Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zwölftes Kapitel.

Bei Tische ward Reisling immer lustiger, und fing an, mit sehr feinen Wendungen (so bildete er sich's ein) auf das Theater überzugehn, und sich endlich nach einem gewissen Alwin zu erkundigen, der ehmals ein 138 wildes Soldatenleben geführt habe, und sich nun als Comödiant in einer Schauspielergesellschaft durch die hiesige Gegend umher treiben solle; das wenigstens sage man in Braunschweig. Raimund fiel ihm in's Wort und rief aus:

  Verwegner Schwätzer! Halt die Zunge fest.
Du wärst der Erste nicht, den ihr Vergehn
Um's Haupt geplaudert hätte. Halt sie fest.
Der neben Dir im reichen Sängerschmuck
Ist der Alwin, nach dem Du fragen darfst,
Er singt uns reiche Lieder, dichtet sie,
Wie's ihm ein Gott hat in die Brust gelegt;
Nennst Du ihn Comödiant deshalb? Schweig still!
Demüth'ge Dich! Denn wie hier Gastlichkeit
Jedweden Fremdling aufnimmt, reich an Huld,
So faßt auch jeden Frevler hier das Recht,
Streng, unerbittlich, stählern, waffenklirrnd.

Dabei schlug er wirklich seine Panzerringe klirrend zusammen, und rasselte an seinem 139 Schwerdt. Reisling fand sich zwiefach erschreckt: durch Raimunds drohenden Gebärden, und weil es ihm unbegreiflich vorkam, daß er mit seinen klugen Anstalten drum habe anlaufen können. Endlich faßte er sich so weit, daß er bei Alwin demüthige Entschuldigungen anbrachte, welche dieser eigentlich besser aufnahm, als es zum Ergötzen der Gesellschaft getaugt hätte. Es lag in ihm ein Grund von Höflichkeit und Milde, der ihm oft den besten Spaß verdarb, und ihn zum Spielwerk jedes Erschreckten und Verlegnen machte, oder auch dessen, der sich nur so zu stellen wußte.

Ich bringe einen Brief an Euch, sagte Reisling zu ihm. Ein sehr hübsches Mädchen in Braunschweig bat mich so artig darum, daß ich es nicht abschlagen konnte. Sie heißt Fräulein Beatrix.

140 Alwin riß erbleichend den Zettel aus des ungeschickten Boten Hand, und war im Begriff, ihn zu eröffnen, aber Florismarte rief ihn zu:

Nicht Heut' ein ernst Geschäft! Erinnrung nicht
Vergangner Lust bei gegenwärt'ger Lust!
Ich fodr' es als ein Gastgeschenk von Euch,
Daß Ihr nicht les't, nur hört und singt und lacht!

Alwin gehorchte der Anmahnung, um so lieber, da er sich dadurch Mathilden gefällig zu erweisen dachte, aber, in ein andres Gespräch vertieft, war sie von dieser ganzen Verhandlung nichts gewahr worden.

Der Hofnarr hatte sich unterdessen wieder viel mit Reisling zu thun gemacht, welches dieser auf eine höfliche Weise zu dekliniren suchte. Weil das aber durchaus nicht gelingen wollte, wandte er sich zuletzt gradezu an Florismarte, und klagte, daß 141 ihn der Narr für seines Gleichen zu halten scheine, ja daß es ein äusserst inhumaner Narr sei, indem er die höflichen Abweisungen gar nicht verstehn wolle. Florismarte rief daher dem Lustigmacher zu:

  Willst Du human sein! Willst Du oder nicht?
Bei allen Göttern! Weshalb leben wir,
Als um bei andern Leuten was zu gelten?
Und Du mit Deinen Possenreisserein
Thust wie ein ungezogner Renomist,
Der auf die Renomée durchaus nichts giebt!
Ich rath Dir's! Leg' Dich auf Humanität.

Dabei schnitt er so lustig drohende Gesichter, daß Alle Mühe hatten, ihr Lachen zu verbeissen, und Reisling dreist genug ward, sich über die Sitte herauszulassen, vermöge welcher man Hofnarren hielte, und den Vicomte förmlich tadelte, daß er 142 solcherlei Unwesen an seinem aufgeklärten Hofe dulde. Florismarte erwiederte:

  Ihr sprecht ein gar verständig Wort, mein Herr,
Ein Wort so neu, als wahr. O, böse Sitte,
Die irgend Spaß an Höfen gelten läßt.
Sogar auf Höfen taugt er nicht. Es geht
Ohn' ihn die Wirthschaft und Ausgeberei,
Vor allen die Einnehmerei viel besser.
Und zu Einnehmern sind wir angestellt!
Einnehmen soll man ja das ganze Leben
Wie eine Medizin, die schlecht zwar schmeckt,
Doch die man um so leichter von sich giebt,
Wenn's zum Vomiren kommt, wie's kommen muß,
Davon jedweder Kirchhof zeugen kann.
Und wir, wir zuckern's uns mit solchem Spaß.
Fürwahr, 's ist höchst verächtlich,

und ich möchte, von Eurer Gegenwart ergriffen, eine Abhandlung in Prosa darüber halten, denn auch die Verse sind eine 143 Narrentheidung, die ein toleranter. Mensch nur mühsam an seinem Mitbruder dulden kann.

Reisling stand nun auf dem Gipfel der Sicherheit und des Stolzes. Er kam sich vor wie ein bestallter Correcktor des ganzen Hauses, und tadelte frisch durch, bald diese Aeusserung, bald jene Gebärde, alles aber mit einer Weise, die er für gütig ausgab, und für höchst herablassend.

Als endlich Jemand aus der Gesellschaft ein hübsches Mährchen erzählte, nahm er es über sich, der Geisterwelt, und überhaupt Allem, was ihm unbegreiflich schien, das Garaus zu machen. Daß er selbst nie etwas Geisterähnliches verspürt habe, sagte er, sei noch sein schlechtestes Argument, und doch schon ein entscheidendes. Das Sicherste aber liege darin, daß alle Glieder in der Schöpfung doch nützlich seien, ohne daß irgend 144 wer ausmitteln könne, wozu man denn eigentlich die Geisterwelt brauchen solle. Ueberhaupt gehöre es zur rechten Cultur, den Ungläubigen zu machen, und an Allem zu zweifeln, was uns nicht gradezu in die Hände falle, es sei denn, daß es schon in den früher angenommnen Lehrbüchern befindlich sei.

Der Redner war dabei in eine Art von Begeistrung übergegangen, in die der Rechthaberei nähmlich, als die einzige ihm bekannte, so daß er gar nicht auf Florismarte's seltsame Geberden Acht gab, noch auf dessen wunderliche Zeichnungen, die er mit gezognem Dolch durch die Lüfte schrieb. Ja, er bemerkte es nicht einmal, der sprechende Reisling, daß hinter seinem eignen Stuhl ein riesengroßer Mohr stand, den die übrige Gesellschaft mit schauriger Bewundrung anstarrte. Als endlich Reisling seine dürren 145 Sprachwerkzeugen durch einen Trunk erfrischen wollte, beugte sich der Mohr über ihn, so daß aus dem Becher heraus das gräßliche lachende Antlitz wieder schien. Indem nun der Trinkende zitternd in die Höhe fuhr, schrie ihm die Gestalt in's Ohr: ich bin der Teufel und in Dir selbst zu Hause, weshalb man Dich auch einen dummen Teufel heißt. Mit drei Sätzen war der aufgeklärte Reisling aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus; der Mohr verschwand, und Florismarte lachte.

Das war wieder Eins von Euern ungezognen Kunststücken, sagte Raimund zu ihm, und das uns für jetzt den ganzen Spaß verdirbt. Einmal war der Narr in unsre Gesellschaft hineingerathen, und machte nun schon einen Pfeiler des lustigen Gebäudes 146 aus. Ihr scheucht ihn weg, und das ganze Spiel fällt zusammen.

Das ist wahr, antwortete Florismarte, aber die rechte Freude war ohnehin schon vorbei. Wir hatten an dem fatalen Kerl einen Zuschauer gewonnen, so daß wir nun eigentlich nicht mehr für uns spielten, sondern für den Effeckt, den wir aus ihn machten. Wir müssen nächstens wieder etwas ähnliches von vorn anfangen.

Ihr werdet uns noch mit Euren Gaukeleien die Feindschaft der ganzen Gegend auf den Hals ziehn, sagte seine Nachbarinn. Wer weiß, ob das nicht einmal in öffentlichen Angriff ausbricht. Den Ruf von Teufelsbannern haben wir schon.

Ja, rief Florismarte, eben weil wir's machen wie der Mohr, und die dummen Teufel bannen. Drum haben sie Respeckt 147 vor uns, und Ihr braucht Euch nicht zu fürchten.

  Nun vorbei Du lustig Wesen
Bist zu anderm Spiel erlesen!
Wird nun aus der bunten Schaar
Jeder, was er vormals war.

Damit blies er auf seinem Waldhorn ein Abschiedsstückchen, und Alle gingen zur Ruhe in ihre Gemächer.


 << zurück weiter >>