Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Dreizehntes Kapitel.

Alwin hätte sehr gern noch zu Mathilden ein herzliches Wort über den Brief gesprochen, den er von Beatrix bei sich trug, aber es ging nicht an. Die schöne Frau schwebte in Glanz und Heiterkeit an ihm vorüber, 148 sie warf ihm noch einen freundlichen Blick zu, und er gewann um so weniger den Muth, sein wehmüthiges Gefühl vor diesen Strahlen zu entfalten. Wie eine trübe Herbstwolke schwand er vorüber, und setzte sich in sein stilles Gemach hin, von der heissesten Sehnsucht nach dem Schmerz, nach dem tiefsten, zerreissendsten, erfüllt. Lange hielt er den Brief in seiner Hand, und betrachtete die Schriftzüge, die ihn so oft zu freudiger Erwartung bewegt hatten, und nun legte er trüben, erloschnen Auges das Blatt auseinander, um folgende Worte zu lesen:

Mein lieber, lieber Alwin,

Leide es nur immer, daß ich Dich noch einmal und zum letztenmale so nenne. Ich habe Dir einen so kalten Abschiedsbrief schreiben müssen, weil ihn die Eltern vorher zu lesen kriegten, und das that mir im Herzen weh, 149 recht wie es in den Liebesliedern gesagt ist, die ich nun erst leider verstehe. Was ich Dir eigentlich schreiben soll, weiß ich nicht, aber schreiben will ich, schreiben, so lange die verstohlnen Minuten währen, und dabei weinen, recht aus Seelengrunde, daß ich meinen Kummer und mich selbst ganz fortzugiessen gedenke. Ich weiß wohl, das geht nicht, aber man bildet sich's doch halb und halb ein, und fühlt sich beinah getröstet dadurch.

O du lieber, unartiger Alwin, wie lieb ich Dich noch immer habe! Dein Bild haben sie mir nicht nehmen können. Ich halte es verborgen in einem Blumentopf, wo ich Vergißmeinnicht drinnen ziehe. Du bist so viel klüger als ich, und lachst vielleicht über mein albernes Tändeln, aber es geht mir von Herzen, lieber Alwin, und sollte doch drum auch Dir wieder zu Herzen gehn.

150 Mache Dir aber keine Vorwürfe darüber, daß Du etwa mein Glück zerstört hättest. Sie haben mich schon wieder verlobt mit einem recht hübschen, freundlichen Manne, mit Friedebert, den Du kennst, und der von einer frühern Gemüthskrankheit gänzlich wieder hergestellt ist. Du warst daran Schuld, ungestümer Fechter! Aber für mich hast Du ihm ja den Hieb nicht gegeben. In acht Wochen soll die Trauung sein, aber nicht in den Zimmern, wo ich Dir verlobt ward; nein wahrhaftig nicht, lieber Alwin; glaube das um Gotteswillen nicht!

Friedebert hat uns ein sehr hübsches Haus eingerichtet – den Blumentopf nehme ich mit.

Ich will es Dir nur gestehn: meine Mutter weiß, daß ich Dir schreibe. Sie sah mich so sehr Weinen, und erlaubte es mir endlich, 151 versprach auch, meinen Brief nicht zu lesen, wenn es gewiß der letzte sei. Das habe ich ihr denn heilig beschworen, und muß es nun auch halten. Aber was sie mir einreden wollte mit mancherlei klugen Gründen, die ich vergessen habe: ich solle Dir viel schreiben von meinem Glück, und von Friedeberts Reichthum, das geht nicht, lieber Alwin, und ich will auch gar nicht mehr daran denken.

Du bist nun wohl recht glücklich. Ein solches Dichterleben, wie sie sagen, daß Du führst, wünschtest Du Dir ja immer, und auch die schöne Mathilde ist Dein. O, wie sie Dich lieben muß! Denn sie versteht noch viel besser Deine ganze Herrlichkeit, als ich armes Ding es jemals im Stande war. Und dann schränkten mich die Eltern so ein. Ihr 152 hängt nun wohl tagelang Einer an des Andern Blicken.

Antworte mir nicht. Ich habe gar zu heilig versprochen, keinen Brief mehr von Dir anzunehmen, und Dich auch nie mehr zu sehn. Sonst dachte ich, wir könnten einander wohl doch einmal in Friede und Freundschaft antreffen; aber ich merke nun schon, es wird nicht angehn, und ich werde nicht in Deine blaue Augen schauen, aber desto öfter auf meine Vergißmeinnicht.

Weißt Du noch den Kirschgarten vor Braunschweig, wohin wir so oft spatziren gingen? Der blüht jetzt wieder recht herrlich, und es sind Gänge von Weinreben drin angebracht, und Rasenbanken, wo man recht vertraulich neben einander sitzen kann. Ach, da war es immer so hübsch!

153 Lebe doch recht, recht wohl, mein lieber Alwin. Ich habe nun gar nicht das Herz mich zu unterschreiben. Ich weiß ja nicht mehr wie ich mich vor Dir nennen soll. Aber doch – ich kann ja sagen, ich werde es vor Gott noch sagen, daß ich mit ganzem, mit recht getreuem Herzen gewesen bin

Deine

Beatrix.

Alwin hatte mit überströmenden Augen gelesen, und las immer wieder, und weinte immer heftiger. Er empfand den Genuß, welchen Beatrix in ihrem Briefe schilderte, den Genuß am eignen, in Thränen überströmenden Jammer, dies Mitleid mit sich selbst; So verbrachte er die Nacht, und manchmal kam es ihm vor, als träte seine Mutter an's Bett wie sonst, da er noch ein krankes Kind war, und sie tröstend zu ihm sagte: 154 gedulde Dich nur mein armer Knabe; je weher Dir's thut, je ehr wirst Du besser.

Als ihn am andern Morgen Florismarte begegnete, schaute der ihm keck in's verweinte Gesicht, und rief: Ihr seid unausstehlich sentimental. Auf die Weise könnt Ihr nimmermehr zu etwas Rechtem gelangen.


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