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Achtes Kapitel

Die wunderschöne Tochter Bessos spielte, in Gedanken versunken, im Zelte ihres Großvaters mit einer Perlenkette. Zwei ihrer Dienerinnen saßen singend in der Ecke und begleiteten ihre etwas wilden Töne auf einem besaiteten Instrument, das vielleicht der Psalter der alten Zeiten gewesen war. Sie sangen von der Liebe Antars und Iblas, Leilas und Meinuns, jene Wüstenromanzen voller Leidenschaft und Wildheit, die von Kameldiebstählen und Jungfrauenrettungen handeln und von Helden mit Löwenherzen und Heldinnen mit weichem Mondscheingemüt erzählen.

In Gedanken versunken saß die wunderschöne Tochter Bessos im Zelte ihres Großvaters und spielte mit ihren Perlen. Warum ist die wunderschöne Tochter Bessos in Gedanken versunken? Welcher Art waren ihre Gedanken, die weich und schweigsam wie Vögelschatten über die sonnenbeschienene Erde dahinstrichen?

Plötzlich störte etwas, was weder weich noch schweigsam war, die Tochter Bessos aus ihrer Träumerei auf: es war die Stimme des großen Scheiks, die in einem barschen und befehlenden Tone, der bei ihm höchst selten war, sich vernehmen ließ. Sie kam aus dem anstoßenden Gemache und der Scheik versicherte laut, daß er eher die Mutter einer dritten Person, die ihn zu irgend etwas verleiten wollte, essen, als ihr nachgeben würde. Darauf vernahm man ruhig zusprechende Laute seines Gegenübers, die aber anscheinend wirkungslos verhallten. Und dann erhoben sich beide Stimmen zu gleicher Zeit – die eine brüllte wie ein Löwe, die andere ertönte schrill wie die eines wilden Vogels; die eine erklang drohend, die andere stichelnd und unverschämt. Schließlich folgte auf den Lärm eine Totenstille, so daß Eva annahm, der große Scheik und sein Begleiter hätten schon das Zelt verlassen. Schon begannen ihre Gedanken zu dem Thema zurückzuschweifen, das sie vor dem Ausbruch des Zankes beschäftigt hatte, als plötzlich draußen Fakredins Stimme ertönte: »Rose von Saron, erlaube, daß ich in den Harem komme.« Ohne lange auf eine Erlaubnis zu warten, trat im nächsten Augenblicke der junge Emir mit hochgerötetem Gesicht ein und warf sich, beinahe atemlos, auf den Diwan.

»Wer sagt, daß ich ein Feigling bin?« rief er mit teuflischer Selbstironie aus. »Ich mag mitunter davonlaufen, aber was hat das zu bedeuten? Ich habe moralischen Mut, den einzigen, den man seit der Erfindung des Schießpulvers noch haben kann! Der Löwe ist noch nicht getötet, aber ich habe ihn in seiner Höhle aufgesucht – das ist wenigstens etwas! Mut! meine süß duftende Rose, vertraue mir noch einmal! Ich mag mitunter in die Patsche geraten, aber der pfiffigste Levantiner könnte sich nicht besser herauszuhelfen wissen, als ich.«

»Eine andere Patsche?«

»Nein, nein, dieselbe! Immer noch dieselbe Dummheit. Du hast uns sicherlich wie tausend Hyänen brüllen gehört. Ich habe den großen Scheik noch nie so wild gesehen.«

»Und warum?«

»Er sollte sich an Mehemet Ali ein Beispiel nehmen,« fuhr der Emir fort. »Syrien nach der Eroberung aufzugeben, war doch ein weit größeres Opfer, als das Fahrenlassen dieser Beute, die er noch gar nicht einmal sicher hat. Und der große Pascha gab sein Syrien so gleichmütig auf, als ob er in Konstantinopel einmarschiert wäre, was er sicherlich getan haben würde, wäre er ein Araber und kein Türke gewesen. Alles kommt von Arabien, liebste Eva, alles wenigstens, das etwas wert ist. Wir zwei sollten jeden Tag unserem Sterne danken, daß wir geborene Araber sind.«

»Und der große Scheik redet noch immer von seinem Lösegeld?« fragte Eva.

»Dummerweise ja! Denn es handelt sich doch schließlich nur um eine Bagatelle.«

»Zwei Millionen Piaster sind etwas zu viel für eine Bagatelle«, sagte Eva.

»Es sind keine zwei Millionen Piaster,« sagte Fakredin. »Da machst du den Fehler, ebenso wie dein Großvater. Zunächst hätte er eine Million anstatt zweier genommen, und dann hätten mir davon fünfhunderttausend gehört, so daß er ebenfalls nur fünfhunderttausend gehabt hätte, und diese seine halbe Million wollte ich ihm auch noch abborgen.«

»Abborgen!« rief Eva.

»Natürlich würde ich ihm Zinsen, gute Zinsen gegeben haben. Was soll der große Scheik mit fünfhunderttausend Piastern tun? Er hat ja genug Kamele, er hat so viele Pferde, daß er einige mit mir gegen Waffen eintauschen will. Soll er eine Grube bei irgend einer Quelle graben, um seinen Schatz, wie den Salomos zu verbergen, oder soll er es als Papiergeld in seinen Turban vernähen? Das wäre doch zu lächerlich! Es war niemals meine Absicht, dem großen Scheik zu einer Masse harter Piaster zu verhelfen, damit er sie in der Wüste irgendwo verstecken sollte. Wenn so viel Geld plötzlich außer Kurs gesetzt würde, so könnte der ganze Geschäftsverkehr Syriens darunter leiden, und deine Familie, deren Interessen ich nie aus dem Auge verliere, wäre die erste, welche Schaden erlitte. Meine Absicht war, den großen Scheik zur Anlage seines Kapitals zu veranlassen, und zwar zu einer Anlage, aus der er großen Vorteil hätte ziehen können. Ich hätte ihm dreißig Prozent Zinsen geben können und selber noch dreißig Prozent bei der Sache verdienen können, denn sieh einmal, ich bezahle augenblicklich sechzig Prozent in Beirut, Tripoli, Latakia und den anderen verfluchten Küstenstädten. Wenn du das nur deinem Vater klarmachen könntest, würden wir schöne Geschäfte miteinander machen können! Überlege dir das, meine Rose von Saron, liebste, beste Eva! Dein Vater könnte sich und mir ein Vermögen verschaffen, wenn er mir nur Geld mit dreißig Prozent leihen würde.«

»Du jagst mir immer Schrecken ein, wenn du mir von deinen Geschäften sprichst. Sieht es wirklich damit so traurig aus?«

»Du meinst es immer gut mit mir, Eva. Aber wenn ich keine Schulden hätte, wäre ich überhaupt unfähig, irgend etwas zu tun. Ich bin von Natur ein so fauler Mensch, daß, wenn ich mich des Morgens beim Aufwachen nicht daran erinnerte, daß ich ein ruinierter Mann bin, es mir unmöglich wäre, irgend etwas Außerordentliches zu leisten.«

»Aber du leistest ja nichts Außerordentliches,« sagte Eva. »Wie könntest du das auch – unter so ungünstigen Umständen!«

»Und ich werde doch noch etwas vor mich bringen,« rief Fakredin triumphierend aus, »die Frage ist nur die: wie verhalten sich meine Hilfsquellen zu meinen Schulden? Du kannst doch einen Mann nicht einfach nach seinen Schulden beurteilen, ohne zu wissen, wie seine Hilfsquellen beschaffen sind.«

»Aber deine Güter sind verpfändet, deine Ernten sind verkauft – so hast du mir wenigstens erzählt«, sagte Eva traurig.

»Güter! Ernten! Ein Mann kann eine Idee haben, die zwanzig Güter wert ist und ein Prinzip, das ihm eine größere Ernte einbringen kann, als die des ganzen Libanons.«

»Ein Prinzip ist allerdings etwas sehr Notwendiges,« sagte Eva, »aber das gerade fehlt dir, meiner Meinung nach, obgleich du sicherlich Ideen, und zwar mitunter sehr geistreiche hast.«

»Nun, schließlich habe ich es gefunden,« sagte Fakredin; »›Suchet so werdet ihr finden‹.«

»Und wie heißt dieses dein Prinzip?«

»Glauben.«

»An dich selbst? In dieser Hinsicht bist du doch bisher nicht zu skeptisch gewesen.«

»Nein, Glauben an den Berg Sinai!«

»An den Berg Sinai?«

»Du scheinst dich zu verwundern, aber dem ist doch so. Der englische Fürst ist auf dem Sinai gewesen und hat einen Engel gesehen. Was zwischen den beiden vorgefallen ist, weiß ich nicht; soweit ich die Sache bis jetzt beurteilen kann, ist es nicht unmöglich, daß er sich an die Spitze der asiatischen Bewegung stellt. Wenn man nur den Glauben hat, so kann man alles. Das eine ist ganz sicher, daß er vorläufig nicht nach Jerusalem zurückkehren, sondern mit mir aus gewissen Gründen Canobia besuchen wird.«

»Er scheint einen starken Willen zu besitzen«, sagte Eva etwas gezwungen.

»Übrigens, warum hast du mir verschwiegen,« fragte Fakredin, »daß du ihn schon kanntest?«

»Ihn kanntest?« sagte Eva.

»Jawohl! Er erkannte dich sofort wieder, als er zu sich kam und hat mir auch selber eingestanden, daß er dich schon vorher einmal gesehen hat, obgleich aus ihm darüber nicht viel herauszubekommen war. Er kann stundenlang über Arabien, Glauben, Krieg und Engel reden; aber wenn man irgend etwas Persönliches zur Sprache bringt, so verstummt er sofort. Ich glaube, er ist schüchtern, jedenfalls besitzt er nicht meinen törichten Freimut. Hast du ihn in Jerusalem kennen gelernt?«

»Ich habe ihn zufällig einmal in Bethanien getroffen. Ich habe ihn nicht nach seinem Namen gefragt und er hat ihn mir auch nicht genannt. Ich hatte also kein Recht, dir zu erzählen, daß wir einander kannten. Ich konnte auch nicht ahnen, daß jener Fremde, den ich zufällig einmal in Jerusalem gesehen hatte, dein Gefangener sein würde.«

»Still!« sagte Fakredin mit wirklicher oder affektierter Ängstlichkeit. »Ich habe ihn auf mein schönstes Schloß zu Gaste geladen. Was heißt das übrigens: ›mein Gefangener‹? Du solltest sagen: ›den ich aus der Gefangenschaft gerettet habe oder im Begriff stehe, zu retten‹.«

»Wenigstens sollte seine Rettung für dich in diesem Augenblicke die Hauptsache sein,« sagte Eva. »Wenn ich du wäre, würde ich meine große asiatische Bewegung vorläufig beiseite lassen, bis ich meinen sogenannten Freund aus dieser unangenehmen Lage befreit hätte.«

»Oh, ich werde mit dem großen Scheik schon fertig werden,« sagte Fakredin sorglos. »Die Zukunft ist zu unsicher, als daß Amalek lange mit mir böse sein kann. Wenn er sieht, daß die Beduinenkavallerie eines Tages in Syrien und Kleinasien einrücken kann, so wird er schon etwas zugänglicher werden. Die Hauptsache ist, jetzt ihm durch eine Kleinigkeit über seine große Enttäuschung hinwegzuhelfen. Wenn ich nur ein paar tausend Piaster zum Bakschisch zusammenkratzen könnte,« und hierbei sah er Eva voll ins Gesicht, »oder sonst irgend etwas ihm zuschieben könnte! Was meinst du, Eva?«

Eva schüttelte den Kopf.

»Was für ein hartnäckiger Judenhund er ist!« sagte Fakredin, »seine Habsucht ist wirklich widerwärtig!«

»Ein hartnäckiger Judenhund!« rief Eva aus und sprang vom Diwan auf. Ihre Augen blitzten, ihre Nasenflügel hatten sich gebläht, ihr Gesichtsausdruck verriet Wut und Verachtung. Sie hatte sich schon den ganzen Morgen über Fakredins Benehmen geärgert. Seine Launenhaftigkeit hatte ihr mißfallen, seine Taktlosigkeit trat, wenn ihm etwas gegen den Willen ging, nur allzu deutlich zutage. Fakredin war in der Tat zu egoistisch, um bei all seinen guten Manieren und bei all seinem feinen Empfinden die Gefühle anderer genügend schonen zu können. Er hatte sich auch darüber geärgert, daß Eva ihm nichts von ihrer Bekanntschaft mit Tancred erzählt hatte. Der Grund, den sie ihm für das Verschweigen dieser Begegnung angeführt hatte, war ihm nicht triftig genug erschienen. Außerdem waren in diesem Augenblicke sein Kopf und sein Herz so von Tancred und dem idealisierten Bilde, das er sich von ihm machte, eingenommen, daß gar kein anderes Wesen gegen diesen seinen neuen Freund in ihm aufkommen konnte. Obgleich er an der ganzen unangenehmen Geschichte selber schuld war, so vergaß er das von dem Augenblicke an, da sein eigenes Interesse und seine eigenen Leidenschaften in Frage kamen und schob jetzt wirklich Amalek allein die Schuld für die Gefangennahme Lord Montacutes zu.

Der junge Emir hatte gerade jetzt einen jener Augenblicke, die ihm schon manche Freundschaft verdorben hatten – aber Eva gegenüber hatte er sich niemals in diesem Lichte gezeigt. Sie hatte ihn sein ganzes bisheriges Leben lang zu leiten verstanden. Er liebte und fürchtete sie zu gleicher Zeit. Aber Eva hatte die Herrschaft über Fakredin verloren. In diesem Augenblicke hätte Fakredin, ohne mit der Wimper zu zucken, die ganze Familie Bessos geopfert, um sich der Freundschaft Tancreds zu versichern, und jene rohe Bemerkung über Amalek, die ihm entfahren war, gab dieser seiner Gemütsverfassung einen nur zu deutlichen Ausdruck.

Eva kannte jede Falte seines Herzens. Ihr hoher Verstand erriet mit größter Leichtigkeit alles, was in ihm vorging und konnte selbst den verwickeltsten Schleichwegen seiner Gedanken ohne jede Schwierigkeit folgen.

»Ein hartnäckiger Judenhund!« rief sie aus; »und wer bist du, Schakal dieses Löwen, der du also zu sprechen wagst? Ist es nicht genug, daß du uns alle in diese nichtswürdige Lage gebracht hast, mußt du uns obendrein auch noch beschimpfen? Man könnte beinahe glauben, du wärest der englische Konsul, der hier zugunsten seines Landsmannes eine Beschwerde erheben wollte, und nicht der schlaue Herr, der diesen Überfall ersonnen, die Gefangenschaft veranlaßt und den Gefangenen noch dazu in Lebensgefahr gebracht hat! Es ist wirklich schade, daß dieser junge Edelmann keine Ahnung davon hat, ein wie großes Anrecht du auf seine Freundschaft erheben kannst!«

Fakredin fing an zu fürchten, daß Eva in einem Momente der Erregung sein Geheimnis enthüllen könnte. Auch machte ihm sein Gewissen einige leise Vorwürfe, und die fast abergläubische Verehrung, mit der er an ihr hing, machte sich wieder in seinem Innern geltend. Er fühlte, daß er zu weit gegangen war, er sprang von dem Diwan auf, auf dem er in ziemlich unverschämter Haltung gelegen hatte und warf sich seiner Pflegeschwester zu Füßen. Demütig küßte er nunmehr ihre Pantoffeln und gab ihr, unter Tränen und Schluchzen, tausende von Kosenamen.

»Ich bin ein Schurke,« sagte er, »aber du weißt es, du hast es immer gewußt! Um Himmelswillen, verlasse mich jetzt nicht, du bist meine einzige Rettung. Du bist das einzige Wesen in dieser Welt, das ich liebe, ausgenommen vielleicht noch deine Familie. Du weißt, wie hoch ich sie achte. Ist nicht Besso so gut mein wie dein Vater? Und der große Scheik – ich verehre ihn wirklich von ganzem Herzen. Er ist einer meiner Verbündeten. Sogar diese verfluchte Geschichte beweist das wieder. Und was hast du für einen Grund, meine Worte als Beschimpfung aufzufassen? Bin ich nicht selber ein Jude oder wenigstens beinahe? Warum sollte ich die Juden beschimpfen? Mein einziger Wunsch ist jetzt, wir befänden uns im gelobten Lande und nicht in dieser fürchterlichen Wildnis.«

»Laß es gut sein,« sagte Eva, »dann wollen wir zusammen beratschlagen. Vorwürfe sind stets zwecklos.«

»Ach Eva,« sagte Fakredin, »ich mache dir ja gar keine Vorwürfe; wenn du nur an dem Abend, als ich in Bethanien war, erzählt hättest, daß du gerade mit dem Engländer gesprochen hast, so wäre dies alles nicht passiert.«

»Woher weißt du, daß ich gerade mit dem Engländer gesprochen hatte«, sagte Eva und errötete dabei tief.

»Weil ich ihn auf der Straße traf, als ich zu dir ging. Ich hatte damals keine Ahnung, daß er in deinem Garten gewesen war. Ich hielt ihn für einen gewöhnlichen Franken, der sich das Grab des Lazarus angesehen hatte.«

»Ich traf ihn in meinem Garten,« sagte Eva, die noch immer etwas verwirrt war, »und schickte meine Dienerinnen zu ihm.«

Fakredin ging das Zelt mit großen Schritten auf und ab und schien in tiefen Gedanken versunken. Plötzlich hielt er inne und sagte: »Ich sehe einen Ausweg, durch den alles in Ordnung gebracht werden kann.«

»Alles?«

»Sieh mal, übermorgen muß ich einen meiner Freunde in Gaza treffen. Dieser Freund hat eine Karawane, die eine Eskorte durch die Wüste zum Berge nötig hat. Der Scheik der Scheiks soll sie haben. Es wird ihm zehntausend Piaster einbringen. Das wird seinem Munde wie Honig sein. Er wird das Vergangene vergessen sein lassen und unser Engländer kann in meiner und deiner Begleitung nach El Kuds zurückkehren.«

»Ich werde nicht nach El Kuds zurückgehen,« sagte Eva. »Der große Scheik wird mir eine Bedeckung nach Damaskus mitgeben und dort werde ich bleiben, bis ich nach Aleppo gehe.«

»Oh, daß du nie Aleppo erreichen mögest!« sagte Fakredin mit verstörter Miene, denn Eva hatte damit tatsächlich eine Anspielung auf ihre bevorstehende Hochzeit gemacht.

»Aber schließlich,« fügte Eva, um der Unterhaltung eine andere Wendung zu geben, hinzu, »schließlich hängen meine ganzen Reisepläne davon ab, wie ich hier mit dem großen Scheik fertig werde. Wenn er den Schützling meines Vaters nicht freigibt, so werden die Speere seines Stammes mich nie wieder bewachen. Und ich habe wenig Hoffnung auf Erfolg. Und deine zehntausend Piaster werden es auch nicht tun, wenn er keine Neigung verspürt, mit unserem Hause auf gutem Fuße zu bleiben.«

»Zehntausend Piaster sind nicht viel,« sagte Fakredin. »Ich gebe ebensoviel alle drei Monate einem kleinen Kopten in Beirut als Zinsen – aber sobald ich die Regierung des Landes in meinen Händen haben werde, werde ich sein Hab und Gut konfiszieren. Aber in diesem Falle wächst meine Schuld nur um zehntausend Piaster: zehntausend Piaster, die man wirklich bezahlt, das ist etwas ganz anderes. Die werden in der Börse des großen Scheiks gar lieblich erklingen. Sein Volk wird glauben, er hätte Salomos Schatz entdeckt. So wird's gehen; er wird jedem von ihnen ein Goldstück geben, das sie ihren Mädchen in die Haare stecken werden.«

»Das ist nicht einmal genug, um Kamele für Scheik Salems Witwe zu kaufen«, sagte Eva.

»Ich werde das in Ordnung bringen,« sagte Fakredin. »Der große Scheik hat eine genügende Anzahl von Kamelen, und ich werde ihm dafür Waffen geben.«

»Waffen von Canobia kann man aber nur unter großen Schwierigkeiten in diese Steinwüste transportieren.«

»Ich habe aber welche noch näher, das heißt mein Freund, der Freund, den ich in Gaza treffen werde, hat welche, und zwar eine ganze Menge. Beim Heiligen Grabe! Ich weiß, was zu tun ist!« rief Fakredin, »ich werde dir sagen, was wir machen wollen. Der große Scheik braucht Waffen; ich werde ihm fünfhundert Musketen statt des Lösegeldes geben und die Eskorte der Karawane bekommt er dann noch obendrein. Er wird sie nur zu gerne übernehmen. Ich kenne ihn. Jetzt glaubt er, alles sei verloren, aber, wenn er die Piaster in seiner Börse sieht und so viele englische Gewehre bekommt, daß er damit Tadmor erobern kann, wird er sich zufrieden geben.«

»Aber wie können wir diese Waffen in unseren Besitz bekommen?« fragte Eva.

»Von Scheriff Effendi, natürlich. Du weißt, ich soll ihn übermorgen in Gaza treffen und seine fünftausend Gewehre in Empfang nehmen. Nun, fünfhundert für den großen Scheik, da bleiben noch viertausendfünfhundert – kein großer Unterschied.«

»Scheriff Effendi!« sagte Eva überrascht. »Ich dachte, ich hätte drei Monate Aufschub von Scheriff Effendi für dich erlangt.«

»Oh, ja, nein,« antwortete Fakredin errötend. »Die Tatsache, liebe beste Eva ist die – es hat ja doch keinen Zweck, weiter Lügen zu erzählen. Ich habe dich nur darum gebeten, mit Scheriff Effendi über den Aufschub zu sprechen, um dich von meiner Fährte abzubringen, denn ich wußte, du warst strengstens gegen mein Projekt der Gefangennahme. Aber Scheriff Effendi ist ein Kamel. Ich bin gezwungen, ihn in Gaza am Neumond zu treffen, ihm seine zweihunderttausend Piaster zu bezahlen und die Gewehre in Empfang zu nehmen. Man muß sich nach den Umständen zu richten wissen. Der große Scheik wird mir helfen, die Gewehre in die Berge zu transportieren.«

»Aber wer soll für sie bezahlen?« fragte Eva.

»Nun, wenn jemand sich an die Spitze einer asiatischen Bewegung stellen will, so muß er doch auch Gewehre haben,« sagte Fakredin; »und da wir schließlich dem englischen Prinzen zwei Millionen Piaster ersparen, so kann er sich doch nicht dagegen wehren, Scheriff Effendi für seine Lieferung zu bezahlen, besonders da er für sein Geld die Gewehre bekommt.«


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