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Drittes Kapitel

»Können Sie mir etwas von einem Volke erzählen, das nördlich von hier wohnt, und das man die Ansari nennt?« fragte Tancred Baroni.

»Nein, Mylord, weder ich noch jemand anders. Sie bewohnen das Gebirgsland um Antiochia herum, und sie verbieten einem jeden den Zugang zu ihrem Gebiet. Sie sind ein kriegerisches Volk, das einstmals sogar die Ägypter zurückschlug, aber Ibrahim lud bei seinem zweiten Angriff seine Kanonen mit Piastern, und sie wurden dem Pascha dadurch gefügig gemacht.«

»Sind sie Mohammedaner?«

»Es ist leicht zu sagen, was sie nicht sind, und diese negative Kenntnis ist die einzige, die wir von ihnen haben. Sie sind weder Mohammedaner, noch Christen, noch Drusen, auch sind sie keine Juden und sicherlich keine Parsen, denn ich habe mich mit den Indiern von Jedda über sie unterhalten, und sie haben keine Ahnung von ihnen gehabt.«

»Und zu welcher Rasse gehören sie? Sind sie Araber?«

»Wahrscheinlich auch nicht, Mylord: denn der einzige von ihnen, den ich je zu Angesicht bekommen habe, sah mehr wie ein Grieche oder ein Armenier als wie ein Sohn der Wüste aus.«

»Also haben Sie doch einen von ihnen einmal gesehen?«

»Jawohl, damals in Damaskus: in der Stadt war nämlich ein Auflauf entstanden und Herr von Sidonia rettete das Leben eines Mannes, der sich als ein Ansari, allerdings in Verkleidung, entpuppte. Sie haben ihre Geheimagenten in den meisten Städten Syriens. Sie sprechen arabisch – aber Herr von Sidonia hat mir gesagt, daß sie auch eine eigene Sprache besitzen.«

»Komisch, daß er sie nicht aufgesucht hat.«

»Die Pest wütete gerade in Aleppo, als er da war, und die Ansari waren doppelt auf der Hut, keinen Fremden in ihr Land hineinzulassen.«

»Und haben Sie je einmal wieder von diesem Ansari in Damaskus etwas gehört?«

»O ja, denn ich bin, seit ich mit Herrn von Sidonia gereist bin, schon wieder verschiedene Male in Damaskus gewesen und habe mitunter mit dem Mann meine Nargileh geraucht: sein Name ist Darkusch, und er handelt mit Drogen.«

Der Grund, warum sich Tancred bei Baroni nach den Ansari erkundigte, war dieser. Am dritten Tage der großen Jagdfestlichkeiten von Canobia hatte Fakredin in Tancreds Gegenwart den großen Drusenhäuptling Hamud Abuneked über seine politische Gesinnung auszuforschen versucht. Hamud war äußerlich ein etwas ungeschliffener, aber sonst durchaus wahrheitsliebender und ehrenhafter Mann. Er war durchaus kein Feind des Hauses Schihab, aber die Abunekeds hatten während der letzten Bürgerkriege im Libanon bös gelitten, und er war darum herzlich wenig geneigt, sich auf irgend ein Unternehmen einzulassen, das nicht wohl vorher überlegt war und unmittelbaren Erfolg versprach. Fakredin natürlich erzählte dem alten Häuptlinge nichts von seinem wirklichen großen Vorhaben, und dieser nahm daher an, es handle sich um weiter nichts, als um eine Vereinigung der beiden Nationen unter einem Oberhaupt, einem Schihab, dessen wahrscheinliche Residenz Canobia sein sollte.

»Ich habe mit dem Emir Beschir Schulter an Schulter gefochten,« sagte Hamud, »und habe nur den einen Wunsch, er wäre in seinem Palaste zu Bteddin! Das Haus Abuneked schnitte sich ins eigene Fleisch, wenn es nicht lieber eine starke, anstatt zweier schwacher Nationen haben wollte. Aber, was ich sage, ist wahr, die alten Leute wissen es, und alle Weisen erinnern sich daran, der Emir Beschir hat es zu mir so oft gesagt, wie Orangen hier an diesem Baume sind. Die nördlichen Pässe werden weder von den Maroniten noch von den Drusen gehalten.«

»Und was tut's, wenn wir sie auch nicht besetzt haben?« fragte Fakredin mit forschendem Blicke.

»Solange wir die nicht haben, mögen wir immerhin einen Fürsten und eine Regierung besitzen,« erwiderte Hamud, »und die Häuser der beiden Nationen mögen immerhin Brüder sein, aber alle Augenblicke werden die Türken in den Libanon einfallen, und wir werden in beständiger Gefahr leben.«

»Und in wessen Hand sind denn die nördlichen Pässe, edler Scheik?« fragte Tancred.

»Sie sind in der Hand der Söhne Eblis,« erwiderte Hamud, »in der Hand der Ansari, die stets auf der Seite unserer Gegner zu finden sind.«

»Sie haben sich niemals mit den Schihabs überworfen,« sagte Fakredin, »und ich habe den Emir Beschir sagen hören, daß, wenn die Ansari sich achtzehnhundertundvierzig ihm angeschlossen hätten, er mit der Pforte und dem Pascha zusammen fertig geworden wäre.«

»Sie können fünfundzwanzigtausend auserlesene Männer ins Feld schicken«, sagte Scheik Hamud.

»Und würden sich anscheinend auch nichts daraus machen, den Türken in Anatolien selber entgegenzutreten«, sagte Fakredin.

»Wenn sich die Turkmanen und die Kurden ihnen noch anschlössen, so könnten sie die Hufe ihrer Pferde im Bosporus waschen lassen.«

»Es ist merkwürdig,« sagte Fakredin, »daß ich, so oft ich auch in Aleppo und Antiochia gewesen bin, doch niemals ihr Land selber besucht habe. Man hat mich immer davor gewarnt und mich stets davon abgehalten, was mich im Gegenteil nur noch mehr dazu hätte bestimmen sollen, ihnen einen Besuch zu machen. Aber ich weiß nicht, wie es kommt: einige Vorurteile wird man niemals los. Ich habe einmal ein solches gegen die Ansari, es ist wie eine Art Furcht, ja ein gewisser Abscheu. Es ist natürlich sehr lächerlich. Wahrscheinlich kommt es daher, daß mir meine Amme immer von ihnen erzählte, wenn ich nicht schlafen wollte. Ich erinnere mich auch noch ganz genau, wie der Emir Beschir in Bteddin sie immer zu allen Teufeln wünschte.«

»Trotzdem hat er sich die größte Mühe gegeben, sie für sich zu gewinnen«, sagte der Scheik Hamud.

»Und Ihr seid der Ansicht, edler Scheik,« sagte Tancred, »daß ohne sie Syrien stets in Gefahr sein wird?«

»Ich halte dafür, daß wenn man mit ihnen und der Wüste in Frieden leben würde, Syrien weder Ägypten noch die Pforte zu fürchten hätte.«

»Oder sogar noch den Krieg in Feindesland herüberspielen könnte, wenn es nötig sein sollte«, sagte Fakredin.

»Wenn die andern uns zufrieden lassen, so bin ich's auch«, fügte Hamud hinzu.

»Hm,« sagte der Emir Fakredin. »Seht Ihr die schöne Gazelle dort, edler Scheik? Wie sie schnell über Busch und Graben hüpft! Laßt uns ihr folgen, die Jagd bringt uns dann vielleicht in das Land der Ansari?«

»Das wäre ein weiter Ritt,« sagte Scheik Hamud. »Außerdem würde ich mich in keinem Lande recht wohl befinden, das von einem Weibe regiert wird.«

»Von einem Weibe!« riefen Fakredin und Tancred gleichzeitig.

»So sagt man,« erwiderte Scheik Hamud, »vielleicht ist es aber nur ein Kaffeehausgeschwätz.«

»Ich habe noch nie davon etwas gehört,« sagte Fakredin. »Zu Lebzeiten meines Onkels war Elderidis ihr Scheik. Man hat mir allerdings erzählt, daß die Ansari einer Frau göttliche Ehren erweisen.«

»Dann wären sie ja Christen,« sagte Scheik Hamud, »und davon ist mir nichts bekannt.


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