Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Das tote System

Du kamst, ohne je vorher gedient zu haben, während des Krieges zum Militär. »Zu den Preußen«, wie man im westlichen Deutschland noch immer mit einem Schauder sagt. Erhieltest auf einer dienstlich gestempelten Karte den berüchtigten Stellungsbefehl, an den Soundso gerichtet: des kurzen Inhalts, daß du dich an dem und dem in reingewaschenem Zustand mit einem Karton für deine bisherige Tracht einzufinden hättest. Und schlepptest dich eines grauen Morgens in irgendeine noch grauere Kaserne. Schon wie dir die Uniform verpaßt wurde, war grauenvoll. Eine Marter ohnegleichen, in die häßlichen, schon mehrfach von anderen, Fremden gebrauchten Kleidungsstücke und in die groben Stiefel hineinzukriechen, die auf irgendeinem dumpfen feuchten Speicher roh aufgehäuft zusammenstanden. Und dann fandest du dich eines Abends mit einer grauen Halsbinde wie mit einem Strick um die Gurgel gebrochen an Leib und Seele vor einem schwarzen, nach Stiefelschmiere stinkenden Verschlag – »Spinde« genannt. Mußtest zu einer Stunde schlafen gehen, zu der du nur als Knabe zu Bett gingst, zu der deine Kinder kaum einzuschlummern pflegten. Du hörtest noch den Stubenältesten dem Unteroffizier, der die Stuben ablief, etwas in die Ohren schnarren. Und krochst halb ausgezogen in dein Lager, das du vorher hattest »bauen« müssen. Es roch nach feuchtem Stroh. Langsam schlummerte einer nach dem andern deiner neuen Kameraden ein, die neben, unter und über dir lagen. Wie in einem Menschenstall. In das Schnarchen der einen mischte sich das Furzen der andern. Laut oder leise, klagend oder donnernd, wie eine satanische Orgelmusik. Und du fühltest dich schlaflos zitternd in den kalten rauhen Laken deines Bettes, in dem süßlich fauligen Dunst dieser weiten Bude todunglücklich wie in der Hölle und dachtest immer nur dies: »Das halt' ich nicht aus! Das halt' ich nicht aus!«

Du durchwachtest diese wie alle folgenden Nächte in der Kaserne und sahst das Grau des nahenden neuen Tages. Es leckte durch das nackte vorhanglose Fenster und stellte deine fürchterlich nüchterne Umgebung grauenvoll deutlich um dich hin. Unten im schwarzen Kasernenhof an einer eiskalten Pumpe spültest du dich scheu wie eine Katze schnell ab und schlürftest aus einer irgendwo stets beschädigten Tasse eine kochend heiße Flüssigkeit in dich hinein, die dir Zunge, Gurgel und Magen verbrannte.

Dann begann deine – Ausbildung. Mit diesem schönen Wort schmückte sich ja die Dressur zur menschlichen Maschine, zur willenlosen Puppe in der Gewalt des verruchten Systems. Weißt du noch die Übungen der militärischen Ehrenbezeugungen, mit denen man dich morgen- und tagelang quälte und langweilte? Siehst du dich noch wie einen Gänserich mit gerecktem Hals und verdrehtem Kopf an irgendeinem blöden Unteroffizier vorbeistolzieren, dessen geheiligte Persönlichkeit du schon sechs Schritte vorher mit einem Ruck, der durch deinen ganzen nichtswürdigen Körper zucken mußte, wie das Venerabile zu grüßen hattest? Sechs Schritte vorher und drei Schritte nachher. Disziplin muß sein. Nicht nur während des Dienstes. Auch noch nach dem Dienst. Dann sogar erst recht, sagten die Verteidiger dieser niedrigen Hohen Schule der Entmannung. Du konntest selbst draußen fern von dem Ort deiner Martern, der Kaserne, nicht ruhig dein Mittag- oder Abendessen einnehmen, weil du jeden Augenblick genötigt sein konntest, von deinem Platz aufzuflitzen wie ein Stehaufmännchen, wenn irgendein Vorgesetzter hereintrat. Du warst nur ein »Gemeiner«, wie die Militärsprache dich damals nannte. In besseren Lokalen durftest du dich als solcher in deinem feldgrauen »Ehrenkleid« überhaupt nicht aufhalten. Jedenfalls warst du dort stets nur geduldet und immerzu der Gefahr ausgesetzt, von einem Herrn Offizier wie ein räudiger Hund hinausgejagt zu werden.

Du solltest eben nie vergessen, daß du geknechtet warst und zu gehorchen hattest. Es sollte dir als gemeiner Mann nie ganz wohl werden in deiner Haut. Das verlangte die Manneszucht. Du mußtest ewig auf der Hut sein, wo du auch saßest, standst und gingst, daß du nur ja nicht einen Vorgesetzten übersahst und zu grüßen vergaßest. Selbst wenn du fuhrst oder in einer Droschke gefahren wurdest, hattest du oft zum Hohn des fremden Kutschers oder der Eingeborenen des Landes, die neben dir saßen, jene widerlichste militärische Knechtstellung anzunehmen: Die Arme straff herunterzuhalten, die Fingerspitzen fest an die Hosennaht neben den beiden Knien zu legen und dazu den Schädel steif wie eine Schießbudenfigur zu der Seite zu strecken, an der die vorgesetzte Persönlichkeit vorüberging. Du konntest einem wahrhaftig leid tun, wenn man dich so wie einen dressierten Pudelhund Männchen machen sah.

Scharfäugig wie ein Habicht mußtest du, auch wenn du durch eine mächtige Brille als schwach- und kurzsichtig gekennzeichnet warst, stets ausspähen und darauf achten, daß du nicht jene Todsünde begingst, die unscheinbaren Litzen oder Achselstücke zu übersehen, die aus dem, der sie trägt, ein höheres militärisches Wesen machen. Du konntest sofort wie ein gemeiner Verbrecher eingesperrt werden, wenn du dir so etwas zuschulden kommen ließest. Wie manches Mal wurdest du wegen solch eines Kapitalverbrechens wie ein Verräter an der großen Sache, wie ein Gotteslästerer angebrüllt. Angebrüllt von irgendeinem großmäuligen oder dicknäsigen Tropf, der sich wichtig in seine leere Brust und in die hohlen Donnerworte warf: »Sind Sie blind? Warum grüßen Sie mich nicht? Können Sie nicht sehen, wen Sie vor sich haben?«

Das Tollste, das Ungeheuerlichste aber war dies, daß man dich selbst ins Lazarett noch mit diesem ewigen fixen Grüßwahnsinn verfolgte, der in seiner genauen peinlichen Ausführung die ganze deutsche Armee zu einem Heer von fortwährend auf- und niedergezogenen Hampelmännern machte. Die Leidenden und Kranken wurden ja gezwungen, sich in ihren Betten aufzurichten und Haltung anzunehmen, wenn ein inspizierendes Wesen, ein Oberarzt oder ein General, der leutselig sein wollte oder einen angenehmen Reiz bei der Betrachtung von Verwundeten verspürte, ihren Saal betrat. »Achtung!« schmetterte dann ein dienstbeflissener Krankenwärter laut oder gedämpft, je nach dem Zustand seiner Patienten. Und die Jammerbilder mußten, Sklaven noch im Sterben, ihre Arme und Hände über der Decke lang strecken, sich emporheben und auf neugierige oder oberflächliche Fragen Antworten geben. Ärzte, man denke nur, Ärzte, die den Verletzten beistehen sollen, verlangten solche satanischen Förmlichkeiten und fühlten sich unangenehm berührt, wenn nicht streng darauf gehalten wurde. Denn Disziplin über alles oder Ordnung muß sein! Wahrhaftig bis in den Tod hinein verfolgte den deutschen Soldaten dieser ruchlose Grußzwang, von dessen scharfer Beobachtung man sich die Aufrechterhaltung der unbedingten Manneszucht versprach. In Wirklichkeit verbitterte diese unsinnige Wertschätzung der strammen Sklavengebärde nur den, dem sie ewig auch nach dem Dienst noch oblag. Ja, die Kampffreudigkeit wurde geradezu getötet durch diese Mechanisierung der Achtung, die man vor dem Staat und der Obrigkeit empfinden sollte.

Denkst du noch daran, wie du langsam und allmählich dann, wenn du die Ehrenbezeugungen machen konntest, die gleichwohl immer wieder bis zum seelischen Erbrechen geübt werden mußten, in die höheren Künste des Militarismus eingeweiht wurdest? O jene blöden Instruktionsstunden, in denen irgendein geistig armer Unteroffizier sich quälte, euch die Einteilung der Vorgesetzten und ihre Abzeichen verständlich zu machen! Hörst du es noch in deinen Ohren, dies blecherne Papageiengeplapper: »Spricht der Soldat mit einem Vorgesetzten, so hat er das Wörtchen ›Sie‹ zu vermeiden und statt dessen die betreffenden Anreden zu setzen; z. B.: ›Herr Unteroffizier sollen zum Herrn Hauptmann kommen.‹

Begegnet der Soldat einem Vorgesetzten auf einer Treppe oder auf einem schmalen Wege, in einem Hausflur usw., so hat er ihm sofort Platz zu machen. Steht der Herr Vorgesetzte in einem engen Gange und muß der Soldat vorbeigehen, so tritt er in gerader Haltung heran mit den Worten: ›Ich bitte, vorbeigehen zu dürfen.‹ Raucht der Soldat, so nimmt er, sobald und solange ein Vorgesetzter mit ihm spricht, die Pfeife oder Zigarre aus dem Munde. Begleitet der Soldat einen Vorgesetzten, so hat er ihm auf einige Schritt Entfernung zu folgen. Ruft ihn der Vorgesetzte heran, so geht er auf dessen linker Seite. Wird ihm ein Mantel zum Tragen übergeben, so trägt er ihn mit dem Tuch nach außen, damit, falls es regnen sollte, das Futter nicht naß wird.

Im Gliede darf der Soldat nur sprechen, wenn er von einem Vorgesetzten gefragt wird. Auch während des Rührens darf im Gliede anders nicht gesprochen werden.

Wird ein Soldat aus dem Gliede hervorgerufen, so antwortet er laut: ›Hier! Herr Hauptmann!‹ und eilt dann – als Mann des hinteren Gliedes um einen Flügel der Abteilung herum – auf etwa drei Schritt zu dem Vorgesetzten und wartet in strammer Haltung (mit ›Gewehr ab‹), bis er angeredet wird.

Der Soldat darf niemals während oder unmittelbar nach Beendigung des Dienstes eine Beschwerde anbringen, sondern immer erst am folgenden Tage.«

»Genug!« knirschst du. »Genug!« Und das Gefühl des Ekels über dies Sklaventum steigt dir mit einem sauren Geschmack wieder in der Kehle hoch. Alle jene Vorschriften scheinen dir heute noch wie damals auf das Zusammenknicken, das Auslöschen deiner Persönlichkeit als gemeiner Soldat berechnet zu sein. Durch sie wurde dir immer aufs neue soundsooftmal dein Wille gebrochen, bis du ganz gefügiges Werkzeug in der Hand deines Obern geworden warst, ganz mit der grauen Masse zusammengeschrumpft, die blindlings über sich verfügen läßt. Entsinnst du dich noch, wie du in einer kahlen, nur mit Fahnen geschmückten Holzhalle unter der Menge standest und nach allerhand hergebracht schwunghaftem Brimborium mit einer Schar zusammen geloben mußtest: »Ich schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich Seiner Majestät dem Könige von Preußen, Wilhelm dem Zweiten, meinem Allergnädigsten Landesherrn, in allen Vorfällen, zu Lande und zu Wasser, und an welchen Orten es immer sei, treu und redlich dienen, Allerhöchstdero« – die Sprache der Leibeigenschaft klang nicht unterwürfiger! – »Nutzen und Bestes befördern, Schaden und Nachteil aber abwenden will.«

Mit diesem Fahneneid, der dich den Launen eines Einzelwesens willenlos unterwarf, solltest du auch deine Seele noch zu deinem Körper verpfänden und bereit sein, das Tollste auszuführen. Und wenn es bekanntlich geheißen hätte, deine eigenen Eltern umzuknallen. Mit welcher Feierlichkeit wurde dir das erste Gewehr in die Hand gedrückt. Wie einem die Braut kopuliert wird, so ward dir jenes Mordinstrument mit einer höllischen Förmlichkeit übergeben. Umständlich wurdest du in die Vorschriften über seine Behandlung und Reinigung eingeführt. Lerntest die lächerlichen, noch aus der Zeit des Soldatenkönigs und seiner tragikomischen Potsdamer Wachtparade stammenden rückständigen Exerziergriffe, bis dir die Finger rissig geworden waren und die Schultern schmerzten von dem beständigen Daraufschlagen mit der schweren Waffe. Oder man brachte dir aufs genaueste bei, wie die Schloßteile zu fetten, und wie das Gewehrinnere mittels eines Wergstreifens, der durch den Einstrich eines Wischstocks gezogen werden mußte, zu schützen wäre, bis du schließlich vor Öl trieftest und so verdreht wurdest, als hätte man dich selber auseinandergenommen und in einzelne Teile zerlegt.

So ging es bis zur Erschlaffung maschinenmäßig weiter von Tag zu Tag. Mit Marschieren, Turnen, Schießübungen und Gewehrexerzieren, bis das »frische fröhliche Kriegshandwerk« auch den forschesten Leuten verleidet worden war. Erinnerst du dich noch an die unendlichen Vorstudien zum Parademarsch, an die hunderterlei Verdrehungen, die du durchmachen mußtest, ehe du reif dafür warst, bei vollkommen steifem Oberkörper die Beine herauszuschmeißen wie ein Zirkuspferd, das zur Musik stolzieren muß? Erging es dir auch wie mir, als du zum erstenmal so vor irgendeinem dummen schnauzbärtigen Oberstleutnant marschieren mußtest, daß du danach seekrank wurdest und hundeelend dich erbrachst, wie einer, der sich prostituiert hat, und dir mit einem Schwur, der heiliger als alle Fahneneide war, gelobtest, das nicht ein zweites Mal mitzumachen? An meine Brust, wer du auch seist, Raubmörder oder Urkundenfälscher, der du dies wie eine Schande und Schmach empfandest, ich will dich umarmen, ob du mir auch sonst wildfremd bist! In diesem einen Punkte bist du ein Mensch. Hast du dich emporgeschwungen über das Tierische, das sich dressieren läßt. Wahrend deine entarteten Kameraden um dich herum wie die Pferde, diese gedemütigsten Kreaturen, ihre Beine schleudern, bäumst du dich empor, entzündet von dem Gedanken: »Ich bin frei!«, und durchbrichst die Tyrannei, die dich zu einer Gliederpuppe erniedrigen will.

Fluch- und wut- und schmerzbeladenes System, welcher Teufel und Menschenfeind hat dich ausgeheckt? Du bist auf die Knechtseligkeit aufgebaut und auf den Glauben an die Schlechtigkeit der Menschen. Du rechnest nicht mit dem Guten in uns, nicht mit der Liebe, noch mit dem Drang zum Schönen und Edlen in unsern Seelen. Man sagt, Friedrich der Große habe diese planmäßige Heranzüchtung von Kadavergehorsam ausgedacht, er, der kurz vor seinem Tod angewidert von der knechtischen Welt, die er erschaffen, in den Seufzer ausbrach: »Ich bin es müde, über Sklaven zu herrschen.« Es mag sein, daß ein solches bis ins kleinste ausgetüfteltes System zur Erstickung des persönlichen Willens nur von einem Genie ersonnen werden konnte. Und ein Mann, der über den Glauben Rousseaus an die angeborene Güte des Menschen nur höhnisch grinsen und zweifelnd bemerken konnte: »Diese Schwärmer kennen nicht die verruchte Rasse, der wir Menschen angehören!«, ein solcher Zyniker ist wohl imstande, eine Schulung der Unfreiheit auszuklügeln, wie sie nur ein Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, gleich folgerecht und unnachsichtlich vor ihm erfinden konnte. Genau wie dieser seine Jünger durch die exercitia spiritualia, die geistlichen Übungen, die er ihnen auferlegte, zu willenlosen Werkzeugen seines Geistes machte, so wurde durch dies militaristisch preußische System die gemeine Mannschaft zu blind gehorchenden Haufen versklavt, die sich im Krieg in der Hand ihres Feldherrn wie Schachfiguren hin und her kommandieren ließen. Freilich war dies Traumbild von dem bedingungslosen Gehorsam und der gänzlichen Ausschaltung des eigenen Willens in Wirklichkeit nicht völlig durchzuführen. Denn in einigen Köpfen glimmen ja immer noch die Funken von einem Bewußtsein, daß wir nicht nur geboren sind, um einen Ameisen- oder Bienenstaat zu bilden. Und zu einer absoluten Vollkommenheit selbst in der Knechtschaft scheint die Menschheit nicht zu bringen zu sein. Darum wurde das System, das strengste Folgsamkeit bis zum Auslöschen der Persönlichkeit forderte, weil es nicht restlos befolgt werden konnte, heimlich umgangen. Der Militarismus war sittlich schon lange unterhöhlt und angefressen, ehe er tatsächlich zusammenbrach. Die Bestechlichkeit beispielsweise, die sonst überall in Deutschland verbannt und verfemt war, beim Militär herrschte sie noch frech und war selbst nicht durch die Androhung von Todesstrafen hier aus der Welt zu schaffen.

Besinnst du dich noch auf die Tage, alter Kamerad, da du die erste Bekanntschaft mit dieser Seite des Systems machtest? Du dachtest, als du in die Kaserne eintratst: »Was auch geschehen mag, hier wohnt die edle, feste Zucht. Hier gilt ein Manneswort!« Du glaubtest noch an die Treue, die Zuverlässigkeit und Anständigkeit des Soldatentums, das sich vor der Bürgerwelt gern mit einem Ruhmeskranz der schlichten Tugend schmückte. Bis du plötzlich zu deiner höchsten Überraschung merktest, daß nirgends mehr gelogen und geschoben wurde, nirgendwo lieber krumme Wege beschritten wurden als beim Militär. Die besten, die geradesten Naturen hatten es am schwersten, sich in das ständig hintergangene System hereinzufinden und der Drückerei und Betrügerei anzupassen, die hinter der äußerlichen Ordnung herrschte. Genau wieder wie beim Jesuitismus, galt es den Kadavergehorsam mit Schlauheit zu vereinigen oder das eine mit dem andern zu umgehen. In diesem scharfsinnig ausgeklügelten System zur Enteignung der Persönlichkeit mußte man geschickt durch die engen Maschen schlüpfen, wenn man sich selber und sein Glück retten wollte. Die List, nicht das gegenseitige Entgegenkommen, war hier die ständige Umgangsform. Und die aufrichtigsten Herzen wurden langsam verdorben durch das Einatmen der schlechten seelischen Luft, durch den Stickstoff des unterdrückten Egoismus, der, wenn er zum Vorschein kam, in einer scheußlichen rohen und nackten Stichflamme aufzuckte.

Wir stehen an der Leiche des häßlichen Systems zur Verknechtung der einzelnen, zur Herstellung von menschlichen Automaten, wir, du und ich, armer überlebender Kriegskamerad. Möge kein Trommelwirbel, kein eintöniger Pfeifenklang das große tote Tier wieder erwecken, das millionenmal mehr Menschen verschlang als der Minotaurus und Moloch und alle andern Unholde des Altertums! Sein Gifthauch hat die Welt lange genug verpestet. Wo immer man auch diesen Götzen noch verehren mag, wir werden ihn nie mehr mit unsern eignen Söhnen füttern.


 << zurück weiter >>