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Juden

Sogar in relativ später Zeit erkannten die rabbinischen Schriftgelehrten den vier Matriarchaten, Sarah, Rebekka, Rahel, Leah, eine mächtigere Stellung zu als den drei Patriarchaten, Abraham, Isaak und Jakob. Nach Robertson Smith, einer der größten Autoritäten für archaisches Semitentum, war der Stamm Levi, also gerade der Priesterstamm, metronym. Es war der Stamm Leah, zu dem ein Gatte: Levi, erst gefunden werden mußte. Diese Spur einer weiblichen Vormacht gerade im Religiösen ist hier besonders interessant; sie ist nach der Zahlensymbolik auch noch an der weiblichen Zehn der mosaischen Gebote zu erkennen, im Gegensatz zur männlichen Zwölf. Die Einstellung zum gynaikokratischen Ägypten schwankt dagegen stark; wohl wird der Dienst am »goldnen Kalb« als Rückfall in den Apiskult, auch in den der »Baale«, gezüchtigt; das Schwein für unrein zu halten aber lernten die Juden am Nil. Das ägyptische Kastenwesen kennt ja lediglich eine Art Parias: die Sauhirten, »denn das Schwein ist Sonne und Mond zuwider«. Der Sabbat, natürlich reiner Mondfeiertag, folgt den Phasen des Weibersterns, was gewiß auf ursprüngliches Mutterrecht deutet.

Ganz rein erkennbar wird es an Abrahams Ehe mit seiner Stiefschwester Sarah, wenn er dem König von Gerar auf seine Frage erwidert: »Übrigens ist sie wirklich meine Schwester, die Tochter meines Vaters – nur nicht die Tochter meiner Mutter –, und sie wurde mein Weib.« Die väterliche Abstammung zählt blutmäßig gar nicht mit, sonst träfe diese Ehe das Inzestverbot. Von Patriarchat kann somit hier die Rede noch nicht sein. Auch das bekannte Wort aus dem Ersten Buch Mose: »Darum verläßt ein Mann Vater und Mutter, um seinem Weibe anzuhangen«, kann matrilokal gedeutet werden. Dafür spricht besonders die vierzehnjährige Dienstehe Jakobs im Hause seines Mutterbruders, um Leah und Rahel. Sein Erzeuger Isaak nimmt es gleichfalls für gegeben an, daß er nach der Heirat bei seiner Frau wohnt, »ihr anhangt«, statt sie in die Vaterfamilie zu verpflanzen; und Laban, sein Onkel mütterlicherseits, sagt: »Wohlan, du bist mein Bein und mein Fleisch«, was genau der Blutnähe des uterinen Neffen nach mutterrechtlichem Empfinden entspricht.

Sobald sich die Juden in Kanaan angesiedelt hatten, schwand jedenfalls die matrilokale Sitte; die Gattin zog in des Mannes Haus. Gar als unabhängige Führerin der hebräischen Stämme wird nur ein einziges Mal eine Frau erwähnt: Deborah, und das gerade im vielleicht ältesten Fragment jüdischer Literatur: dem Buch der Richter.

Ob Lilith, die Urteufelin und Adams erste Frau, Erschafferin aller Dämonen, der deklassierte Restbestand einer »großen Mutter« sei, mag bezweifelt werden. Des öfteren wurde auch das Levirat: die Verpflichtung, des verstorbenen Bruders Witwe zu heiraten, »den Acker des Bruders fruchtbar zu machen«, als Beweis von Polyandrie betrachtet, wohl mit Unrecht. Hier liegt weit eher ein Rest der brüderlich-schwesterlichen Gruppenehe vor, der auch jene Jakobs mit Leah und Rahel angehört.


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