Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Kapitel

Botschaft

Als Soames um die Teezeit nach Fleur fragte, erfuhr er, daß sie seit zwei Uhr mit dem Auto fort war. Drei Stunden! Wohin war sie gefahren? Nach London, ohne ihm ein Wort zu sagen? Er hatte sich mit den Autos nie recht versöhnen können. Als der geborene Empiriker oder Forsyte, der er war, hatte er sie im Prinzip begrüßt, da er jedes Symptom des Fortschritts billigte, wenn er fand, daß anders nicht mehr auszukommen war. Eigentlich aber sah er sie als rasende, ungestalte, übelriechende Dinger an. Annettens wegen hatte er eins anschaffen müssen – einen Rollhard mit perlgrauen Polstern, elektrischem Licht, kleinen Spiegeln, Schalen für die Zigarettenasche, Blumenvasen – alles mit einem Geruch von Maschinenöl und stark duftender Stephanotis – und betrachtete es, wie er seinen Schwager Montague Dartie zu betrachten gepflegt. Das Ding war typisch für alles, das flott, unsicher und schmierig unter der Oberfläche des modernen Lebens war. Wie das moderne Leben flotter, lockerer und jünger wurde, wurde Soames älter, bedächtiger und im Denken und Sprechen seinem Vater immer ähnlicher. Er merkte es beinahe selbst. Der Gang der Dinge und ihr Fortschritt gefiel ihm immer weniger, es war auch etwas Prahlerisches an so einem Auto, das er bei der herrschenden Arbeiterstimmung für aufreizend hielt. Bei einer Gelegenheit hatte Sims, dieser Bursche, sein Chauffeur, einen Hund, den einzigen festen Besitz eines Arbeiters, überfahren. Soames hatte das Benehmen des Eigentümers nicht vergessen, wo doch nicht viele Leute angehalten hätten, die Sache wieder gutzumachen. Es tat ihm leid um das Tier, und er wäre völlig bereit gewesen, seine Partei gegen das Auto zu nehmen, wenn der Grobian nicht so unverschämt gewesen wäre. Vier Stunden wurden bald fünf, und noch immer keine Fleur. All die alten Autoerfahrungen, die er persönlich und als Anwalt gemacht, ballten sich in ihm zusammen, und ein drückendes Gefühl in der Herzgrube beunruhigte ihn. Um sieben telephonierte er an Winifred. Nein! Fleur war nicht in der Green Street gewesen. Wo konnte sie nur sein? Visionen von seiner geliebten Tochter, in ihre hübschen Plisseeröcke gewickelt, durch einen schrecklichen Unglücksfall mit Blut und Staub beschmutzt, begannen ihn heimzusuchen. Er ging in ihr Zimmer und spähte unter ihren Sachen. Sie hatte nichts mitgenommen – keinen Koffer, keinen Schmuck. Und obwohl dies einerseits eine Erleichterung war, erhöhte es seine Furcht vor einem Unfall. Es war entsetzlich, allein und hilflos zu sein, wenn man sein Liebstes vermißt, namentlich wo er es nicht ertragen konnte, öffentlich irgendwie Aufsehen zu erregen! Was sollte er tun, wenn sie bei Anbruch der Nacht nicht zurück war?

Ein Viertel vor acht hörte er das Auto. Ein schwerer Stein war ihm vom Herzen genommen, er eilte hinunter. Sie stieg eben aus – sah blaß und müde aus, aber sonst war alles in Ordnung. Er erwartete sie in der Halle.

»Du hast mich erschreckt. Wo bist du gewesen?«

»In Robin Hill. Es tut mir leid, Vater. Ich mußte hin, ich erzähle es dir nachher«, und mit einem flüchtigen Kuß lief sie die Treppe hinauf.

Soames wartete im Wohnzimmer. In Robin Hill! Was bedeutete das?

Beim Essen, das die Anwesenheit des Butlers erforderte, konnten sie über dieses Thema nicht sprechen. Die Qualen, die Soames durchgemacht, die Erleichterung, die er empfand, sie sicher wiederzuhaben, schwächten seine Macht, zu verdammen, was sie getan, oder sich dem zu widersetzen, was sie tun wollte; er wartete gespannt auf ihre Enthüllungen. Das Leben war sehr sonderbar. Er war jetzt fünfundsechzig und hatte die Dinge nicht fester in der Gewalt, als wenn er nicht vierzig Jahre damit zugebracht hätte, Sicherheiten zu schaffen – immer gab es etwas, mit dem nicht zurechtzukommen war! In der Tasche seines Jacketts war ein Brief von Annette. Sie wollte in vierzehn Tagen zurückkommen. Er wußte nichts von dem, was sie da draußen trieb. Und er war froh, daß er nichts davon wußte. Ihre Abwesenheit war eine Erleichterung gewesen. Aus den Augen hieß hier aus dem Sinn! Und nun kam sie zurück. Neue Plagen! Und Bolderbys »Old Crome« war verkauft – Dumetrius hatte es bekommen – weil er nach Empfang des anonymen Briefes nicht mehr daran gedacht hatte. Heimlich bemerkte er den abgespannten Ausdruck im Gesicht seiner Tochter, als starre auch sie auf ein Bild, das sie nicht kaufen konnte. Er wünschte sich beinah den Krieg zurück. Damals schienen Qualen nicht ganz so quälend. An der Zärtlichkeit ihrer Stimme, dem Ausdruck ihres Gesichtes erkannte er, daß sie etwas von ihm wollte, und war unsicher, ob es klug von ihm wäre, es ihr zu geben. Er schob seinen Nachtisch ungegessen zurück und rauchte sogar eine Zigarette mit ihr.

Nach dem Essen setzte sie das Klavier in Gang. Und er fürchtete das Schlimmste, als sie sich auf einen Schemel vor ihm setzte und ihre Hand auf die seine legte.

»Liebster, sei gut zu mir. Ich mußte Jon sehen – er hatte mir geschrieben. Er will versuchen, was er mit seiner Mutter tun kann. Aber ich habe es mir überlegt. Es liegt eigentlich in deiner Hand, Vater. Wenn du sie überzeugen könntest, daß wir keineswegs im Sinne haben, die Vergangenheit wieder heraufzubeschwören! Daß ich die Deine bleibe und Jon der Ihre, daß du ihn oder sie niemals zu sehen brauchtest und sie niemals mich oder dich. Nur du könntest sie davon überzeugen, Lieber, weil nur du es versprechen könntest. Man kann nichts für andere versprechen. Es wäre dir doch gewiß nicht zu peinlich, sie nur dies eine Mal zu sehen – wo Jons Vater jetzt tot ist?«

»Zu peinlich?« wiederholte Soames. »Die ganze Sache ist widersinnig.«

»Ich glaube«, sagte Fleur, ohne aufzublicken, »im Grunde wäre es dir nicht unangenehm, sie zu sehen.«

Soames schwieg. Ihre Worte hatten eine zu tiefe Wahrheit ausgedrückt, als daß er es zugeben konnte. Sie schob ihre Finger zwischen die seinen – sie schmiegten sich heiß, schlank und eifrig an sie. Dies Kind würde mit dem Kopf durch die Wand rennen!

»Was soll ich tun, wenn du es nicht willst, Vater?« sagte sie sehr sanft.

»Ich will alles für dein Glück tun«, sagte Soames, »aber dies wäre kein Glück für dich.«

»O doch, doch!«

»Es würde nur alles wieder aufrühren«, sagte er finster.

»Aber es ist ja schon alles aufgerührt. Hier handelt es sich darum, sie zu beruhigen. Sie fühlen zu machen, daß es unser Leben ist und nichts mit dem ihren oder deinem zu tun hat. Du kannst es tun, Vater, ich weiß, du kannst es.«

»Du weißt sehr viel«, war Soames' mürrische Antwort.

»Wenn du willst, werden Jon und ich ein Jahr warten – zwei Jahre, wenn du willst.«

»Mir scheint«, sagte Soames, »daß dir nichts daran liegt, was ich fühle.«

Fleur drückte seine Hand an ihre Wange.

»Doch, Lieber. Aber du wirst mich doch nicht schrecklich unglücklich sehen wollen.« Wie sehr sie schmeichelte, ihren Willen durchzusetzen! Mit aller Macht versuchte er zu glauben, daß sie ihn wirklich liebe – er war nicht sicher – war nicht sicher. Ihre ganze Liebe gehörte diesem Jungen! Weshalb sollte er ihr helfen, diesen Jungen zu bekommen, der ihre Liebe für ihn selbst tötete? Weshalb sollte er? Nach den Gesetzen der Forsytes war es töricht! Man hatte nichts davon – nichts! Sie diesem Jungen zu geben! Sie ins Lager des Feindes zu lassen, unter den Einfluß jener Frau, die ihn so tief verletzt hatte! Langsam – unweigerlich – würde er diese Blume seines Lebens verlieren! Und plötzlich merkte er, daß seine Hand naß war. Sein Herz schlug schmerzhaft. Er konnte sie nicht weinen sehen. Rasch legte er die andere Hand auf die ihre, und auch darauf fiel eine Träne. Es ging so nicht weiter! »Still, still«, sagte er, »ich will tun, was ich kann. Komm her, komm!« Wenn sie es zu ihrem Glücke brauchte – mußte sie es eben haben, er konnte sich nicht weigern, ihr zu helfen. Und um zu verhüten, daß sie ihm etwa dankte, stand er auf und ging an das Klavier – das solchen Lärm machte! Als er herantrat, hörte es mit leisem Summen auf. Er mußte an den Musikkasten seiner Kinderstubentage denken. An » The Harmonious Blacksmith« und » Glorious Port« – dieser Kasten war ihm immer schrecklich gewesen, wenn seine Mutter ihn an Sonntagnachmittagen hatte spielen lassen. Hier war er wieder – dasselbe Ding, nur größer, teurer, und jetzt spielte er » The wild, wild Women« und » The Policemans Holyday«, aber er ging nicht mehr in schwarzem Samt mit einem himmelblauen Kragen. »Profond hatte recht«, dachte er, »es ist nichts daran! Wir schreiten alle dem Grabe entgegen.« Und in Gedanken über diesen merkwürdig weisen Ausspruch ging er hinaus.

Er sah Fleur an diesem Abend nicht wieder. Beim Frühstück aber folgten ihre Augen ihm mit einem Flehen, dem er nicht entrinnen konnte – er hatte auch gar nicht die Absicht, es zu versuchen. Nein! Er hatte sich zu dem nervenaufreibenden Geschäft entschlossen. Er wollte nach Robin Hill hinaus – in das Haus der Erinnerungen. Eine angenehme Erinnerung – die letzte! Als er dort war, um den Vater des Knaben und Irene durch die drohende Scheidung voneinander zu trennen. Er hatte seitdem oft gedacht, daß es ihren Bund noch gefestigt hatte. Und jetzt war er im Begriff, den Bund jenes Knaben mit seinem Mädel zu festigen. »Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe«, dachte er, »daß mir solche Dinge auferlegt werden!« Er nahm den Zug nach London und von dort nach Robin Hill, und von der Station ging er zu Fuß den langen, ansteigenden Heckenweg, der noch immer ebenso war, wie er ihn seit dreißig Jahren in Erinnerung hatte. Merkwürdig – so nahe bei London! Offenbar gab es hier jemand, der an dieser Gegend hing. Dieser Gedanke beruhigte ihn, als er da langsam zwischen den Hecken hinschritt, um sich nicht zu erhitzen, obgleich es frostig genug war. Schließlich war Land, was man auch sagen mochte, doch etwas Reelles, es ändert sich nicht. Land und gute Bilder! Der Wert mochte ein wenig schwanken, im ganzen genommen aber stieg er beständig – es lohnte, sie zu behalten in einer Welt, wo es soviel Unreelles gab wie billiges Bauen, wechselnde Moden und solch ein »Heut-rot-morgen-tot«-Geist. Die Franzosen hatten vielleicht recht mit ihrem Bauernlandgut, wenn er auch sonst keine hohe Meinung von ihnen hatte. Sein eigenes Stückchen Land! Das war etwas Solides! Er hatte Bauerngutsbesitzer als dickköpfige Gesellen beschreiben hören; hatte den jungen Mont seinen Vater einen dickköpfigen »Morningposter« nennen hören – ein respektloser Bursche. Allein es gab schlimmere Dinge, als dickköpfig zu sein oder die »Morning Post« zu lesen. Da war Profond und seine Sippschaft, und all diese Arbeitervertreter und großmäuligen Politiker, und » Wild, wild Women«! Eine Menge schlimmer Dinge! Und plötzlich überkam Soames ein Gefühl der Schwäche, ihm ward heiß, und er schwankte. Es war nur Nervosität vor der Begegnung, die ihm bevorstand! Tante Juley hätte gesagt, seine Nerven wären in einer wahren » fatigue«. Er konnte das Haus jetzt zwischen den Bäumen sehen, das Haus, dessen Bau er bewacht hatte, das für ihn und diese Frau bestimmt war, die, von einem so seltsamen Geschick betroffen, schließlich mit einem andern darin gelebt! Er begann an Dumetrius zu denken, an Darlehen und andere Arten von Kapitalsanlagen. Er durfte ihr nicht mit zitternden Nerven gegenübertreten, wo er eigentlich den Tag des Gerichts auf Erden wie im Himmel für sie repräsentierte, er, die Verkörperung rechtmäßigen Besitzes, der, vermenschlicht, rechtloser Schönheit entgegentrat. Seine Würde verlangte vollkommene Gelassenheit bei dieser Sendung, deren Zweck war, ihre Nachkommen miteinander zu vereinen, die, wenn diese Frau sich richtig benommen hätte, Bruder und Schwester hätten sein können. Die schreckliche Melodie » The wild, wild Women« kam ihm nicht aus dem Sinn, sehr sonderbar, denn Melodien pflegten bei ihm sonst nicht haftenzubleiben. Als er an den Pappeln vor dem Hause vorüberkam, dachte er: »Wie sie gewachsen sind, ich habe sie gepflanzt!«

Ein Mädchen öffnete auf sein Läuten.

»Wollen Sie sagen – Mr. Forsyte, in einer besonderen Angelegenheit.«

Wenn sie merkte, wer er war, würde sie ihn wahrscheinlich nicht empfangen. »Beim Himmel!« dachte er und raffte sich zusammen für den kommenden Stoß. »Es ist doch eine vertrackte Geschichte!«

Das Mädchen kam zurück. »Ob der Herr sein Anliegen nicht nennen könne?«

»Sagen Sie, es betreffe Mr. Jon«, sagte er.

Und wieder war er allein in dieser Halle mit dem Bassin aus grauweißem Marmor, das ihr erster Geliebter entworfen hatte. Ah! Sie war von einer schlimmen Sorte – hatte zwei Männer geliebt und nicht ihn! Er durfte das nicht vergessen, wenn er ihr jetzt gegenübertrat. Und plötzlich sah er sie in dem sich öffnenden Spalt zwischen den langen purpurnen Vorhängen, schwankend, als zögere sie; die alte, vollkommene Haltung und Linie, der alte, dunkeläugige, erschreckende Ernst, die alte, abwehrende Stimme: »Bitte, komm weiter.«

Er ging durch die Öffnung. Wie in der Bildergalerie und in der Konditorei, fand er sie auch jetzt noch schön. Und es war das erstemal – das allererste –, seit er sie vor sechsunddreißig Jahren geheiratet hatte, daß er, ohne das gesetzliche Recht, sie sein nennen zu können, zu ihr sprach. Sie war nicht in Schwarz – eine der radikalen Ideen jenes Menschen vermutlich.

»Bitte mein Kommen zu verzeihen«, sagte er finster, »aber diese Angelegenheit muß irgendwie geordnet werden.«

»Willst du nicht Platz nehmen?«

»Nein, danke.«

Zorn über seine schiefe Stellung, Ungeduld über das Zeremonielle zwischen ihnen, hielten ihn im Zaume, und die Worte kamen abgerissen heraus:

»Es ist ein teuflisches Verhängnis, ich habe getan, was ich konnte, davon abzuraten. Eine wahnsinnige Idee von meiner Tochter, aber ich bin gewohnt, Nachsicht mit ihr zu haben, deshalb bin ich hier. Ich vermute, daß du deinen Sohn liebst.«

»Innig!«

»Nun, und?«

»Ich überlasse es ihm.«

Er hatte das Gefühl, hintergangen und verhöhnt zu sein. Immer – immer hatte sie ihn verhöhnt, selbst in jenen ersten Tagen ihrer Ehe.

»Es ist ein verrückter Einfall«, sagte er.

»Das ist es.«

»Wenn du nur – –! Ja – sie hätten – –« er vollendete den Satz »Bruder und Schwester sein und uns all dies ersparen können« nicht, aber er sah sie schaudern, als wenn er es gesagt hätte, und verletzt ging er ans Fenster hinüber. Dort draußen waren die Bäume nicht gewachsen – sie konnten nicht, sie waren zu alt!

»Soweit es mich betrifft,«, sagte er, »kannst du beruhigt sein. Ich wünsche weder dich noch deinen Sohn zu sehen, falls diese Heirat zustande kommt. Junge Leute sind heutzutage – ganz unberechenbar. Aber ich ertrage es nicht, meine Tochter unglücklich zu sehen. Was soll ich ihr sagen, wenn ich zurückkomme?«

»Sage ihr, bitte, was ich dir sagte, es bleibt Jon überlassen.«

»Du widersetzt dich der Sache nicht?«

»Von ganzem Herzen, aber nicht mit Worten.«

Soames stand da und nagte an seinem Finger.

»Ich erinnere mich eines Abends – –« sagte er plötzlich und verstummte dann. Was war das – was war es nur in dieser Frau, das mit seinem Haß und seiner Verurteilung nicht in Einklang zu bringen war? »Wo ist dein Sohn?«

»Oben im Atelier seines Vaters, glaube ich.«

»Vielleicht könntest du ihn herunterbitten.«

Er beobachtete, wie sie klingelte und das Mädchen hereinkam.

»Bitte, sagen Sie Mr. Jon, daß ich ihn sprechen möchte.«

»Wenn es ihm überlassen bleibt«, sagte Soames hastig, als das Mädchen gegangen war, »ist wahrscheinlich anzunehmen, daß diese unnatürliche Heirat zustande kommen wird; in diesem Falle werden Formalitäten notwendig sein. An wen habe ich mich zu wenden – an Herrings?«

Irene nickte.

»Du beabsichtigst nicht, mit ihnen zu leben?«

Irene schüttelte den Kopf.

»Was geschieht mit diesem Hause?«

»Es geschieht alles, wie Jon es wünscht.«

»Dies Haus«, sagte Soames plötzlich. »Ich hatte Hoffnungen, als ich es bauen ließ. Wenn sie darin wohnten – unsere Kinder! – Man sagt, es gebe eine Nemesis. Glaubst du daran?«

»Ja.«

»Oh! Wirklich?«

Er war vom Fenster zurückgekommen und hatte sich dicht neben Irene gestellt, die, wie Zuflucht suchend, in der Ausbuchtung ihres großen Flügels stand.

»Ich werde dich wahrscheinlich nicht wiedersehen«, sagte er langsam. »Willst du mir die Hand reichen« – seine Lippen bebten, die Worte kamen ruckweise – »und die Vergangenheit tot sein lassen?« Er streckte die Hand aus. Ihr blasses Gesicht ward noch blasser, ihre Augen ganz dunkel, sie waren unbeweglich auf die seinen gerichtet, ihre Hände hielt sie gefaltet vor sich. Er vernahm ein Geräusch und wandte sich um. Der Junge stand in der Öffnung des Vorhangs. Er sah sehr merkwürdig aus, kaum als der junge Bursche wiederzuerkennen, den er in der Galerie nahe der Cork Street gesehen hatte – verstört, starr, das Haar zerzaust, die Augen tief in ihren Höhlen. Soames machte eine Anstrengung und sagte mit einem Heben der Lippen, das nicht ganz ein Lächeln war und nicht ganz Hohn:

»Nun, junger Mann! Ich bin meiner Tochter wegen hier; es hängt hier alles von Ihnen ab – wie es scheint. Ihre Mutter legt die Sache in Ihre Hände.«

Der junge Mann fuhr fort, seine Mutter anzustarren, und gab keine Antwort.

»Um meiner Tochter willen habe ich es über mich gebracht, herzukommen«, sagte Soames. »Was soll ich ihr sagen, wenn ich zu ihr zurückkomme?«

Den Blick immer noch auf seine Mutter gerichtet, sagte der junge Mann ruhig:

»Sagen Sie Fleur, bitte, daß es keinen Zweck hat; ich muß handeln, wie mein Vater es gewünscht hat, bevor er starb.«

»Jon!«

»Laß gut sein, Mutter!«

Mit einer gewissen Verblüfftheit blickte Soames von einem zum andern, nahm dann seinen Hut und Schirm, die er auf einen Stuhl gelegt hatte, und ging auf den Vorhang zu. Der junge Mann trat zur Seite, um ihn vorbei zu lassen. Er ging hindurch und hörte das Rascheln der Ringe, als die Vorhänge hinter ihm zugezogen wurden. Der Ton löste etwas in seiner Brust.

»Also, das wäre getan!« dachte er und ging durch die Haustür.


 << zurück weiter >>