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Zum Streiten gehören zwei –
einer der mag und einer der will.

Im Jahre 1870 war es und ein Maientag, wie ihn die Dichter schildern: der weite Himmel voll Bläue, die Erde voll Sonnenglanz und die Luft dazwischen voll Lerchentriller und sonstigem Vogelsang.

Da stand der »kleine« Herr Kooperator – so betitelte ihn das Volk wegen seiner Statur – am Scheidewege unter dem Dorfe. Die Straße nach dem eine leichte Stunde entfernten Mengkofen an einem solchen Tage einzuschlagen, schien für ihn gar nichts verlockendes zu haben, war sie doch schon recht unangenehm staubig und schattenlos war sie auch zumeist, da nur etliche Hollerstauden und Wildrosenhecken neben ein paar Holzbirnbäumen an ihren Borden standen und dann erst gar der Weg durch Niederdunting durch, wo hart an der Straße mehrere laufende Brunnen plätscherten und das überfließende Wasser sich seinen Weg suchen durfte, wie es am leichtesten ihn fand, und an diesen Brünnlein tränkte sich das liebe Vieh, wenn es auf die Weide ging oder davon zurückkehrte und zertrat die nasse Straße mit plumpen Füßen und ließ zum Überfluß auch noch obendrein seine unschönen Gaben zurück, so daß man sich hart an die Speltenzäune halten mußte, wollte man nicht damit in unästhetische Berührung kommen.

Der andere Steig aber war ein viel geschlängelter Fußpfad und ein Umweg von einer guten Viertelstunde, doch er führte den Wanderer an lachenden Fluren vorbei, auf der Höhe lockte der kühle Waldesschatten und im Klausener Walde standen schon die Vogelkirschbäume in voller Blüte, und wenn man da vom »Parasol« abwärts durch das kleine Tälchen zum Dorfe schritt, so standen wohl auf der Einöde »Lächsen« erst recht die vielen Kirschenbäume in überreichem Blütenschnee und auch die andern Obstbäume des großen Gartens würden schon bereit sein, die Blütenknospen zu sprengen, um das weißrosa Hochzeitskleid zu zeigen. Wenn man nun genug freie Zeit vor sich hat, wenn man noch junge Beine sein eigen nennt, die ein bißchen mehr des Weges noch lange nicht müde macht, wenn noch dazu die Brust von frohem Lebensmute und schalkigem Humor geschwellt ist, warum sollte man da nicht auch einmal den schöneren Pfad durch die Erdenauen wählen dürfen? So dachte der kleine Herr und es hat ihn nicht gereut. Im Frohgenusse von Gottes schöner Maienwelt und im Geiste heitere Lebensfäden spinnend, kam er dem Wanderziele nahe, in das sonnendurchflutete Wiesentälchen, das von der Klause zum Dorfe leitet, und in dem ein Wässerlein plaudert und die Gräslein netzt, daß sie frischer gedeihen. Nicht achtend des schmalen Wiesenpfades, der in einem Bogen um das Wiesengrün schonend herumführte, schritt er in seine Gedanken versunken mitten durch das frisch-grüne Gras. Da weckte ihn auf einmal eine laute, keifende Stimme aus seinen Träumen auf und wie er nach dem Störenfried aufschaute, wurde es ihm sofort hell und klar, welche Stunde geschlagen haben dürfte. Er kannte das Weib und wußte vom Hörensagen, daß sie eine »Bißgurge« war, wie der Volksausdruck ihresgleichen bezeichnete, deren Zunge leicht beweglich im Munde saß und deren galliger Sinn einen Wortschatz beherbergte, der von höfischer Rede weit abseits lag. Fast erfreut darüber, daß ihm nun eine Gelegenheit gegeben, eine nicht alltägliche Lebenserfahrung zu machen, blieb der Herr ruhig stehen und horchte zu mit dem eifrigen Bemühen, der Schimpfrede Sinn und Laut sich möglichst getreu dem Gedächtnis einzuprägen. Nachdem die beiden so eine Weile gegenüber gestanden – laut schmähend, stille zuhorchend – schien des Weibes vorläufiger Wortschatz erschöpft zu sein, denn ärgerlich schloß sie: »Und sagn tuat er a no nix, daß ma weiter reden kannt.« »Ja! dachte sich dieser, unwillkürlich zu dem Sprachgebrauch der Gegnerin verleitet, du kannst mi Bucklkraxn tragen« und stille für sich hinschmunzelnd suchte er den Weg. Noch einmal konnte er wahrnehmen, wie sie kopfschüttelnd schon leiser brummelte: »Aber ah gar koan Wärterl sagt er draf, da hört sie dennest alls af.« Und wirklich hörte sie zu keifen auf, weil sie keinen Widerspruch gefunden.

Der kleine, kluge Schweiger aber trat bald darauf frohgestimmt in den kleinen Freundeskreis auf dem Postkeller und berichtete lachend über die derbe Bauernpredigt, so er kurz vorher aus weiblichem Munde vernommen.

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