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Der Herrgottschnitzer von Hierfurt.

Da wo die breite Landstraße vom Gäuboden südwärts zieht zur Münchener Hochebene und gerade den Steilberg überschritten hat, zweigt schars ostwärts ein anderer Straßenzug ab über den Kronberg hinüber in das Isartal und von da durch das Vils- und Rottal fort bis zu den Salzpfannen am Fuße der Alpenberge. In diesem Straßenwinkel nun steht ganz auf der Höhe des Hügels, wo der Blick sich weit hineinsenken kann auf- und abwärts in das Aitrachtal und die einmündenden Trockentäler des Katten- und Krottenbaches eine schmucke Sölde mitten in einem Haine von Obstbäumen aller Art. Die ganze Anlage deutet auf einen wohlhabenderen Besitzer, dem die Mühe an der väterlichen Scholle nicht bloß das tägliche Brot geboten hat, sondern darüber hinaus auch noch klingenden Erfolg in wohl verwahrter Truhe. Das Äußere der Heimstätte verrät aber auch einen eigengearteten Inhaber, während die andern Höfe rings im Gesichtskreise zumeist noch alle im oberen Stockwerke aus Holz gezimmert sind und schwere Schindeldächer tragen, deren düsteres Schwarz nur wenig von den grauen oder gelben Flechten, den grünlichen Moospolstern und der überall gehegten Hauswurz gemildert wird, ist dieses Anwesen bereits ganz aus Stein erbaut, aber sonst noch vollständig dem hergebrachten heimischen Baustile eingefügt: die Stallung noch hart dem Wohnhause angebaut, damit man allzeit das liebe Vieh leicht und sicher betreuen kann und nur der Stadel steht etwas abseits, damit bei allenfallsiger Feuersgefahr nicht gleich die ganze Habe eine Beute der Flammen werde, sondern wenigstens für einen Teil noch eine Rettungsmöglichkeit verbleibe. Am Wohnhause selbst ist noch auf den drei Seiten unter dem weit vorspringenden Dache der übliche Laufgang, Schrott genannt, angebracht mit seinen fein gedrechselten Säulen und mühevoll geschnitzten Tragbalken und hier hängen dicht gereiht die Reiseln von Flacks und Hanf, bis sie in die winterabendliche Spinnstube wandern, hier lagern die Bündel langer Holzspäne, welche der Knecht unter dem Geplauder der Rockenstube geschnitten hat, um dürr zu werden für die Anfeuerung der Herdstatt. Der farbenbunte Schmuck der Hauswände gibt Kunde von dem farbenfreudigen Kunstsinne des Besitzers. Hellrosa ist der Wandanstrich gehalten und auf ihm hebt sich kontrastreich die blaue Farbe der Fenster und Türen ab, in deren Füllungen weiße und rote Blumengewinde ranken. Auf die Giebelseite, wo durch die Point herauf der Hausweg führt, ist in der Mitte die Gottesmutter gemalt mit himmelblauen, sternbestecktem weitem Schutzmantel, zu ihren Füßen blüht ein ganzer Liliengarten und ringsum schließt eine Mandorla von roten, gelben und weißen Rosen das Bild ab gegen die beiden Seitengemälde, Sankt Wendelin und Leonhard, deren jeder eine ganze Herde von allerlei Getier zu schützen hat und darüber gießt ein heiliger Florian mit goldstrahlendem Panzer und purpurnem Kriegsmantel angetan silberiges Wasser in die wabernde Lohe, welche die seinem Schutze empfohlene Heimstätte bedroht. Und nicht bloß das; auf den Querbalken des Schrottes steht in Holz geschnitzt und bunt bemalt fast eine ganze Allerheiligen-Litanei, soweit sie eben als Namens-, Schutz- und Schirmpatrone der Volksseele näher liegen. Der Hierfurter war nämlich nicht bloß Bauersmann, sondern ein ländlicher Tausendkünstler und zwar einer, der fast all sein Können ohne fremde Anleitung sich erworben hatte: Maurer, Zimmerer und Schreiner war er für den Hausbedarf, Siebflechter und Putzmühlenmacher im Nebenerwerbe und dazu obendrein Bildschnitzer, Taferlmaler und Dichter, weil ihm nun seine künstlerischen Neigungen mehr zusagten als die Feldwirtschaft, gab er sobald als möglich diese Aufgabe seinem Sohne über, baute sich nach eigenen Plänen sein Ausnahmhäuschen, daß es als Handwerksstätte und Kunstatelier gleichermaßen dienen könnte.

Aus dieser Zeit erst stammte unsere beiderseitige nähere Bekanntschaft. Habe ja selber all mein Leben lang gern geschnitzelt und gebastelt und in der Jugendzeit manche Schelte bekommen, wenn ich bei meinen Schnitzversuchen den eigenen Finger unter das Messer brachte oder noch öfter das blaue Gewebe des Fürfleckes, welchen mir die Großmutter immer wieder sorgsam fertigte, mit großen und kleinen Längs- und Querschnitten trennte, wie war ich als junges Bürschlein erstaunt, aber auch entsetzt, als ich zum erstenmal die von mir fast wie ein Wunderland ersehnte Werkstätte betreten durfte. Ganz und gar verblüfft war ich über die Unzahl der Farbentöpfe, die alle Fensterbretter kunterbunt bedeckten und über die vielen, vielen Werkzeuge und Vorrichtungen, die allüberall herum lehnten, lagen und in Holzrahmen staken und deren Bedeutung ich vorerst nicht zu erfassen mochte, weil ich ja bisher in der Hauptsache mit meinem Taschenmesser hatte auskommen müssen, verblüfft war ich aber auch über die greuliche Unordnung, welche darinnen herrschte. Außer dem großen Kreuzbilde in der Ecke kein Schmuck und keinerlei Zier, ja nicht einmal Tisch noch Bank, wenn man sich setzen wollte, kehrte man einfach mit kühnem Handstreich vom Hackstocke oder der Schnitzbank die gröbsten Reste der Arbeit weg, Sägespäne und Staub durften eben nicht stören. Aus dem Boden knisterten bei jeder Bewegung die dürren Hobelscheiten, die Färbung des Mauerwerkes war ein unbestimmbares Gemisch von grauschwarz und auch die Holzdecke hatte nicht jenen gleichmäßigen, tiefbraunen glänzenden Ebenholzton, wie ihn sonst die Zeit bei alten Häusern dem Holze aufgebeizt hat, sondern es war ein fleckiges Gemisch, wie es der Staub der Arbeit, der Rauch des qualmenden Ofens und der Ruß der blackenden Öllampe eben gemalt hatten. Doch dies alles störte den Bauernkünstler nicht im geringsten, sondern ihm war wohl dabei, denn wenn er etwa gerade ein Brett an einer Windmühle angeleimt hatte und warten mußte, bis es fest haftete, so flocht er inzwischen an einem Siebe weiter oder malte an einem Totenkreuze und wenn ein solches nicht gerade vorlag, schnitzelte er an einer neuen Heiligenfigur zu eigener Freude oder zum Geschenke für besonders ins Herz geschlossene Freunde.

Die Haupttriebfeder meiner Neugierde, diesen Mann einmal auch bei seinem Schaffen beobachten zu dürfen und von ihm etwa gar lernen zu können, war aber eigentlich der Friedhof unseres Kirchspieles. Meine Eltern hatten nämlich eine kleine Gärtnerei und zu ihren Obliegenheiten gehörte es auch, im Sommer und besonders zur Allerseelenzeit die Gräber lieber Toten mit Blumen zu schmücken. So kam es, daß mir die Ruhestätte der Verstorbenen für manche Stunde zum stillen, aber trauten Spielplatz wurde, besonders dann, als ich einmal die Anfangsgründe unserer Schulweisheit soweit hinter mir hatte, um auch gerade nicht mehr mustergültige Schrift enträtseln zu können. Auf unserm Gottesacker hatten ja nur wenige reichere Familien an der Mauer aufgeführte Grabdenkmäler mit guten Steininschriften, die meisten hatten nur Holz- oder Eisenkreuze auf den Gräbern ihrer Lieben und fast alle diese Kreuze hatte unser Künstler in Farben gekleidet, hatte in deren Herz- oder kastenförmigen Nischen die Abbilder der Toten gezeichnet und auf deren Deckel ihre Lebensgeschichte geschrieben, oft zugleich mit einem Verslein, das er irgendwo gelesen oder sich selbst zurecht gedichtet hatte. Da war es nun oft mein stilles Vergnügen, von Grab zu Grab zu gehen, mir alles genau zu besehen und zu lesen und bald war es so weit, daß mir die Geschichte der Toten, so da ruhten und die ich nicht einmal alle im Leben gekannt hatte, ganz vertraut war und die dabeistehenden Verslein mir ebenso geläufig waren wie jene, die ich in der Schule aufzusagen hatte.

Aber nicht bloß für unsern Friedhof malte er, sondern alle die Wegkreuze ringsum, welche treuer Volksglaube an Kreuzwegen und Hügelhöhen aufgestellt hatte, wurden von ihm bei Bedarf mit neuen Farben aufgefrischt, alle die Bildstöcke, welche ein freudiges Ereignis der Nachwelt bewahren sollten, wie z. B. Sankt Hubertus dort, wo vor Jahren der letzte Hirsch erjagt worden war, oder auch die Erinnerung an ein Unglück wach halten sollten, gingen nach Farbe und Inhalt aus seiner Werkstätte herfür. Kunstwerke waren es freilich nicht, aber was störte es mich Jungen, wenn einmal ein Kreuzbild gar zu blutig rot geraten war oder wenn die pausbackigen Engelein auf den Grabkreuzen der Reichen goldene und silberne Flüglein hatten und bei den Ärmeren nur gewöhnliche weiß oder blau gefärbte. Auch die oft fehlerhafte Schreibweise konnte mich nicht abhalten, den Mann trotz alledem hochzuachten, weil er allein etwas konnte, was die vielen andern nicht fertig brachten und was ich in kindlicher Begierde so gern nachgemacht hätte, wenn sich nur jemand gefunden, der mir Anweisung dazu geboten. Zur Charakteristik unseres Mannes als Dichter seien nur zwei Proben angeführt, die erste von einem Grabkreuze, die andere von einem Marterl:

Trauert, weinet nicht so sehr um mich,
Denn der Tod ist jedermann gewiß.
Dieses hat ja Gott gethan,
Dem niemand ausweichen kann.

Hier in diesem Weiher ist der ehrbare
Andreas Sebauer, zur Zeit Dienstknecht zu ... berg
am 12 ten Mai 1864 ertrunken.

In seinem 24 ten Lebensjahre
Mußt er auf die schwarze Totenbahre,
Der schnelle Tod rafft ihn zu sich,
Aber unvergeßlich bleibst du mich.

Und nun zum Herrgottschnitzer.

An Vorbildern dazu fehlte es ihm wohl nimmermehr. Hat doch bei uns so ziemlich jedes für Menschen bestimmte Gemach seinen Herrgottswinkel, wo ein Kruzifix in der Ecke hängt umgeben von religiösen Bildern mancherlei Art und namentlich das Kreuzbild in der allgemeinen Stube, vor dem die gemeinsamen Gebete verrichtet werden, erbt sich als heiliges Vermächtnis fort von Geschlecht zu Geschlecht und wenn es einmal durch den Ruß der Kienspäne und Lampen oder dem Rauche des qualmenden Ofens gar zu unschön geworden ist, so gibt man es in die Hände eines Malkünstlers, der dann Kreuz und Christus wieder in neuen Farben erstrahlen läßt. So kamen auch unserm Künstler viele derartige Werke zuhanden und wenn sie auch samt und sonders keine Kunstwerke waren, in ihrer Verschiedenheit verlockten sie ihn zur Auswahl des Besten, um es im Ebenbilde sich zu erhalten. Dadurch ward er in Mußestunden zum Herrgottschnitzer von den kleineren Gestalten der Hausaltäre an bis zu den fast lebensgroßen Bildern der Wegkreuze und allmählich wurden seine Schnitzwerke kunstreifer und naturwahrer, so daß sein größtes Werk dieser Art wert erachtet wurde, in der neuen Kirche seines Heimatdorfes angebracht zu werden. Ohne der Mitwelt auch nur mit einem Hauche seines Herzens Plan zu verraten, hatte er sich daran gemacht, aus einem längst für solche Zwecke erworbenen Lindenstamme ein großes Kreuzbild zu schnitzen; in alle Kirchen der Umgebung war er gewallt, um sich die Kreuzbilder dort genau zu betrachten und alles Schöne und Gute, was er daran entdecken konnte, übertrug er auf seine Schöpfung in liebevoller Mühe und Sorgfalt. Als dann einmal gerade ein Münchener Bildhauer anwesend war, um mit dem Pfarrherrn über die innere Zier des neuen Gotteshauses zu beraten, da kam unser Bauernkünstler auch daher, sein Kreuzbild wohl verhüllt auf seinen Schultern tragend und stellte es beiden vor mit der Bitte, sein Werk auch mit zum Schmucke der Kirche verwenden zu wollen und es über dem Triumphbogen anbringen zu lassen. Dem feinsinnigen Pfarrherrn wollte indes das Bild wegen seiner grellbunten Bemalung gar nicht gefallen und er glaubte deshalb das gutgemeinte Anerbieten ablehnen zu müssen. Wenn er es auch in der schonendsten Form zu tun suchte mit dem Hinweis auf den neueren Stil der Kirche, auf die notwendige Einheitlichkeit der ganzen inneren Ausschmückung, zu der sein Werk nicht passen dürfte, so ging doch durch die ganze Gestalt unseres Künstlers ein schmerzliches Weh, als er fühlte, daß sein Herzenswunsch sich nicht erfüllen sollte; seine Hände, die sein Kreuz fest umspannt hielten, zitterten mit dem Kreuze, sein Haupt neigte sich traurig erdwärts, um seine Mundwinkel zuckte es schmerzlich und seine Augenlider zwinkerten in raschen Bewegungen auf und ab, um sich der aufsteigenden Tränen zu erwehren. In dieser Seelennot kam ihm aber sein Künstlerbruder bald zu Hilfe. Dieser hatte sofort erkannt, daß das Schnitzwerk als solches nicht wertlose Arbeit sei, sondern ein starkes künstlerisches Empfinden in sich berge, dessen Unausgeglichenheiten, wohl leicht so zu verbessern wären, daß es gerechten Ansprüchen vollauf genügen dürfte und darum glaubte er, die ablehnende Haltung des Pfarrherrn nicht teilen zu sollen. Er wies hin aus einzelne Schönheiten des Werkes, zeigte wie das fehlerhafte daran ohne besondere Mühe gebessert werden könne und wie das ganze Werk nach etlichen Änderungen sich ganz gut einfügen ließe in den allgemeinen Plan des Kirchenschmuckes. Ob solcher Rede hatten sich die Augen unseres Künstlers wieder weit und groß geöffnet, ihr Blick verfolgte voll Eifer den Finger, der auf Einzelheiten seines Bildwerkes lobend oder korrigierend hinwies, sein Ohr wartete gierig auf jedes Wort, das aus dem Munde seines Kunstgenossen über sein Werk kam und als dieser zuletzt ihm offen und ehrlich erklärte, daß sein Anerbieten voll und ganz sich verwirklichen werde, wenn er ihm seine Arbeit anvertrauen wolle, um das Nötige daran zu ändern und zu verbessern, da kam ein fast freudig jauchzendes »Ja! da hast es« aus seiner tief aufgewühlten, aber nunmehr wieder hoffnungsvollen Seele, und ein treuherziger Handschlag vereinte die zwei so verschiedenen, kunstbeflissenen Hände.

Nun lehnte unser Herrgottsschnitzer sein Werk vorsichtig in eine Ecke, noch einmal sog er gleichsam den Anblick seiner Schöpfung ganz in sich, aber dann verhüllte er es wieder sorgfältig mit dem Tuche, auf daß nicht vorzeitig ein uneingeweihtes Auge seinen Christus schaue, und stapfte nach kurzem Abschied wieder den Steilberg hinauf der Heimstätte zu, das arme Herz voll Zwiespalt von freudigem Hoffen und zagendem Zweifel, so daß er nichts Tröstlicheres zu finden wußte, als sich auf der Höhe des Hügels, wo er die neue Kirche und auch seine Werkstätte zugleich schauen könnte, an das dort stehende Kreuzbild zu lehnen und wortlos seine Gedanken bittend zum Himmel zu schicken und dieses Gebet sollte sagen: »Du, mein lieber Herrgott, weißt ja, daß ich es gern zu deiner Ehre habe tun wollen. Du kennst die selige Freude, die mir die Erfüllung meines Herzenssehnens bereiten würde, du siehst aber auch, wie es jetzt in meinem Herzen ausschaut, also mache du es recht, du kannst es ja, Allmächtiger und ich hoffe, du wirst mir auch helfen, du Allgütiger.«

Fast ein ganzes Lahr lang mußte er nun in stetem Hangen und Bangen zwischen Freude und Leid warten, bis endlich der Tag der feierlichen Kirchweih kam. Der Morgen dieses Tages hatte ihm nur die Kunde gebracht, daß der Künstler aus der Großstadt noch in letzter Stunde ein großes Kreuzbild mitgebracht und an seiner festgesetzten Stelle hatte anbringen lassen. So stand er nun lange wartenden Herzens vor der verschlossenen Kirchtür bis nach dreimaliger Segnung der Außenwände sich die Pforten auftaten zum Einzuge des weihenden Bischofes und der christlichen Gemeinde. Jetzt nun galt sein erster Blick nicht der Kirche im Vollschmucke der Festlichkeit, nicht den neuen Altären und deren Heiligenstatuen, sondern ganz allein dem Kreuzbilde, das von dem Triumphbogen zwischen Chor und Schiff der Kirche auf die Schar der frommen Beter herniederschaute und vorgedrungen bis in die ersten Reihen konnte er leicht feststellen, daß der allzu bunte Farbenschmuck, welchen er seinem Werke mitgegeben hatte, verschwunden war und lichteren, einheitlicheren Tönen hatte weichen müssen, die aber ganz im Einklange standen mit dem übrigen Schmucke der Wände und Altäre und diese Harmonie der Farben überwand bald sein anfängliches Mißbehagen ob der Veränderung, zumal er sich frohen Herzens eingestehen durfte, daß es im übrigen voll und ganz sein Christus geblieben war. Er erkannte ja genau wieder all den Zierat, welchen er an die Enden der Kreuzesbalken mit soviel Liebe hingeschnitzelt hatte, er erkannte wieder die ganze Linienführung seines Christuskörpers und daß daran nichts in auffälliger Weise geändert worden, ja es mußten die Korrekturen, von denen sein höher unterrichteter Kunstgenosse gesprochen hatte, das Bild nur noch verschönert haben, denn vollauf befriedigt sog sein Künstlerherz dessen Anblick immer und immer wieder in sich. Bei dieser Erkenntnis fiel nunmehr all seine Angst, all sein Bangen und Zweifeln ins reine Nichts zusammen, frohen und dankbaren Herzens leistete er dem Kunstgenossen innerlich Abbitte für alle die bösen Gedanken, welche so manchesmal in seiner Seele gegen ihn aufgestiegen waren; es überkam ihn eine Rührung und Dankbarkeit gegen Gott und die beteiligten Mitmenschen dafür, daß er nun seinen Herzenswunsch so gut und schön erfüllt vor Augen sah, und trotz des leuchtenden Glückes im Auge gingen dessen Lider eilig auf und nieder, hatten sie doch die Freudentränen eines überglücklichen Menschenherzens wegzuwischen. Erst allmählich konnte er dieser seelischen Erregung so weit Herr werden, daß er nun auch den feierlichen Zeremonien der Kirchweihe wieder folgen konnte, aber dennoch kehrte immer wieder sein Blick voll Liebe zu seinem Kreuzbilde zurück; war es doch sein Christus, sein Christus sogar zweimal, der Christus seines Herzens und seiner Hände.

Noch ein ganzes Jahrzehnt konnte sich unser Bauernkünstler seines Lieblingswerkes erfreuen, dann aber schrieb ein jüngerer Kunstgenosse aus seine Totentafel, was er früher für soviel andere getan: R. I. P.

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