Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Siebentes Kapitel.

So lange die Blätter noch an den Bäumen blieben, wanderte Alwin oft Tagelang durch den Forst, am liebsten, wenn die Abendwolken heraufzogen, das Wild mit dreistern Sprüngen an ihm vorbeisetzte, und 220 ein erquickender Duft von den Waldkräutern emporstieg. Was sich ihm dort im eignen Geiste geregt hatte, brachte er in mancherlei Weisen und Reime, wovon er auch nicht abließ, als der Winter die Zweige mit Reif und Schnee bezog, und ihn in sein kleines Stübchen bannte, aus dem er einen eingehegten Gartenfleck übersah, dahinter die winterliche Waldung. Der Förster hatte einige alte, wunderliche Waidmannsbücher, voll von mysteriösen Regeln für das Jagdwesen, und von Geschichten, welche den Jägern in Nacht und Einsamkeit begegnet waren. Diese las Alwin mit heimlichen, behaglichen Schauer; in seiner Kindheit kam es ihm immer vor, als müsse es alte Bücher geben, die noch viel schönere und seltsamere Geschichten enthielten, wie er je gehört hätte, ja als müsse er schon ein solches gesehn haben, 221 und es sei nur verloren gegangen. Jetzt glaubte er oft, das ersehnte Buch liege vor ihm, wenn er von den Nachtgeistern las, und die alten Schriftzüge und Bilder anblickte. Gegen Abend kam er dann wohl manchmal zu der Försterfamilie herunter, und hörte was dem rüstigen Hausvater begegnet sei, der sich eben den Schnee von den Stiefeln schüttelte, und sich freute, an dem Fremden einen so aufmerksamen Zuhörer zu finden. Da wurden auch die Geschichten in den alten Büchern durch mündlichen Vortrag belebt: des heiligen Gangolfs Leben, oder Hubertus Vision, und Julian's schwer gebüßter Kampf mit der wilden Jagd, wanderten durch den vertraulichen Kreis, während die Winterstürme draussen im Forst heulten, und wie bestätigend und mahnend an den Fenstern rasselten.

222 Größtentheils aber blieb Alwin in seinem Zimmer allein und wenn er dann zu der Zither sang, und etwa ein Bauer, den Fußsteig durch den Wald gehend, stehn blieb, und nach der Musik einen Augenblick hinauf sah, um gleich darauf gleichgültig seines Weges fortzuziehn, kam er sich höchst verlassen und schon beinah gestorben vor. Er pflegte alsdann wohl folgendes Lied zu singen:

Wie lang' nur willst Du klingen,
    Du feines Zitherspiel?
Wonach doch mußt Du ringen,
    Hat Jedes ja sein Ziel.

Es klingt zu Lieb' dem Sänger,
    So lang' er singen will,
Und singt einst der nicht länger,
    Wird auch die Zither still.

Ist dann vorbei das Klingen,
    Fällt wohl dem Wandrer ein: 223
Man hört ja nicht mehr singen;
    Er muß gestorben sein.

Einmal kam ein angeschoßner Hirsch aus dem Wald, und that sehr kläglich. Als er das Gehöffte wahrnahm, floh er wieder in das Gebüsch hinein, so schnell es ihm seine Mattigkeit verstattete. Alwin ward darüber sehr betrübt, und sang folgendes Lied:

Hirschlein ging im Wald spatzieren,
    Trieb allda sein artig Spiel,
Daß er stets den andern Thieren
    Als ein lust'ger Freund gefiel.

Laufen konnt' er, konnte springen
    Ueber Graben, Heck' und Bach,
Mit der frühsten Vögel Singen
    Ward auch er zum Spielen wach.

Aber hinter Haselsprossen
    Barg sich Jäger und sein Hund,
Hat nur gar zu gut geschossen,
    Schoß das arme Hirschlein wund. 224

Da sich's schnell zusammenraffte,
    Bangend lief durch Thal und Hain,
Rief der Jäger laut, und klaffte
    Phylax spottend hinterdrein.

Hirschlein wollt's den Freunden klagen,
    Aber Alle liefen fort,
Ließen's wunde Hirschlein zagen,
    Suchte jeder sichern Ort.

Hirschlein kann nun nicht mehr springen,
    Thut die Wund' ihm gar zu weh',
Wenn die Vögel wieder singen,
    Legt sich's weinend in den Klee. 225


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