Paul Ernst
Geschichten von deutscher Art
Paul Ernst

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Der verkaufte Hof

Bei einer Gebirgswanderung kam ich an einem einsamen kleinen Hof vorbei. Ein Mann von etwa dreißig Jahren pflügte mit zwei schönen Ochsen. Es war Frühstückspause; er hängte seine Ochsen ab, sie bückten sich und fraßen auf der Wiese, er setzte sich auf den Rand des Brunnentrogs an der Straße, sein Brot mit Speck zu verzehren.

Ich hatte mich auf der anderen Seite des Brunnentrogs niedergelassen, um ein Viertelstündchen zu rasten. Der Hof lag schön; das Feld war guter, etwas sandiger Lehmboden; die Wiese nebenan stand in üppigem Grün, die Apfelbäume blühten.

Der Mann beobachtete, wie ich mich prüfend umsah. »Ein schöner Hof!« sagte er zu mir. »Hat früher mir gehört. Jetzt muß ich den Knecht hier spielen.« Er sagte das mit einem leichten Ärger.

Die Art des Mannes wunderte mich. Ich fragte ihn nach den näheren Umständen.

»Ach, Herr!« erwiderte er, »das ist eine lange Geschichte, da kann man wieder einmal die Falschheit der Weiber sehen.« Er steckte ein Stück Speck auf das Messer gespießt in den Mund, dann begann er zu erzählen.

»Sehen Sie, Herr, der Hof hat meiner Mutter gehört, ich habe keine Geschwister weiter, was fehlt mir denn? Aber ich sage zu meiner Mutter: »Heiraten will ich.« Nun ja, meine Mutter redet mir ab, sie sagt: »Du kannst noch immer eine Frau kriegen, du hast noch Zeit, es gibt genug Mädchen in der Welt.« Mitgebracht hat sie auch Nichts. Aber das wissen Sie wohl, wie das ist, wenn man sich so ein Mädchen in den Kopf gesetzt hat, dann denkt man, das muß so sein. Also gut. Meine Mutter sagt: »Wenn du nicht anders willst, meinetwegen.« Nun, klagen konnte ich ja nicht, meine Frau war fleißig, und war sauber, alles was man will.

Nun fängt das so an. Da kommt der Briefträger. Eine Vorladung. Na, ich weiß das schon, was das ist. Der Herr Richter sitzt vor seinem Tisch, der Schreibersgeselle sitzt da, der Herr Richter sagt: »So und so, die ledige Amreiner . . .« na, der Herr wissen schon, was ich meine, das ist menschlich, also das Mädchen hat ein Kind und hat mich angegeben. Ich. »Wie komme ich denn dazu? Ich bin ein verheirateter Mann. Da sind denn noch andre da.« Also er liest aus seinen Papieren vor, er sagt, ich muß schwören. Na, das überlegt man sich denn doch. Also, der Richter sagt, ich muß zahlen, fünf Mark den Monat muß ich zahlen. Ich bin Knecht bei meiner Mutter, ich habe keinen Lohn, wovon soll ich denn fünf Mark monatlich zahlen? Sagen Sie selber, Herr! Das ist doch eine Gemeinheit!

Das war aber gerade damals, wie meine Mutter am letzten lag. Ich sage meiner Mutter: »Ich bezahle die Alimente nicht. Weshalb soll ich denn die Alimente bezahlen!« Andere, die, na, Herr, wir sind so Bauern, wir sagen das so heraus; weshalb soll ich Alimente bezahlen?

Nun sage ich zu meiner Mutter: »Weißt du, du stirbst jetzt, dann habe ich den Hof, dann fassen sie zu. Jetzt habe ich Nichts, aber dann können sie zufassen. Jetzt verschreibst du den Hof meiner Frau, dann gehört er meiner Frau, dann können sie zu mir kommen mit ihren Alimenten.«

Also gut. Der Herr Richter kommt, der Schreibergeselle kommt, meine Mutter sagt: »Den Hof erbt meine Schwiegertochter, meinen Sohn enterbe ich, weil er mir den Kummer gemacht hat mit den Alimenten.« Der Herr Richter hat das wohl gemerkt, weshalb sie das getan hat, die Herren sind nicht so dumm, wie die Leute denken, die merken so Etwas. Aber was soll er machen? Bloß, der hat gleich gewußt, wie das ausgehen wird, der hat die Weiber gekannt, daß man ihnen nicht trauen darf, erst tuen sie Einem schön, und wenn sie haben, was sie wollen, dann ist Nichts gewesen. Der Herr Richter, der hat es mir gesagt: »Paß auf«, hat er gesagt, »dich ziehst du aus, und die ziehst du an. Wir sprechen uns wieder«, hat er gesagt.

Also gut. Meine Mutter stirbt. Wir begraben sie. Ich lasse ein Kreuz machen auf dem Hügel. Gut. Ich habe nichts. Ich bin Knecht bei meiner Frau. Lohn kriege ich nicht. Ich diene für die Kost, und ein Paar Schuhe jedes Jahr, einen Anzug, ein Hemd, ein Paar Strümpfe.

Sehen Sie, Herr, nun ist das so. Da war der Pepi. Der war bei den Soldaten gewesen, der kam nun nach Hause. Habe ich recht? Wenn ich eine Frau habe, die habe ich doch für mich? »Pepi!« sage ich, »nimm dich in Acht! Wenn ich dich einmal erwische, dann geht's dir schlecht. Einmal nur, sag ich dir.« Der Pepi lacht bloß. Herr, das können Sie sich denken, das wurmt! Nichts hat meine Frau gehabt, wie ich sie heiratete, das Hemd auf dem Hintern hat ihr meine Mutter geben müssen. Und wissen Sie, ich habe Land bei dem Hof. Ich brauche nicht auswärts auf Arbeit zu gehen. Was will sie denn mehr? Aber meine Mutter hat's mir gesagt, der Herr Richter hat's mir auch gesagt.

Also gut. November ist's. Alles eingebracht. Schon das meiste gedroschen. Ich bin im Dorf, ich sitze im Wirtshaus. Da sticheln sie schon. Nicht sein Glas Bier kann man mehr in Ruhe trinken. Ich stehe auf, zahle, nach Haus.

Wie ich da komme, Herr, das sage ich Ihnen, das sind sie sich nicht vermuten gewesen, ich, gleich die Tür aufgerissen, da sitzen sie beieinander in der Ofenecke. Da nehme ich doch meinen Stock und dresche los! Alles einerlei, er und sie, immer feste! Sie springen auf, er zur Tür, reißt sie auf, hinaus, ich immer hinterher, immer auf ihn drauf, bis mir der Stock abbricht, da schmeiße ich ihm das Stück noch in den Buckel und gehe zurück.

Natürlich, Anzeige. Der Arzt hat ein Zeugnis ausgestellt, Flecke am ganzen Körper, drei Wochen arbeitsunfähig. Drei Monate habe ich gekriegt, und die Kosten. Ich sage zu meiner Frau: »Berufung lege ich nicht ein. Denn wozu? Das sind bloß neue Kosten, dann wird es vielleicht ein Monat weniger. In der Wirtschaft ist jetzt nicht viel zu tun, ich mache es gleich ab, dann bin ich fertig, wenn die Arbeit wieder angeht.«

Also gut. Meine Frau besucht mich auch, jeden Sonntag hat sie mich besucht, immer hat sie mir Etwas zu essen mitgebracht, denn das Essen ist ja schlecht da im Gefängnis. Sie weint, sie sagt: »Du gehst mir ab, du fehlst mir hier und fehlst mir da.« Ich tröste sie noch, ich sage: »Die Zeit ist bald herum, dann beginnt die Bestellung, ich will dieses Jahr mehr Roggen bauen.«

Herr, was soll ich Ihnen sagen, ich komme aus dem Gefängnis heraus, ich setze mich auf die Bahn, ich fahre, ich steige aus, ich gehe her, ich trete ins Haus, da sitzt da so ein Stadtherr in der Stube, mit einer Brille, und hat seine Frau bei sich. Der guckt mich an und fragt mich: »Was wollen Sie denn hier?« Nun, das wundert mich denn doch. Ich setze mich also, knöpfe mir den Rock zu, ich sage: »Nur manierlich! Wenn ich hier in mein Haus komme, hier bin ich doch der Herr!«

Herr, der Stadtherr guckt mich nur so an, über die Brille. »Ich habe diesen Landsitz gekauft. Er ist mein Eigentum«, sagt er.

Das wird mir denn doch zu toll. Ich springe auf, ich schlage mit der Faust auf den Tisch, ich schreie ihn an: »Machen Sie, daß Sie herauskommen!«

Indem geht die Tür auf, der Bürgermeister tritt ein. »Seppl«, sagt er, »nimm dich in acht, eben haben sie dich erst herausgelassen. Die Herrschaften haben den Hof von deiner Frau gekauft. Die ist nicht mehr da. Gestern ist sie in die Stadt gezogen. Sie hat einen Dienst angenommen.«

Herr, ich sage Ihnen, da war es mir, als wenn sich alles um mich dreht. Ich habe mich wieder setzen müssen. Die Stadtfrau ist zu mir getreten und hat mir gut zugeredet, aber ich habe Nichts gehört. Fünf Stück Vieh, zwei Ochsen! Alles weg.

Na, so bin ich denn nun Knecht geworden bei dem Stadtherrn. Der ist ein Professor. Gute Leute sind sie, das muß man sagen. Sie sind auch nicht oft da. Von meiner Frau habe ich mich scheiden lassen. Ich heirate nicht wieder!«


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