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Die lustigen Weiber von Kamtschatka

»Sie lieben ihre Weiber dergestalt, daß sie die willigsten Knechte von ihnen seyen. Das Weib hat über alles zu befehlen und verwahrt alles, woran etwas gelegen ist. Er ist Koch und Arbeiter vor sie«, staunt der alte Steller vor hundertsechzig Jahren als erster Mitteleuropäer auf dieser kuriosen Halbinsel ganz rechts oben bei Treibeis, Robben und springenden Lachsen. Dann schüttelt er den Kopf über das ihm völlig neue Phänomen matrilokaler Dienstehe und mißbilligt es. Hier sitzt ihm die Ursache von so viel »Unnatur«: »Durch diese Art zu Heyrathen wurde der erste Grad zum Regiment der Weiber und zur Untertänigkeit der Männer gelegt, weil sie allezeit vorher ihren Bräuten flattieren, zu Gefallen leben und zu den Füßen liegen müssen.« Und noch einmal schüttelt er Kopf und Zopf, weil diese Frauen »allezeit die Freiheit in allem prätendieren, nach fremder Liebe trachten, unersättlich und dabei dergestalt ruhmsüchtig sind, daß diejenige vor die glücklichste gehalten wird, welche die mehresten Buhler herzählen kann«.

Wiewohl beide Geschlechter gemeinsam auf den Fischfang gehen, die Fische schneiden, reinigen und trocknen, halten doch nur die Frauen alle Vorräte »unter ständiger Verwahrung in Disposition«. Was daraus folgt, ärgert wieder Stellers Zeitgenossen, den alten Meiners, besonders: »Wenn die Männer sich gegen ihre Weiber versündigen, so versagen die letzteren den ersteren nicht nur die eheliche Umarmung, sondern auch den Tabak, der den Kamtschadalen unentbehrlicher als Branntwein ist. Die Stillung dieses Bedürfnisses und die Gunstbezeugungen der Weiber erzwingen die Männer nicht mit Gewalt, sondern durch die demütigsten und anhaltendsten Bitten und Liebkosungen.« Zeigen sich die Frauen aber nicht spröde, so dünkt ihn das noch greulicher als das Verweigern des Sexualverkehrs. »Die Kamtschadalinnen sind nicht weniger schamlos als ihre Männer und üben nicht nur wie diese öffentlich und selbst vor den Augen von Kindern die unnatürlichsten Lüste aus, sondern sie kommen auch öffentlich nieder und überlassen sich den Umarmungen ihrer Männer und Liebhaber ohne alle Scheu, gleich den unvernünftigen Tieren.«

Dafür ist Dr. Vaerting wieder von ihnen entzückt, weil sie seine Theorie der umgekehrten Arbeitsteilung bei Frauenherrschaft und die höhere weibliche Intelligenz als Resultat dieses Zustandes stützen. Die Männer wollen weder Heim noch Kinder auch nur für Stunden verlassen, jedenfalls nie ohne ihre Frauen sein, »während diese so vielerlei Arbeit haben, daß man allerdings mehr Verstand bey ihnen supponieren muß, als bey den Männern, welches sich auch in der Tat also befindet«. (Steller.) Ein anderer Reisender sagt: »In Kamtschatka sind die Männer unter der eisernen Fuchtel der Frauen.«

An tibetanische Verhältnisse erinnert Meiners' Bemerkung: »Die größte Empfehlung eines unverheirateten Mädchens ist eine ungewöhnliche Menge von Liebhabern, denen sie ihre Liebkosungen geschenkt hat – – – ein solches Mädchen hat sich desto mehr Hoffnung auf die Liebe ihres zukünftigen Ehemannes zu machen, je handgreiflichere Beweise sie von ihren Erfahrungen in der Liebe geben kann.« Findet ein Bräutigam seine Erwählte jungfräulich, so pflegt er seiner Schwiegermutter Vorwürfe wegen ungenügender erzieherischer Obsorge zu machen. Natürlich war die Schwangerschaftsunterbrechung von je völlig frei; die Verminderung des Volkes, 1910 blieben nur viertausend Einwohner übrig, hat aber nicht darin ihren Grund, sonst müßten alle Mutterrassen aussterben, vielmehr in der Verseuchung durch gewissenlose Kosaken und russischen Schnaps. Bei der Entdeckung und Annektierung Kamtschatkas war die Bevölkerung blühend und kerngesund.

Lappen- und Eskimoweiber sind lange nicht so gynaikokratisch organisiert wie die Bewohner Kamtschatkas, doch unabhängig und in mancher Hinsicht dem andern Geschlecht überlegen. Sie verschmähen oft die Bindung an einen Mann, bauen ihre eigene Hütte, machen ihre eigenen Netze, Waffen und Geräte, mit denen sie ganz allein auf Jagd und Fischfang gehen. Heißt doch die große Mutter der Eskimo: »sie, die keinen Gatten nehmen will«.

Von den Tungusen sagt ein chinesischer Historiker, sie seien überaus jähzornig, leicht bereit, in einem Wutanfall Vater oder Bruder zu töten. Verletzung der Mutter aber wäre ihnen unmöglich, weil sich ihrer Meinung nach das Blut nur durch sie, nicht durch den Vater fortpflanzt.

Über die Insel Sachalin im nordöstlichen Asien schreibt der japanische Reisende Mama Rinsô eindeutig, sachlich und präzis: »In diesem Lande ist es Sitte, daß die Frauen über ihre Männer herrschen, sie behandeln sie wie Sklaven und lassen sie alle Arbeit tun.«


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