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Drittes Kapitel

»Eben Eskdale gesehen,« sagte Mr. Cassilis bei Whites, Ein bekannter Klub. »geht zum Herzog von Bellamont aufs Land. Mordsaffäre das: Sohn wird Ostern majorenn. Möchte wohl wissen, was für ein Kerl er ist. Weiß einer was von ihm?«

»Nein. Ist auch egal. Möchte lieber wissen, was sein Vater Einkommen hat«, sagte Mr. Ormsby.

»Man sagt, enorm«, sagte Lord Fitzheron.

»Glaub's wohl,« sagte Lord Milford, »hat auch immer bares Geld zur Verfügung – ist auch nicht schwer –; denn man hat noch nie gehört, daß der gegenwärtige Herzog irgend etwas mitgemacht hätte.«

»Er tut sehr viel für seine Grafschaft«, sagte Lord Valentine.

»Ich nenne das nicht ›irgend etwas‹,« sagte Lord Milford, »ich wollte nur damit sagen, daß er nie gespielt hat, daß er nie in Newmarket hat rennen lassen oder sonst irgend etwas Bemerkenswertes getan hat. Man hört überhaupt seinen Namen kaum.«

»Er ist eine Art Vetter von mir,« sagte Lord Valentine, »und wir gehen alle zum Feste aufs Schloß – man hat uns eingeladen.«

»Nun, da können Sie uns ja sagen, was der Sohn für ein Mensch ist.«

»Ich habe ihn niemals gesehen,« sagte Lord Valentine, »ich weiß nur das eine, daß die Herzogin meiner Mutter letztes Jahr erzählte, daß Montacute während seines ganzen Lebens ihr nicht einen einzigen Augenblick Kummer bereitet hat.«

Alles lachte.

»Nun, ich habe keinen Zweifel, daß er das Versäumte noch nachholen wird«, sagte Mr. Ormsby spöttisch.

»Die Mutterkinder werden gewöhnlich diejenigen, welche –« sagte Lord Milford. »Sie sollten Ihren Vetter hier bei uns einführen: wir würden ihm schon den Segen unserer oft bewährten Erziehung angedeihen lassen.«

»Ich werde ihm deinen Wunsch ausrichten, falls ich hingehe.«

»Warum ›falls‹?« sagte Mr. Cassilis, »würde so etwas mir nicht entgehen lassen: ganze Ochsen am Spieße gebraten – feierliche Umzüge in mittelalterlichen Kostümen – alle die Dorfmädels dazu –«

»So hast du es wohl bei deiner Majorenn-Erklärung gehalten, George«, sagte Lord Fitzheron.

»Hm – die habe ich in Brighton gefeiert. Ich glaube, es war das letztemal, daß dort irgend etwas los war. Der arme, gute König – Gott hab' ihn selig! – brachte den Trinkspruch auf mich aus. Er war damals noch Prinzregent. Dein Vater war da, Valentine; frage ihn nur, ob er sich noch erinnert. Das war ein Leben! Ich kann dir nicht erzählen, wie es geendet hat; aber der beste Witz war der, daß ich einige Tage nachher von meinem Alten einen Brief erhielt, in dem er mir erzählte, was sie alle auf Brandingham getrieben hatten und in dem er mir Vorwürfe machte, daß ich mich nicht eingefunden hätte. So fand ich denn heraus, daß ich mich in meinem Geburtstag geirrt und den falschen Tag gefeiert hatte.«

»Hast du ihnen das erzählt?«

»Kein Wort: Ich hatte Angst, daß ich die Sache noch einmal zu feiern haben würde.«

»Ich glaube, der alte Bellamont ist ein verteufelt geiziger Kerl,« sagte Lord Milford. »Reiche Väter, die niemals in Geldnöten waren, halten gewöhnlich ihre Söhne sehr knapp.«

»Nein: ich glaube, daß er ein sehr angenehmer Herr ist,« sagte Lord Valentine, »wenigstens halten ihn meine Verwandten dafür. Aber ich bin über die Leute nicht genug unterrichtet, da sie sich so wenig außerhalb sehen lassen.«

»Haben Leander für die Festlichkeiten engagiert,« sagte Mr. Cassilis. »In der ganzen Grafschaft war kein Koch aufzutreiben. Man sagt, Lord Eskdale habe das Küchenarrangement für sie übernommen – na, dann werdet ihr ja was Ordentliches zu essen bekommen, Valentine.«

»Na, das wäre ja schon etwas – aber wegen des Balles –«

»Oh, du wirst genügend Tanzmaterial vorfinden. Sie haben Sir Roger de Coverley eingeladen und eine Menge ihrer Pächtertöchter und ähnliche weibliche Wesen. Es wird recht spaßig werden, aber ich muß doch sagen, daß ich Vauxhall Ein mondänes und demimondänes Vergnügungslokal der victorianischen Ära. als Tanzlokal vorziehen würde, wenn ich mir schon einmal einen Ulk machen wollte.«

»Ich habe die Bellamonts nie kennen gelernt,« sagte Lord Milford halb in Gedanken vor sich hin, »haben sie Töchter?«

»Nein.«

»Das ist schade. Eine einzelne Tochter ist gar nicht so übel, selbst wenn sie noch einen Bruder hat, denn in den meisten Fällen ist in den Erbbestimmungen eine runde Summe für die jüngeren Kinder ausgesetzt und die eine bekommt dann natürlich alles.«

»Zum Beispiel Lady Blanche Bickerstaffe«, sagte Lord Fitzheron. »Sie wird einmal hunderttausend Pfund jährliche Rente bekommen.«

»Wirklich!« sagte Lord Valentine, »und obendrein ist sie noch ein recht nettes Mädchen.«

»Du bist aber vollkommen falsch unterrichtet, Fitz,« sagte Lord Milford, »denn ich habe mich ganz genau erkundigt: sie hat nur fünfzigtausend.«

»In solchen Fällen soll man immer nur auf die Hälfte rechnen«, sagte Mr. Ormsby.

»Nach dieser Regel hätten Sie also nur zwanzigtausend Pfund jährlich, Ormsby,« sagte Lord Milford lächelnd, »weil die Welt annimmt, Sie hätten vierzigtausend zu verzehren.«

»Nun, man muß sich bei diesen schlechten Zeiten so gut als möglich durchzuschlagen versuchen«, sagte Mr. Ormsby mit resignierter, schalkhafter Miene. »Mit euren Herzögen von Bellamont und euren anderen Granden können wir kleinen Geister natürlich doch nicht konkurrieren.«

»Seien Sie einmal aufrichtig, Ormsby,« sagte Lord Milford, »und sagen Sie uns, wieviel Einkommensteuer Sie eigentlich zahlen.«

»Man sagt, Sir Robert selber empfand eine Art Schamgefühl über die enorme Summe, die man Ihnen abnahm, und äußerte die Meinung, es wäre der reinste Raub.«

»Ihr jungen Leute denkt an nichts anderes wie Geld,« sagte Mr. Ormsby und schüttelte seinen Kopf, »ihr solltet euch mit nobleren Gedanken beschäftigen.«

»Ich möchte gerne wissen, mit welchen Gedanken der junge Montacute sich heute in einem Jahre wohl beschäftigen wird.«

»Eine Menge Leute werden sich sicher mit ihm beschäftigen,« sagte Mr. Cassilis. »Jawohl, meine Herren, Sie müssen sich ein wenig zusammennehmen, wenn Sie etwas erreichen wollen. Konkurrenz! Konkurrenz! Verstehen die Herren?«

»Mir wird er nicht in die Quere kommen,« sagte Lord Milford, »denn ich bin eingestandenermaßen hinter Geld her und Sie sagen ja selber, daß er sich, wenigstens augenblicklich, nichts daraus macht.«

»Und ich heirate nur aus Liebe,« sagte Lord Valentine lachend, »und da werde ich mit ihm ja auch nicht zusammengeraten.«

»Na, na! Selbst, wenn er sich nichts aus reichen Erbinnen machen sollte, so werden sich die reichen Erbinnen doch etwas aus ihm machen. Ich habe mancherlei in dieser Hinsicht gesehen und meine Beobachtung geht dahin, daß der älteste Sohn eines Herzogs immer ein Vermögen aus dem Heiratsmarkt verschwinden läßt. Da ist zum Beispiel Beaumanoir, der ist wie Valentine; ich glaube, er will auch nur aus Liebe heiraten, und er hat auch ganz gute Anlage dazu, da er immer in irgendeine verschossen ist; aber die reichen Erbinnen haben es einmal auf ihn abgesehen und schließlich gibt man doch nach; es ist ganz wie eine Bestechung; man empört sich wohl bei dem Gedanken an so etwas, refusiert das erste Anerbieten und steckt das zweite ruhig in die Tasche.«

»Es ist äußerst unrecht und höchst unmoralisch,« sagte Lord Milford, »wenn ein Mann, der es nicht nötig hat, um Geld heiratet.«


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