Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Viertes Kapitel.

Als gegen Abend Alwin in der Stadt ankam, leuchteten wieder Mathildens Saalfenster auf die Straße herab, wie an jenem ersten Abende in Braunschweig, die Treppen glänzten wieder von vielen Lampen, reichgekleidete Bedienten rissen die Flügelthüren auf, Mathilde trat aus einem glänzenden Cirkel hervor, prächtig geschmückt, dem Ankömmling entgegen. Es war Alles wie damals, und er empfand auch die Blödigkeit, welche sich immer zwischen ihm und Mathildens hohe Schönheit gestellt hatte. Seine holde Freundinn bot ihm gütig die Hand, und stellte ihn 200 einer Menge von unbekannten Personen vor. Das Leben oder vielmehr der Tod der großen Welt griff wieder nach ihm in mannigfachen Gestaltungen; je fremder ihm dergleichen seit einiger Zeit geworden war, je gewaltiger und feindseeliger drang es auf ihn ein: dazu kam jene schwächliche Gutmüthigkeit, vor deren Einreden er nie zu einem keck abstoßenden Betragen gelangen konnte; – er befand sich gleichsam in einem fortgesetzt drückenden Rausche. Mathildens schöne Gestalt erschien ihm nur hin und her wie durch einen Nebel, wie eine ganz ferne Verheissung, daß diese ganze Wirthschaft sich doch einmal verlaufen müsse, und er dann mit seinem himmlischen Idol allein bleiben werde. Jedoch glaubte er kaum selbst recht aufrichtig daran, um so weniger, da Mathilde ihm keinen Wink gab, kein Mittel zum Bleiben offenbarte, indem Alles 201 nach und nach aus einander ging, so daß er selbst, zwar der Letzte beinah, im halben Taumel Abschied nahm, und dem großen Portal zuwankte.

Es zupfte an seinem Kleide: ein freundlicher Page sagte: Gräfin Mathilde wünscht Euch noch allein zu sprechen, und erwartet Euch in ihrem Kabinet, oben gleich links die erste Thür.

O, wie flog der Glückliche die Steigen hinan! Die letzten Worte des Pagen hatte er nur undeutlich gehört, aber aus dem halboffnen Zimmer wallte süßer Blumenduft ihm entgegen, mit zwei Schritten stand er in einem kleinen, verschwiegnen Gemach, von mildem Lampenschimmer erhellt. Mathilde umfaßte ihn traulich, und sagte: unartiger Stürmer, bist Du nun zufrieden? Ich habe 202 Dir's wohl angemerkt, wie ärgerlich Du in der Gesellschaft warst.

Er schmiegte sein Haupt an ihre Brust, während sie mit seinen Locken tändelte, und ihm voll tiefer Rührung Stirn und Schläfen küßte. Sie erhob sich aber bald, und zog auch ihn neben sich auf das Sopha, indem sie einige lustige Worte fallen ließ, wie es schien absichtlich, um den ernsten Geist in sich zurück zu bannen, welcher eben seine gewaltigen Fittige durch das zierliche Gemach ausdehnen wollte. Alwin befand sich, vermöge seiner Lenkbarkeit, bald in den Ton gestimmt, welchen sie angegeben hatte, und sie fragte ihn, seit wann er angekommen sei, und vorzüglich, wie er sich aus dem Klostergebäu losgemacht habe, und wie gegenwärtig dort Alles stehe?

Du achtest so wenig auf meine Bitte, 203 antwortete Alwin, in seine wehmüthige Stimmung zurückfallend. Ich hatte Dich doch gebeten, keine Fragen zu thun, nur die reichen Liebeswonnen von Deinen Lippen strömen zu lassen.

Wo hast Du denn das gethan? fragte sie ihn ganz fremd.

In dem Sonett, erwiederte er, welches ich Dir voraussandte.

Ja so, sagte sie, und besann sich einen Augenblick lang. Dann fuhr sie fort: lieber Alwin, ich kann mich auf keine Weise verstellen, und muß Dir bekennen, alle Formen, die mich an jenen Kreis erinnern, und an das Furchtbare, welches mich darin bedrohte, sind mir so zuwider geworden, daß ich auch Dein Sonett, eben weil es ein Sonett war, nur flüchtig überlas, und deshalb sehr leicht etwas darin unbemerkt lassen konnte. Du 204 warst da, das gnügte mir. Sonette, Dezimen, Canzonen, und all ihre Verwandten kann ich fortan nie mit reiner Freude betrachten.

O, meine liebsten Spiele! seufzte Alwin.

Du hast doch wohl am wenigsten Ursach, antwortete sie, Dich an jenen Erinnerungen fest zu halten. Dein Widerwille, mir zu erzählen, wie Du geschieden bist, beweist mir, daß es dabei nicht versöhnend zugegangen sei, und früher brauchst Du wohl nur jenes sogenannten Traumes zu gedenken, um einen Abscheu gegen Florismarte zu empfinden, und gegen Alles, was ihm angehört.

Von Herzen, sagte Alwin, aber was können die lieblichen Sylbenmaaße dafür, welche wir dort erlernten? Die gehören ihm nicht an; sie sind Genien, die unsre freundlichsten 205 Gedanken an Gold- und Purpurfäden in seelige Lande führen.

Du bist wie Raimund, sagte Mathilde lachend, der auch nicht von jenen Tändeleien lassen wollte, und deshalb beinah in halben Unfrieden von mir gegangen ist.

Ich finde ihn nicht hier? rief Alwin schmerzlich bewegt. O mein lieber, lieber Meister!

Aber Mathildens Küsse verschlossen den Mund des Klagenden.


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