Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)
Alwin
Pellegrin (Friedrich de la Motte Fouqué)

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Drittes Kapitel.

Auf einem rasigen Hügel, der Sträucher und Blumen im Ueberfluß an seinen Abhängen trug, erhob sich ein Schloß mit Wall und Graben und Zugbrücke versehn, soviel zur Sicherheit der Bewohner nothwendig schien. Ueber die Mauern aber wankten Wipfel von schönen Waldbäumen, untermischt mit Zweigen blühender Kirschen, die insgesamt einen lustigen Garten im innern Bezirke verhießen. Zwischendurch leuchteten von allen Gemächern spiegelhelle Scheiben im Sonnenglanze, und bunte Paniere flogen einladend auf den 196 Zinnen der Mauern und Thürme in die Luft, nach jeglicher Waldgegend aus.

Alwin hielt vor diesem Gebäude, um Einlaß bittend, und erwiederte auf des Wächters Frage nach seinem Begehr: Drei Rosen; eine Antwort, die ihn Hartwald gelehrt hatte.

Die Thore öffneten sich alsbald, Alwin's Schimmel flog leicht über die niedergelaßne Brücke, ein reichgekleideter Stallmeister stand zum Empfang des edlen Rosses bereit, und kaum daß Alwin sich aus dem Sattel geschwungen hatte, so führten ihn zwei Mädchen, wunderlich und dennoch sehr reizend geschmückt, einer Gartenthür entgegen, die reiche Schaaren von Blüthen und Blumen durch ihre Eisenstäbe sehn und ahnen ließ. Beim Eingang in den zaubrischen Bezirk, traten die Begleiterinnen zurück, die Flügelthüren flogen hinter ihm zu, angenehm tönend in ihren 197 metallnen Angeln, und von jenseit des Gegitters, winkten die weißen, zierlichen Mädchenhände den Erstaunten nach vorwärts, durch einen Gang, von hohen Ulmen beschattet.

Der angewiesne Weg führte ihn in tiefren Gebüsche, hart an einem schnellen Bergquell hin, den er doch bald wieder nur an seinem Rauschen erkannte, weil dichtverschränkte Zweige die Aussicht hinderten. Bald sprudelte der lust'ge Gefährt wieder unversehens an ihm vorbei. Die Kühle, von den Blättern herniederschwebend, aufhauchend vom Gewässer, that dem Wandrer gut nach so raschem Ritt. Er nahm den Hut von seinen blonden Locken, und wandelte weiter wie in einem angenehmen Traume.

Da fand er sich plötzlich in grüner, wohlgeruchduftender Laube befangen. Auf einem 198 bekränzten Tische, prangten Flaschen und goldne Becher zwischen lockenden Schüsseln; Rasensitze schienen, einander gegenüber, für zwei, aber auch nur für zwei glückliche Gäste bereitet zu sein.

Während er das Alles beschaute, erhoben sich Stimmen aus den Gebüschen, und sangen folgendes Lied:

    Sittliche,
Nicht unerbittliche,
Zierliche, schwankende,
Dankende Gäste,
Naht Euch dem Mahl,
Freut Euch am Feste,
Nippt am Pokal.

    Funkelnden
Weinen, im dunkelnden
Leben der neigenden
Schweigenden Blätter
Gebt Euch dahin. 199
Heiß ist das Wetter,
Heiß Euer Sinn.

    Kühlende,
Wonniglich fühlende
Wogen gestalten sich,
Halten sich sehnend,
Liebevertraut.
Weh' ihm, der wähnend
Nimmer sie schaut!

Der Gesang schien sich zu nähern, und am Schlusse desselben trat eine schöne Frau zwischen dem Buchengrün hervor. Erst betrachtete sie den fremden Jüngling achtsam, erhob alsdann den blendend weißen Arm, ihn näher zu winken, und sagte: Ich bin Flaminia. Wenn Ihr Vergnügen dran findet, rathschlagen und tafeln wir hier allein. Was sollten uns die Aufwärter, die ärmlichen Gerüste zu schönen Festen? Jetzt hindert uns Niemand, sie als unsichtbare Sylphen 200 anzuerkennen, die uns den Tisch gedeckt haben, und eben ein artiges Liedchen gesungen. Aber, fuhr sie fort, näher zum geordneten Mahle tretend, wir sind etwas spät gekommen. Der Wein muß in der Mittagsgluth heiß geworden sein. Schnell, mein lieber Kriegsmann! Spielt den sichtbaren Sylphen, und kühlt die Flaschen im nahen Quell.

Alwin faßte den Kristall, drinnen die edelsten Weine blinkten, und besorgte sein angewiesnes Geschäft. Als er zurückkam, fand er Flaminien mit seinem Federhuthe spielend, den er auf dem Rasen hatte liegen lassen. Wie nun, sagte sie, (und die schönen Finger tändelten anmuthig im Farbenschmuck der bunten Federn, wie zwischen reicher Blumensaat), wie nun? Hat mir das Geschick vielleicht den jungen Helden bescheert, der in voriger Nacht so wild in die Katholischen 201 Haufen hieb, und den Sieg entschied? Flüchtige und Wunde, deren meine Leute sich erbarmten, haben davon erzählt und ausdrücklich vom reichen Federhuthe, den so manche Klinge traf, ohne daß sein Herr das blonde Lockenhaupt zu schirmen dachte. Seid Ihrs?

Alwin glühte hoch auf in stolzer Beschämung, und die schöne Frau fuhr fort:

Ich konnt' es gleich denken. Hier ist so viel zerknickt und zerstäubt von mächtigen Hieben. Es ist mir recht behaglich, mein Spiel zu treiben, wo die scharfen Klingen schwirrten. Ihr nehmts doch nicht übel?

Glückseelige Federn, rief Alwin, und suchte sich aus ihrem Gewühl die zarte Hand zum Kuß heraus.

Still, still, sagte Flaminia. Wir wollen nicht unsres Mahles vergessen. Dort ist Euer Platz, und hier der meinige.

202 Sie ließen sich einander gegenüber auf den schwellenden Rasen nieder, so nah, daß Alwin das zierliche Füßchen seiner Tischgenossin zu fühlen meinte, und im zweifelnden Sinnen darüber hörte er nur daß sie sprach, ohne zu verstehen, wovon eigentlich die Rede sei, bis eine Frage ihn aufschreckte, die er verworren genug beantwortete.

O geht, geht nach den Flaschen; sie müssen längst schon gekühlt sein, rief Flaminia lächelnd, und Alwin folgte dem Befehl, fast unbewußt, wie er schon den ersten vollbracht hatte.

Die reizende Gräfin schenkte ein, man trank, man scherzte, und sie hatte ihre eigne Freude daran, wie der Jüngling unablässig auf ihre Augen blickte, und ihren Mund, als wolle er jeden Wink, jegliche Sylbe auffangen und bewahren, aber dennoch gar nicht 203 verstand, was sie ihm von der Lage des Feindes und der seiner Kameraden vorsprach. Sie wiederhohlte lachend, er hörte lachend, und war noch so schlecht unterrichtet, als Gestern; da fiel ein Schuß im Thale. Die Gräfin schwieg, drei, viermal klang's wieder von abgefeuerten Musketen. Es ist nichts, sagte Alwin. Unsre Reiter streifen bis ganz in die Nähe, und haben vielleicht ein paar versprengte Feinde aufgefangen. Aber Flaminia stand bleich und zitternd vor ihm. Ihr habt Recht, sagte sie, es ist nichts, ich weiß es, sollt' es wissen, auf alle Fälle ist meine Burg fest, sehr fest – auch schützt mich der tapfre Jüngling, dessen Klinge Heut früh der Uebermacht den Sieg entriß – ich bin närrisch mit meiner Furcht. Dabei aber zitterte sie immer heftiger.

Eure Aengstlichkeit betrübt mich, sagte 204 Alwin. Ich darf nun gar nicht einmal wünschen, es möchte Ernst werden, und doch, – welch ein Glück, Euch zu vertheidigen!

Indessen war es seit einigen Minuten still geblieben, in Flaminien's Wangen kehrte die gewohnte Rosenfarbe zurück, sie warf sich lachend auf die Rasenbank, und sagte: lächerlich furchtsam bin ich; dies ist wahr. Aber es wird wohl Heute nicht mehr schießen, und hat uns wahrscheinlich blos erinnern wollen, unser Geschäft ernsthafter zu treiben. Höre mich nun hübsch aufmerksam an, aufmerksam! Ich will es!

Sie theilte ihm nun abermals mit, was er wissen sollte, und mit so vielem Ernste, daß er ihre Rede fast Wort für Wort behielt.

Jetzt reite, muntrer Ritter, sagte sie am Beschluß. Flügel Deinem Roß über die grüne Heide!

205 Er küßte zum Abschied die zarte Hand, und sprengte wie neu belebt im Abendlichte den Hügel hinab.


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