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Tack, Tack«, klopfte es an die Bambusstäbe der Hütte, in die ich gestern abend auf den Knieen hineingekrochen und in der meinem Kopfe alsogleich auf sehr empfindliche Weise die Lehre geworden: nur fürs Schlafen, nur zum Liegen ist die Negerhütte gemacht.
Die vorausgegangene fiebererregende Anstrengung im Sumpfgelände, die knäuelartig sich drehenden Moskitowolken, das Rufen der Eulen und Käuze im anstoßenden Urwald, die fixe Idee, ein fauler Ast könnte beim leisesten Winde mir auf die Hütte fallen, das Weinen der Kinder und das Gemurmel aus den umstehenden Hütten, deren dünne Blätterwände jedes Wort, was sage ich! jedes Schnarchen und Atmen hören ließen: das alles hatte mir auch nicht eine Sekunde Ruhe gewährt. Und nun verscheuchte gar das frühe Klopfen die Hoffnung auf den Morgenschlaf.
»Tack, Tack, Tack«, tönt es wieder an den Bambusstäben, und gleich rüttelt es an den Pfählen und Wänden der Hütte: Negerart, den Schläfer herauszukriegen.
»Was wollt ihr denn so früh? Könnt ihr nicht schlafen?«
»Pater, der Hahn hat seinen ersten Schrei getan. Komm heraus! Beten wollen wir und die heilige Messe haben; sonst ist der Tag nicht schön!«
»Kinder, ruht noch und schlafet! Wir beten, wenn es Tag wird.«
»So, Pater, wir Kinder Gottes sollen nicht vor den Heiden aufstehen? Wenn der Tag anbricht, wird der ganze Platz voll Lärm sein, und da kannst du uns die heilige Messe nicht geben. Wir fangen jetzt gleich zu beten an.«
»Im Namen des Vaters …« klang es nun aus kräftigen Jünglings- und Knabenkehlen durch die klare Luft der vierten Morgenstunde, drang es in die entferntesten Hütten, und hallte es aus dem Urwald wider. »Alles meinem Gott zu Ehren, in der Arbeit, in der Ruh! Gottes Lob und Ehr' zu mehren, ich verlang' und alles tu'! … Gib, o Jesu, Gnad' dazu!« klang noch begeisterter das Lied meiner unerschrockenen und glaubensfrohen Neophyten und stieg von der dunklen Erde zum sternenverklärten Himmelszelt empor. Es folgte der Rosenkranz, der tägliche Rosenkranz – der Negerchrist mag ihn nicht missen. Und das ist sein Glück! Nicht nur die so erflehte Gnade, auch der Gedanke an die unversehrte, reinste, erhabene Frau und Mutter ist die Heilsmedizin für eine so versumpfte Welt, ist die Erlösung ihres weiblichen Geschlechtes.
Unterdessen hatte mein Bursche den Tragaltar aufgerichtet, zu beiden Seiten des Altarkreuzes dreiästige Pfähle in die Erde gerammt und zwei mächtige Palmölfackeln darauf gestellt. Ich schreite an den Altar und rufe aus dem Sternengezelt in diese Erdfinsternis Christus herab, das Licht zur Erleuchtung der Heiden, die Sonne der Gerechtigkeit. Betend und singend begrüßen ihn meine Neuchristen und nehmen ihn in ihr glückliches Herz auf.
Wie ich mich umwandte, um mit erhobenen Augen und Händen den Segen zu spenden, da leuchteten mir aus der Nacht weiß und schwarz funkelnd tausend Augen entgegen: die Söhne der Wildnis hatten sich neugierig und scheu herangeschlichen und uns in weitem Umkreis umstellt, das Neue und Geheimnisvolle unsres Tuns zu schauen.
»Ihr Kinder des Urwaldes«, begann ich da, »tretet herbei und fürchtet euch nicht! Laßt euch auf den Boden nieder! Ich will euch erzählen, wer wir sind und was wir tun. Ich liebe die schwarzen Menschen. Nicht mit Gewehren und Soldaten bin ich gekommen, wie ihr seht, sondern als euer Bruder. Mich hat ein Herr gesandt, der nicht Gummi und Elfenbein sucht. Ihr kennt diesen Herrn. Ihr schwört bei ihm, wenn ihr die Hand erhebt und ruft: ›Gott weiß es!‹ Ihr beobachtet die Sterne dort oben und ihren Lauf: der große Herr hat sie gemacht und führt sie ihre Bahnen! Nicht ihr habt sie gemacht; sie sind des großen Herrn Werk. Tiere ohne Zahl hat er für euch in den Wald gesetzt. Euch gab er den Verstand, sie zu erjagen mit fein geschnitzten Pfeilen und Bogen, mit Netzen, Schlingen, Fallen und Gruben. Weil er euch lieb hat, gab er euch diese Nahrung, denn ihr seid seine Kinder. Ein endlos großer und guter Geist ist dieser Herr. Er wohnt nicht in einem kleinen Fleisch wie unser Geist, sondern bei den Sternen droben und auch bei uns Menschen hier unten. Wie die Luft überall hindringt, so ist der große Geist und Verstand, den wir Gott nennen, überall gegenwärtig und tätig: er schafft alles und ordnet alles. Wir sind seine Kinder und er ist unser Vater, wie ihr es selber sagt. Darum lieben wir ihn, darum ehren wir ihn durch Lobgesang, und keinen Tag lassen wir verstreichen, ohne mit ihm so geredet zu haben, wie wir es eben getan. – Dieser große Herr hat mich zu euch schwarzen Menschen gesandt. Kommt, ihr Kinder des Urwaldes, ich will euch von Gott noch mehr erzählen. Ich will euch zusammenschließen zu einem Bunde mit allen jenen Menschen, die Gott ehren als Herrn und Vater, und auf ihn hören wollen.«
Bild 9. Zerlegung junger Elefanten.
Bild 10. Musikanten.
Bild 11. Elfenbeinablieferung.
Bild 12. Gummiablieferung.
Immer näher waren sie herangerückt und immer enger aneinander kauerten sie auf der Erde; unentwegt starrten ihre Augen auf mich, gierig horchten ihre Ohren auf meine Worte. Sie hingen so an meinem Munde, daß kein Laut, kein Husten oder Räuspern zu vernehmen war; selbst den Atem hielten sie an.
Nun stieg in schnellem Laufe die Tropensonne hinter dem dunklen Wald empor und überflutete Wälder, Hütten und Wege mit unvergleichlicher Lichtfülle. Es glitzert und schimmert und schillert die ganze Natur, selbst Wege und Dächer, wo in Myriaden von reichen Tautropfen sich die Lichtstrahlen in ihre Farben auflösen.
Auch mir sollen sie dienen, auf dem Tragaltar farbenprächtige Bilder der biblischen Geschichte vor den staunenden Blicken dieses Volkes zu verklären – bis ich ihnen Adam und Eva in Anbetung vor ihrem Herrn und Schöpfer zeigte und sie mitriß auf die Knie zum ersten und begeisterten Huldigungsgebet an ihren bislang wenig bekannten Gott. Aus vollem Herzen und aus voller Kehle sprachen sie es mir nach.
»Du mußt bei uns bleiben!« riefen sie nun. »Wir werden dir ein Haus bauen. Der Häuptling muß dir den Platz geben. Mitten in unsrem Dorfe sollst du wohnen.«
Man rief den Häuptling her zu mir – er war im Hintergrund gestanden. Er sprach: »Meine Leute wollen dich haben. Das ist mir recht, wenn du uns nur keinen Krieg bringst. Wir bauen dir ein Haus. Aber unterweise meine Leute nicht im Geheimnis des Papiers, denn sie wollen sonst gescheiter sein als ich und gehen fort in den Dienst der Europäer, und dann wäre ich ein Häuptling ohne Männer. Die Knaben dürfen alle in deinen Unterricht, die Mädchen nicht. Ich habe schon von deiner Lehre gehört, sie sei nichts für Mädchen und Frauen, nichts für uns Männer, denn du verbietest, viele Frauen zu nehmen.«
Ich ließ den Häuptling nicht mehr los, sondern folgte ihm, daß er mir gleich den Bauplatz und Arbeiter gebe. Er wollte es verschieben, gab aber endlich dem Drängen nach und führte mich hinter die Hütten, wo ein 20 Meter breiter Termitenhügel stand.
»Wie kannst du mir einen Platz anbieten, den ihr selber unbebaubar findet?«
»Weißer, du bist gut und du hast viel Salz. Dieses Salz wollen wir essen. Den Termitenhügel da trägt man nicht in einem Monat ab. Unsre Frauen werden an dieser Arbeit viel Salz verdienen, daß die Speisen, die sie uns Männern kochen, schmackhaft werden. Gäbe ich dir eine andere Stelle, dann bliebe ja das Salz in deiner Kiste.«
Die Sprachtrommel und der Häuptlingsbote melden denn auch, was jeder Dorfteil gegen hohe Salzansprüche zu tun habe, und wie dieses Salz kräftige und fettreiche Körper schaffe. Eine Spekulation also auf meinen Salzsack!
»Ich muß verreisen in Frauenangelegenheiten«, spricht bald darauf der Häuptling. Er übergibt das Dorfkommando seinem Bruder – ein Kniff! Viele aus dem Dorfe gehen auf die Jagd oder in die Sümpfe, Getier zu fangen. Der Häuptlingsstellvertreter rennt auf mein Verlangen dorfauf, dorfab und erinnert die mir zugesicherten Arbeiter scheinbar an ihre Pflicht. »Du hast uns nichts zu befehlen«, sagen sie. »Ist etwa der Häuptling tot und hat das Dorf dich zum Nachfolger bestellt?« Auch ich wandere von Hütte zu Hütte und mahne zur Arbeit. »Ja, Weißer, Bäume sollst du bekommen; doch mein Bruder wird statt meiner gehen.« Ein anderer: »Dem Weißen kann ich nichts abschlagen. Ich will meine Axt gleich holen; sie ist in der Hütte am Dorfende.« Ein dritter: »Mein Kind hat Leibweh, ich kann heut nicht gehen.« – »Wo ist dein Kind?« – »Mit der Mutter im Wald beim Krebsfangen.« – »Für heut ist's doch zu spät; wir gehen morgen.« – Nach einigen Tagen werde ich trotzdem auf des Häuptlings Befehl ein paar unbrauchbare Bäume bekommen, damit er auf Salz Anspruch machen kann.
Die ganze Arbeit aber lastet auf mir und auf denen, die sich für den Unterricht entscheiden; zudem wird ihnen noch die Bezahlung abgenommen. Das Werk Gottes leidet glücklicherweise keinen Schaden dabei. Geprüft und gestählt wird so gleich zu Beginn der Wille der Jugend. Da sind sie denn auch schon in großer Zahl. Sie haben nicht gewartet. Gleich nach der Unterrichtsstunde sind sie in den Wald geeilt und kommen mit Lianenbündeln schwer beladen zurück. Im weiten Kreis auf dem Platze hockend, beginnen sie sie mit Messern, Zähnen und Fingern zu spalten und 4–5 Meter lange Bindfäden zu formen. Dabei singen Vorsänger und Chor in melodischem Wechselgesang ihre freien Kompositionen.
Wir fanden dich – Du Liane des Waldes!
Im dicksten Dickicht – Du Liane des Waldes!
Wie wuchsest du schlank – Du Liane des Waldes!
Wie wurdest du dünn – Du Liane des Waldes!
Wir spalten dich fein – Du Liane des Waldes!
Zu binden mit dir – Du Liane des Waldes!
Die Stäbe und Pfähle – Du Liane des Waldes!
Und Bambus und Laub – Du Liane des Waldes!
Ein Haus draus entsteht – Du Liane des Waldes!
– Für Gott und Gebet Du Liane des Waldes!
Dort singen wir dann – Du Liane des Waldes!
Das Lob Gottes des Herrn – Du Liane des Waldes!
usw.
Oder:
Wir Kinder, wir bauen ein Haus Gott dem Herrn –
Ja, ja, für Gott, unsern Herrn!
Wie freut sich die Seele, sie arbeitet gern –
Ja, ja, für Gott, unsern Herrn!
Versagen die Alten, sie sind eben schlecht –
Ja, ja, für Gott, unsern Herrn!
Wir Kinder, wir wählen, was gut ist und recht –
Ja, ja, für Gott, unsern Herrn!
Alle: Ja, ja, für Gott, unsern Herrn, was gut ist und recht vor Gott
unsrem Herrn! – usw.
»Kinder, jetzt habt ihr schon einen großen Haufen Lianenschnüre hergerichtet. Geht jetzt heim, etwas zu essen; ihr habt Hunger.«
»Wie, Herr, essen sollen wir? Wer hat uns denn gekocht? Haben wir etwa Frauen, die uns kochen, oder sind wir noch ganz kleine Kinder, die bei der Mutter essen? Wir kochen unser Essen selber, nur einmal im Tag, nach Sonnenuntergang. Dann kochen wir uns viel und essen viel, damit wir gut schlafen. Wenn wir aber keine Nahrung gefunden haben, können wir nicht kochen und nicht schlafen.«
»Brüder«, rief ein anderer, blitzschnell auffahrend und in die Mitte springend, »wir wollen dem weißen Herrn jetzt unser Dorf zeigen.«
»Loo, loo«, schrie gleich die ganze Bande, warf die Lianenschnüre auf einen Haufen neben die Hütte, umringte mich, umklatschte mich und drängte mich vorwärts. Vorausschreitend begannen schon wieder die Vorsänger in hohen Akkorden und der Chor folgte mit dem Refrain in tiefem Tone:
Ihr Väter und Mütter vom Dorfe Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Ihr Knaben und Mädchen vom Dorfe Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Ein Herr ist gekommen ins Dorf der Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Den sollt ihr jetzt sehen, ihr Leut' von Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Erst gestern, spät abends, kam er nach Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Mit Knaben und Schätzen kam er nach Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Gesandt ist er worden von Gott nach Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Erzählen soll er von Gott in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Die Knaben sein sangen heut früh in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Des großen Herrn Lob auf dem Platz in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Drauf kleidet der Weiße sich schön in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Wir schauten, wir schauten, ei was! in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Wir hörten ihn reden vom Gott der Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Der wohnet im Himmel hoch über Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Und wandelt im Dorfe und Wald von Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Zu geben das Leben und Speis den Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Drum sollt ihr ihn ehren, den Herrn von Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Und sollet ihn loben, den Herrn von Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Der gut ist und liebet die Leut von Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Und wandelt und weilet als Geist in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Wir bauen ein Haus unsrem Gott in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Und groß soll es werden, das Haus in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Und schön soll es werden, das Haus in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Wir Kinder, wir bauen's für Gott in Wandangu –
Hört, hört, öffnet die Ohren und hört!
Dicht neben mir schritt eine Ehrengarde, die nicht sang, sondern Aug und Ohr auf mich gerichtet hielt, zu jedem Dienste und jeder Aufklärung bereit. Ihnen lag ob, mich mit allem bekannt zu machen.
Da stellt sich ein hochgewachsener Mann in Positur; ehrfurchtsvoll sich verneigend, holt er mit der Hand in weitem Bogen zum Gruße aus. Frauen standen abseits mit offenem Munde und erhobenen Händen; andere hielten die schreienden Säuglinge fest, die aus Furcht vor dem weißen Manne aus Leibeskräften strampelten. Scheue Mädchengruppen standen regungslos abseits, die Fingerspitzen zwischen den Zähnen, und schauten sich fast die Augen aus.
Was für ein Apparat ist denn dort aufgerichtet? Ich trat aus dem Kreise heraus. Die Leute wichen zurück. Ich rief ihnen freundlich zu. Ein altes Mütterchen faßte den Mut, meine Hand zu ergreifen, mir ihre zitternden Kinder vorzustellen. Ich liebkoste diese, was sie ganz entzückte. Nun stand ich vor einem Webstuhl. Zwei Pfähle waren im Abstand von einem Meter in die Erde gerammt, Querstangen unten und oben verbanden sie, und dazwischen waren die Raphiafasern senkrecht ausgespannt. Drei dünne, fein geschliffene Latten hielten abwechselnd diese Längsfäden nach außen und nach innen; mit einer vierten Latte, deren Ende wie eine Angel aussah, wurden Querfäden durchgezogen. Der Meister war befriedigt, als er mein Interesse für sein Gewerbe bemerkte, schob mir einen Holzklotz unter, auf dem ich mich niederließ. Das Ehrgefühl hieß ihn mir seine Meisterschaft beweisen; mit einer Schnelligkeit, der das Auge kaum folgen konnte, wechselte er die Stäbe ein und aus und reihte Faden an Faden, die er satt an die vorigen schlug. »Probiere es auch einmal«, sagte er dann zu mir. Ich setzte mich an den Webstuhl und wurde Lehrling. Der Meister zeigte wieder und wieder und stellte mir endlich das Zeugnis aus: »Er ist noch dumm«; die umstehenden Alten nickten Beifall, einige jedoch sagten: »Er wird's schon lernen!« – »Ich will dir nun Stoffe zeigen, die ich gemacht habe.« Aus der nahen Hütte holte er sechs fertige Tuchstücke, jedes etwa 80 Zentimeter im Geviert, mit Rechtecken, Sternchen und andern Figuren bunt durchwirkt. Den Bußgeist des heiligen Eremiten Paulus muß haben, wer damit sich bekleiden will, oder aber eine abgehärtete Negerhaut. Der Meister verlangte für eines seiner Tücher ein zwanzigmal so großes europäisches. Das sei zu viel, meinte ich. »Keineswegs«, entgegnete er, »du schätzest meine Arbeit nicht genug ein. Habe ich nicht erst die Fasern im Walde suchen müssen, hoch oben auf der Raphiapalme, mit Absturzgefahr? Habe ich sie nicht gesäubert, gestrichen, geschmeidig gemacht zwischen meinem Messer und meinen Fingern? Habe ich sie nicht sorgsam aufgespannt, straff und nebeneinander, nicht acht gehabt, daß ja keine Faser verdreht oder gerollt aufgezogen werde? Dann die Arbeit mit den Stäben, die ich aus hartem Gulaholz geschnitzt und mit Öl eingerieben habe und immer wieder schmiere, daß sie schnell zwischen den Fasern durchhuschen! Und die Fertigkeit meiner Finger! Dazu die Arbeit meines Verstandes, die schönfarbigen Fäden zur rechten Zeit einzuziehen, daß es Gebilde gebe, die dem Auge wohlgefallen; auch oben und unten, rechts und links genügend Fasern undurchwirkt zu lassen, daß ich nach Abschneiden vom Webstock daraus Fransen und Quasten drehen könne! Sag, weißer Herr, ist das nicht viel Arbeit für einen einzigen Mann? Kannst du es etwa nachmachen? Der Stoff, den ich als Kaufpreis von dir verlange, ist nicht den meinen wert. Schau seine Fäden an: die Hand eines Kindes zerreißt sie; du, ein starker Mann, wirst keinen der meinen zerreißen. Schau die Leute an, die in Europatuch einhergehen: der Stoff ist stets zerrissen und verschlissen. Geh durch unser Dorf und suche, ob du ein Stück findest aus eines Negerwebers Werkstatt, das zerrissen ist. Unsre Fasern sind stark und unsrer Hände Arbeit gut; eure Europatücher hingegen sind Spinnengewebe, mit Farbe überstrichen, die beim Regen am Körper herabläuft.«
»Sieh dir einmal diesen andern Stoff an, den machen wir auch.«
Mit diesen Worten trat ein zweiter Mann heran und zeigte mir ein ganz neues Tuch, dem Hirschleder ähnlich. »Der Stoff ist weich, aber nicht so dauerhaft wie jener. Der Baum hier – der wilde Feigenbaum, Urostigma – gibt ihn uns. Wir schneiden seine Rinde in jeder sechsten Regenzeit ab – sie wächst wieder nach –, legen sie ins Wasser, klopfen sie auf einem Holzklotz, bis alle Holzteile herausgefallen sind. Dann färben wir sie rot mit Palmöl und Holzmehl. Diese Kleidung tragen wir große Männer zur Arbeit; zu Festen aber und zum Tanze nehmen wir das kostbare Tuch, das unser Weber macht.«
»Ich will weitergehen, liebe Leute. Werdet ihr auch heute abend zu mir kommen, den Unterricht über Gott zu hören?«
»Wir gehen auf die Elefantenjagd.« – »Wir müssen Palmwein holen.« – »Wir müssen tanzen.« Ausflüchte ohne Zahl!
Die frohe Jugend nahm mich wieder in die Mitte. Wir marschierten durch eine nicht endende Wolke der übelsten Gerüche, die ich von mir abwehrte.
»Hahaha«, lachten sie, »es riecht schon ganz gut. Wir werden bald viel essen können.«
»Was wollt ihr denn essen? Was riecht so entsetzlich?«
»Kennst du das nicht? Das Elefantenfleisch wird weich, es liegt jetzt schon zwölf Tage in den Hütten oder in den Lehmgruben. Weißt du, der Elefant hat ein zähes, hartes Fleisch, nur Rüssel und Bauch (Eingeweide) sind weich; die essen wir gleich; das andere Fleisch räuchern wir erst, bis es eine harte Kruste hat, so daß die Insekten nicht eindringen; dann hängen wir es in unsre Hütten oder legen es in Lehmgruben, bis es schön weich ist. In jeder Hütte ist Elefantenfleisch; solch ein Tier ist gar groß, davon kann ein Unterhäuptling mit allen seinen Leuten satt werden.«
»Kinder, dieses Fleisch riecht übel; das sollte der Mensch nicht essen!«
»Was! Das sollen wir nicht essen, das gute Fleisch? Wir essen doch nicht den Gestank, wir essen das Fleisch!«
»Jetzt weiß ich, weshalb bei euch so viele Menschen an Leibweh sterben. In diesem faulen Fleische sind doch viele Tierchen, die kommen in die Gedärme und beißen dort Wunden.«
»Nein, nein, an diesem Fleische stirbt niemand, es macht stark und rund. Wir stellen das Fleisch mit viel Pfeffer aufs Feuer, gießen nur wenig Wasser daran und binden den Topf fest zu, daß ja kein Dampf entweiche. So wird es in Dampf und Pfeffer gekocht. – Dort drüben stampfen die Frauen Maniok; den essen wir zum Elefantenfleisch.«
Am Boden kauernde Weiber rieben mit sägenartig bezahnten Messern, zur besseren Handhabung an Griffstöcken befestigt, die angekochten Maniokknollen zu Brei, der wie Kartoffelbrei aussah. Auch ihre Arbeit ging nicht ohne schöne fröhliche Weisen im Wechselgesang vor sich.
Wenn die Männer heimkommen kurz vor Nacht –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Dann von weit her schon rufen sie uns zu –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Darum suchten wir Speise in dem Wald –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Sie zu kochen, nun feuern wir mit Holz –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Elefantenfleisch gibt uns neue Kraft –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Diesen Maniok haben heute wir gekocht –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und zu Brei wir stampfen ihn im Trog –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Ihn zu wässern, tragen wir ihn in den Fluß; –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und dann wickeln mit Blättern wir ihn ein –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und wir legen diese Rollen in den Rauch –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Unsre Kinder werden rufen: »O wie gut!« –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und die Männer werden sprechen: »Das gibt Blut« –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und wir Frauen, wir jubeln voller Mut –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Doch wenn schlecht unser Essen, dann gibt's Schläg' –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
Und es brüllt uns der Mann an voller Wut: –
He, Frauen, wo unsre Nahrung?
usw.
Weiter stoßen wir bei unsrem Gang auf Seiler. Dieselben Fasern, die wir beim Weber gesehen, rollen sie auf ihrem geölten Oberschenkel mit der geölten Rechten zur Schnur, während die Linke unaufhörlich neue Fasern aus dem hängenden Bündel reißt und nachschiebt. Wozu werden sie gebraucht? Blick auf! Dort sitzen die Netzflechter, fröhlich den Antilopenfang besingend, dem ihr Handwerk dienen soll. An der großen Zehe des linken Fußes ist die Arbeit mit einer Masche eingehängt. Die Finger der linken Hand halten die jüngsten Maschen, an denen die rechte Hand weiterflicht. – Sind diese Leute gewerbliche Seiler, die für andere arbeiten? Keineswegs; sie machen die Netze für sich, für ihre Jagd. Wer Netze haben will, der suche Fasern, mache Schnüre, flechte sie selber. Jedermann genüge sich. Nur bei der Verehelichung wird stets vom Freier auch ein Netz in der Kaufsumme ausbedungen.
Als feste Berufe kennt man nur Weber, Ärzte und Schmiede, die nebenher aber auch anderes treiben. Der Schmied ist der angesehenste Mann im Dorfe. Denn was, vermöchte selbst der Häuptling ohne Lanzen und Messer, die ihm doch der Schmied liefern muß? Ohne ihn stürbe das Dorf Hungers. Sehr oft ist der Schmied selber Häuptling. Wie der Arzt, so vererbt der Schmied seinem bevorzugten Sohne die Geheimnisse seines Handwerks und die Zaubersprüche, ohne die die Erzeugnisse trotz aller Arbeit wirkungslos blieben.
Wir haben schon von weitem das Hämmern und Singen gehört dort unter dem Blätterdach, das vier geschnitzte Holzsäulen tragen, und sehen jetzt auch die Glut der Esse sprühen. Dahin führen mich die Buben. Ein alter Mann mit schon grauen Haaren sitzt am Boden bei der Arbeit. Zwischen seinen weit gespreizten Beinen liegt ein schwarzer Block aus Erz, ein Amboß der Steinzeit. Mit einem keilartigen Eisenstück, dessen Spitze in die Öse eines Stockes eingelassen ist, klopft er das glühende Metall, indem er dabei seinen Zauberspruch singt, auf daß es länger werde und breiter. Fügt es sich nicht mehr seinen Schlägen, so legt er es wieder in die Glut der Holzkohlen und der ölreichen Palmfruchtsteine, die zur hellen Flamme auflodern, wenn der Blasbalg einsetzt, aus dem die Luft durch gebrannte Lehmröhren auf die Esse faucht. Dieser Blasbalg besteht aus zwei in den Boden eingelassenen Riesentöpfen, an deren hinterer Seite sich Ventillöcher mit herabhängendem Fellverschluß befinden, vorn das Entströmungsloch und die tönerne Leitungsröhre zur Esse hin. Ein Fell ist locker über jeden der Töpfe gelegt, um den Rand festgebunden, während es sich in der Mitte auf und ab bewegen läßt mittels eines daran befestigten Stockes. Des Windmachers Hände ergreifen die beiden Stöcke, heben und senken sie mit fabelhafter Schnelligkeit und Ausdauer und treiben so den Wind durch die Röhren zur Esse.
Meinem Burschen war ein Licht aufgegangen. Er bringt ein paar Maiskolben und einen Topf mit gut gekochtem Reis her, die beiden Nahrungsmittel, die ich ursprünglich aus der arabischen Gegend bezogen hatte und nun stets mit mir führte, um mich selbst damit zu ernähren, aber auch um diese bislang in der Gegend unbekannten Nahrungsmittel allüberall einzubürgern, mit dem Samen der Lehre auch den für leibliche Stärkung auszustreuen. Und wie herrlich sind beide aufgegangen unter Gottes Segen!
Der Bursche kocht also den Reis an der Esse. Ich setze dann den Topf vor meine Füße und löffle daraus in meinen, des Schmiedes und seiner umsitzenden Söhne Mund, was allgemeinen Jubel auslöst. Jeder teilt in Bruderliebe und Negertreuherzigkeit seinem Nächsten vom Empfangenen mit. Den Mais lege ich auch auf die Esse und röste ihn. »Wie riecht der gut«, riefen sie, als die Körnchen sich dunkelbraun färbten und platzten. Ich fing an abzubrechen, zu essen und auszuteilen.
Dem Schmied reichte ich mit der nötigen Aufklärung einen frischen Kolben zum Setzen. Als ich nach Monaten wiederkehrte, fand ich die Schmiede inmitten eines üppig aufgeschossenen Maisfeldes. Welch ungeahnter Vorteil: die Pflanzung gibt Nahrung und spendet Kühlung bei der heißen Arbeit. Die Lieblingsfrau, aber auch nur sie, darf dem Schmied den Mais zu Mehl stampfen und in Öl zu Küchlein backen. Auch mir bot er dankbar davon an, wenn ich ins Dorf hineinkam. –
Die Sonne begann zu scheiden, und ich mußte den guten Alten verlassen, den Abendunterricht zu halten.
Auf dem Rückweg dachte ich: Wie sind wir Europäer doch so ungerecht und hart im Urteil über dieses Volk, das wir gleich »faules, dummes Negerpack« betiteln. Keinen untätigen Menschen sah ich den ganzen Tag; jeder betrieb mit Eifer und Lust seine Arbeit und sang mit seinen Kollegen ein Liedchen dazu, wie es in der früheren Zeit in Europa auch gewesen sein mag, als man noch in harmloser Glücklichkeit, ohne Hetz und Hatz sein Brot gewann. Goldene Zeiten unsrer Väter, Zeiten des Frohsinns, der Herzlichkeit, der Zufriedenheit, des kleinen Wohlstandes! – Jetzt aber seien wir, sagen die Neger, den futtersuchenden Heuschrecken und Schmetterlingen gleich.
Der Weg führte mich an einem der Schmiede ähnlichen offenen Schuppen vorbei; er war als schattiger Ruheplatz bei der Mittagshitze gedacht.
»Ruft gleich meinen Burschen und bringt alle meine Habe hierher. Unter diesem Dache will ich wohnen, nicht mehr in dem Moskitonest dort unten. Hier ist Licht, Luft und Kühlung in der Nacht.«
Wie schrecklich, wird man denken, so mitten unter wilden Menschen zu leben, die Tag und Nacht auf der Straße herumliegen, ganz unbekannt, allein und ohne Waffen, in einem Blätterschuppen auf vier Pfählen und ohne schützende Wände! Da schlafen und sich sogar noch eine ruhige Nacht versprechen! – O, ich bin da sicherer als in Europa hinter verschlossenen Türen, und habe auch mehr Ruhe, falls nicht lärmender Tanz in nächster Nähe stattfindet. Und alle meine Habe lasse ich draußen auf der Dorfstraße ohne Wächter. Kein Topf, kein Messer, kein Teller wird verschwinden, noch etwas von übriggebliebenen Nahrungsresten. Warum nicht? Eben weil wir in einem Dorfe von noch ganz »wilden« Menschen sind, die nie aus ihrem Stamme herausgekommen, also im Verkehr das Lügen und Stehlen noch nicht gelernt haben, die ihresgleichen nicht nur Brüder nennen, sondern auch als Brüder behandeln. Nie ist mir etwas von ihnen gestohlen worden. Diebstahl und Lüge halten sie für abscheulich und bestrafen sie schwer. –
Der Gong hat geschlagen; die jungen Leute rennen herbei. Vorerst muß ich meine eigenen bezahlen für ihre heutige Arbeit: sie haben für mein neues Obdach Material gehauen. Jetzt wollen sie ihr Essen kochen, dann am Feuer sitzen und schwatzen, bis der Schlaf sie neben dem Feuer zu Boden streckt.
In dichter Menge hockten nun die Knaben und Jünglinge um mich herum. Ich zeigte ihnen meine gefalteten Hände und befahl ihnen, mir nachzutun. »Wir wollen zu Gott, dem großen Geist, reden«, sagte ich zu ihnen. »Ich spreche vor und ihr sprecht mir nach: Vater unser … –«
Zwischen den nächsten Häusern waren einige Gruppen neugieriger und scheuer Mädchen zu sehen, vielleicht voller Sehnsucht, sich uns anzuschließen.
»Ruft doch eure Schwestern herbei; auch sie sind Gottes Kinder.«
»Sie dürfen nicht, die Väter haben es verboten!«
Einer lief zu ihnen hin und ich selbst winkte sie herbei. Im Nu waren sie da verstoben, das Gegenteil der Absicht war erreicht.
»Kinder, von wem will ich zu euch reden?« – »Vom großen Geist willst du uns erzählen.«
»Was hab' ich euch heute früh vom großen Geist gesagt?« – »Daß er die Sterne lenkt, dort droben wohnt und auch bei uns.«
»Ja, Kinder, dieser Geist ist überall. Ist er gut oder böse?« – »Soll der nicht gut sein, der uns das Essen gibt?«
»Können wir mit ihm reden?« – »Ja, das sollen wir jeden Tag! Eben haben wir zu ihm geredet.«
»Hat der große Geist das auch gehört?« – »Soll der nicht hören, der uns das Gehör gegeben hat? Wenn die Bolosi (die bösen Geister) uns hören, dann muß der große Geist uns noch besser hören.«
»Kinder, was für Hölzchen habt ihr da am Halse?« – »Das ist Medizin gegen den Geist, der uns die Wunden im Halse (Halsweh) gibt.«
»Und diese Holzröhrchen an eurem Gürtel?« – »Ha, sind die nicht da, den Bolosi zu vertreiben, der mit Leibschmerzen uns quälen will?«
»Und die durchbohrte Frucht da vor dem Magen?« – »Das ist ein sehr kräftiges Mittel gegen den bösen Geist, von dem der Hunger kommt. Wie der davonflieht, wenn er diese Frucht sieht! Und erst der ganz schlechte Geist, der die Kraft des Körpers bricht und macht, daß alle Glieder herunterhängen, der fliegt fort wie der Wind, wenn er diese Schildkrötenknöchlein sieht. Wir haben noch viele, viele Medizinen. Schau, das ist gegen Brustweh, das gegen Durchfall, das gegen Verstopfung, das gegen Fieber, das gegen den Leopard, das gegen die Viper, das gegen die Mäuse, das gegen das Sterben; denn alles, alles Übel kommt von einem bösen Geiste. Die Bolosi sind ganz böse, böse Kerle. Gar nichts Gutes gönnen sie uns, alles Gute verderben sie uns. Überall sind sie, im Dorfe, in den Hütten, in der Luft, im Walde, im Wasser. Wir müssen sie verjagen durch diese Dinge und durch allerlei Getränke, Worte, Zeichen, Handlungen. Wenn die Geister dieselben sehen, sprechen sie: ›Dieser Mensch ist unser Bruder, wir tun ihm nichts zuleid‹, oder sie bleiben fern aus Angst, ein stärkerer Bolosi sei uns der Medizin wegen hold.«
»Kinder, gibt euch der Zauberer diese Dinge?« – »Nicht alle. Wir schnitzen uns auch selber oder holen sie im Walde. Was als Medizin gegen die Bolosi wirkt, das wissen unsre Väter; sie sind damit geboren worden oder der Zauberer hat's ihnen gesagt; nur wenn die unsern gar nichts helfen, leihen wir stärkere vom Zauberer.«
»Gewiß, Kinder, es gibt böse Geister, viele! Meint ihr aber nicht, daß Gott, der ganz große Geist, stärker ist als sie? Daß er sie bekriegen, verjagen und einsperren kann?« – »Loo!« schrien sie vor Freude, »das ist wahr, das muß er können; er ist ja groß, er führt die Sterne und hat den Elefanten gemacht, der soviel Fleisch hat. Er muß auch die Bolosi verjagen können.«
»Das kann er, Kinder; und weil er euch lieb hat, will er das tun, wenn ihr ihn darum bittet und wenn ihr nichts mit den bösen Geistern zu tun haben wollt. Darum haben wir ja eben zu Gott gesagt: Vater, führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Das heißt: Jag die Bolosi, die uns schaden wollen, fort und befreie uns von dem Bösen, das sie uns schon angetan haben. So müßt ihr jeden Tag zu Gott sprechen. Wir nennen das Zu-Gott-sprechen: ›beten‹. Ihr müßt täglich tüchtig beten. Habt ihr das verstanden, Kinder? Nicht eure Medizin, die ihr im Walde sucht oder euch schnitzelt, vertreibt die bösen Geister, sondern wenn Gott sie schilt und bekriegt, dann zittern sie und fliehen fort, ihm können sie nicht widerstehen. Von ihm müßt ihr Hilfe erflehen, eure Bolosimedizinen aber wegwerfen und vernichten. An eurem Körper, an euern Häusern, überall müssen diese Teufelsmedizinen verschwinden, denn Kinder Gottes seid ihr, nicht Kinder der Teufel.«
Schon hatten die mir zunächst Sitzenden ihre Zaubermittel von Händen und Füßen abgestreift und vor mich hingeworfen. Jetzt waren alle an der Arbeit. Sie rissen sich die Schnüre vom Leibe und streiften die Zauberdinge aller Art ab, zerbrachen die zerstörbaren und warfen sie wütend und schimpfend nach allen Richtungen über die Köpfe hinweg und schrieen: »Kinder Gottes sind wir, nicht mehr Kinder der Teufel.«
Meine christlichen Knaben waren herbeigeschnellt. »Wenn ihr Kinder Gottes sein wollt«, sagten sie, »geben wir euch den Brudergruß und verbrennen euer Heidentum.« Und sie warfen die Teufelsmedizinen ins Feuer.
»Das ist schön, Kinder; mit den Teufeln sollt ihr nicht mehr reden und nicht mehr an sie denken. Ich will euch einmal erzählen, wer die Teufel sind und warum sie euch zu schaden suchen.
»Gott hatte viele, viele Geister geschaffen, er wollte sie im Himmel haben, das ist, wie ihr sagt, Gottes Dorf. Da haben aber viele von ihnen zu Gott gesprochen: ›Du hast uns zwar gemacht, aber wir wollen dich nicht zum Herrn haben, dir nicht gehorchen.‹ Gott ward zornig und hat ihnen ihre Schönheit samt ihren Schätzen genommen und sie fortgejagt.«
»So war's recht!« schrieen die Kinder.
»Dann sprach Gott: ›Ich will Menschen machen und sie statt dieser bösen Geister in den Himmel nehmen, wenn sie gut sind.‹ Da wurden die Teufel voll Neid. ›Nein, diese Menschen sollen nicht in den Himmel kommen‹, sagten sie, ›wir werden das hintertreiben, werden sie aufreizen, daß auch sie Gottes Stimme verachten.‹«
»Ha, haben wir es dir nicht gesagt: böse Kerle sind es!« –
»Nun, Gott wird euch gegen sie schützen. – Wißt ihr's noch, was die ersten Menschen getan haben, als Gott sie gemacht hatte?«
»Niedergekniet sind sie vor Gott, haben sich vor ihm klein gemacht, weil sie ohne ihn nichts waren, und sie haben zu ihm gerufen: ›Herr, du hast uns gemacht: wir wollen dein gedenken alle Tage. Dich ehren und loben wir, weil du groß bist und stark; dich ehren und loben wir, weil du gut und weise bist; dich ehren und loben wir, weil du immer bei uns bist, du unser Herr und Gott.«
»Brav so, Kinder! So zu Gott reden, wie nennt man das?«
»Auf, Kinder! Auch wir wollen jetzt niederknien und Gott anbeten: ehren und loben unsern Schöpfer und Herrn, den großen Geist, der hier zugegen ist.«