Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Drittes Kapitel.

Die drei Gefährten zogen sehr zufrieden mit einander ihres Weges. Sie legten diesen auf die mannigfaltigste Weise zurück: bisweilen den herrlichen Strom hinaufrudernd, dann wieder an seinen Ufern hinreitend, oder wandelnd, auch seinen Lauf gänzlich verlassend, um kleine Ausflüge nach den benachbarten Ebnen und Bergen zu unternehmen. Bei 23 solcher Gelegenheit geschah es, daß sie in eine Gegend kamen, wo Alwin während seines letzten Herumstreifens oftmals gefochten hatte. Nun gewährte es ihm einen eigenen Genuß aus seinen ehemaligen Schlachtfeldern Ruheplätze zu machen, und dort das Gespräch auf Alinen zu lenken, mit welcher Mathilde in den letzten Zeiten sehr vertraulich gelebt hatte. Wenn die schöne Frau alsdann in aller Lebensfülle und Jugend von der schönen Todten sprach, die Hügel und Thäler umher so ernsthaft drein sahen, als Zeugen manches blutigen Tages, und wieder Raimund zwischendurch ein Mährchen erzählte, oder ein Lied sang, die Frühlingslüfte und Frühlingsvögel Alles, wie mit einem heitern Rahmen einschlossen, – da ward ihm das Ganze zum lieblichen Traum, er umfaßte Gegenwart und Vergangenheit mit tiefer, 24 innrer Kraft, so daß die Zukunft schon sein geworden war, und er nichts mehr wollte und dachte als dieses lebendige Gefühl.

Sie kamen an einen Ort, wo Alwin die erwarteten Nachrichten aus Braunschweig vorfand; es war ein starkes Paket, die ernsten Schriftzüge von Beatrix Vater fielen ihm gleich anfangs in die Augen, er machte sich trüb und niedergeschlagen an dessen langen Brief. Er solle zurückkommen, hieß es darin, gleich, und die Nachsicht seiner Schwiegerältern und seiner Braut nicht länger auf die Probe stellen. Seltsam genug sei schon der Einfall gewesen, als ein Verlobter in den Krieg zu ziehn; man habe sich das gefallen lassen, aber nun reise er gar mit einem Poeten auf unbestimmte Zeit in die Welt hinein; das könne nicht länger für gut gelten, er solle sich mit Ja oder Nein 25 erklären, denn es gäbe andre und bessre Parthieen für Beatrix. Von dieser waren auch einige Worte beigelegt; Alwin dachte sein gekränktes Gemüth daran zu besänftigen, vielleicht noch mehr seinen gekränkten Stolz; aber sie waren zu keinem von beiden geeignet. Vorwürfe enthielten sie freilich, doch viel andre als Alwin erwartete. Es klang, als sehe sie deutlich ein, wie er auf einem falschen und tollen Wege sei, und lasse sich noch allenfalls willig finden, ihm wieder zurecht zu helfen. Er warf im glühendsten Zorn all' die Schreiberein von sich, und raffte sie gleich nachher wieder auf, um damit zu Raimund und Mathilden zu eilen. Ich bin frei, sagte er bei seinem Eintritt. Meine albernen Bande sind gelöst. Die Briefe wurden gelesen, die ganze Sache weitläuftiger besprochen, und Raimund rief 26 endlich aus: Gottlob! daß du nun ohne Zaum und Gebiß in die südlichen Lande reisen kannst. Schreibe doch, wo möglich noch in dieser Stunde, und entsage allen Ansprüchen für Kind und Kindeskind auf ewige Zeiten. Mathilde sagte etwas ernsthafter das Nämliche, und erwähnte es, wie wenig ein Jüngling, der eben erst in die Welt trete, die Kraft, ja das Recht habe, sich für sein ganzes Leben zu bestimmen, und wie daher Alwin durch jene frühere Thorheit ohnehin zu nichts verbunden sei. Dies Alles paßte zu seinem gegenwärtigen Gefühl, und er eilte daher, in dem angegebenen Sinne zu antworten; nur als er seinen Namen unter den Brief an Beatrix schrieb, (zum letztenmale! fiel ihm dabei ein,) war es als rege sich die alte Liebe mit der halb vergessnen Kraft. Er unterdrückte jedoch die 27 wehmüthigeErinnerung, sandte die Briefe ab, und gab sich aus allen Sinnen dem heitern Leben in seiner Gefährten Umgang hin.

Er blieb auch wirklich recht vergnügt, so lange Mathilde noch mit ihnen reiste. Nachdem aber ihre Wege sich getrennt hatten, ward er sehr still und betrübt. Manchmal kam es ihm vor, als sei Mathilde eigentlich die Geliebte, von der ihn nun sein Geschick vertrieben habe, und wieder hätte er Beatrix davon erzählen mögen, an deren Bild er sich doch immer gewöhnt hatte, und es noch öfter aus der Ferne herüber erblickte. Er verhehlte auch Raimunden seine Stimmung nicht, und dieser sagte: Du hast ein zu bewegliches Gemüth, welches Dir noch manche frohe Stunde rauben wird und Dich um manches hübsche Lied bringen. Der Dichter sollte nicht so ängstlich an Heimath 28 und einzelnen Freuden hängen; die Welt ist seine Heimath, die Elemente mit all' ihren Creaturen seine Freunde.

Alwin pflegte singend darauf zu antworten: etwa mit solchen Versen:

  Todt der wackre Vater mein,
Todt mein sorgsam Mütterlein.
Ach, wie unter den fremden Leuten
So allein!
Eine konnte mir bedeuten
Alles andere Glückes Schein,
Hatte so zarte rothe Wangen, –
Ist doch auch vom Grab befangen,
Schläft allein!
Und wo mir's ehmals hat behagt,
Da hab' ich selber mich draus verjagt,
Schwimme wie Fischlein im weiten Meer
Wellengetrieben hin und her.
Ein Leuchten kam aus Wolken hernieder,
Labte mich, zog auch abwärts wieder, 29
Und ließ mich allein.
Ach, tröstende Muse, nun bin ich dein,
Dein ganz allein!


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