Friedrich Gerstäcker
Die Flußpiraten des Mississippi
Friedrich Gerstäcker

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Kapitel 11

Um die folgenden Vorgänge richtig verstehen zu können, möchten wir uns lieber erst mit dem Terrain etwas näher bekanntmachen, auf dem Livelys und Cooks Farmen lagen.

Das ganze Mississippi-Tal, und besonders das westliche Ufer dieses ungeheuern Stromes, bildet eine nur selten von niederen Hügeln unterbrochene Sumpfstrecke, die oft in unzugängliche Moräste und Seen ausartet. Fast durchgängig besteht es aus zwar sehr fruchtbarem, aber so niedrig gelegenem Lande, daß es sowohl durch die Überschwemmungen des Mississippi wie der übrigen Ströme, als auch durch Regen, deren Wasser keinen Abfluß finden, im Winter überschwemmt wird und erst durch die heißen Strahlen der August- und Septembersonne wieder ausgetrocknet werden kann. Tausende von Quadratmeilen liegen also auf solche Art acht oder neun Monate des Jahres unter Wasser und hauchen in dem andern Vierteljahre so pestilenzialische Dünste aus, daß der Ansiedler ganz froh sein darf, wenn er mit einem kalten Fieber davonkommt. Das Land aber, was solchem Boden abgewonnen werden kann – und einzelne trockene Stellen durchlaufen diese Niederungen, ist auch vortrefflich und liefert Ernten, wie sie sich selbst die kühnste Einbildungskraft unserer mit dürrem Boden stets im Kampfe um die Aussaat liegenden Landwirte kaum erträumen läßt. Solche Fruchtbarkeit allein kann denn auch den Farmer, der trotzdem nur wenig Land urbar macht und sich mehr auf Viehzucht legt, bewegen, die warme, ungesunde Luft dieser Sümpfe zu atmen. Natürlich sucht er sich zu diesem Zwecke die höchstgelegenen Stellen, die er finden kann, um seine Wohnung und seine Felder wenigstens den steigenden Wassern zu entziehen.

Daher kommt es auch, daß die Nachbarschaft Helenas, sonst so abgelegen wie alle übrigen Plätze des Mississippi-Tales, am stärksten bevölkert war, denn bis hierher erstreckte sich, von Nordwest herunterkommend, fast die einzige Reihe niederer Hügel zwischen St. Louis und dem dreizehnhundert Meilen entfernten Golf bis an das Ufer des Mississippi. Weiter im Innern waren sogar einzelne kleine Städtchen darauf errichtet worden, und der Mensch mit seiner unermüdlichen Tatkraft drängte so gewaltsam in die fürchterliche Wildnis vor, daß er ein naher Nachbar des wilden Büffels wurde, den er nicht einmal aus seinen Weidegründen heraustreiben konnte, sondern ruhig in deren Besitz lassen mußteZwischen den beiden kleinen Flüssen Cash und Day de View liegt eine so undurchdringliche Sumpfstrecke, daß nur selten ein Jäger kühn genug ist, dort einzudringen, da er es nie möglich machen kann, das, was er wirklich auf der Jagd erbeuten sollte, auch fortzuschaffen. Dort ist jetzt der einzige, ringsum von Ansiedelungen umgebene Platz in den Vereinigten Staaten, wo sich der Büffel noch in einzelnen Herden findet und auch nicht, obwohl er fast nur Jäger in seiner Nachbarschaft hat, ausgerottet werden kann. . Am nördlichen Fuße dieser Hügelkette lag Livelys Farm. Südöstlich vom Feld standen die Gebäude, während sie an der Ostseite ein ziemlich geräumiger und selbst holzfreier Raum vom Urwald trennte. Die nicht übermäßig hohe Umzäunung wurde von einem dichten Gestrüpp rotblütiger Sumachs, Sassafras, Gewürzbüsche und Dogwoods umschlossen, und diese überschatteten wieder ihrerseits einen kleinen Bach, der etwa eine halbe Meile weiter oben aus den Hügeln kam, am nördlichen Fuße derselben hinströmte und dicht über Helena in den Mississippi mündete.

Gleich über dem Bache drüben und den Wohngebäuden gerade gegenüber, dennoch aber etwa zweihundert Schritt von ihnen entfernt, lag ein alter indianischer Grabhügel, der sich eben genug aus dem Pflanzengewirr hervorhob, um einen Blick auf die kleine Ansiedlung zu gestatten. Lively hatte erst kürzlich den Plan gefaßt, hier eine kleine Blockhütte herzubauen und eine Art Sommerpavillon daraus zu machen. Zu dem Zwecke waren auch schon alle die Büsche und Äste, die etwa die Aussicht nach ihren Wohnungen versperrt hätten, entfernt und einzelne Stämme, welche die Grundmauern bilden sollten, in der Nachbarschaft gefällt und hinaufgeschafft.

Der Mond warf nun zwar seinen silbernen Schein auf die Erde nieder und übergoß die tauperlenden Blätter mit einem magischen Licht; diesen kleinen Raum konnte er aber nicht erhellen, denn dichte Holly- und Maulbeerbüsche bildeten an der Ost- und Südseite eine jedem Strahl trotzende Laube. Der Platz lag jedoch nicht so einsam und verlassen, wie die plaudernden und lachenden Menschen wohl glauben mochten, die jetzt noch in der herrlichen Abendluft vor den Gebäuden auf- und abgingen. Manchen Blick warfen sie nach den dunklen Waldesschatten hinüber, wo tausend und abertausend Glühwürmer in unbeschreiblicher Pracht hin- und herzuckten und den finsteren Hintergrund wie mit Tausenden von Diamanten besäten, und sie ahnten nicht, daß man sie von dorther beobachtete. Zwei dunkle Gestalten standen hier in dem Schatten der überhängenden Büsche, und laut- und regungslos hatten sie schon lange das geschäftige Treiben der ahnungslosen Farmer belauscht. Da endlich brach der eine von ihnen das Schweigen und wandte sich mit leise gemurmelten Worten zu dem andern. »Die Pest über das schlabbernde, plappernde Volk!« sagte er mit vorsichtig gedämpfter Stimme. – »Ist's denn nicht gerade, als ob Franzosen und Indianer hier ihr Nachtlager hielten? Höre, Dan, mir gefällt der Platz überhaupt nicht; muß uns auch heute gerade der Teufel herführen, wo die ganze Nachbarschaft zusammengekommen ist und die Hunde mitgebracht hat! Wenn uns die Bestien erst einmal wittern, dann gute Nacht – Ich glaube, wir setzen uns hier ganz unnütz einer großen Gefahr aus.«

»'s ist nicht so schlimm, wie Ihr denkt«, sagte der andere, indem ein grimmiges Lächeln seine dunklen Züge überflog, »dicht nebenbei fließt der Bach; mit wenigen Sätzen können wir drin sein, und wie der Wind jetzt steht, so ist zehn gegen eins zu wetten, daß sie uns gar nicht wittern können. Übrigens habt keine Angst um mich; es wäre das erste Mal, daß ich bei solchem Spaß erwischt würde; nein, ich halte mein Wort und hole Euch eine Büchse; darauf könnt Ihr Euch verlassen. Wenn ich nur nicht einen so nichtswürdigen Hunger hätte!«

»Hunger, – immer Hunger und Essen, und Essen und Hunger!« murrte ärgerlich sein Gefährte. – »Wenn ich nur Waffen hätte, ich wollte gern hungern.«

»Essen und Hunger?« rief der Mulatte, der jetzt zu dem bleichen Antlitz seines weißen Kameraden emporsah. »Wann habe ich denn das letzte Mal gegessen, Massa Cotton, und was war das? Mais – harter Mais, den ich aus einer Dachkammer stehlen mußte und wofür ich die zwei Schrotkörner noch im Schenkel trage. Sind wir nicht jetzt ein paar Wochen lang wie die wilden Bestien gehetzt worden? Und tragt Ihr dabei nicht die meiste Schuld? Wir wären lange vergessen gewesen und hätten unsern Weg unbelästigt fortsetzen können; aber nein, da müßt Ihr den Reisenden mitten auf der Landstraße überfallen und wundert Euch nachher noch, wenn uns die Bevölkerung von drei Countys auf den Hacken sitzt und unsertwegen der ganze Staat in Aufregung ist. Überdies seid Ihr weiß und könnt immer noch eher, ohne gleich Verdacht zu erregen, in irgendeinem Hause einkehren und eine richtige Mahlzeit halten. Wenn ich mich aber mit meiner farbigen Physiognomie irgendwo blicken ließe, so wäre die erste Frage nach einem Paß und die zweite nach einem Konstabler. Nein, solch ein Leben habe ich satt, und ich will froh sein, wenn ich die Sklavenstaaten erst im Rücken weiß und die kanadische Erde unter den Füßen fühle.«

»Und ehe das geschieht, hast du noch manche Meile zu wandern«, murmelte der Weiße. – »Dan, Dan, du glaubst gar nicht, wie sie in Missouri und Illinois hinter den entlaufenen Negern her sind. Es ist entsetzlich schwer durchzukommen.«

»Ja, ja«, erwiderte der Mulatte sinnend, »ich habe schon oft daran gedacht; am Ende wär's doch noch besser, wir gingen auf die Insel. – Hölle und Verdammnis, ein Hund führt ja ein besseres Leben als wir hier! Es ist dann auch kein Wunder, daß man schlimmer wird, als man eigentlich ist, und ein Menschenleben nicht mehr höher achtet als eben das eines Wolfs oder Panthers.«

»Nein, – auf die Insel gehe ich nicht«, brummte Cotton, »wenigstens so lange noch nicht, als ich hoffen darf, auf andere Art zu entkommen. Es ist schon recht gut, daß man dort sein Leben gesichert weiß und von den Mühen und Strapazen, die wir beide zusammen durchgemacht haben, ausruhen könnte, aber der Schwur – und nachher ist man von lauter Spionen und Aufpassern umgeben, die immer nur darauf lauern, jemanden zu bekommen, durch dessen vielleicht unbedachtes, gar nicht so böse gemeintes Wort sie eine hohe Prämie gewinnen können; nein, das ist nicht meine Sache. Überdies traue der Teufel dem Kram; heute oder morgen nimmt die Sache einmal ein trübseliges Ende, und so viel Erfahrung habe ich doch auch in der Welt gesammelt, daß ich weiß, wenn irgendwelche bei solcher Gelegenheit die Zeche bezahlen müssen, so sind es stets die, die am wenigsten damit zu tun gehabt haben, die am wenigsten bekannt und vertraut mit dem Ganzen gewesen sind. Geht es indessen gar nicht anders, können wir auf keinem Boot den Verfolgern entgehen, gut, dann habe ich nichts mehr dagegen. Jetzt aber wollen wir erst einmal eine Reise nach dem Osten versuchen; denn dort vermuten sie uns gewiß am wenigsten. Sorge also nur für eine ordentliche Büchse; denn wir müssen noch Geld zur Reise anschaffen, und das kann nicht ohne Waffen geschehen; nachher habe keine Sorge. In der Gesellschaft eines Weißen fragt dich niemand nach einem Paß, – hat niemand ein Recht dazu, dich zu fragen, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn wir nicht glücklich die lumpigen paar hundert Meilen zurücklegen könnten.«

»Nun, wenn weiter nichts dazu fehlt –« grinste Dan, »so hoffe ich, dem heute nacht abhelfen zu können. Ist überhaupt eine Büchse in einem der beiden Häuser, und ich wette meinen Hals darauf, daß wenigstens drei dort sind –, so haben wir sie noch vor Tagesanbruch hier draußen, und dann ade, Arkansas!«

»Vergiß aber auch die Kugeltasche nicht«, sagte Cotton; – »es wäre sonst nur ein nutzloses Stück Eisen.«

»Ihr haltet mich für gewaltig dumm. – Aber ein paar Stunden müssen wir noch warten; denn die Burschen da drin scheinen gar nicht zur Ruhe zu kommen.«

»Mich wundert es, daß die Hunde so still sind«, sagte der Weiße nach kurzer Pause, in der er aufmerksam das Haus und seine Umgebung beobachtet hatte; – »keiner der Köter rührt sich, und es müssen doch wenigstens elf oder zwölf von ihnen dort sein.«

»Läßt sich sehr leicht erklären«, kicherte der schlaue Mulatte, indem er die Hand gegen das Gebäude ausstreckte. »Dort hinten, gerade zwischen dem Haus und Feld, hängt das Hirschfleisch. – Wir haben beide gesehen, wie es der eine vor kurzem dorthin getragen hat. – Die Hunde aber sind gut erzogen, und keiner würde es anrühren; keiner gönnt es aber auch dem andern oder traut einem der Kameraden; sie liegen alle darunter und bewachen es, und ich setze meinen Hals zum Pfande, daß mich keiner wittert, wenn ich zum Hause schleiche.«

»Das tust du allerdings«, murmelte der Weiße. »Wenn ich nicht ganz irre, so ist dies die Farm, auf der Cook wohnen soll, und der versteht keinen Spaß. Erwischte er dich, so wäre der Hals gerade derjenige Körperteil, der die Zeche bezahlen müßte. Hast du deine Waffen?«

»Ihr fragt sonderbar«, sagte der Mulatte, indem er ein langes, schweres Messer aus der versteckten Scheide zog und in dem matten Dämmerlicht blinken ließ. – »Unbewaffnet – ein Nigger zwischen lauter Weißen? Nein, wahrhaftig, das wäre nicht mehr Tollkühnheit, das wäre Wahnsinn. Wer mich lebendig fangen will, der muß früh aufstehen; denn auch meine Pistole hier ist mit kleinen Kugeln geladen.«

»Und sollten die Hunde dennoch anschlagen?« fragte Cotton ernst.

»Dann springt nach unserer Verabredung in den Bach«, flüsterte der Mulatte; »an den drei Zypressen finden wir uns wieder.«

»Wäre aber der Platz besetzt?«

»Hm, das ist nicht wahrscheinlich, – aber möglich. Nun, dann müssen wir wieder nach dem Hause zurück, in dem wir vorgestern nacht eingebrochen sind – Ihr kennt da schon unser Versteck. Von da aus können wir auch den Mississippi leicht erreichen. Hölle und Verdammnis, hättet Ihr nur das unnütze Blut nicht vergossen, so wären wir auch nicht so weit hier hinunter nach Süden getrieben worden und könnten jetzt vielleicht schon in Kanada sein.«

»Oh, geh mit deinen moralischen Vorlesungen zum Teufel!« knurrte Cotton. – »Hol die Büchse und überlaß das andere mir. – Wie ist's denn; – mir kommt es vor, als ob sie drüben zu Bett gehen wollten.«

»Nun, Zeit wär's«, sagte der Mulatte, »aber wir müssen sie auch erst einschlafen lassen.«

Cotton hatte recht gesehen. Die Nachtluft war, wie das stets in diesen Sümpfen der Fall ist, ungemein feucht, und die Männer zogen sich bald in Cooks Haus zurück, um sich ihre Lagerstätten so gut es gehen wollte herzurichten.

Zwei Betten standen nur in dem kleinen Raum; das eine hatte der alte Lively, das andere teilten sich Cook und Sander; James dagegen lag mit Cooks ältestem Knaben, einem Burschen von acht oder neun Jahren, auf einem ausgebreiteten Bärenfell mitten in der Stube. Auf dem kleinen Tischchen an der rechten Wand flackerte ein Talglicht und erhellte den Raum kaum hinlänglich, um noch ein paar rohgearbeitete Stühle und eine Art Eßschrank erkennen zu lassen, der links vom Eingang zwischen Kamin und Tür stand. Sonst war, einige Regale ausgenommen, auf denen die bescheidene Wäsche einer amerikanischen Haushaltung lag, nichts von Möbeln zu sehen, und die über den Betten aufgehängten Kleider der Mrs. Cook dienten auch noch, indem sie einen Kleiderschrank vollkommen entbehrlich machten, als Tapeten und Zierate. Cooks Knabe war der letzte, der sein Lager aufsuchte. Er hatte eben das Licht ausgelöscht und sich auf sein Fellbett niedergeworfen, als ihn der Vater, der sich auf der knarrenden Bettstelle zurechtrückte, fragte, ob er auch den Pflock vor die Tür geschoben habe.

»Nein, Vater«, sagte der Knabe; »die Hunde sind ja draußen.«

»Die Hunde lagern, wie ich eben gehört habe, alle hier hinten unter dem Hirschfleisch«, erwiderte Cook.

»Es wird uns wohl keiner stehlen«, lachte Sander, »wir sind doch auch Personen genug und haben ein paar Büchsen im Hause.«

»Nun, zu spaßen ist nicht«, sagte der alte Lively und streckte sich behaglich aus; »in der vorigen Woche sind weiter im Lande drin viele Diebstähle vorgefallen, und erst vorgestern haben sie, wie uns James erzählte, einen Mann gar nicht weit von hier in seiner Hütte überfallen. Nicht wahr, James, du brachtest ja die Geschichte mit nach Hause?«

»In Bolweys Haus haben sie wahrscheinlich eine Büchse stehlen wollen«, sagte James; »Bolwey kam aber noch zeitig genug dazu und vertrieb sie wieder. Weiter hierher zu sind sie dann in derselben Nacht bei Isloos eingebrochen, haben den alten Isloo schwer am Kopfe verwundet und alles, was sie in der Geschwindigkeit erwischen konnten, meistens Kleider und wertlose Sachen und eine Pistole, mitgenommen.«

»Ja, Isloo vermißt aber auch jetzt seine Brieftasche, wie ich von Draper gehört habe«, sagte Cook, »und in der sollen wenn auch kein Geld, doch für ihn sehr wertvolle Papiere sein.«

»Wo hast du den Draper gesehen?« fragte James.

»Draußen im Walde; als er meinen Schuß hörte, kam er herbei und half mir den Hirsch mit aufs Pferd heben.«

»Hat man denn gar keine Vermutung, wer diese Spitzbuben sein könnten, Gentlemen?« fragte Sander.

»Wahrscheinlich Cotton und der Mulatte, der frühere Helfershelfer Atkins'«, sagte Cook. – »Cotton soll auch den Mann in Poinsett County erschlagen haben, wenigstens sind alle Sheriffs und Konstabler, wenn auch vergebens, hinter ihm her gewesen.«

»Und weiß man nicht, welche Richtung er überhaupt genommen hat?« meinte Sander.

»Nein, – jetzt nicht; – wie es den Anschein hat, wollten die Flüchtigen gen Norden hinauf; denn vom Fourche la Fave aus waren sie über den Arkansas gegangen und schon bis an die Straße gekommen, die den St.-Francis-Sumpf von Memphis nach Batesville durchschneidet. Dort aber verübten sie den Mord und hatten nun augenblicklich die ganze Ansiedlung am Languille – lauter tüchtige Jäger – hinter sich, so daß sie genötigt waren, wieder zurück in die Sümpfe zu flüchten. Ob sie nun ihren Plan geändert haben und vielleicht über den Mississippi wollen, oder ob das hier ganz andere sind, wer weiß es. So viel aber ist gewiß, hier in der Gegend treiben sie sich herum, und wir haben uns schon verabredet, beim ersten Zeichen, das wir wieder von ihnen finden, die ganze Nachbarschaft aufzubieten und einmal eine ordentliche Treibjagd auf die Kanaillen anzustellen.«

»Bei Heinze sind vor einigen Tagen ebenfalls mehrere Sachen weggekommen«, meinte der alte Lively, schon halb im Schlafe, »ein Paar Schuhe, und – und der alte Heinze –«

»Den haben sie gestohlen?« lachte Cook.

»Ahem!« murmelte der Greis, und sein schweres Atmen bewies gleich darauf seine Unzurechnungsfähigkeit in allem, was für den Augenblick Fragen oder Antworten betraf. Auch die übrigen fingen nach und nach an müde zu werden. Cook machte noch einige Bemerkungen, aber schon mit ziemlich schwerer Zunge und geschlossenen Augen, und endlich verriet auch sein Schnarchen, daß er eingeschlummert war.

 

Mehrere Stunden mochten so vergangen sein. Tiefe Ruhe herrschte auf der kleinen Ansiedlung. Kein Laut wurde gehört; nur das monotone Quaken der Frösche und dann und wann der Ruf eines auf Beute ausgehenden Nachtvogels unterbrachen das Schweigen. Der Mond, zeitweise durch vorbeiziehende Wolkenschleier verhüllt, sandte seine matten, ungewissen Strahlen über die Lichtung, und es schien fast, als ob er selbst da oben müde würde und sich hinabsehne in sein kühles Laubbett. Da schlich leise und vorsichtig eine dunkle Gestalt über den schmalen, freien Raum, der die Wohnung von dem benachbarten Dickicht trennte. Lautlos war ihr Schritt, geräuschlos jede ihrer Bewegungen, und als sie die nur angelehnte Tür erreicht hatte, stand sie, dicht an den Pfosten geschmiegt, still und lauschte wohl mehrere Minuten lang auch dem leisesten Atemzug im Innern der Hütte. Dann erst, als sich dem scharfen Ohr nichts Verdächtiges darbot, öffnete der Verbrecher mit sicherer Hand die Pforte und schlüpfte hinein.


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