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Zwölftes Kapitel.

Signor Bini ist nicht Signor Bini.

 

Zwei Tage darauf kam Valens wieder zu mir; beim ersten Blick sah ich, daß er mir auch diesmal etwas Wichtiges mitzuteilen hatte, aber die Gegenwart meiner Frau, welche er von nichts unterrichtet glaubte, hielt ihn davon zurück. Wie müht man sich ab, um Sätze aneinanderzureihen, während die Gedanken abschweifen! Mein Freund quälte sich eine Viertelstunde mit dieser Mosaikarbeit, bis meine Annetta, die eine feine Witterung hat, um Entschuldigung bat, daß sie uns einen Augenblick verlasse.

»Bitte, genieren Sie sich nicht,« erwiderte Freund Nebuli, und man sah noch einen Zipfel ihres Kleides in der Thür, als er mir geheimnisvoll sagte: »Signor Bini ist nicht Signor Bini!«

Diese Nachricht war so unerwartet, daß ich sie zuerst nicht verstand; aber Valens wiederholte: »Signor Bini ist nicht Signor Bini!«

Nun erst fragte ich: »Woher weißt du das?«

»Soeben,« begann der Freund, »war ich auf der Post; ich nähere mich dem Schalter und stelle mich wartend hinter fünf oder sechs Personen auf, als ... rate, wer sich umwendet? ...«

»Ich errate es, aber verstehe deshalb doch noch nichts. Signor Bini wendet sich um.«

»Er selbst! er sieht mich, grüßt mich unbefangen und steckt ein Päckchen Briefe ein, er erkundigt sich nach dir, nach Chiarina, nach deiner Annetta, dann läßt er mich stehen und entfernt sich.«

»Und dann?«

»Begreifst du nicht? ... Ueber dem Schalter, an welchen ich getreten, stand in mächtigen Buchstaben ›Von M bis Z‹; es war mein Schalter, nicht aber seiner ... Folglich heißt er nicht Bini.«

Die Folgerung schien mir schlagend; dennoch versuchte ich die Bemerkung: »Vielleicht hat er nach Briefen für andere gefragt.«

»Das war auch mein erster Gedanke, und weißt du, was ich gethan habe?«

»Ich weiß nicht. Sag es mir.«

»Ich bin dem Alten bis zum Straßenausgang gefolgt, und über seine Schulter blickend – er ging ganz langsam – habe ich ihn seine Briefe lesen sehen; also ...«

Das übrige war klar, und dieser Beweis so entscheidend wie der erste. Aber ich hatte noch eines zu entgegnen; »In den königlichen Bureaus werden zuweilen die Schalter und dergleichen geändert, aber nicht sogleich die für das Publikum bestimmten Bezeichnungen; das bringt ein bißchen Verwirrung und Unordnung hervor, gibt aber den Zeitungen was zu schelten, die ja sonst nichts zu sagen hätten.«

So sprach ich scherzend, Valens aber unterbrach mit spöttisch ernsthafter Miene: »Ich ging an den Schalter A bis L, und forderte ›Nebuli‹.«

»Bravo!«

»Der Ausgeber ließ es mich noch einmal sagen: ›Nebuli‹, und wies mich, wie ich erwartete, an den nächsten Schalter.«

»Und dann? ...« fragte ich obenhin.

»Und dann ... weiter nichts. Für mich waren keine Briefe da ... Aber wie konnten welche für Signor Bini dagewesen sein?«

»Mein Valens, du hast recht: Signor Bini ist nicht Signor Bini.«


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