Charles Darwin
Die Abstammung des Menschen
Charles Darwin

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Sechszehntes Capitel.

Vögel (Schluß)

Das Jugendgefieder in Bezug auf den Charakter des Gefieders beider Geschlechter im erwachsenen Zustande. – Sechs Classen von Fällen. – Geschlechtliche Verschiedenheiten der Männchen nahe verwandter oder repräsentativer Species. – Das Weibchen nimmt die Charaktere des Männchens an. – Das Gefieder der Jungen in Bezug auf das Sommer- und Wintergefieder der Erwachsenen. – Über die Steigerung der Schönheit der Vögel auf der ganzen Erde. – Protective Färbung. – Auffallend gefärbte Vögel. – Würdigung der Neuheit. – Zusammenfassung der vier Capitel über Vögel.

Es muß nun die Überlieferung von Charakteren betrachtet werden, insofern dieselbe in Bezug auf geschlechtliche Zuchtwahl durch das Alter beschränkt ist. Die Richtigkeit und die Bedeutung des Gesetzes einer Vererbung auf entsprechende Altersstufen braucht hier nicht erörtert zu werden, da über diesen Gegenstand bereits genug gesagt worden ist. Ehe ich aber die verschiedenen im Ganzen doch etwas complicierten Regeln oder Classen von Fällen mittheile, unter welchen man die sämmtlichen Verschiedenheiten im Gefieder zwischen den jungen und alten Vögeln, soweit sie mir bekannt sind, zusammenfassen kann, dürfte es nicht unzweckmäßig sein, einige wenige vorläufige Bemerkungen zu machen.

Wenn bei Thieren aller Arten die Erwachsenen in der Farbe von den Jungen verschieden sind und die Farben der letzteren, soweit wir es beurtheilen können, nicht von irgendwelchem speciellen Nutzen sind, so kann man sie, wie verschiedene embryonale Bildungen, dem Umstande zuschreiben, daß das junge Thier den Charakter eines früheren Urerzeugers beibehalten hat. Mit Zuversicht kann indessen diese Ansicht nur dann aufrecht erhalten werden, wenn die Jungen mehrerer Species einander sehr ähnlich und gleichfalls anderen erwachsenen Species ähnlich sind, welche zu derselben Gruppe gehören; denn die letzteren sind die lebendigen Beweise dafür, daß ein derartiger Zustand der Dinge früher möglich war. Junge Löwen und Pumas sind mit schwachen Streifen oder Reihen von Flecken gezeichnet, und da viele verwandte Arten sowohl in der Jugend als im erwachsenen Zustande ähnlich gezeichnet sind, so wird kein Naturforscher, welcher an eine allmähliche Entwicklung der Species glaubt, daran zweifeln, daß der Urerzeuger des Löwen und Puma ein gestreiftes Thier war und daß die Jungen Spuren dieser Streifen behalten haben, ebenso wie solche bei den Jungen schwarzer Katzen sich finden, welche im erwachsenen Zustande nicht im Mindesten gestreift sind. Viele Arten der Hirschfamilie sind im geschlechtsreifen Alter nicht gefleckt und doch sind sie jung mit weißen Flecken bedeckt, wie es auch einige wenige Species in ihrem erwachsenen Zustande sind. So sind ferner auch in der ganzen Familie der Schweine (Suidae) und bei gewissen im Ganzen nur entfernt damit verwandten Thieren, wie beim Tapir, die Jungen mit dunklen Längsstreifen gezeichnet; auch hier haben wir indessen einen Charakter vor uns, welcher allem Anscheine nach von einem ausgestorbenen Urerzeuger herrührt und jetzt nur von den Jungen noch beibehalten wird. In allen derartigen Fällen sind die Farben der alten Thiere im Laufe der Zeit abgeändert worden, während die Jungen unverändert geblieben oder nur wenig abgeändert worden sind; und dies ist nach dem Gesetze der Vererbung auf entsprechende Altersstufen bewirkt worden.

Dasselbe Princip gilt auch für viele zu verschiedenen Gruppen gehörige Vögel, bei welchen die Jungen einander in hohem Grade gleichen und von ihren Eltern im erwachsenen Zustande bedeutend verschieden sind. Die Jungen beinahe sämmtlicher Gallinaceen und einiger entfernt damit verwandter Vögel, wie der Strauße, sind im Dunenkleide längsgestreift; dieser Charakter weist aber auf einen so weit zurückliegenden Zustand der Dinge zurück, daß er uns kaum hier angeht. Junge Kreuzschnäbel (Loxia) haben zuerst gerade Schnäbel wie die anderen Finken, und in ihrem gestreiften Jugendgefieder gleichen sie dem erwachsenen Hänfling und dem weiblichen Zeisig ebensowohl wie den Jungen des Stieglitz, Grünfinken und einiger anderen verwandten Arten. Die Jungen vieler Arten von Ammern (Emberiza) gleichen sowohl einander, als auch dem erwachsenen Zustande der Grau-Ammer (E. miliaria). In beinahe der ganzen großen Gruppe der Drosseln haben die Jungen eine gefleckte Brust, – ein Charakter, welchen viele Arten ihr ganzes Leben hindurch behalten haben, welcher aber von anderen, wie z. B. von dem Turdus migratorius, vollständig verloren worden ist. So sind ferner bei vielen Drosseln die Federn am Rücken gefleckt, ehe sie sich zum erstenmale gemausert haben, und dieser Charakter wird von gewissen östlichen Species zeitlebens beibehalten. Die Jungen vieler Arten von Würgern (Lanius), einiger Spechte und einer indischen Taube (Chalcophaps indicus) sind an der unteren Körperfläche quer gestreift; und ähnlich sind gewisse verwandte Arten oder Gattungen im erwachsenen Zustande gezeichnet. Von einigen einander nahe verwandten und prachtvollen indischen Kuckuken (Chrysococcyx) weichen die Species, wenn sie geschlechtsreif sind, beträchtlich in der Farbe von einander ab, die Jungen derselben können aber nicht von einander unterschieden werden. Die Jungen einer indischen Gans (Sarkidiornis melanonotus) sind im Gefieder einer verwandten Gattung, Dendrocygna, im erwachsenen Zustande sehr ähnlich.In Bezug auf Drosseln, Würger und Spechte s. Mr. Blyth in: Charlesworth's Magaz. of nat. Hist. Vol. I. 1837, p. 304; auch die Anmerkung zu seiner Übersetzung von Cuvier's Règne animal, p. 159. Auch den Fall von der Loxia theile ich nach Mr. Blyth's Angaben mit. Über Drosseln s. auch Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. II, p. 195. Über Chrysococcyx und Chalcophaps s. Blyth, citiert von Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 485. Über Sarkidiornis s. Blyth in: The Ibis. 1867, p. 175. Ähnliche Thatsachen werden später in Bezug auf gewisse Reiher mitgetheilt werden. Junge Birkhühner (Tetrao tetrix) gleichen sowohl den alten Vögeln gewisser Species, z. B. Tetrao scoticus, als deren Jungen. Endlich zeigen sich die natürlichen Verwandtschaften vieler Species am besten in dem Jugendgefieder, wie Mr. Blyth, welcher dem Gegenstande eingehende Aufmerksamkeit gewidmet hat, richtig bemerkt hat, und da die wahren Verwandtschaften sämmtlicher organischer Wesen von ihrer Abstammung von einem gemeinsamen Urerzeuger abhängen, so bestätigt diese Bemerkung eindringlich die Annahme, daß das Gefieder der jugendlichen Formen uns annäherungsweise die frühere oder vorelterliche Beschaffenheit der Species zeigt.

Obgleich uns hierdurch viele junge, zu verschiedenen Ordnungen gehörige Vögel einen Blick auf das Gefieder ihrer weit zurückliegenden frühen Urerzeuger werfen lassen, so giebt es doch auch viele andere Vögel, und zwar sowohl trübe als hell gefärbte, bei denen die Jungen ihren Eltern sehr ähnlich sind. Bei solchen Species können die Jungen der verschiedenen Arten einander nicht ähnlicher sein, als es die Eltern sind; auch können sie keine auffallenden Ähnlichkeiten mit verwandten Formen in ihrem erwachsenen Zustande darbieten. Sie geben uns nur wenig Aufklärung über das Gefieder ihrer Urerzeuger, ausgenommen, insoweit es wahrscheinlich ist, daß, wenn die jungen und die alten Vögel durch eine ganze Gruppe von Species hindurch in einer und der nämlichen Art und Weise gefärbt sind, auch ihre Urerzeuger ähnlich gefärbt waren.

Wir wollen nun die Classen von Fällen oder die Regeln betrachten, unter welche die Verschiedenheiten und Ähnlichkeiten zwischen dem Gefieder der jungen und alten Vögel entweder beider Geschlechter oder eines Geschlechts allein gruppiert werden können. Gesetze dieser Art wurden zuerst von Cuvier ausgesprochen; mit dem Fortschreiten der Erkenntnis bedürfen sie indessen einiger Modifikation und Erweiterung. Dies habe ich, soweit es die außerordentliche Compliciertheit des Gegenstandes gestattet, nach Belehrungen, die ich aus verschiedenen Quellen schöpfte, zu thun versucht; es ist aber eine erschöpfende Abhandlung über diesen Gegenstand von irgend einem competenten Ornithologen ein dringendes Bedürfnis. Um darüber zu einer Gewißheit zu gelangen, in welcher Ausdehnung jede dieser Regeln gilt, habe ich die in vier umfangreichen Werken mitgetheilten Thatsachen tabellarisch zusammengestellt, nämlich nach Macgillivray über die Vögel von Groß-Britannien, nach Audubon über die nordamerikanischen Vögel, nach Jerdon über die Vögel von Indien und nach Gould über die von Australien. Ich will hier noch vorausschicken erstens, daß die verschiedenen Fälle oder Regeln allmählich in einander übergehen, und zweitens, daß, wenn gesagt wird, die Jungen glichen ihren Eltern, damit nicht gemeint sein soll, sie wären ihnen identisch gleich; denn ihre Farben sind beinahe immer etwas weniger lebhaft, auch sind die Federn weicher und oft von einer verschiedenen Form.

 


 

Regeln oder Classen von Fällen

I. Wenn das erwachsene Männchen schöner oder in die Augen fallender ist als das erwachsene Weibchen, so sind die Jungen beider Geschlechter in ihrem ersten Federkleide dem erwachsenen Weibchen sehr ähnlich, wie beim gemeinen Huhn und dem Pfau; oder, wie es gelegentlich vorkommt, sie sind diesem viel ähnlicher als dem erwachsenen Männchen.

II. Wenn das erwachsene Weibchen in die Augen fallender ist, als das erwachsene Männchen, was zuweilen, wenn auch selten vorkommt, so sind die Jungen beiderlei Geschlechts in ihrem ersten Gefieder den erwachsenen Männchen ähnlich.

III. Wenn das erwachsene Männchen dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, so haben die Jungen beiderlei Geschlechts ein ihnen besonders zukommendes eigenthümliches Gefieder, wie z. B. beim Rothkehlchen.

IV. Wenn das erwachsene Männchen dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, so sind die Jungen beiderlei Geschlechts in ihrem ersten Federkleide den Erwachsenen ähnlich, wie es z. B. beim Eisvogel, vielen Papageien, Krähen, Grasmücken der Fall ist.

V. Wenn die Erwachsenen beiderlei Geschlechts ein verschiedenes Sommer- und Wintergefieder haben, mag nun das Männchen vom Weibchen verschieden sein oder nicht, so sind die Jungen den Erwachsenen beiderlei Geschlechts in deren Winterkleide, oder, jedoch viel seltener, in deren Sommerkleide, oder allein den Weibchen ähnlich; oder die Jungen können einen intermediären Charakter tragen; oder ferner sie können von den Erwachsenen in ihren Jahreszeitgefiedern bedeutend verschieden sein.

VI. In einigen wenigen Fällen weichen die Jungen in ihrem ersten Gefieder je nach ihrem Geschlechte von einander ab, wobei die jungen Männchen mehr oder weniger nahe den erwachsenen Männchen und die jungen Weibchen mehr oder weniger nahe den erwachsenen Weibchen ähnlich sind.

 
1. Classe. In dieser Classe sind die Jungen beiderlei Geschlechts mehr oder weniger nahe den erwachsenen Weibchen ähnlich, während das erwachsene Männchen häufig in der augenfälligsten Art und Weise vom erwachsenen Weibchen verschieden ist. Hier ließen sich unzählige Beispiele aus allen Ordnungen anführen; es wird genügen, den gemeinen Fasan, die Ente und den Haussperling in's Gedächtnis zu rufen. Die in dieser Classe inbegriffenen Fälle gehen allmählich in andere über. So können die beiden Geschlechter in ihrem erwachsenen Zustande so unbedeutend von einander und die Jungen so unbedeutend von den Erwachsenen verschieden sein, daß es zweifelhaft wird, ob solche Fälle zu der vorliegenden Classe oder zu der dritten oder vierten zu ziehen sind. So können ferner die Jungen beider Geschlechter, anstatt einander vollständig gleich zu sein, in einem unbedeutenden Grade von einander abweichen, wie es in unserer sechsten Classe der Fall ist. Diese transitionellen Fälle sind indessen nur wenig der Zahl nach oder mindestens nicht scharf ausgesprochen im Vergleich mit denen, welche ganz streng unter die vorliegende Rubrik fallen.

Die Kraft des vorliegenden Gesetzes zeigt sich sehr wohl in denjenigen Gruppen, in welchen der allgemeinen Regel nach die beiden Geschlechter und die Jungen sämmtlich einander gleich sind; denn wenn das Männchen in diesen Gruppen wirklich vom Weibchen verschieden ist, wie bei gewissen Papageien, Eisvögeln, Tauben u. s. w., so sind die Jungen beider Geschlechter dem erwachsenen Weibchen ähnlich.s. z. B. Mr. Gould's Beschreibung von Cyanalcyon, einem der Eisvögel (Handbook to the Birds of Australia. Vol. I, p. 133), bei welchem indessen das junge Männchen, obschon es dem erwachsenen Weibchen ähnlich ist, weniger brillant gefärbt ist. In einigen Species von Dacelo haben die Männchen blaue Schwänze und die Weibchen braune; und Mr. R. B. Sharpe theilt mir mit, daß der Schwanz des jungen Männchens von D. Gaudichaudii anfangs braun ist. Mr. Gould hat (a. a. O. Vol. II, p. 14, 20, 37) die Geschlechter und die Jungen gewisser schwarzer Cacadus und des Königs-Loris beschrieben, bei welchen dasselbe Gesetz herrscht, s. auch Jerdon, Birds of India, Vol. I, p. 260, über Palaeornis rosa, bei dem die Jungen mehr gleich dem Weibchen als dem Männchen sind. s. Audubon, Ornitholog. Biography, Vol. II, p. 745, über die beiden Geschlechter und die Jungen von Columba passerina. Wir sehen die nämliche Thatsache noch deutlicher in gewissen anomalen Fällen ausgesprochen; so weicht das Männchen von Heliothrix auriculata (einem Colibri) augenfällig vom Weibchen darin ab, daß es eine prachtvolle Kehle und schöne Ohrbüschel hat: das Weibchen ist aber dadurch merkwürdig, daß es einen viel längeren Schwanz hat als das Männchen. Nun sind die Jungen beider Geschlechter (ausgenommen, daß die Brust mit Bronze gefleckt ist) den erwachsenen Weibchen mit Einschluß der Länge des weiblichen Schwanzes ähnlich, so daß der Schwanz des Männchens factisch mit dem Erreichen des Reifezustandes kürzer wird, was ein äußerst ungewöhnlicher Umstand ist.Ich verdanke die Kenntnis dieser Thatsache Mr. Gould, welcher mir die Exemplare zeigte; s. auch seine Introduction to the Trochilidae. 1861, p. 120. Ferner ist das Gefieder des männlichen Sägetauchers (Mergus merganser) auffallender gefärbt und die Schulterfedern und Schwingen zweiter Ordnung sind viel länger als beim Weibchen; aber verschieden von dem, was soviel ich weiß bei allen übrigen Vögeln vorkommt, ist der Federkamm des erwachsenen Männchens, wenn er auch breiter ist als der des Weibchens, doch beträchtlich kürzer, nämlich nur wenig über einen Zoll lang, während der Federkamm des Weibchens zwei und einen halben Zoll lang ist. Nun sind die Jungen beider Geschlechter in allen Beziehungen den erwachsenen Weibchen ähnlich, so daß ihre Federkämme factisch von größerer Länge, wenn auch etwas schmäler als beim erwachsenen Männchen sind.MacGillivray, History of British Birds. Vol. V, p. 207–214.

Wenn die Jungen und die Weibchen einander sehr ähnlich und beide vom Männchen verschieden sind, so liegt die Folgerung am nächsten, daß allein das Männchen modificiert worden ist. Selbst in den anomalen Fällen von Heliothrix und Mergus ist es wahrscheinlich, daß ursprünglich beide Geschlechter im erwachsenen Zustande bei der einen Species mit einem beträchtlich verlängerten Schwanze und bei der anderen mit einem sehr verlängerten Federkamme versehen waren, daß diese Charaktere seitdem von den erwachsenen Männchen aus irgend einer unerklärten Ursache verloren und in ihrem verkleinerten Zustande allein ihren männlichen Nachkommen in dem entsprechenden Alter der Geschlechtsreife überliefert worden sind. Die Annahme, daß in der vorliegenden Classe, soweit die Verschiedenheiten zwischen den Männchen und den Weibchen zusammen mit deren Jungen in Betracht kommen, allein das Männchen modificiert worden ist, wird nachdrücklich durch einige merkwürdige, von Mr. Blyths. dessen ausgezeichneten Aufsatz in dem Journal of the Asiatic Society of Bengal. Vol. XIX. 1850, p. 223; s. auch Jerdon, Birds of India. Vol. I. Introduction, p. XXIX. In Bezug auf Tanysiptera sagte Professor Schlegel Mr. Blyth, daß er mehrere verschiedene Rassen durch Vergleichung der erwachsenen Männchen unterscheiden könne. mitgetheilte Thatsachen in Bezug auf nahe verwandte Species, welche einander in verschiedenen Ländern repräsentieren, unterstützt. Denn bei mehreren dieser stellvertretenden Species haben die erwachsenen Männchen einen gewissen Betrag von Veränderung erlitten und können unterschieden werden; die Weibchen und die Jungen aus den verschiedenen Ländern sind dagegen nicht zu unterscheiden und sind daher absolut unverändert geblieben. Dies ist der Fall bei gewissen indischen Schmätzern (Thamnobia), bei gewissen Honigsaugern (Nectarinia), Würgern (Tephrodornis), gewissen Eisvögeln (Tanysiptera), Kalij-Fasanen (Gallophasis) und Baum-Rebhühnern (Arboricola).

In einigen analogen Fällen, nämlich bei Vögeln, welche ein verschiedenes Sommer- und Wintergefieder haben und deren Geschlechter nahezu gleich sind, können gewisse einander nahe verwandte Arten in ihrem Sommer- oder Hochzeitsgefieder leicht unterschieden werden, sind aber in ihrem Winterkleide ebenso wie in ihrem jugendlichen Gefieder ununterscheidbar. Dies ist der Fall bei einigen der nahe unter einander verwandten indischen Bachstelzen oder Motacillae. Mr. Swinhoe theilt mir mit,s. auch Mr. Swinhoe in: Ibis, July, 1863, p. 131, und einen früheren Aufsatz mit einem Auszuge einer Notiz von Mr. Blyth in: Ibis, Jan. 1861, p. 52. daß drei Species von Ardeola, einer Gattung der Reiher, welche einander auf verschiedenen Continenten vertreten, »in der auffallendsten Weise verschieden« sind, wenn sie mit ihren Sommerschmuckfedern geziert sind, daß sie aber nur schwer, wenn überhaupt, während des Winters von einander unterschieden werden können. Es sind die Jungen dieser drei Species in ihrem Jugendgefieder gleichfalls den Erwachsenen in ihrem Winterkleide sehr ähnlich. Dieser Fall ist um so merkwürdiger, als in zwei andern Species von Ardeola beide Geschlechter während des Winters und des Sommers nahezu dasselbe Gefieder behalten, wie das ist, was die drei ersterwähnten Species während des Winters und in ihrem unreifen Alterszustande besitzen; und dieses Gefieder, welches mehreren verschiedenen Species auf verschiedenen Altersstufen und zu verschiedenen Jahreszeiten gemeinsam zukommt, zeigt uns wahrscheinlich, wie der Urerzeuger der Gattung gefärbt war. In allen diesen Fällen können wir annehmen, daß das Hochzeitsgefieder, welches ursprünglich von den erwachsenen Männchen während der Paarungszeit erlangt und auf die Erwachsenen beider Geschlechter in der entsprechenden Jahreszeit vererbt wurde, modificiert worden ist, während das Winterkleid und das Gefieder der unreifen Jungen unverändert gelassen worden ist.

Es entsteht nun natürlich die Frage: woher kommt es, daß in diesen letzteren Fällen das Wintergefieder beider Geschlechter und in den zuerst erwähnten Fällen das Gefieder der erwachsenen Weibchen ebenso wie das unreife Gefieder der Jungen durchaus gar nicht beeinflußt worden ist? Diejenigen Species, welche einander in verschiedenen Ländern vertreten, werden beinahe immer irgendwie etwas verschiedenen Bedingungen ausgesetzt worden sein; wir können aber die Modification des Gefieders allein der Männchen kaum dieser Wirkung zuschreiben, wenn wir sehen, daß die Weibchen und die Jungen, trotzdem sie in ähnlicher Weise denselben Bedingungen ausgesetzt gewesen sind, nicht afficiert wurden. Kaum irgend eine Thatsache in der Natur zeigt uns deutlicher, wie untergeordnet in ihrer Bedeutung die directe Wirkung der Lebensbedingungen ist im Vergleich mit der durch Zuchtwahl bewirkten Anhäufung unbestimmter Abänderungen, als die überraschende Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern vieler Vögel; denn beide Geschlechter müssen dieselbe Nahrung consumiert haben und demselben Klima ausgesetzt gewesen sein. Nichtsdestoweniger hindert uns nichts, anzunehmen, daß im Laufe der Zeit neue Lebensbedingungen irgend eine directe Wirkung entweder auf beide Geschlechter oder, in Folge der constitutionellen Verschiedenheiten, nur auf ein Geschlecht allein hervorbringen können. Wir sehen nur, daß dies seiner Bedeutung nach den angehäuften Resultaten der Zuchtwahl untergeordnet ist. Wenn indessen eine Species in ein neues Land einwandert – und dies muß ja der Bildung stellvertretender Arten vorausgehen, – so werden die veränderten Bedingungen, welchen dieselbe beinahe immer ausgesetzt sein wird, Veranlassung sein, daß sie auch, einer weitverbreiteten Analogie nach zu urtheilen, einem gewissen Betrage fluctuierender Variabilität unterliegen wird. In diesem Falle wird die geschlechtliche Zuchtwahl, welche von einem im höchsten Grade der Veränderung ausgesetzten Elemente abhängt, nämlich von dem Geschmacke oder der Bewunderung des Weibchens, neue Farbenschattierungen oder andere Verschiedenheiten gefunden haben, auf welche sie wirken und welche sie anhäufen konnte; und da geschlechtliche Zuchtwahl beständig in Wirksamkeit ist, so würde es, – nach dem, was wir von den Resultaten der unbeabsichtigten Zuchtwahl seitens des Menschen in Bezug auf domesticierte Thiere wissen, – eine überraschende Thatsache sein, wenn Thiere, welche getrennte Bezirke bewohnen, welche sich niemals kreuzen und hierdurch ihre neuerlich erlangten Charaktere verschmelzen können, nicht nach einem genügenden Zeitraume verschiedenartig modificiert worden sein sollten. Diese Bemerkungen beziehen sich in gleicher Weise auf das Hochzeitskleid oder Sommergefieder, mag dasselbe nun auf das Männchen beschränkt oder beiden Geschlechtern eigen sein.

Obgleich die Weibchen der obengenannten nahe mit einander verwandten Arten ebenso wie ihre Jungen kaum irgendwie von einander verschieden sind, so daß die Männchen allein unterschieden werden können, so weichen doch in den meisten Fällen die Weibchen der Species innerhalb eines und des nämlichen Genus nachweisbar von einander ab. Indessen sind die Verschiedenheiten selten so bedeutend wie die zwischen den Männchen. Wir sehen dies deutlich in der ganzen Familie der Gallinaceen; so sind beispielsweise die Weibchen des gemeinen und des japanesischen Fasanen und besonders des Gold- und des Amherst-Fasanen, – vom Silberfasan und dem wilden Huhn, – einander in der Farbe sehr ähnlich, während die Männchen in einem außerordentlichen Grade von einander verschieden sind. Dasselbe ist auch bei den Weibchen der meisten Cotingiden, Fringilliden und vieler anderer Familien der Fall. Es läßt sich in der That nicht daran zweifeln, daß, als allgemeine Regel, die Weibchen in einer geringeren Ausdehnung modificiert worden sind als die Männchen. Einige wenige Vögel indessen bieten eine eigenthümliche und unerklärliche Ausnahme dar; so weichen die Weibchen von Paradisea apoda und P. papuana mehr von einander ab, als es ihre respectiven Männchen thun;Wallace, The Malay Archipelago. Vol. II. 1869, p. 394. das Weibchen der letzteren Species ist an der unteren Körperfläche rein weiß, während das Weibchen der P. apoda unten tief braun ist. Ferner weichen, wie ich von Professor Newton höre, die Männchen zweier Species von Oxynotus (Würger), welche einander auf den Inseln Mauritius und Bourbon ersetzen,Es sind diese Species unter Beigabe colorierter Figuren von M. F. Pollen beschrieben in: Ibis. 1866, p. 275. nur wenig in der Farbe von einander ab, während die Weibchen sehr verschieden sind. Bei der Species von Bourbon scheint es, als ob das Weibchen zum Theil einen Jugendzustand des Gefieders beibehalten hätte, denn auf den ersten Blick »möchte man dasselbe für das Junge der Species von Mauritius halten«. Diese Verschiedenheiten lassen sich mit denen vergleichen, welche unabhängig von der Zuchtwahl durch den Menschen und für uns unerklärbar bei gewissen Unterrassen des Kampfhuhns vorkommen, bei welchen die Weibchen sehr verschieden sind, während die Männchen kaum unterschieden werden können.Das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication. 2. Aufl. Bd. I, p. 280.

Da ich nun die Verschiedenheiten zwischen den Männchen verwandter Arten in so großer Ausdehnung durch geschlechtliche Zuchtwahl erkläre, wie lassen sich dann die Verschiedenheiten zwischen den Weibchen in allen gewöhnlichen Fällen erklären? Wir haben hier nicht nöthig, die zu verschiedenen Gattungen gehörigen Arten zu betrachten; denn bei diesen werden Anpassung an verschiedene Lebensweisen und andere Kräfte mit in's Spiel gekommen sein. In Bezug auf die Verschiedenheiten zwischen den Weibchen innerhalb einer und der nämlichen Gattung scheint es mir nach Durchsicht mehrerer großer Gruppen beinahe gewiß zu sein, daß die in einem größeren oder geringeren Grade eingetretene Übertragung von Charakteren, welche von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt worden waren, auf das Weibchen die hauptsächlich wirksame Kraft gewesen ist. Bei den verschiedenen britischen Finkenarten weichen die Geschlechter entweder sehr unbedeutend oder beträchtlich von einander ab; und wenn wir die Weibchen des Grünfinken, Buchfinken, Stieglitz, Gimpel, Kreuzschnabel, Sperling u. s. w. vergleichen, so sehen wir, daß sie hauptsächlich in den Punkten von einander verschieden sind, in welchen sie zum Theile ihren respectiven Männchen gleichen; und die Farben der Männchen können wir getrost der geschlechtlichen Zuchtwahl zuschreiben. Bei vielen hühnerartigen Vögeln weichen die beiden Geschlechter in einem ganz außerordentlichen Grade von einander ab, so beim Pfau, beim Fasan, beim Huhn, während bei anderen Species eine theilweise oder selbst vollständige Übertragung von Charakteren vom Männchen auf das Weibchen stattgefunden hat. Die Weibchen der verschiedenen Species von Polyplectron bieten in einem undeutlichen Zustande, und zwar hauptsächlich auf dem Schwanze, die prachtvollen Augenflecken ihrer Männchen dar. Das weibliche Rebhuhn weicht vom Männchen nur darin ab, daß der rothe Fleck auf seiner Brust kleiner ist, und die wilde Truthenne nur darin, daß ihre Farben viel trüber sind. Bei dem Perlhuhn sind die beiden Geschlechter nicht von einander zu unterscheiden. Es liegt in der Annahme nichts Unwahrscheinliches, daß das einfarbige, wenn auch eigenthümlich gefleckte Gefieder dieses letzteren Vogels zunächst durch geschlechtliche Zuchtwahl von den Männchen erlangt und dann auf beide Geschlechter überliefert worden ist; denn es ist nicht wesentlich von dem viel schöner gefleckten Gefieder verschieden, welches allein für das Männchen des Tragopan-Fasanen charakteristisch ist.

Es ist zu beachten, daß in manchen Fällen diese Übertragung der Charaktere von dem Männchen auf das Weibchen allem Anscheine nach in einer weit zurückliegenden Zeit bewirkt worden ist, wonach später das Männchen bedeutenden Abänderungen unterlegen ist, ohne irgend welche seiner später erlangten Charaktere auf das Weibchen zu übertragen. So sind z. B. das Weibchen und die Jungen des Birkhuhns (Tetrao tetrix) den beiden Geschlechtern und den Jungen des Moorhuhns (T. scoticus) ziemlich ähnlich; und wir können in Folge hiervon schließen, daß das Birkhuhn von irgend einer alten Species abstammt, bei welcher beide Geschlechter in nahezu derselben Weise gefärbt waren, wie das Moorhuhn. Da beide Geschlechter dieser letzteren Species während der Paarungszeit deutlicher gestreift sind, als zu irgend einer andern Zeit, und da das Männchen unbedeutend in seinen schärfer ausgesprochenen rothen und braunen Tönen abweicht,Macgillivray, History of British Birds. Vol. I, p. 172-174. so können wir folgern, daß sein Gefieder wenigstens in einer gewissen Ausdehnung von geschlechtlicher Zuchtwahl beeinflußt worden ist. Ist dies der Fall gewesen, so können wir weiter schließen, daß das nahezu ähnliche Gefieder des weiblichen Birkhuhns in einer früheren Periode auf ähnliche Weise entstanden ist. Seit dieser Zeit aber hat das männliche Birkhuhn sein schönes schwarzes Gefieder und seine gegabelten und nach außen gekräuselten Schwanzfedern erhalten; es ist aber kaum irgend eine Übertragung dieser Charaktere auf das Weibchen eingetreten, ausgenommen daß dasselbe an seinem Schwanze eine Spur der gekrümmten Gabelung zeigt.

Wir können daher schließen, daß das Gefieder der Weibchen verschiedener, wenn auch verwandter Arten oft dadurch mehr oder weniger verschieden geworden ist, daß Charaktere, welche sowohl in früheren als in neueren Zeiten von den Männchen durch geschlechtliche Zuchtwahl erlangt wurden, in verschiedenen Graden auf sie übertragen worden sind. Es verdient indessen besondere Aufmerksamkeit, daß glänzende Färbungen viel seltener übertragen worden sind, als andere Farbentöne. So hat z. B. das Männchen des Blaukehlchens (Cyanecula suecica) eine reichblaue Oberbrust, mit einem schwach dreieckigen rothen Flecke; nun sind Zeichnungen von annähernd derselben Form auf das Weibchen übertragen worden, der mittlere Fleck ist aber röthlichbraun statt roth und wird von gefleckten anstatt von blauen Federn umgeben. Die hühnerartigen Vögel bieten viele analoge Fälle dar; denn keine von denjenigen Arten, so die Rebhühner, Wachteln, Perlhühner u. s. w., bei welchen die Farben des Gefieders in hohem Grade von Männchen auf das Weibchen übertragen worden sind, ist glänzend gefärbt. Dies erläutern die Fasanen sehr gut, bei welchen das Männchen allgemein um so vieles glänzender ist als das Weibchen; aber bei dem Ohrenfasan und dem Wallich'schen (Crossoptilon auritum und Phasianus Wallichii) sind die Geschlechter einander sehr ähnlich und ihre Färbungen sind trüb. Wir können selbst soweit gehen, anzunehmen, daß, wenn irgend ein Theil des Gefieders dieser beiden Fasanen glänzend gefärbt gewesen wäre, dies nicht auf die Weibchen übertragen worden wäre. Diese Thatsachen unterstützen nachdrücklich die Ansicht von Mr. Wallace, daß bei Vögeln, welche während der Zeit des Nistens vieler Gefahr ausgesetzt sind, die Übertragung heller Farben vom Männchen auf das Weibchen durch natürliche Zuchtwahl gehemmt worden ist. Wir dürfen indessen nicht vergessen, daß eine andere früher mitgetheilte Erklärung möglich ist: daß nämlich diejenigen Männchen, welche variierten und hell gefärbt wurden, so lang sie jung und unerfahren waren, großer Gefahr ausgesetzt gewesen und wohl meist zerstört worden sind; wenn auf der andern Seite die älteren und vorsichtigeren Männchen in gleicher Weise variierten, so werden diese nicht bloß im Stande gewesen sein, leben zu bleiben, sondern werden auch bei ihrer Concurrenz mit andern Männchen begünstigt gewesen sein. Abänderungen nun, welche spät im Leben auftreten, neigen dazu, ausschließlich auf dasselbe Geschlecht übertragen zu werden, so daß in diesem Falle äußerst glänzende Färbungen nicht auf die Weibchen übertragen worden sein würden. Auf der andern Seite wären Zierathen einer weniger augenfälligen Art, solche wie sie der Ohren- und Wallichs-Fasan besitzen, nicht gefährlich gewesen, und wären sie in früher Jugend erschienen, würden sie allgemein auf beide Geschlechter überliefert worden sein.

Außer den Wirkungen einer theilweisen Übertragung der Charaktere von den Männchen auf die Weibchen, können einige der Verschiedenheiten zwischen den Weibchen nahe verwandter Species auch der directen oder bestimmten Wirkung der Lebensbedingungen zugeschrieben werden.s. über diesen Gegenstand das 23. Capitel in dem »Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication.« Bei den Männchen wird eine jede derartige Wirkung durch die glänzenden, in Folge von geschlechtlicher Zuchtwahl erlangten Farben verhüllt worden sein; aber nicht so bei den Weibchen. Jede der endlosen Verschiedenheiten im Gefieder, welche wir bei unsern domesticierten Vögeln sehen, ist natürlich das Resultat irgend einer bestimmten Ursache; und unter natürlichen und gleichförmigeren Bedingungen wird irgend eine gewisse Färbung, vorausgesetzt, daß sie in keiner Weise nachtheilig ist, beinahe sicher früher oder später vorherrschen. Die reichliche Kreuzung der vielen zu einer und derselben Species gehörenden Individuen wird am Ende dahin streben, jede hierdurch veranlaßte Veränderung in der Farbe dem Charakter nach gleichförmig zu machen.

Es zweifelt Niemand daran, daß bei vielen Vögeln die Färbung beider Geschlechter zum Zwecke des Schutzes den Umgebungen angepaßt ist; und es ist möglich, daß bei einigen Arten allein die Weibchen in dieser Weise modificiert worden sind. Obschon es ein schwieriger und, wie im letzten Capitel gezeigt wurde, vielleicht unmöglicher Proceß sein würde, die eine Form der Überlieferung durch Zuchtwahl in die andere zu verwandeln, so dürfte doch nicht die geringste Schwierigkeit vorhanden sein, die Farben der Weibchen unabhängig von denen des Männchens dadurch umgebenden Gegenständen anzupassen, daß Abänderungen, welche von Anfang an in ihrer Überlieferung auf das weibliche Geschlecht beschränkt waren, gehäuft wurden. Wären die Abänderungen nicht in dieser Art beschränkt, so würden die hellen Farben des Männchens verkümmert oder zerstört werden. Ob allein die Weibchen vieler Species in dieser Weise speciell modificiert worden sind, ist gegenwärtig noch sehr zweifelhaft. Ich wünschte, Mr. Wallace der ganzen Ausdehnung nach folgen zu können; denn seine Annahme würde einige Schwierigkeiten beseitigen. Eine jede Abänderung, welche für das Weibchen von keinem Nutzen als Schutzmittel wäre, würde sofort wieder fehlschlagen, statt einfach dadurch verloren zu gehen, daß sie bei der Zuchtwahl nicht berücksichtigt würde, oder daß sie in Folge der reichlichen Kreuzung verloren ginge, oder daß sie eliminiert werden würde, wenn sie auf das Männchen übertragen und diesem in irgend welcher Art schädlich wäre. So würde das Gefieder des Weibchens in seinem Charakter constant erhalten werden. Es wäre gleichfalls eine Erleichterung, wenn wir annehmen könnten, daß die dunkleren Färbungen beider Geschlechter bei vielen Vögeln zum Zwecke des Schutzes erlangt und bewahrt worden wären, – so z. B. bei dem Graukehlchen und dem Zaunkönig (Accentor modularis und Troglodytes vulgaris), – in Bezug auf welche Erscheinung wir für die Wirksamkeit der geschlechtlichen Zuchtwahl nicht hinreichende Beweise haben. Wir müssen indessen in Bezug auf die Folgerung, daß Färbungen, welche uns trübe erscheinen, auch den Weibchen gewisser Species nicht anziehend sind, vorsichtig sein; wir sollten derartige Fälle im Sinne behalten, wie den gemeinen Haussperling, bei welchem das Männchen bedeutend vom Weibchen abweicht, aber keine hellen Farbentöne darbietet. Wahrscheinlich wird Niemand bestreiten wollen, daß viele hühnerartige Vögel, welche auf offenem Grunde leben, ihre jetzigen Färbungen wenigstens zum Theil als Schutzmittel erlangt haben. Wir wissen, wie gut sie durch dieselben sich verbergen können; wir wissen, daß Schneehühner, während sie ihr Wintergefieder in das Sommerkleid umwandeln, die ja beide für sie protectiv sind, bedeutend durch Raubvögel leiden. Können wir aber wohl annehmen, daß die sehr unbedeutenden Verschiedenheiten in den Farbentönen und Zeichnungen z. B. zwischen dem weiblichen Birkhuhn und Moorhuhn als Schutzmittel dienen? Sind Rebhühner, so wie sie jetzt gefärbt sind, besser geschützt, als wenn sie Wachteln ähnlich geworden wären? Dienen die unbedeutenden Verschiedenheiten zwischen den Weibchen des gemeinen Fasanen, des japanesischen und Gold-Fasanen zum Schutze oder hätte ihr Gefieder nicht ohne weitern Nachtheil vertauscht werden können? Nach dem, was Mr. Wallace von der Lebensweise gewisser hühnerartigen Vögel des östlichen Asiens beobachtet hat, glaubt er, daß solche geringe Verschiedenheiten wohlthätig sind. Was mich betrifft, so will ich nur sagen, daß ich nicht überzeugt bin.

Als ich früher noch geneigt war, ein großes Gewicht auf das Princip des Schutzes als Erklärungsmittel der weniger hellen Farben weiblicher Vögel zu legen, kam mir der Gedanke, daß möglicherweise ursprünglich beide Geschlechter und die Jungen in gleichem Grade hell gefärbt gewesen sein könnten, daß aber später die Weibchen wegen der während der Brütezeit erwachsenen Gefahr und die Jungen wegen ihrer Unerfahrenheit behufs eines Schutzes dunkler geworden seien. Diese Ansicht wird aber durch keine Beweise unterstützt und ist nicht wahrscheinlich; denn wir setzen damit in unserer Vorstellung die Weibchen und die Jungen während vergangener Zeiten Gefahren aus, vor denen die modifizierten Nachkommen derselben zu schützen sich später als nothwendig herausgestellt hätte. Wir hätten auch durch einen allmählichen Proceß der Zuchtwahl die Weibchen und die Jungen auf beinahe genau dieselben Färbungen und Zeichnungen zurückzuführen und diese auf das entsprechende Geschlecht und Lebensalter zu überliefern. Es wäre auch eine etwas befremdende Thatsache, – unter der Annahme, daß die Weibchen und die Jungen während einer jeden Stufe des Modificationsprocesses eine Neigung gezeigt hätten, so hell gefärbt zu werden wie die Männchen, – daß die Weibchen niemals dunkel gefärbt worden wären, ohne daß gleichzeitig auch die Jungen an dieser Veränderung Theil genommen hätten: denn soviel ich ermitteln kann, liegen keine Fälle vor von Species, bei denen die Weibchen trübe gefärbt, die Jungen dagegen hell gefärbt sind. Eine theilweise Ausnahme hiervon bieten indessen die Jungen gewisser Spechte dar, denn sie haben »den ganzen obern Theil des Kopfes mit Roth gefärbt«, welches sich später entweder bei den Erwachsenen beider Geschlechter zu einer einfachen kreisförmigen rothen Linie vermindert oder bei den erwachsenen Weibchen vollständig verschwindet.Audubon, Ornitholog. Biography. Vol. I, p. 193. Macgillivray, History of British Birds. Vol. III, p. 85. s. auch den oben angeführten Fall von Indopicus Carlottae.

Was schließlich die vorliegende Classe von Fällen betrifft, so scheint die wahrscheinlichste Ansicht die zu sein, daß aufeinanderfolgende Abänderungen in dem Glanze oder in andern ornamentalen Charakteren, welche bei den Männchen zu einer im Ganzen spätern Lebensperiode auftraten, allein erhalten worden sind, und daß die meisten oder sämmtliche dieser Abänderungen in Folge der späten Lebensperiode, in welcher sie erschienen, von Anfang an nur auf die erwachsenen männlichen Nachkommen überliefert worden sind. Eine jede Abänderung in der Helligkeit, welche bei den Weibchen oder bei den Jungen aufgetreten wäre, würde für diese von keinem Nutzen gewesen und nicht bei der Nachzucht besonders gewählt worden sein; sie würde überdies, wäre sie gefährlich gewesen, beseitigt worden sein. In dieser Weise werden daher die Weibchen und die Jungen entweder nicht modificiert worden, oder, und dies ist um vieles häufiger vorgekommen, sie werden zum Theil durch Übertragung einiger der bei den Männchen nach einander erscheinenden Abänderungen modificiert worden sein. Auf beide Geschlechter haben vielleicht die Lebensbedingungen, welchen sie lange ausgesetzt gewesen waren, direct eingewirkt; da aber die Weibchen nicht auch noch anderweitig modificiert worden sind, werden diese alle Folgen derartiger Einwirkungen am besten darbieten. Diese Veränderungen werden wie alle andern durch die reichliche Kreuzung vieler Individuen gleichförmig erhalten worden sein. In einigen Fällen, besonders bei Bodenvögeln, können auch die Weibchen und die Jungen unabhängig von den Männchen möglicherweise zum Zwecke des Schutzes modificiert worden sein, so daß sie beide das nämliche trübe Gefieder erlangt haben.

 
2. Classe. Wenn das erwachsene Weibchen in die Augen fallender ist als das erwachsene Männchen, so sind die Jungen beiderlei Geschlechts in ihrem ersten Gefieder dem erwachsenen Männchen ähnlich. – Diese Classe enthält gerade die umgekehrten Fälle von denen der vorigen, denn hier sind die Weibchen heller gefärbt oder mehr in die Augen fallend als die Männchen, und die Jungen sind, so weit man sie kennt, den erwachsenen Männchen ähnlich, statt den erwachsenen Weibchen zu gleichen. Die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern ist indeß niemals annähernd so groß, wie es bei vielen Vögeln in der ersten Classe vorkommt, und die Fälle sind auch vergleichsweise selten. Mr. Wallace, welcher zuerst die Aufmerksamkeit auf die eigenthümliche Beziehung lenkte, welche zwischen den weniger hellen Farben der Männchen und den von ihnen ausgeübten Pflichten des Brütens besteht, legt auf diesen Punkt ein großes Gewicht,Westminster Review, July, 1867, und A. Murray, Journal of Travel. 1868, p. 83. als einen entscheidenden Beweis dafür, daß dunklere Farben zum Zwecke des Schutzes während der Nidificationsperiode erlangt worden sind. Eine davon verschiedene Ansicht scheint mir wahrscheinlicher zu sein. Da die Fälle merkwürdig und nicht zahlreich sind, so will ich alle hier anführen, welche ich zu finden im Stande war.

In einer Abtheilung der Gattung Turnix (wachtelartige Vögel) ist das Weibchen ausnahmslos größer als das Männchen (in einer der australischen Arten ist es nahezu zweimal so groß) und dies ist bei den hühnerartigen Vögeln ein ungewöhnlicher Umstand. Bei den meisten Species ist das Weibchen entschiedener und heller gefärbt als das Männchen,Wegen der australischen Arten s. Gould, Handbook to the Birds of Australia. Vol. II, p. 178, 180, 186 und 188. An den Exemplaren der Trappenwachtel (Pedionomus torquatus) im Britischen Museum lassen sich ähnliche geschlechtliche Verschiedenheiten erkennen. in einigen wenigen Arten sind indessen die Geschlechter einander gleich. Bei Turnix taigoor aus Indien »fehlt dem Männchen das Schwarz an der Kehle und dem Halse, und der ganze Färbungston des Gefieders ist heller und weniger ausgesprochen als der des Weibchens«. Das Weibchen scheint lauter zu sein und ist sicher viel kampfsüchtiger als das Männchen, so daß die Weibchen, und nicht die Männchen, häufig von den Eingebornen zum Kämpfen gehalten werden wie Kampfhähne. Wie von englischen Vogelfängern männliche Vögel in der Nähe einer Falle als Lockvögel aufgestellt werden, um andere Männchen durch Erregung ihrer Eifersucht zu fangen, so werden in Indien die Weibchen dieser Turnix hierzu verwandt. Sind die Weibchen in dieser Weise aufgestellt, so beginnen sie sehr bald »ihren lauten schnurrenden Lockruf ertönen zu lassen, welcher eine bedeutende Entfernung weit gehört werden kann, und alle Weibchen im Bereich der Hörbarkeit dieses Rufes laufen eiligst nach der Stelle hin und beginnen mit dem gefangenen Vogel zu kämpfen«. Auf diese Weise können zwölf bis zwanzig Vögel, sämmtlich brütende Weibchen, im Laufe eines einzigen Tages gefangen werden. Die Eingeborenen behaupten, daß die Weibchen, nachdem sie die Eier gelegt haben, sich in Herden versammeln und es den Männchen überlassen, die Eier auszubrüten. Es ist kein Grund vorhanden, diese Behauptungen zu bezweifeln, welche durch einige von Mr. Swinhoe in China gemachte Beobachtungen unterstützt werden.Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 596. Mr. Swinhoe in: Ibis. 1865, p. 542; 1866, p. 131, 405. Mr. Blyth glaubt, daß die Jungen beider Geschlechter den erwachsenen Männchen ähnlich sind.

Fig. 62. Rhynchaea capensis. (Aus Brehm, Thierleben.)

Die Weibchen der drei Arten von Goldschnepfen (Rhynchaea, Fig. 62) »sind nicht größer, aber viel reicher gefärbt als die Männchen«.Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 677. Bei allen übrigen Vögeln, bei welchen die Luftröhre ihrer Structur nach in den beiden Geschlechtern verschieden ist, ist sie bei den Männchen entwickelter und complicierter als bei den Weibchen; aber bei der Rhynchaea australis ist sie beim Männchen einfach, während sie beim Weibchen vier besondere Windungen beschreibt, ehe sie in die Lungen eintritt.Gould's Handbook to the Birds of Australia. Vol. II, p. 275. Es hat daher das Weibchen dieser Species einen eminent männlichen Charakter erhalten. Mr. Blyth hat durch Untersuchung vieler Exemplare ermittelt, daß bei Rh. bengalensis, welche Species der Rh. australis so ähnlich ist, daß sie, ausgenommen durch ihre kürzeren Zehen, kaum von ihr unterschieden werden kann, die Luftröhre in keinem der beiden Geschlechter gewunden ist. Diese Thatsache bietet ein weiteres auffallendes Beispiel für das Gesetz dar, daß secundäre Sexualcharaktere oft bei nahe verwandten Formen weit von einander verschieden sind, obschon es ein sehr seltener Umstand ist, wenn sich derartige Verschiedenheiten auf das weibliche Geschlecht beziehen. Es wird angegeben, daß die Jungen beider Geschlechter von Rh. bengalensis in ihrem ersten Gefieder den erwachsenen Männchen ähnlich sind.The Indian Field, Sept. 1858, p. 3. Es ist auch Grund zur Annahme vorhanden, daß das Männchen die Pflicht des Ausbrütens auf sich nimmt; denn Mr. SwinhoeIbis. 1886, p. 298. fand die Weibchen vor Ende des Sommers zu Herden versammelt, wie es mit den Weibchen von Turnix vorkommt.

Die Weibchen von Phalaropus fulicarius und Ph. hyperboreus sind größer und in ihrem Sommergefieder »lebhafter in ihrer Erscheinung als die Männchen«. Doch ist die Verschiedenheit in der Farbe zwischen den Geschlechtern durchaus nicht augenfällig. Nur das Männchen von Ph. fulicarius übernimmt nach Professor Steenstrup die Verpflichtung des Brütens, wie es sich auch durch den Zustand seiner Brustfedern während der Brütezeit ergiebt. Das Weibchen des Morinell-Regenpfeifers (Eudromias morinellus) ist größer als das Männchen, und die rothen und schwarzen Farbentöne auf der unteren Fläche, der weiße halbmondförmige Fleck auf der Brust und die Streifen oberhalb der Augen sind bei ihm stärker ausgesprochen. Auch nimmt das Weibchen wenigstens am Ausbrüten der Eier Theil; aber auch das Weibchen sorgt für die Jungen.In Bezug auf diese verschiedenen Angaben s. Gould, Birds of Great Britain. Professor Newton theilt mir mit, er sei nach seinen eigenen Beobachtungen wie nach denen Anderer schon lange überzeugt gewesen, daß die Männchen der oben genannten Species entweder zum Theil oder vollständig die Pflicht der Bebrütung auf sich nehmen und daß sie im Falle einer Gefahr eine viel »größere Hingabe an ihre Jungen zeigen, als es die Weibchen thun«. So ist es auch, wie er mir mittheilt, mit der Limosa lapponica und einigen wenigen andern Watvögeln der Fall, bei welchen die Weibchen größer sind und viel schärfer contrastierende Farben besitzen als die Männchen. Ich bin nicht im Stande gewesen, zu ermitteln, ob bei diesen Arten die Jungen den erwachsenen Männchen in bedeutenderem Grade ähnlich sind als den erwachsenen Weibchen; denn die Vergleichung ist wegen der doppelten Mauserung etwas schwierig anzustellen.

Wenden wir uns nun zu der Ordnung der Strauße: Jedermann würde das Männchen des gemeinen Casuars (Casuarius galeatus) für das Weibchen zu halten geneigt sein, da es kleiner ist und die Anhänge und die nackten Hautstellen am Kopfe viel weniger hell gefärbt sind; auch hat mir Mr. Bartlett mitgetheilt, daß es im zoologischen Garten sicher allein das Männchen ist, welches auf den Eiern sitzt und die Sorge um die Jungen übernimmt.Die Eingeborenen von Ceram behaupten (Wallace, Malay Archipelago, Vol. II, p. 150), daß das Männchen und das Weibchen abwechselnd auf den Eiern sitzen; diese Angabe ist aber, wie Mr. Bartlett glaubt, so zu erklären, daß das Weibchen das Nest besucht, um seine Eier abzulegen. Mr. T. W. Wood giebt an,The Student, April, 1870, p.124. daß das Weibchen während der Paarungszeit von außerordentlich kampfsüchtiger Disposition ist; seine Fleischlappen werden dann vergrößert und glänzender gefärbt. Ferner ist das Weibchen von einem der Emus (Dromaeus irroratus) beträchtlich größer als das Männchen und besitzt einen unbedeutenden Federbusch, ist aber in anderer Weise im Gefieder nicht zu unterscheiden. Allem Anscheine nach besitzt es indessen, »wenn es geärgert oder sonstwie gereizt wird, stärker das Vermögen, wie ein Truthahn die Federn an seinem Halse und seiner Brust aufzurichten. Es ist gewöhnlich muthiger und zanksüchtiger. Es stößt einen tiefen, hohlen, gutturalen Ton aus, besonders zur Nachtzeit, welcher wie ein kleiner Gong klingt. Das Männchen hat einen schlankeren Bau und ist gelehriger, hat auch keine Stimme außer einem unterdrückten Zischen oder Knurren, wenn es ärgerlich ist«. Es übt nicht nur die gesammten Pflichten der Brütung aus, sondern hat auch die Jungen gegen ihre Mutter zu vertheidigen; »denn sobald diese ihre Nachkommenschaft erblickt, wird sie heftig erregt und scheint trotz des Widerstandes des Vaters ihre äußerste Kraft anzustrengen, sie zu zerstören. Monate lang nachher ist es nicht gerathen, die Eltern zusammenzubringen, heftige Kämpfe sind das unvermeidliche Resultat, aus denen meist das Weibchen als Sieger hervorgeht«.s. die ausgezeichnete Beschreibung der Lebensweise dieses Vogels in der Gefangenschaft von Mr. A. W. Bennett in: Land and Water, May 1868, p. 233. Wir haben daher bei diesem Emu eine vollständige Umkehrung nicht bloß der elterlichen und Brüte-Instincte, sondern auch der gewöhnlichen moralischen Eigenschaften der beiden Geschlechter; die Weibchen sind wild, zanksüchtig und lärmend, die Männchen sanft und gut. Beim afrikanischen Strauß verhält sich der Fall sehr verschieden, denn hier ist das Männchen etwas größer als das Weibchen und hat schönere Schmuckfedern mit schärfer contrastierenden Farben; nichtsdestoweniger übernimmt dasselbe vollständig die Pflicht des Brütens.Sclater, Über das Brüten der straußartigen Vögel, in: Proceed. Zoolog. Soc., June 9., 1863. Dasselbe ist bei der Rhea Darwinii der Fall: Capt. Musters sagt (At home with the Patagonians, 1871, p. 128): daß das Männchen größer, stärker und schneller ist als das Weibchen und von einer unbedeutend dunkleren Färbung; doch nimmt es allein die Sorge um die Eier und um die Jungen auf sich, genau so wie es die gewöhnliche Species von Rhea thut.

Ich will noch die andern wenigen mir bekannten Fälle anführen, wo das Weibchen augenfälliger gefärbt ist als das Männchen, obschon über ihre Art des Brütens nichts bekannt ist. Bei dem Geierbussard der Falkland-Inseln (Milvago leucurus) war ich sehr überrascht, bei der Zergliederung zu finden, daß die Individuen, welche stärker ausgesprochene Färbungen zeigten und deren Wachshaut und Beine orange gefärbt waren, die erwachsenen Weibchen waren, während diejenigen mit trüberem Gefieder und grauen Beinen die Männchen oder die Jungen waren. Bei einem australischen Baumläufer (Climacteris erythrops) weicht das Weibchen darin vom Männchen ab, daß es »mit schönen strahlenförmigen röthlichen Zeichnungen an der Kehle geschmückt ist, während beim Männchen diese Theile völlig gleichfarbig sind«. Endlich übertrifft bei einem australischen Ziegenmelker »das Weibchen immer das Männchen an Größe und an dem Glanze der Färbung; andererseits haben die Männchen zwei weiße Flecke auf den Schwingen erster Ordnung augenfälliger entwickelt als die Weibchen«.In Bezug auf den Milvago s. Zoology of the Voyage of the »Beagle«, Birds, 1841, p. 16. Wegen der Climacteris und des Ziegenmelkers (Eurostopodus) s. Gould, Handbook to the Birds of Australia, Vol. I, p. 602 und 697. Die neuseeländische Brand-Ente (Tadorna variegata) bietet einen völlig anomalen Fall dar; der Kopf des Weibchens ist rein weiß und sein Rücken ist röther als der des Männchens; der Kopf des Männchens ist von einer kräftigen dunkelbronzenen Farbe und sein Rücken ist mit schön gestrichelten schieferfarbigen Federn bedeckt, so daß es durchaus als das Schönere von den beiden betrachtet werden kann. Es ist größer und kampfsüchtiger als das Weibchen und sitzt nicht auf den Eiern. Es fällt daher diese Species in allen diesen Beziehungen unter unsere erste Classe von Fällen. Mr. Sclater war aber sehr überrascht, zu beobachten (Proceed. Zoolog. Soc. 1866, p. 150), daß die Jungen beider Geschlechter, wenn sie ungefähr drei Monate alt sind, in ihren dunklen Köpfen und Hälsen den erwachsenen Männchen ähnlich sind, statt es den erwachsenen Weibchen zu sein; so daß es in diesem Falle scheinen möchte, als wären die Weibchen modificiert worden, während die Männchen und Jungen einen früheren Zustand des Gefieders behalten haben.

Wir sehen hieraus, daß die Fälle, in denen die weiblichen Vögel auffallender gefärbt sind als die Männchen und wo die Jungen in ihrem unreifen Gefieder den erwachsenen Männchen, anstatt wie in der vorhergehenden Classe den erwachsenen Weibchen, gleichen, nicht zahlreich sind, obschon sie sich auf verschiedene Ordnungen vertheilen. Auch ist die Größe der Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern unvergleichlich geringer, als wie sie häufig in der ersten Classe auftritt, so daß die Ursache der Verschiedenheit, was dieselbe auch gewesen sein mag, in der gegenwärtigen Classe weniger energisch oder weniger ausdauernd auf die Weibchen eingewirkt hat, als in der ersten Classe auf die Männchen. Mr. Wallace glaubt, daß die Färbungen der Männchen zum Zwecke des Schutzes während der Bebrütungszeit weniger augenfällig geworden sind; die Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern scheint aber bei kaum einem der vorstehend erwähnten Fälle hinreichend groß zu sein, um diese Ansicht mit Sicherheit annehmen zu können. In einigen dieser Fälle sind die helleren Farbentöne des Weibchens beinahe ganz auf die untere Körperfläche beschränkt, und wenn die Männchen in dieser Weise gefärbt wären, so würden sie während des Sitzens auf den Eiern keiner Gefahr ausgesetzt gewesen sein. Man muß auch im Auge behalten, daß die Männchen nicht bloß in einem unbedeutenden Grade weniger auffallend gefärbt sind als die Weibchen, sondern auch von geringerer Größe sind und weniger Kraft haben. Sie haben überdies nicht bloß den mütterlichen Instinct des Brütens erlangt, sondern sind auch weniger kampflustig und laut als die Weibchen und haben in einem Falle auch einfachere Stimmorgane. Es ist also eine beinahe vollständige Vertauschung der Instincte, Gewohnheiten, Disposition, Farbe, Größe und einiger Structureigenthümlichkeiten zwischen den beiden Geschlechtern eingetreten.

Wenn wir nun annehmen können, daß die Männchen in der vorliegenden Classe etwas von jener Begierde verloren haben, welche ihrem Geschlechte sonst eigen ist, so daß sie nun nicht länger mehr die Weibchen eifrig aufsuchen; oder wenn wir annehmen können, daß die Weibchen viel zahlreicher geworden sind als die Männchen – und in Bezug auf eine indische Art von Turnix wird angegeben, daß man »die Weibchen viel gewöhnlicher trifft als die Männchen«Jerdon, Birds of India. Vol. III, p. 598. – dann ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Weibchen dazu gebracht wurden, den Männchen den Hof zu machen, anstatt von diesen umworben zu werden. Dies ist in der That in einem gewissen Maße bei einigen Vögeln der Fall, wie wir es bei der Pfauhenne, dem wilden Truthuhn und gewissen Arten von Waldhühnern gesehen haben. Nehmen wir die Gewohnheiten der meisten männlichen Vögel als Maßstab der Beurtheilung, so muß die bedeutendere Größe und Kraft und die außerordentliche Kampfsucht der Weibchen der Turnix und der Emus die Bedeutung haben, daß sie versuchen, rivalisierende Weibchen fortzutreiben, um in den Besitz des Männchens zu gelangen; und nach dieser Ansicht werden alle Thatsachen verständlich; denn die Männchen werden wahrscheinlich von denjenigen Weibchen bezaubert oder gereizt werden, welche für sie durch ihre helleren Farben, andere Zierathen oder Stimmkräfte die anziehendsten waren. Dann würde nun bald auch geschlechtliche Zuchtwahl ihr Werk verrichten und stetig die Anziehungsreize der Weibchen vermehren, während die Männchen und die Jungen durchaus gar nicht oder nur wenig modificiert werden.


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