Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Zehntes Kapitel.

Wie oft auch Anselmo über Alwin's neue Lage spotten mochte, fand er dennoch nur allzufrüh Ursach, ihn zu beneiden. Eines Morgens trat er bleich und zerstört in seines Freundes Gemach. Ich bin verloren, rief er aus, und damit Du mein ganzes Unglück verstehn kannst, so höre. Schon seit längrer Zeit genügte es mir nicht mehr, vor Alinens Fenstern Serenaden zu singen, ich mußte sie sprechen, 126 inniger, vertrauter, als es die alberne Sitte unsrer Gesellschaften verstattet, und die kleinstädtische Aufmerksamkeit so vieler Nichtsthuer. Daß mich ihr Vater nicht leiden kann, weißt Du. Es kommt beiläufig gesagt daher, daß ich bei dem was sie jetzt Religionskriege heissen, eine Stelle unter seiner Schaar ausgeschlagen habe. Er hält mich nun für einen eingefleischten Katholiken, und auch in seiner Abwesenheit wagte die Mutter nicht, mir Eintritt bei sich zu verstatten. Aline fühlte so tiefen Schmerz darüber, als ich; sie weinte, ich bat, die Mutter erlaubte mir, auf Mittel zu denken, wie ich unbemerkt, von Niemanden geahnt, ihr Haus besuchen könne. Was ich fruchtlos versuchte, phantastisch ersann, ist hier nicht an der Zeit zu erzählen; endlich gelang es mir, den alten Hausverwalter zu gewinnen, einen der jämmerlichen Menschen, 127 die man gutmüthiger Weise für sehr ehrlich hält, weil sie außerdem gar nichts wären. Balderich vertraut ihm Alles um dieser herrschenden Meinung Willen an, und auch weil der heuchlerische Bursch bereits weiße Haare hat. Er ließ sich leicht von mir bestechen, war anfänglich mit wenigem zufrieden, aber, einmal im Geheimniß, forderte er immer mehr, ja er drohte sogar mit Verrath, so oft ich auch nur augenblicklich zögerte. Ich achtete dessen nicht; himmlische Stunden warteten mein, in frommer, engelgleicher Vertraulichkeit, und wie leicht also flog der Erdenstaub aus meinen Händen hinüber in seine schmutzigen Klauen! Jetzt aber habe ich fast nichts, Aline weint, der Elende droht, und wenn er auch aus Furcht vor mir schweigt, was soll aus dem süßen Mädchen werden, sobald ich nach Italien abgereißt bin, und er sich 128 vielleicht ein größres Trinkgeld von Baldrichs Rachsucht verdienen will?

Alwin hatte schon vor Endigung dieser Rede Alles zusammengesucht, was er an Werth besaß. Wird es dem Raubvogel wohl gnügen? fragte er, indem er seinem Freunde den kleinen Schatz vorhielt.

Nein, ach bei weitem nicht, rief Anselmo.

Alwin steckte das Gesammelte zu sich, und umgürtete sich mit Schwerdt und Dolch, flammenden Blicks ausrufend: Eins hilft, oder das Andre, Gold oder Stahl.

Freund in Noth und Tod, sagte Anselmo, wir haben uns verstanden. Komm sogleich mit mir; es steht kein Augenblick zu verlieren. Das Nähere bereden wir unterwegens.

Sie traten in das Zimmer des Hausverwalters, der an einem Tisch voller Geld und Papiere saß. Er zählte und schrieb 129 wechselsweise, ohne sich nach den Eintretenden umzusehn, bis Anselmo begann:

Wir kommen, Meister Ulrich, in der wichtigsten Angelegenheit meines Lebens, mein Freund und ich, und haben Euch neue Erbietungen zu thun.

Wird schwerlich zu etwas führen, sagte Ulrich. Ihr Beide seid nicht reich und wißt meine Meinung, wenigstens Ihr, Herr Anselmo.

Ich weiß, sagte dieser, daß Ihr ein alter Diener Balderichs seid, treu wie Gold, wo es auf Eure Rechnungen ankommt, nicht allzu streng in Liebessachen, Eurer jungen Jahre eingedenk, und ein Freund aller Baarschaft, weil Ihr ein hülfloses Alter vorausseht.

Ihr solltet Euch nicht immer halb spottend ausdrücken, sagte Ulrich. Das thut Euch Schaden, und besonders, wenn, nach Eurer 130 eignen Aussage von der wichtigsten Angelegenheit Eures Lebens die Rede ist. Was bringt Ihr?

Anselmo und Alwin leerten ihre Taschen vor ihm aus, und fragten, ob er damit zufrieden sei.

Nein, erwiederte Ulrich, sich wiederum kalten Blutes an seine Arbeit wendend.

Ich habe aber nicht mehr, rief Anselmo, bei Gott und allen Heiligen, und auch hier mein Freund nicht.

Das glaube ich ungeschworen, sagte Ulrich.

Wie könnt Ihr denn also noch mehr von uns erpressen wollen?

Das will ich auch nicht, viel lieber aus Gefälligkeit für Euch meine Handlungsweise und meine Gründe nochmals auseinander setzen. Ich weiß, daß es schlecht ist, verdammenswürdig, hinter meines Herren Rücken, 131 den Kuppler seiner Tochter zu machen, und habe es doch gethan, weil Euer Gold mich in Verblendung hielt. Nun ist mein Gewissen von neuem aufgewacht; jedoch liebe ich genugsam den Gewinnst, um die Last noch länger auf meinem Herzen zu tragen, wenn's der Mühe werth ist; das ist's aber nun Eures beiderseitigen Erbietens Willen nicht, und ich sage daher, wie ein jeder Packträger in der Stadt bei ähnlichem Fall: die Wucht ist für's Geld zu groß; könnt ihr nicht mehr zahlen, so werf' ich sie von hier an ab.

Werft Ihr? Hund! rief Anselmo, und hatte ihn im selben Augenblick mit außerordentlicher Gewandheit beim Kragen, einen blitzenden Dolch auf seiner Gurgel. Alsdann fuhr er höchst gelassen fort: daß die leiseste Bewegung mein Gewehr in Eure Luftröhre rennt, seid Ihr wohl selbst klug genug zu 132 bemerken. Ich will Euch also ruhig auseinandersetzen, weshalb Ihr den Tod verdient habt: erstlich wegen des Betrugs an Euerm Herrn, zweitens wegen Eurer Grobheit gegen mich und meinen Freund, Jünglinge aus so edelm Blut entsproßen, daß Eures viel zu hoch geehrt wird, indem es wegen einer Beleidigung fließt, die uns traf, drittens weil Ihr frech genug seid, einen Engel verrathen zu wollen. Aller guten Dinge sind drei, und doch sollt Ihr Euer Schurkenleben behalten, solang Ihr schweigt – versteht Ihr, so lange, aber keinen Augenblick länger. Die erste Beleidigung Balderichs gegen seine Tochter zapft Euer Herzblut ab, das erste Stadtgespräch über sie desgleichen. Und nach meiner Abreise übernimmt dieser die Verpflichtung. – Und, fuhr Anselmo fort, wir schwören's bei unsrer ritterlichen Ehre, keine Gefahr soll uns abhalten, 133 ja nicht der unvermeidliche, nicht der schmähliche Tod, unser Wort an Euch zu erfüllen. – Wir schwören, wiederholte Alwin. – Erbarmen, ächzte der Hausverwalter zwischen den beiden zornglühenden Jünglingen. Sie wandten ihm den Rücken, indem Anselmo zurück rief: merk' Dir's Männlein, und Alwin die angebotenen Kostbarkeiten über ihn warf, als zum Andenken dieser Stunde.

Er bewahrte das Geheimniß, und Anselmo reiste bald darauf ab, von Alinens still geweinten Thränen begleitet, seinen Freund als Vermittler bei der lieblichen Braut zurücklassend. 134


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