Charles Darwin
Die Abstammung des Menschen
Charles Darwin

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Zusatz-Bemerkung über geschlechtliche Zuchtwahl in Bezug auf Affen.

(Aus der Zeitschrift »Nature«, 2. Nov. 1876, p. 18.)

Bei der Erörterung der geschlechtlichen Zuchtwahl in meiner »Abstammung des Menschen« hat mich keine Thatsache mehr interessiert und in Verlegenheit gebracht als die hell gefärbten hinteren Enden des Rumpfes und benachbarter Theile gewisser Affen. Da diese Theile in dem einen Geschlechte heller gefärbt sind als in dem andern und da sie während der Zeit der Liebe glänzender werden, so kam ich zu dem Schlusse, daß die Farben als ein geschlechtliches Reizmittel erlangt worden sind. Ich war mir wohl bewußt, daß ich deshalb lächerlich gemacht werden könnte, wennschon es thatsächlich nicht überraschender ist, daß ein Affe sein hellrothes hinteres Ende präsentieren sollte, als daß ein Pfauhahn sein prachtvolles Behänge entfaltet. Zu jener Zeit war ich indessen nicht im Besitze von Zeugnissen dafür, daß die Affen diesen Theil ihres Körpers während ihrer Werbung zeigen; und eine derartige Darbietung gewährt, was die Vögel betrifft, den besten Beweis dafür, daß die Zierathen der Männchen ihnen beim Anziehen oder Reizen der Weibchen von Nutzen sind. Ich habe vor Kurzem einen im »Zoologischen Garten«, April 1876, erschienenen Artikel von Joh. von Fischer in Gotha über den Ausdruck verschiedener Erregungen bei Affen gelesen, welcher für jeden, welcher für den Gegenstand sich interessiert, des Studiums werth ist und welcher zeigt, daß der Verfasser ein sorgfältiger und scharfblickender Beobachter ist. In diesem Artikel findet sich eine Schilderung des Benehmens eines jungen männlichen Mandrills, als er sich selbst das erstemal in einem Spiegel erblickte; es wird hinzugefügt, daß er sich nach einiger Zeit herumdrehte und sein rothes hinteres Ende dem Spiegel darbot. Demzufolge schrieb ich an Herrn J. von Fischer, um ihn zu fragen, was er wohl meinte, daß die Bedeutung dieser eigenthümlichen Handlungsweise sei. Er hat mir darauf zwei lange Briefe geschrieben voll von neuen und merkwürdigen Einzelheiten, welche, wie ich hoffe, später veröffentlicht werden. Er sagt, daß er zuerst selbst durch die erwähnte Handlungsweise in Verlegenheit gebracht und dazu veranlaßt worden sei, sorgfältig mehrere Individuen verschiedener anderer Affenarten zu beobachten, welche er lange Zeit in seinem Hause gehalten habe. Er findet, daß nicht bloß der Mandrill (Cynocephalus mormon), sondern auch der Drill (C. leucophaeus) und die anderen Pavianarten (C. hamadryas, sphinx und babouin), ferner auch Cynopithecus niger, sowie Macacus rhesus und nemestrinus diesen Theil ihres Körpers, welcher bei allen diesen Arten mehr oder weniger hell gefärbt ist, ihm zukehren, wenn sie vergnüglicher Stimmung sind, sowie andern Personen als eine Art von Gruß. Er gab sich Mühe, einen Macacus rhesus, welchen er fünf Jahre lang gehalten hatte, von dieser unanständigen Gewohnheit zu heilen, und hatte endlich auch Erfolg. Diese Affen sind besonders geneigt, diese Handlung auszuführen und gleichzeitig zu grinsen, wenn sie zuerst zu einem neuen Affen gebracht werden, häufig aber auch, wenn sie zu ihren alten Affenfreunden kommen; nach dieser gegenseitigen Vorstellung von hinten fangen sie an mit einander zu spielen. Der junge Mandrill hörte nach einiger Zeit von selbst auf, in dieser Weise sich gegen seinen Herrn, von Fischer, zu benehmen, fuhr aber damit andern Personen gegenüber, welche ihm Fremde waren, fort, sowie neuen Affen gegenüber. Ein junger Cynopithecus niger benahm sich gegen seinen Herrn, ausgenommen bei einer einzigen Gelegenheit, niemals so, that es aber oft fremden Personen gegenüber und fährt damit bis auf den jetzigen Tag fort. Aus dieser Thatsache folgert von Fischer, daß diejenigen Affen, welche sich vor einem Spiegel in dieser Weise benahmen (nämlich der Mandrill, Drill, Cynopithecus niger, Macacus rhesus und nemestrinus), so thaten, als wäre ihr Spiegelbild eine neue Bekanntschaft. Der Mandrill und Drill, deren hinteres Ende besonders geschmückt ist, zeigen es, selbst wenn sie ganz jung sind, häufiger und augenfälliger, als es die andern Arten thun. Zunächst in der Reihe kommt dann Cynocephalus hamadryas, während die andern Arten seltener diese Handlung ausführen. Indessen weichen die einzelnen Thiere in dieser Beziehung von einander ab und einige, welche sehr schüchtern sind, zeigen ihre hinteren Enden niemals. Es verdient noch besondere Beachtung, daß von Fischer niemals eine Art ihre hinteren Körpertheile hat zeigen sehen, wenn diese gar nicht gefärbt waren. Diese Bemerkung bezieht sich auf Macacus cynomolgus und Cercocebus radiatus (der mit M. rhesus nahe verwandt ist), auf die Arten von Cercopithecus und mehrere amerikanische Affen. Die Gewohnheit, das hintere Ende als eine Begrüßung einem alten Freunde oder einer neuen Bekanntschaft zuzukehren, welche uns so merkwürdig erscheint, ist dies in Wirklichkeit nicht mehr als die Gewohnheiten vieler Wilden sind, z. B. sich den Bauch mit den Händen oder die Nasen aneinander zu reiben. Die Gewohnheit scheint beim Mandrill und Drill instinctiv oder vererbt zu sein, da sie von sehr jungen Thieren ausgeübt wurde; sie ist aber, wie so viele andere Instincte, durch Beobachtung modificiert oder geleitet worden; denn von Fischer sagt, daß sie sich Mühe geben, die Darstellung vollständig zu machen; und zeigen sie sich vor zwei Beobachtern, so wenden sie sich dem zu, welcher ihnen am meisten Aufmerksamkeit zu widmen scheint.

Was den Ursprung dieser Gewohnheit betrifft, so bemerkt von Fischer, daß seine Affen es gern haben, wenn man ihre nackten hinteren Enden klopft oder streichelt und daß sie dann vor Vergnügen grunzen. Sie drehen auch häufig diesen Theil des Körpers andern Affen zu, um sich Stückchen Schmutzes absuchen zu lassen, wie es auch ohne Zweifel mit Dornen der Fall sein dürfte. Aber bei erwachsenen Thieren hängt die Gewohnheit bis zu einer gewissen Ausdehnung mit geschlechtlichen Empfindungen zusammen. So beobachtete von Fischer einen weiblichen Cynopithecus niger durch eine Glasthüre und sah, wie er sich während mehrerer Tage »umdrehte und dem Männchen mit gurgelnden Tönen die stark geröthete Sitzfläche zeigte, was ich früher nie an diesem Thiere bemerkt hatte. Beim Anblick dieses Gegenstandes erregte sich das Männchen sichtlich, denn es polterte heftig an den Stäben, ebenfalls gurgelnde Laute ausstoßend«. Da alle die Affen, deren hintere Körpertheile mehr oder weniger hell gefärbt sind, wie von Fischer angiebt, an offenen felsigen Orten leben, so glaubt er, daß diese Farben dazu dienen, das eine Geschlecht dem andern in der Entfernung sichtbar zu machen. Da aber die Affen so gesellige, in Herden lebende Thiere sind, so sollte ich gemeint haben, daß kein Bedürfnis dafür vorläge, daß sich die Geschlechter aus der Entfernung erkannten. Mir scheint es wahrscheinlicher zu sein, daß die hellen Färbungen, mögen sie am Gesicht oder am hintern Körperende angebracht sein oder, wie beim Mandrill, an beiden Theilen, als ein geschlechtlicher Schmuck und Reizmittel dienen. Wie dem auch sein mag, da wir jetzt wissen, daß Affen die Gewohnheit haben, ihre hinteren Enden andern Affen zuzukehren, so ist es durchaus nicht mehr überraschend, daß es dieser Theil ihres Körpers gewesen ist, welcher mehr oder weniger verziert worden ist. Die Thatsache, daß es nur die in dieser Weise ausgezeichneten Affen sind, welche, so viel wir bis jetzt wissen, die eigenthümliche Geste als Gruß andern Affen gegenüber ausführen, macht es zweifelhaft, ob die Gewohnheit zuerst aus irgend einer unabhängigen Ursache erlangt wurde und ob die in Rede stehenden Thiere später dann als geschlechtliche Zierath gefärbt wurden, oder ob die Färbung und die Gewohnheit sich herumzudrehen zuerst durch Abänderung und geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden und ob dann später die Gewohnheit als Zeichen der vergnügten Stimmung oder als eine Begrüßungsart nach dem Principe der vererbten Association beibehalten wurde. Dieses Princip kommt allem Anscheine nach bei vielen Gelegenheiten in Wirksamkeit; so wird allgemein zugegeben, daß der Gesang der Vögel hauptsächlich als Anziehungsmittel während der Zeit der Liebe dient und daß die »Leks« oder Versammlungen der Birkhühner mit der Brautwerbung in Zusammenhang stehe. Die Gewohnheit zu singen ist aber von manchen Vögeln, wenn sie sich glücklich fühlen, beibehalten worden, beispielsweise vom gemeinen Rothkehlchen, und die Gewohnheit, sich auf den Balzplätzen zu versammeln, ist von den Birkhühnern auch während anderer Zeiten des Jahres beibehalten worden.

Ich bitte um Erlaubnis, noch einen anderen Punkt in Beziehung zur geschlechtlichen Zuchtwahl zu erwähnen. Es ist der Einwurf erhoben worden, daß diese Form der Auslese, insoweit die Zierathen der Männchen in Betracht kommen, es einschließt, daß sämmtliche Weibchen innerhalb eines und desselben Bezirks genau denselben Geschmack besitzen und ausüben müssen. Man muß indessen an erster Stelle beachten; daß, wenn auch die Breite der Abänderung einer Art sehr groß sein mag, sie doch durchaus nicht unbegrenzt ist. Ich habe an einem andern Orte ein gutes Beispiel für diese Thatsache an der Taube angeführt, von welcher es wenigstens hundert in der Färbung weit von einander verschiedene Varietäten giebt, und wenigstens zwanzig Varietäten vom Huhn, welche in derselben Art von einander verschieden sind; aber die Reihe von Färbungen in diesen zwei Species ist äußerst verschieden. Es können daher die Weibchen natürlicher Species kein unbegrenztes Ziel für ihren Geschmack haben. An zweiter Stelle nehme ich an, daß Niemand von denen, welche das Princip der geschlechtlichen Zuchtwahl für richtig halten, glaubt, die Weibchen wählten besondere Punkte der Schönheit an den Männchen; sie werden nur einfach von dem einen Männchen in einem höheren Grade gereizt oder angezogen als von einem andern, und dies scheint, besonders bei Vögeln, häufig von einer glänzenden Färbung abzuhängen.

Selbst der Mann, vielleicht mit Ausnahme eines Künstlers, analysiert in den Zügen der Frau, welche er bewundert, nicht die unbedeutenden Verschiedenheiten, von welchen ihre Schönheit abhängt. Beim männlichen Mandrill ist nicht bloß das hintere Ende des Körpers, sondern auch das Gesicht prächtig gefärbt und mit schrägen Wülsten, einem gelblichen Bart und andern Zierathen ausgezeichnet. Nach dem, was wir vom Abändern der Thiere im Zustande der Domestication sehen, können wir schließen, daß die oben erwähnten verschiedenen Zierden des Mandrills allmählich dadurch erlangt wurden, daß ein Individuum ein wenig in der einen Richtung und ein anderes Individuum in einer andern Art abänderte. Diejenigen Männchen, welche die hübschesten oder die in irgend einer Weise für die Weibchen anziehendsten waren, werden sich am häufigsten gepaart und im Ganzen mehr Nachkommen hinterlassen haben als andere Männchen. Die Nachkommen der erstern, obschon verschiedentlich gekreuzt, werden entweder die Eigenthümlichkeit ihrer Väter erben oder eine verstärkte Neigung, in derselben Weise abzuändern, überliefern. Infolge dessen wird die ganze, eine und dieselbe Gegend bewohnende Masse von Männchen nach den Wirkungen beständiger Kreuzung dazu neigen, beinahe gleichförmig modificiert zu werden, aber zuweilen in dem einen Merkmal etwas mehr und zuweilen in einem andern, wenn auch außerordentlich langsam; alle werden schließlich für die Weibchen anziehender gemacht werden. Der Hergang ist dem gleich, was ich unbewußte Zuchtwahl des Menschen genannt habe und wovon ich mehrere Beispiele angeführt habe. In dem einen Lande schätzen die Bewohner einen flüchtigen oder leichten Hund oder ein solches Pferd, und in einem anderen Lande ein schweres und kräftigeres Thier; in keinem der beiden Länder besteht irgend eine Auslese individueller Thiere mit leichteren oder stärkeren Körpern und Gliedern. Nichtsdestoweniger ergiebt sich nach Verlauf einer beträchtlichen Zeit, daß die Individuen in der gewünschten Art und Weise, wenn auch in jedem Lande verschieden, modificiert worden sind. In zwei absolut getrennten Ländern, von derselben Species bewohnt, deren Individuen niemals lange Zeiträume hindurch wechselseitig aus- und eingewandert sein und sich gekreuzt haben können, und wo überdies die Abänderungen wahrscheinlich nicht die identisch gleichen gewesen sein werden, dürfte geschlechtliche Zuchtwahl die Ursache sein, daß die Männchen verschieden wurden. Auch scheint mir die Annahme durchaus nicht phantastisch zu sein, daß zwei in sehr verschiedenen Umgebungen lebende Mengen von Weibchen wohl geneigt sein dürften, etwas verschiedene Geschmacksrichtungen in Beziehung auf Form, Laut oder Farbe zu erlangen. Wie sich dies aber auch verhalten mag, ich habe in meiner »Abstammung des Menschen« Beispiele von nahe miteinander verwandten, verschiedene Länder bewohnenden Vögeln angeführt, deren Junge und deren Weibchen nicht von einander unterschieden werden können, während die erwachsenen Männchen beträchtlich verschieden sind; und dies kann mit großer Wahrscheinlichkeit der Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl zugeschrieben werden.

 


 


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