebenfalls gewiß. Er war verraten, soviel sah er ein. Aber durch wen? Und wie konnte die Botschaft schon an diesen von Helena so entfernt gelegenen Punkt gelangt sein? Hatte er nicht die ganze Zeit aus Leibeskräften gerudert und seinen Entschluß, hier herabzugehen, erst kurz vor seiner Abfahrt irgendeinem Menschen und dann natürlich nur lauter Freunden mitgeteilt? Es blieb ihm aber keine Zeit zu langen Betrachtungen; die Gefahr lag hier zu fürchterlich nahe, und jede ausgeworfene Erdscholle brachte ihn seinem Geschick näher.

Das einzige, was ihn möglicherweise retten konnte, war ein schneller Entschluß. – Er wollte emporspringen, und die Männer, die ihn jetzt noch für irgendeinen Erschlagenen hielten, waren vielleicht im ersten Augenblick so überrascht, daß er, ehe sie sich ermannten, sein Boot wieder erreichen konnte. Der eine schien überdies, soviel sich in der Dunkelheit erkennen ließ, klein und schwächlich, und den anderen hätte im schlimmsten Falle, ehe er ihm selbst gefährlich wurde, ein Messerstich unschädlich gemacht. Vorsichtig griff er also, um sich durch keine Bewegung zu verraten, nach dem scharfen Stahl, zog ihn leise aus der Scheide und bog sich langsam auf die linke Seite hinüber – er hatte sich die Richtung, von der er gekommen war, ziemlich genau gemerkt, und an rasche Verfolgung war dorthin überhaupt nicht zu denken. – Einmal dann im Nebel wieder auf dem Strome, hätte ihn auch nur der Zufall seinen Verfolgern verraten können. Der eine der Männer stand nur jetzt gerade zwischen ihm und dem Stamm, über den er zuerst wegsetzen mußte. Den Raum wollte er erst noch frei haben, ehe er den Angriff wagte. Es war Ben; er hatte die Hacke beiseite geworfen und den zweiten Spaten in die Hand genommen, der dort lag. Jetzt trat er wieder zurück auf seinen früheren Platz, und jetzt war auch der einzige, vielleicht letzte Augenblick gekommen. »Ben?« rief da plötzlich eine leise unterdrückte Stimme, die gerade von der Richtung her tönte, wo sein Fahrzeug lag, und in den dichten Büschen und Dornen rauschte und regte es sich.

»Ja«. sagte der Mann und hielt in seiner Arbeit ein, »was gibt's? Wer ruft da?«

»Hier liegt bei Gott das fremde Boot«, flüsterte die Stimme wieder. – »Laßt Euer Graben jetzt lieber sein und kommt mit hierher, es gibt vielleicht nachher gleich zwei hineinzuwerfen.«

O'Tooles Herzblut stockte; nicht allein der Rückweg war ihm abgeschnitten, sondern sein Boot sogar entdeckt. – Er konnte, falls er sich wirklich auf einer Insel befand, den Platz gar nicht wieder verlassen. Seine einzige Hoffnung blieb jetzt nur noch die, daß die Totengräber dem Rufe Folge leisten und ihn allein lassen würden.

»Wo liegt es denn?« fragte Ben und hielt inne im Erdeauswerfen.

»Gleich hier, dicht an der äußersten Landspitze, unter der alten Sykomore –«

»So tut, was Euch Kelly befohlen hat, und haltet die Mäuler«, brummte der Bootsmann; – »wer weiß denn, ob er nicht gerade jetzt hier in der Gegend herumkriecht. Nehmt eure Plätze ein und verhaltet euch ruhig; kommt er zurück, so fertigt ihn ab; – doch ohne Schuß.«

»Wie wird's aber, wenn Teufelsbill mit dem Flatboot kommen und das Zeichen geben sollte?« fragte jener zurück, aber immer noch mit unterdrückter Stimme.

»Das geht euch nichts an; – ihr bleibt auf eurem Posten, und wir anderen treiben, wenn das Boot abgefertigt ist, nachher die Insel von unten herauf vor. Finden wir ihn dann nicht, so läuft er euch in die Hände.«

Wieder fing er an zu graben, und die Gruft mußte bald tief genug sein; denn ein ziemlich hoher Erdhaufen lag schon an ihrer Seite. Des Iren Herz schlug so laut, daß er schon durch dessen Klopfen verraten zu werden fürchtete. – Auch die letzte Stimme hatte er erkannt, es war die jenes Buben, den er in Helena zu Boden geschlagen hatte. Erbarmen hatte er hier nicht zu erhoffen; wurde er entdeckt, so konnte kein Gott ihn retten. Ein Gedanke durchzuckte ihn jetzt. Wenn er nun vielleicht, während jene sich emsig mit ihrer Arbeit beschäftigten, leise in die Büsche kroch, dann, erst einmal im Dickicht, entweder im Sumpf einen Schlupfwinkel suchte, oder auch, sobald er den Fluß erreichte, hinausschwamm in den Nebel? – Es trieb jetzt so viel Holz im Strom, daß er nicht zu fürchten brauchte zu ertrinken, – und das wäre übrigens ja doch noch immer besser gewesen, als sich hier wie ein Hund totschlagen zu lassen.

Langsam schob er den linken Arm zur Seite, um sich darauf zu stützen und den Körper nachzuziehen; doch das raschelnde Laub machte die größte Vorsicht nötig. Zwar gruben die beiden Männer noch immer eifrig, und das Geräusch der fallenden Erde übertäubte jede nicht zu auffällige Bewegung; auch hatte er sich auf diese Art wohl schon zwei Schritte zurück und dicht zum Rande eines wirren Dornbusches gezogen, hinter dem ihm ein weicher, moosiger Fleck raschere Bewegung möglich machte. Gerade aber, als er sich ein wenig aufrichten wollte, um über einen dort liegenden heruntergebrochenen Ast zu gleiten, drückte er mit der Hand auf einen dürren und morschen Zweig, der mit ziemlich lautem Krachen abbrach.

O'Toole schrak zusammen und blieb regungslos in der gerade eingenommenen Stellung liegen. Ben aber sprang rasch aus dem fast fertigen Grabe heraus auf den Erdhügel hinauf und blickte überall forschend in die neblige Nacht hinein.

»Hörtet Ihr nichts, Jones?« fragte er nach einem kleinen Zwischenraum. »Mir war's, als ob irgend jemand auf einen Ast träte.«

»Ich habe nichts gehört«, brummte der andere, während er mürrisch den Spaten aus der Grube warf und selbst nachkletterte. – »So – das Loch ist jetzt tief genug, hol der Teufel das Maulwurfsgeschäft! Wenn Ihr glaubt, daß ich hier auf die Insel gekommen sei, um Totengräber zu werden, so habt Ihr Euch verdammt geirrt. – Werft das Aas hinein, daß wir fertig werden! – Verwünscht unheimliches Geschäft ohnedies, so in Nacht und Nebel dazustehen und Leichen einzugraben. – Ihr habt wohl manchmal derlei Arbeit hier?«

»Daß Ihr doch das Maul nicht halten könnt und in einem fort Euer ungewaschenes Zeug schlabbern müßt«, brummte Ben. – »Mir war's, als ob hier jemand auf einen Zweig getreten wäre. – Nun? Donnerwetter, wo ist denn der Leichnam? Ah, hier! – Ich dachte, er läge weiter drüben. Kommt, Jones; der Bursche ist schwer; schleppt ihn mit über den Hügel hinüber! – Zum Teufel, fürchtet Euch nicht, ihn anzufassen; es wird nicht die erste Leiche sein, die Ihr mit unter die Erde bringen helft.«

»Er ist noch ganz warm«, sagte Jones, während er schaudernd dem Befehle gehorchte; – »am Ende lebt er gar noch?«

»Unsinn«, sagte Ben lachend, »wer Kellys Messer einmal geschmeckt hat, braucht keine Medizin weiter. – Warum soll er denn auch schon kalt sein? Er ist ja kaum eine Stunde tot.« Sie faßten den vermeintlichen Leichnam und trugen ihn an die Grube. – Jones, der die Schultern hob, rutschte dabei aus und fuhr in die frischaufgeworfene Erde, so daß er den Oberkörper des Iren loslassen mußte, der allein in sein Grab hineinglitt. Jetzt war auch der Augenblick erschienen, wo er handeln oder verderben mußte; denn noch sah er sich unentdeckt. Zwar zuckte er zusammen, als ihn jener fallen ließ, und griff fast unwillkürlich mit den Armen aus, sich zu schützen, doch die Dunkelheit der Nacht verhinderte Ben daran, es zu sehen. Er fühlte wohl das Zucken, schrieb es jedoch dem Übergewicht des schweren Körpers zu und ließ jetzt die Beine ebenfalls hinab, um die Erde wieder einzuwerfen und die Arbeit zu beenden. Die erste Scholle fiel auf den entsetzten Iren. – Sprang er auf und floh er, so war sein Verderben fast gewiß. Die Männer hätten ihn nie fortgelassen, und einmal entdeckt, wußte er recht gut, daß er kein Erbarmen zu hoffen habe. Blieb er aber liegen, so war er in wenigen Minuten lebendig begraben. – Nur eine Möglichkeit auf Rettung sah er noch; Jones' Worte erweckten einen neuen Gedanken in ihm. Sobald sie ihn für noch nicht tot hielten, begruben sie ihn auch nicht, und in solcher Dunkelheit brauchte er kaum zu fürchten, gleich entdeckt zu werden. Auf jeden Fall gewann er dadurch Zeit, und das war ihm jetzt, das sichere Verderben vor Augen, alles.

Der zweite Spaten voll Erde fiel auf ihn nieder, und er stöhnte laut.

»Herr Jesus!« schrie da Jones, erschreckt zurückfahrend. »Habe ich's Euch nicht gesagt? Der lebt noch; – beinahe hätten wir ihn lebendig verscharrt.«

»Hm«, brummte Ben und hielt mit dem Schaufeln ein; »wäre auch noch kein so fürchterlicher Verlust gewesen; aber was, zum Donnerwetter, fangen wir denn da –«

Ein ferner Schuß unterbrach hier seine Worte. Er sprang wenigstens, als er den Knall vernahm, rasch empor und horchte hoch auf. Ein scharfer Pfiff – das wohlbekannte Zeichen der Bande wurde in demselben Augenblick laut und schien sich mit Blitzesschnelle am ganzen Ufer hin fortzupflanzen.

»Das ist Teufelsbill! – Bei Gott!« rief der Pirat und schwenkte jubelnd den Hut. – »Hurra, da gibt's frische Beute. Jetzt aber – alle Wetter! Den Kadaver hätte ich bald vergessen. Jones, scharrt ihn einmal wieder aus und seht, was Ihr mit ihm anfangen könnt. – Ich bin gleich wieder da und will nur einmal nach dem Boot oben springen, daß die Burschen ihre Schuldigkeit tun.«

»Aber, bester Sir«, rief Jones ängstlich, »ich soll doch nicht –«

»Tut, beim Teufel, was man Euch sagt, und rührt Euch nicht von der Stelle!« rief Ben drohend. »In zwei Minuten bin ich wieder da.« Und ohne Bens Widerspruch weiter zu beachten, warf er den Spaten hin und sprang im nächsten Augenblick über den neben ihm liegenden Stamm hinweg, dem Orte zu, wo des Iren Boot angebunden lag.

O'Toole wußte jetzt aber, daß für ihn der einzige, vielleicht letzte Moment zum Handeln gekommen sei, und er war nicht der Mann, der den unbenutzt hätte vorübergehen lassen. »Hilfe!« stöhnte er mit halbunterdrückter Stimme leise und kläglich. – »Hilfe! – Ich – ich ersticke!«

»Ei, so wollt ich denn doch« murmelte Jones vor sich hin, während er in die Grube sprang, den Iren unter die Arme faßte und mit äußerster Anstrengung seiner Kräfte emporhob, »daß den verdammten Wassertreter der Teufel hole! – Läßt mich hier mit dem – schweren – Burschen – Herr Gott, hat der Mensch ein Gewicht – ganz allein. So, Sir, könnt Ihr das eine Bein heben? – Ich will Euch nur für jetzt – alle Wetter, Ihr seid ja ganz kräftig auf den Füßen was ist denn d—«

Er hatte alle Ursache, erschreckt zu sein, denn der vermeintlich schwer Verwundete, den er aus der Grube mit emporheben half, richtete sich plötzlich und anscheinend mit aller Leichtigkeit auf, faßte, ehe der zu Tode Erschreckte auch nur einen Hilfeschrei ausstoßen konnte, diesen mit der Linken und schlug ihn im nächsten Augenblick mit der geballten Rechten so urkräftig und boxerrecht zwischen die Augen, daß dem so gewaltig Getroffenen mit Blitzesschnelle die ganze Himmelskarte vor seinem inneren Gesichte vorüberflog und er bewußtlos neben dem Grabe zusammenknickte. O'Toole war denn auch nicht faul, die ihm jetzt gebotene Freiheit zu nutzen; rasch übersprang er das ihm nächste Gewirr von Ästen und Strauchwerk und floh dem Strome zu, als Ben eben wieder zu dem Grabe zurückkehrte.

»Jones!« rief er hinter dem Davonspringenden her. – »Jones, – wo zum Teufel wollt Ihr denn hin? Ei, so hole doch die Pest den Halunken!« brummte er dann halblaut in den Bart. »Wenn der glaubt, daß ich ihm in solchem Dickicht nachrenne, ist er verdammt irre, und fort kann er auch nicht, so viel weiß ich; denn vom Schwimmen versteht er nichts, und die Boote sind besetzt; – wird schon wiederkommen. Aber zum Donnerwetter«, wandte er sich dann, als er mit dem Fuß an den regungslosen Körper stieß, gegen diesen, »wirklich tot und nur noch einmal zu guter Letzt gestöhnt? Nun, dann komm, Tusk, dann wollen wir auch keine langen Umstände mit dir machen. Dank es überhaupt dem Kapitän, der dir den Strick erspart hat!« – Er stieß bei diesen Worten den Körper in die Grube zurück, suchte nach dem Spaten, und der nächste Augenblick fand ihn eifrig beschäftigt, den nur betäubten Genossen – lebendig zu begraben.


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