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Wir haben nun in allen sechs Classen gesehen, daß eine sehr nahe Beziehung zwischen dem Gefieder der Jungen und dem der Erwachsenen, und zwar entweder des einen Geschlechts oder beider Geschlechter besteht. Diese Beziehungen werden ziemlich gut durch den Grundsatz erklärt, daß das eine Geschlecht – und dies ist in der großen Majorität der Fälle das Männchen, – zuerst durch Abänderung und geschlechtliche Zuchtwahl glänzende Farben und andere Ornamente erlangte und dieselben auf verschiedene Weise, in Übereinstimmung mit den anerkannten Gesetzen der Vererbung, seinen Nachkommen überlieferte. Warum Abänderungen in den verschiedenen Perioden des Lebens, und zwar selbst zuweilen bei den Arten einer und derselben Gruppe aufgetreten sind, wissen wir nicht; aber in Bezug auf die Form der Überlieferung scheint eine bedeutungsvolle Ursache, welche dieselbe bestimmte, das Alter gewesen zu sein, in welchem die Abänderung zuerst auftrat.
Nach dem Gesetze der Vererbung zu entsprechenden Altersstufen und nach dem Umstande, daß eine jede Abänderung in der Farbe, welche bei den Männchen in einem frühen Alter erschien, nicht in dieser Zeit bei der Zucht gewählt, im Gegentheil häufig als gefährlich beseitigt wurde, während ähnliche in der Periode der Reproduction oder in deren Nähe auftretende Abänderungen erhalten wurden, gelangt man zum Schlusse, daß das Gefieder der Jungen häufig unmodificiert gelassen oder nur wenig modificiert worden ist. Wir erhalten hierdurch eine gewisse Einsicht in den Zustand der Färbung der einstigen Urerzeuger unserer jetzt lebenden Species. Bei einer ungeheuren Zahl von Species in fünf unter unseren sechs Classen von Fällen sind die Erwachsenen des einen oder beiderlei Geschlechts, wenigstens während der Paarungszeit, glänzend gefärbt, während die Jungen unveränderlich weniger hell als die Erwachsenen oder völlig düster gefärbt sind; denn, so weit ich es ermitteln kann, ist kein Beispiel bekannt, wo die Jungen düster gefärbter Arten glänzende Farben entfalteten, oder wo die Jungen glänzend gefärbter Arten noch glänzender gefärbt wären als ihre Eltern. Indessen giebt es in der vierten Classe, in welcher die Jungen und Alten einander ähnlich sind, viele Species (wennschon durchaus nicht alle), bei denen die Jungen glänzend gefärbt sind, und da diese Species ganze Gruppen bilden, so können wir schließen, daß ihre frühen Urerzeuger gleichfalls glänzend gefärbt waren. Wenn wir die Vögel der ganzen Erde betrachten, so scheint, mit dieser letzteren Ausnahme, ihre Schönheit seit jener Periode, von welcher wir in ihrem unreifen Jugendgefieder eine theilweise Überlieferung haben, bedeutend erhöht worden zu sein.
Über die Farbe des Gefieders in Bezug auf den Schutz. – Man wird gesehen haben, daß ich Mr. Wallace in der Annahme, daß düstere Färbungen, sobald sie auf die Weibchen beschränkt sind, in den meisten Fällen speciell zum Zwecke des Schutzes erlangt worden sind, nicht folgen kann. Wie indessen früher bemerkt wurde, kann darüber kein Zweifel bestehen, daß beide Geschlechter vieler Vögel ihre Färbung zu diesem Zwecke so modificiert haben, daß sie der Aufmerksamkeit ihrer Feinde entgehen, oder in einigen Fällen so, daß sie ihre Beute unbeobachtet beschleichen können, in derselben Weise wie das Gefieder der Eulen weich geworden ist, damit ihr Flug nicht gehört werde. Mr. Wallace bemerkt,Westminster Review, July, 1867, p. 5. daß »wir nur in den tropischen Ländern und zwar in Wäldern, welche ihren Laubschmuck niemals verlieren, ganze Gruppen von Vögeln finden, deren hauptsächlichste Farbe Grün ist«. Ein Jeder, der es nur irgend einmal versucht hat, wird zugeben, wie schwierig es ist, Papageien in einem mit Blättern bedeckten Baume zu unterscheiden. Trotzdem müssen wir uns erinnern, daß viele Papageien mit carmoisinen, blauen und orangenen Farbentönen geschmückt sind, welche kaum protectiv sind. Spechte leben ganz vorzüglich auf Bäumen, aber außer den grünen Species giebt es viele schwarze und schwarz und weiße Arten, während doch sämmtliche Species allem Anscheine nach nahezu denselben Gefahren ausgesetzt sind. Es ist daher wahrscheinlich, daß auf Bäumen lebende Vögel scharf ausgesprochene Färbungen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben, daß aber die grünen Farben häufiger als irgend welche andere durch natürliche Zuchtwahl wegen des dadurch erlangten Schutzes erlangt worden sind.
In Bezug auf Vögel, welche auf dem Boden leben, giebt Jedermann zu, daß sie in einer solchen Weise gefärbt sind, daß sie der umgebenden Oberfläche ähnlich werden. Wie schwierig ist es, ein Rebhuhn, eine Becassine, eine Schnepfe, gewisse Regenpfeifer, Lerchen und Ziegenmelker zu sehen, wenn sie sich auf die Erde ducken! Wüsten bewohnende Thiere bieten die auffallendsten Beispiele dar, denn die nackte Oberfläche bietet keinen Ort zum Verbergen dar, und beinahe alle kleineren Säugethiere, Reptilien und Vögel hängen in Bezug auf ihre Sicherheit von ihrer Färbung ab. Mr. Tristram hat in Bezug auf die Bewohner der Sahara bemerkt,Ibis. 1859. Vol. I, p. 249 u. flgde. In einem an mich gerichteten Briefe bemerkt indeß Dr. Rohlfs, daß nach seiner Bekanntschaft mit der Sahara diese Angabe zu weitgehend sei. daß sie alle durch »ihre Isabellen- oder Sandfarbe« geschützt werden. Wenn ich mir die Wüstenvögel, die ich in Süd-Amerika gesehen habe, ebenso wie die meisten der Bodenvögel von Groß-Britannien in mein Gedächtnis zurückrufe, so scheint es mir, daß beide Geschlechter in derartigen Fällen meist nahezu gleich gefärbt sind. Ich wandte mich nun in Folge hiervon an Mr. Tristram in Bezug auf die Vögel der Sahara, und er hat mir freundlich die folgende Mittheilung gemacht. Es giebt sechsundzwanzig zu fünfzehn Gattungen gehörige Species, deren Gefieder offenbar in einer protectiven Art und Weise gefärbt ist, und diese Färbung ist um so auffallender, als bei den meisten dieser Vögel dieselbe von der ihrer Gattungsverwandten verschieden ist. Unter diesen sechsundzwanzig Species sind bei dreizehn beide Geschlechter in derselben Art und Weise gefärbt; diese gehören aber zu Gattungen, bei welchen diese Regel gewöhnlich vorherrscht, so daß sie uns nichts darüber sagen, warum die protectiven Farben gerade bei Wüstenvögeln in beiden Geschlechtern dieselben sind. Von den andern dreizehn Species gehören drei zu Gattungen, bei denen die Geschlechter gewöhnlich von einander verschieden sind, und doch sind hier die Geschlechter gleich. Bei den übrigen zehn Species ist das Männchen vom Weibchen verschieden; die Verschiedenheit ist aber hauptsächlich auf die untere Fläche des Körpergefieders beschränkt, welche, wenn der Vogel auf den Boden duckt, verborgen ist; der Kopf und der Rücken haben in beiden Geschlechtern einen und denselben sandfarbigen Anstrich. Es hat also in diesen zehn Species natürliche Zuchtwahl zum Zwecke des Schutzes auf die obere Fläche beider Geschlechter eingewirkt und sie gleich gemacht, während die untere Fläche allein der Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl zum Zwecke der Verzierung verschieden geworden ist. Da hier beide Geschlechter gleichmäßig gut geschützt sind, sehen wir deutlich, daß die Weibchen nicht etwa durch natürliche Zuchtwahl verhindert worden sind, die Farben ihrer männlichen Erzeuger zu erben. Wir müssen vielmehr, wie früher erwähnt wurde, auf das Gesetz der geschlechtlich beschränkten Vererbung zurückgreifen.
In allen Theilen der Erde sind beide Geschlechter vieler weichschnäbeligen Vögel, besonders solcher, welche Schilfe und Röhrichte frequentieren, düster gefärbt. Ohne Zweifel würden sie, wenn ihre Farben glänzend gewesen wären, ihren Feinden viel auffälliger gewesen sein; ob aber ihre düsteren Färbungen speciell zum Zwecke des Schutzes erlangt worden sind, scheint mir, soweit ich es beurtheilen kann, doch zweifelhaft. Es ist noch zweifelhafter, ob derartige düstere Färbungen zum Zwecke der Verzierung erlangt worden sein können. Wir müssen indessen im Auge behalten, daß männliche Vögel, obschon düster gefärbt, doch häufig bedeutend von ihren Weibchen abweichen, wie es z. B. beim gemeinen Sperling der Fall ist, und dies führt uns zu der Annahme, daß derartige Färbungen, weil sie anziehend sind, durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden sind. Viele der weichschnäbeligen Vögel sind Sänger; und man möge sich einer Discussion in einem früheren Capitel erinnern, in welcher gezeigt wurde, daß die besten Sänger selten durch helle Farbentöne verziert sind. Es möchte scheinen, als ob weibliche Vögel der allgemeinen Regel nach ihre Gefährten entweder ihrer angenehmen Stimmen oder ihrer munteren Farben wegen gewählt haben, aber nicht wegen beider Reize in Verbindung. Einige Species, welche offenbar zum Zwecke des Schutzes gefärbt sind, so die Becassine, Schnepfe, der Ziegenmelker, sind gleichfalls nach unseren Ansichten von Geschmack mit äußerster Eleganz gezeichnet und schattiert. In derartigen Fällen können wir schließen, daß sowohl natürliche als geschlechtliche Zuchtwahl gemeinsam zum Schutze und zur Verzierung gewirkt haben. Ob irgend ein Vogel existiert, welcher nicht einen speciellen Reiz, womit er das andere Geschlecht anzieht, besitzt, dürfte bezweifelt werden. Wenn beide Geschlechter so düster gefärbt sind, daß es voreilig wäre, die Wirksamkeit geschlechtlicher Zuchtwahl anzunehmen, und wenn keine directen Belege dafür beigebracht werden können, daß derartige Farben zum Schutze dienen: so ist es am besten, unsere vollständige Unwissenheit über die Sache einzugestehen, oder was nahezu auf dasselbe hinauskommt, das Resultat der directen Wirkung der Lebensbedingungen zuzuschreiben.
Es giebt viele Vögel, von denen beide Geschlechter auffallend, wenn auch nicht glänzend gefärbt sind, so die zahlreichen schwarzen, weißen oder gescheckten Species; und diese Farben sind wahrscheinlich das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl. Bei der gemeinen Amsel, dem Auerhahn, dem Birkhuhn, der schwarzen Trauerente (Oidemia) und selbst bei einem der Paradiesvögel (Lophorina atra) sind allein die Männchen schwarz, während die Weibchen braun oder gefleckt sind, und es läßt sich kaum zweifeln, daß in diesen Fällen die schwarze Farbe ein geschlechtlicher, bei der Nachzucht gewählter Charakter ist. Es ist daher in ziemlichem Grade wahrscheinlich, daß die völlige oder theilweise schwarze Färbung beider Geschlechter, bei solchen Vögeln wie den Krähen, gewissen Kakadus, Störchen und Schwänen und vielen Seevögeln, gleichfalls das Resultat geschlechtlicher Zuchtwahl in Begleitung einer gleichmäßigen Überlieferung auf beide Geschlechter ist; denn die schwarze Farbe kann kaum in einem Falle als Schutzmittel dienen. Bei mehreren Vögeln, bei welchen allein das Männchen schwarz ist, und bei anderen, bei denen beide Geschlechter schwarz sind, ist der Schnabel oder die Haut um den Kopf hell gefärbt, und der hierdurch dargebotene Contrast erhöht bedeutend ihre Schönheit. Wir sehen dies an dem hellgelben Schnabel der männlichen Amsel, an der carmoisinrothen Haut oberhalb der Augen des Birkhahns und Auerhahns, an dem verschieden und hell gefärbten Schnabel des Trauer-Entrichs (Oidemia), an dem rothen Schnabel der Steindohle (Corvus graculus L.), des schwarzen Schwans und des schwarzen Storches. Dies führt mich zu der Bemerkung, daß es durchaus nicht unglaublich ist, daß die Tukans die enorme Größe ihrer Schnäbel geschlechtlicher Zuchtwahl verdanken, zu dem Zwecke, die verschiedenartigen und lebhaften Farbenstreifen, mit denen diese Organe verziert sind, zu entfalten.Für die ungeheure Größe des Schnabels bei den Tukans ist noch niemals eine befriedigende Erklärung gegeben worden, noch weniger für deren glänzende Farben. Mr. Bates giebt an (The Naturalist on the Amazons. Vol. II. 1863, p. 341), daß sie ihren Schnabel dazu gebrauchen, Früchte von den äußersten Spitzen der Zweige zu erreichen, und desgleichen, wie von andern Gewährsmännern angeführt wird, Eier und junge Vögel aus den Nestern anderer Vögel herauszuholen. Mr. Bates giebt aber zu, daß der Schnabel »schwerlich als ein für den Zweck, zu welchem er verwandt wird, sehr vollkommen gebildetes Werkzeug betrachtet werden kann«. Die große Massigkeit des Schnabels, die sich aus seiner Breite, Höhe, ebenso wie aus seiner Länge ergiebt, ist nach der Ansicht, daß er nur als Greiforgan dient, nicht verständlich. Mr. Belt glaubt (The Naturalist in Nicaragua, p. 197), daß der Schnabel ein Vertheidigungsmittel gegen Feinde ist, besonders für das Weibchen, während es in einer Höhle in einem Baume auf den Eiern nistet. Die nackte Haut an der Schnabelbasis und rund um die Augen ist gleichfalls häufig glänzend gefärbt, und Mr. Gould sagt, indem er von einer dieser Species spricht,Ramphastos carinatus, Gould's Monograph of Ramphastidae. daß die Färbung des Schnabels »während der Paarungszeit zweifelsohne in dem schönsten und glänzendsten Zustande sich finde«. Darin daß die Tukans mit ungeheuren Schnäbeln, wennschon sie durch ihre schwammige Structur so leicht als möglich gemacht worden sind, zu einem uns fälschlich bedeutungslos erscheinenden Zwecke beschwert wurden, nämlich zu dem Zwecke schöne Farben zu entfalten, liegt nicht mehr Unwahrscheinlichkeit, als daß der männliche Argusfasan und einige andere Vögel mit so langen Schmuckfedern versehen sind, daß ihr Flug dadurch gehindert wird.
In derselben Weise, wie nur die Männchen verschiedener Species schwarz sind, während die Weibchen trübe gefärbt erscheinen, sind auch in wenigen Fällen allein die Männchen entweder gänzlich oder theilweise weiß, wie bei den verschiedenen Glockenvögeln von Süd-Amerika (Chasmorhynchus), der antarctischen Gans (Bernicla antarctica), dem Silberfasane u. s. w., während die Weibchen braun oder trübe gefleckt sind. Es ist daher nach demselben obenerwähnten Grundsatze wahrscheinlich, daß beide Geschlechter vieler Vögel, wie weiße Kakadus, mehrere Silberreiher mit ihren wunderschönen Schmuckfedern, gewisse Ibisse, Möven, Seeschwalben u. s. w., ihr mehr oder weniger völlig weißes Gefieder durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt haben. Das weiße Gefieder einiger der ebengenannten Vögel erscheint in beiden Geschlechtern nur, wenn sie geschlechtsreif sind. Dies ist bei gewissen Tölpeln, Tropikvögeln u. s. w. und mit der Schneegans (Anser hyperboreus) der Fall. Da die letztere auf den nackten Bodenstellen brütet, wenn sie nicht mit Schnee bedeckt sind, und während des Winters nach Süden wandert, so liegt kein Grund zu der Vermuthung vor, daß ihr erwachsenes schneeweißes Gefieder zum Schutze dient. In dem vorhin erwähnten Klaffschnabel, Anastomus oscitans, haben wir einen noch besseren Beweis dafür, daß das weiße Gefieder ein hochzeitlicher Charakter ist, denn es wird nur während des Sommers entwickelt; die Jungen in ihrem unreifen Zustande und die Erwachsenen in ihrem Winterkleide sind grau und schwarz. Bei vielen Arten von Möven (Larus) wird der Kopf und der Hals während des Sommers rein weiß, während er den Winter hindurch und im Jugendzustande grau oder gefleckt ist. Auf der andern Seite tritt bei den kleineren Möven (Gavia) und bei einigen Seeschwalben (Sterna) genau das Umgekehrte ein. Denn die Köpfe der jungen Vögel sind während des ersten Jahres und die der Erwachsenen während des Winters entweder rein weiß oder viel blässer gefärbt als während der Paarungszeit. Diese letzteren Fälle bieten ein weiteres Beispiel für die launische Art und Weise dar, in welcher die geschlechtliche Zuchtwahl häufig gewirkt zu haben scheint.Über Larus, Gavia und Sterna s. Macgillivray, History of British Birds. Vol. V, p. 115, 584, 626. Über Anser hyperboreus s. Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. IV, p. 562. Über den Anastomus s. Mr. Blyth in: Ibis. 1867, p. 173.
Die Ursache, warum Wasservögel so viel häufiger ein weißes Gefieder erlangt haben als die auf dem Lande lebenden Vögel, hängt wahrscheinlich von ihrer bedeutenden Größe und ihrem starken Flugvermögen ab, so daß sie sich leicht vertheidigen oder Raubvögeln entgehen können, denen sie überdies nicht sehr ausgesetzt sind. Geschlechtliche Zuchtwahl ist folglich hier nicht beeinflußt oder zum Zwecke eines Schutzes besonders geleitet worden. Ohne Zweifel konnten bei Vögeln, welche auf dem offenen Oceane schwärmen, die Männchen und Weibchen einander viel leichter finden, wenn sie entweder durch ein völlig weißes oder durch ein intensiv schwarzes Gefieder auffallend gemacht wurden, so daß diese Farben möglicherweise zu demselben Zwecke dienen, wie die Lockrufe vieler Landvögel.Es mag hier auch erwähnt werden, daß von den Geiern, welche weit und breit durch die höheren Regionen der Atmosphäre, wie Seevögel über den Ocean, schwärmen, drei oder vier Species beinahe völlig oder großentheils weiß sind, während viele andere Species schwarz sind. Diese Thatsache unterstützt die Vermuthung, daß diese auffallenden Farben den Geschlechtern helfen dürften, einander während der Paarungszeit zu finden. Wenn ein weißer oder schwarzer Vogel ein auf dem Meere schwimmendes oder an's Ufer geworfenes Aas entdeckt und auf dasselbe hinabfliegt, wird er aus großer Entfernung gesehen werden können und wird andere Vögel derselben Art oder verschiedener Arten zu der Beute hinführen. Da dies aber ein Nachtheil für die ersten Entdecker sein würde, so würden diejenigen Individuen, welche die weißesten oder die schwärzesten waren, hierdurch nicht mehr Nahrung erlangt haben als die weniger auffallenden Individuen. Es können also auffallende Färbungen nicht zu diesem Zwecke durch natürliche Zuchtwahl allmählich erlangt worden sein.
Da die geschlechtliche Zuchtwahl von einem so fluctuierenden Elemente wie dem Geschmacke abhängt, so können wir einsehen, woher es kommt, daß innerhalb einer und der nämlichen Gruppe von Vögeln mit nahezu derselben Lebensweise weiße oder nahezu weiße Arten ebenso gut wie schwarze oder nahezu schwarze Arten existieren, wie z. B. weiße und schwarze Kakadus, Störche, Ibisse, Schwäne, Seeschwalben und Sturmvögel. Es kommen gleichfalls gescheckte Vögel zuweilen in denselben Gruppen vor, z. B. der schwarzhalsige Schwan, gewisse Seeschwalben und die gemeine Elster. Daß ein starker Contrast in der Farbe den Vögeln angenehm ist, können wir nach einem Blicke auf irgend eine große Sammlung von Exemplaren oder auf eine Reihe colorierter Abbildungen schließen; denn häufig weichen die Geschlechter darin von einander ab, daß das Männchen die blasseren Theile von einem reineren Weiß und die verschiedentlich gefärbten dunkeln Theile von noch dunkleren Farbentönen besitzt als das Weibchen.
Es möchte selbst scheinen, als hätte die bloße Neuheit oder die Veränderung um ihrer selbst willen zuweilen wie ein Zauber auf weibliche Vögel gewirkt, in derselben Weise wie Veränderungen der Mode auf uns wirken. So kann man kaum sagen, daß die Männchen einiger Papageien, wenigstens unserem Geschmacke zufolge, schöner sind als die Weibchen; sie weichen aber von diesen in solchen Punkten ab, wie den folgenden: das Männchen hat ein rosenfarbiges Halsband statt »eines hell-smaragdnen schmalen grünen Halsbandes«, wie es das Weibchen besitzt, oder das Männchen hat ein schwarzes Halsband, statt nur vorn »ein halbes gelbes Band« zu haben, mit einem blaß rosenfarbigen statt eines blauen Kopfes.s. Jerdon, Über die Gattung Palaeornis, in: Birds of India. Vol. I, p. 258-260. Da so viele männliche Vögel als hauptsächliche Zierath verlängerte Schwanzfedern oder verlängerte Federkämme haben, so scheint der verkürzte Schwanz, der früher von dem Männchen eines Colibri beschrieben wurde, und die verkürzte Haube des männlichen Sägetauchers beinahe wie eine jener vielen einander entgegengesetzten Veränderungen der Mode zu sein, welche wir an unsern eigenen Anzügen bewundern.
Einige Glieder der Familie der Reiher bieten einen noch viel merkwürdigeren Fall davon dar, daß Neuheit der Färbung allem Anscheine nach wegen der Neuheit selbst geschätzt worden ist. Die Jungen der Ardea asha sind weiß, die Erwachsenen dunkel schieferfarbig, und es sind nicht bloß die Jungen, sondern auch die Erwachsenen des verwandten Buphus coromandus in ihrem Wintergefieder weiß, welche Farbe sich während der Paarungszeit in ein reiches goldnes Röthlichgelb verwandelt. Es ist unglaubhaft, daß die Jungen dieser zwei Species ebenso wie die einiger andrer Glieder derselben FamilieDie Jungen von Ardea rufescens und A. caerulea der Vereinigten Staaten sind gleichfalls weiß, während die Erwachsenen so gefärbt sind, wie es ihr specifischer Name ausdrückt. Audubon (Ornitholog. Biography, Vol. III, p. 416; Vol. IV, p. 58) scheint sich über den Gedanken zu amüsieren, daß diese merkwürdige Veränderung des Gefieders in hohem Grade »die Systematiker in Verwirrung bringen wird«. irgend eines speciellen Zweckes wegen weiß und dadurch für ihre Feinde auffallend gemacht worden seien, oder daß die Erwachsenen einer dieser zwei Species speciell während des Winters weiß geworden seien in einem Lande, welches niemals mit Schnee bedeckt ist. Auf der andern Seite haben wir Grund zu der Annahme, daß die weiße Farbe von vielen Vögeln als eine geschlechtliche Zierath erlangt ist. Wir können daher schließen, daß ein früher Urerzeuger der Ardea asha und des Buphus ein weißes Gefieder zu hochzeitlichen Zwecken erlangt und diese Färbung auf seine Nachkommen überliefert hat, so daß die Jungen und die alten, wie gewisse jetzt existierende Silberreiher, weiß wurden. Später wird dann die weiße Färbung von den Jungen beibehalten worden sein, während sie von den Erwachsenen gegen noch schärfer ausgesprochene Färbungen vertauscht wurde. Wenn wir aber noch weiter in der Zeit rückwärts auf noch frühere Urerzeuger dieser zwei Species blicken könnten, so würden wir wahrscheinlich die Erwachsenen dunkel gefärbt sehen. Daß dies der Fall sein dürfte, schließe ich aus der Analogie vieler anderer Vögel, welche während ihrer Jugend dunkel und im erwachsenen Zustande weiß sind, und noch besonders aus dem Fall der Ardea gularis, deren Färbungen gerade die umgekehrten von denen der A. asha sind. Deren Junge sind nämlich dunkel gefärbt und die Erwachsenen weiß, so daß hier die Jungen einen früheren Zustand des Gefieders beibehalten haben. Es geht daher scheinbar hieraus hervor, daß die Vorfahren der Ardea asha, des Buphus und einiger verwandter Formen in ihrem erwachsenen Zustande während einer langen Descendenzreihe Veränderungen in der Färbung in folgender Reihe erlitten haben: zuerst eine dunkle Schattierung, zweitens eine rein weiße Färbung und drittens in Folge einer andern Veränderung der Mode (wenn mir dieser Ausdruck erlaubt ist) ihre jetzige schieferfarbige, röthliche oder röthlich-graue Färbung. Diese aufeinanderfolgenden Veränderungen sind nur nach dem Principe verständlich, daß ihre Neuheit ihrer selbst wegen von den Vögeln bewundert worden ist.
Mehrere Schriftsteller haben der ganzen Theorie der geschlechtlichen Zuchtwahl den Einwand entgegengehalten, daß bei Thieren wie bei Wilden der Geschmack des Weibchens für gewisse Farben oder andere Verzierungen nicht viele Generationen hindurch constant bleiben würde, daß zuerst eine Farbe, dann eine andere bewundert werden würde und folglich keine permanente Wirkung erreicht werden könnte. Wir können wohl zugeben, daß Geschmack etwas Schwankendes ist; er ist aber nicht durchaus arbiträr. Viel hängt von der Gewohnheit ab, wie wir beim Menschen sehen; und wir dürfen wohl schließen, daß dies auch für Vögel und andere Thiere gilt. Selbst in unserem eigenen Anzuge bleibt der allgemeine Charakter lange bestehen und die Veränderung ist bis zu einem gewissen Grade abgestuft. An zwei Stellen eines späteren Capitels werden ausführliche Beweise dafür mitgetheilt werden, daß Wilde vieler verschiedenen Rassen viele Generationen hindurch dieselben Narben auf der Haut, dieselben in häßlicher Weise durchbohrten Lippen, Nasenflügel oder Ohren, mißgestaltete Köpfe u. s. w. bewundert haben; und diese Entstellungen bieten zu den natürlichen Ornamenten verschiedener Thiere einige Analogie dar. Nichtsdestoweniger bleiben aber bei Wilden derartige Moden nicht immer bestehen, wie wir aus den in dieser Beziehung zu beobachtenden Verschiedenheiten zwischen verwandten Stämmen eines und desselben Continents schließen können. So haben ferner die Züchter von Liebhaberrassen sicher viele Generationen hindurch dieselben Rassen bewundert und bewundern sie noch immer; sie wünschen entschieden unbedeutende Abänderungen herbei, welche als Veredelungen betrachtet werden; aber eine jede große oder plötzlich auftretende Veränderung wird als der größte Fehler angesehen. Wir haben nun keinen Grund zu vermuthen, daß Vögel im Naturzustande einen völlig neuen Styl der Färbung bewundern würden, selbst wenn bedeutende und plötzliche Veränderungen häufig vorkämen, was durchaus nicht der Fall ist. Wir wissen, daß Haustauben sich nicht gern mit den verschieden gefärbten Liebhaberrassen paaren, daß Albino-Vögel gewöhnlich keine Ehegenossen bekommen, und daß die schwarzen Raben der Faröer ihre gescheckten Brüder fortjagen. Aber dieser Widerwille gegen eine plötzliche Veränderung schließt nicht aus, daß sie unbedeutende Abänderungen würdigen, ebenso wenig wie dies beim Menschen der Fall ist. Es scheint daher in Bezug auf den Geschmack, welcher von vielen Elementen abhängt, aber zum Theile von Gewöhnung und zum Theile von einer Vorliebe für Neuheit, nichts Unwahrscheinliches darin zu liegen, daß Thiere eine sehr lange Zeit hindurch denselben allgemeinen Styl der Verzierung oder andere Anziehungsmittel bewundern und trotzdem unbedeutende Veränderungen der Farben, der Form oder der Töne würdigen.