Charles Darwin
Die Abstammung des Menschen
Charles Darwin

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Reptilien.

Chelonia oder Schildkröten. – Meer- und Landschildkröten bieten keine gut ausgesprochenen geschlechtlichen Verschiedenheiten dar. Bei manchen Species ist der Schwanz des Männchens länger als der des Weibchens. Bei manchen ist das Plastron oder die untere Hälfte des Knochenpanzers beim Männchen unbedeutend concav in Beziehung zu dem Rücken des Weibchens. Das Männchen der Schlammschildkröte der Vereinigten Staaten (Chrysemys picta) hat an seinen Vorderfüßen Krallen, welche zweimal so lang sind, wie diejenigen des Weibchens, und diese werden gebraucht, wenn sich die Geschlechter verbinden.C. J. Maynard in: The American Naturalist, Dec. 1869, p. 555. Bei den ungeheuren Schildkröten der Galapagos-Inseln (Testudo nigra) sollen, wie man sagt, die Männchen zu einer bedeutenderen Größe heranwachsen als die Weibchen. Während der Paarungszeit und zu keiner anderen bringt das Männchen ein heiseres, blasendes Geräusch hervor, welches in einer Entfernung von mehr als hundert Yards gehört werden kann; das Weibchen dagegen braucht seine Stimme niemals.s. meine »Reise eines Naturforschers« (übers. von V. Carus), p. 441.

Von der Testudo elegans von Indien sagt man, »daß die Kämpfe der Männchen aus ziemlicher Entfernung gehört werden können, in Folge des Lärms, den sie beim Stoßen auf einander hervorbringen«.Dr. Günther, Reptiles of British India. 1864, p. 7.

 
Crocodilia. – Die Geschlechter weichen, wie es scheint, in der Farbe nicht von einander ab; ich weiß auch nicht, ob die Männchen mit einander kämpfen, obschon dies wahrscheinlich ist; denn manche Arten führen wunderbare Vorstellungen vor den Weibchen auf. BartramTravels through Carolina etc. 1791, p. 128. beschreibt, daß der männliche Alligator bestrebt ist, sich das Weibchen dadurch zu gewinnen, daß er in der Mitte einer Lagune sich herumtummelt und brüllt. Dabei ist er »in einem Grade geschwollen, daß er dem Platzen nahe ist; seinen Kopf und Schwanz in die Höhe gehoben dreht und treibt er sich auf der Oberfläche des Wassers herum wie ein Indianerhäuptling, der seine Kriegstänze einstudiert«. Während der Paarungszeit geben die Unterkieferdrüsen des Crocodils einen moschusartigen Geruch von sich, der seine Aufenthaltsorte durchzieht.Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I. 1866, p. 615.

 
Ophidia. – Dr. Günther theilt mir mit, daß die Männchen immer kleiner als die Weibchen sind und allgemein längere und schlankere Schwänze haben; er kennt aber keine andere Differenz ihrer äußeren Bildung. Was die Farbe betrifft, so kann Dr. Günther beinahe immer das Männchen vom Weibchen durch seine schärfer hervortretenden Färbungen unterscheiden. So ist das schwarze Zickzackband auf dem Rücken der männlichen ägyptischen Viper deutlicher ausgedrückt als bei der weiblichen. Die Verschiedenheit ist bei den Klapperschlangen von Nord-Amerika noch viel deutlicher, deren Männchen, wie mir der Wärter im zoologischen Garten zeigte, augenblicklich von dem Weibchen dadurch unterschieden werden kann, daß es am ganzen Körper mehr schmutzig-gelb ist. In Süd-Afrika bietet der Bucephalus capensis eine analoge Verschiedenheit dar, »denn das Weibchen ist niemals so voll mit Gelb an den Seiten gefleckt als das Männchen«.Sir Andrew Smith, Zoology of South Africa. Reptilia. 1864, pl. X. Auf der anderen Seite ist das Männchen der indischen Dipsas cynodon schwärzlich braun mit einem zum Theil schwarzen Bauch, während das Weibchen röthlich oder gelblich-olivenfarben ist und einen entweder gleichförmig gelblichen oder mit Schwarz marmorierten Bauch hat. Bei Tragops dispar desselben Landes ist das Männchen hellgrün und das Weibchen broncefarbig.Dr. A. Günther, Reptiles of British India. Ray Society, 1864, p. 304, 308. Ohne Zweifel dienen die Farben einiger Schlangen zum Schutze, wie die grünen Färbungen der Baumschlangen und die verschieden gefleckten Färbungen der Species, welche an sandigen Orten leben. Es ist aber zweifelhaft, ob die Farben vieler Arten, so z. B. der gemeinen englischen Schlange und Viper, dazu dienen, sie zu verbergen; und dies ist noch zweifelhafter bei den vielen ausländischen Arten, welche mit äußerster Eleganz gefärbt sind. Die Färbung gewisser Species ist im erwachsenen und jungen Zustande sehr verschieden.Dr. Stoliczka in: Journ. of Asiat. Soc. of Bengal. Vol. XXXIX. 1870, p. 205, 211.

Während der Paarungszeit sind die analen Riechdrüsen der Schlangen in lebhafter Function;Owen, Anatomy of Vertebrates. Vol. I. 1866, p. 615. dasselbe gilt für die gleichen Drüsen bei den Eidechsen, wie wir es schon für die Unterkieferdrüsen von Crocodilen gesehen haben. Da die Männchen der meisten Thiere die Weibchen aufsuchen, so dienen diese einen riechenden Stoff absondernden Drüsen wahrscheinlich dazu, das Weibchen zu reizen oder zu bezaubern, und zwar hierzu viel eher, als dasselbe nach dem Orte hin zu leiten, wo das Männchen zu finden ist. Trotzdem männliche Schlangen so träg zu sein scheinen, sind sie doch verliebt; denn man hat schon viele Männchen um ein und dasselbe Weibchen herumkriechen sehen, ja selbst um den todten Körper eines Weibchens. Es ist nicht bekannt, daß sie aus Eifersucht mit einander kämpften. Ihre intellectuellen Kräfte sind höher, als sich hätte voraussetzen lassen. In den zoologischen Gärten lernen sie bald, nicht mehr auf die eiserne Stange loszufahren, mit denen ihre Käfige gereinigt werden; Dr. Keen in Philadelphia theilt mir mit, daß einige Schlangen, die er hielt, nach vier oder fünf Malen es lernten, eine Schlinge zu vermeiden, mit der sie zuerst leicht gefangen wurden. Ein ausgezeichneter Beobachter in Ceylon, Mr. E. Layard,Rambles in Ceylon, in: Ann. and Magaz. of Nat. Hist. 2. Ser. Vol. IX. 1852, p. 333. sah eine Cobra ihren Kopf durch eine enge Öffnung stecken und eine Kröte verschlingen. »Mit dieser Last versehen, konnte sie sich nicht wieder zurückziehen. Da sie dies einsah, brach sie mit Bedauern den kostbaren Bissen wieder aus, welcher sich davonzumachen begann. Dies war zu stark für die Philosophie einer Schlange; so wurde denn die Kröte wieder ergriffen, und von Neuem war die Schlange nach heftigen Anstrengungen, sich zurückzuziehen, dazu gezwungen, ihre Beute wieder von sich zu geben. Diesmal hatte sie aber etwas gelernt, und nun wurde die Kröte an den Beinen ergriffen, zurückgezogen und dann im Triumph verschlungen.«

Der Wärter im zoologischen Garten ist der Überzeugung, daß gewisse Schlangen, z. B. Crotalus und Python, ihn von allen anderen Personen unterscheiden. In einem und demselben Käfig zusammengehaltene Cobras scheinen eine gewisse Anhänglichkeit für einander zu fühlen.Dr. Günther, Reptiles of British India. 1864, p. 340.

Es scheint indessen daraus, daß die Schlangen ein gewisses Vermögen der Überlegung, lebendige Leidenschaften und gegenseitige Anhänglichkeit besitzen, nicht zu folgen, daß sie auch mit hinreichendem Geschmacke begabt sein sollten, brillante Färbungen bei ihren Genossen in einer Weise zu bewundern, daß hierdurch die Species mittelst geschlechtlicher Zuchtwahl verschönt worden sein könnte. Trotzdem ist es schwierig, auf irgend eine andere Weise die außerordentliche Schönheit gewisser Species zu erklären, z. B. die der Corallenschlangen von Amerika, welche intensiv roth sind, mit schwarzen und gelben Querbändern. Ich erinnere mich noch sehr wohl, wie überrascht ich war, als ich die Schönheit der ersten Corallenschlange vor mir hatte, welche ich quer über einen Pfad in Brasilien gleiten sah. Schlangen, in dieser eigentümlichen Weise gefärbt, werden, wie Mr. Wallace auf die Autorität von Dr. Günther gestützt angiebt,Westminster Review, 1. July, 1867, p. 196. nirgends anders auf der ganzen Erde als in Süd-Amerika gefunden, und hier kommen nicht weniger als vier Gattungen vor. Eine von diesen ist giftig (Elaps), bei einer zweiten und weit davon verschiedenen Gattung ist es zweifelhaft, ob sie giftig ist, und die beiden anderen sind vollständig harmlos. Die zu diesen verschiedenen Gattungen gehörigen Arten bewohnen dieselben Bezirke und sind einander so ähnlich, daß Niemand »als ein Naturforscher die harmlosen von den giftigen Arten unterscheiden kann«. Es haben daher, wie Mr. Wallace glaubt, die unschädlichen Arten ihre Farben als ein Schutzmittel nach dem Principe der Nachäffung erhalten, denn ihre Feinde werden sie dieses Umstandes wegen für gefährlich halten. Indessen bleibt die Ursache der glänzenden Farben der giftigen Elaps hiernach unerklärt; man könnte sie vielleicht aus geschlechtlicher Zuchtwahl erklären.

Schlangen bringen noch andere Laute außer dem Zischen hervor. Die giftige Echis carinata hat an ihren Seiten einige schräge Reihen von Schuppen einer eigenthümlichen Structur mit gesägten Rändern. Wenn diese Schlange gereizt wird, werden diese Schuppen gegen einander gerieben, was »einen merkwürdigen, ausgezogenen, beinahe zischenden Laut hervorbringt«.Dr. Anderson in: Proceed. Zoolog. Soc. 1871, p. 196. In Bezug auf das Klappern der Klapperschlangen haben wir endlich etwas bestimmtere Mittheilungen erhalten. Professor Aughey giebt an,The American Naturalist. 1873, p. 85. daß er, während er selbst nicht gesehen wurde, bei zwei Gelegenheiten aus einer geringen Entfernung eine Klapperschlange beobachtet habe, welche aufgerollt und mit erhobenem Kopfe mit kurzen Unterbrechungen eine halbe Stunde lang klapperte; endlich sah er eine andere Schlange sich nähern, und sobald sie sich gefunden hatten, begatteten sie sich. Er ist daher überzeugt, daß einer der Zwecke der Klapper der ist, die Geschlechter zusammenzubringen. Unglücklicherweise hat er nicht ermittelt, ob es das Männchen oder das Weibchen war, welches an einem Orte blieb und das andere rief. Aus den obigen Thatsachen folgt aber durchaus nicht, daß die Klapper nicht noch auf andere Weise für diese Schlangen von Nutzen ist, als Warnung für Thiere, welche sie sonst angreifen würden. Auch kann ich mich den verschiedenen mitgetheilten Berichten gegenüber nicht ganz ungläubig verhalten, wonach sie damit ihre Beute mit Furcht paralysieren. Einige andere Schlangen machen gleichfalls ein deutliches Geräusch, wenn sie ihren Schwanz schnell gegen die umgebenden Pflanzenstengel schwingen. Ich habe dies selbst bei einem Trigonocephalus in Süd-Amerika gehört.

 
Lacertilia. – Die Männchen von manchen und wahrscheinlich von vielen Arten von Eidechsen kämpfen aus Eifersucht mit einander. So ist der auf Bäumen lebende Anolis cristatellus von Süd-Amerika außerordentlich kampflustig. »Während des Frühjahrs und des ersten Theils des Sommers begegnen sich nur selten zwei Männchen, ohne in einen Kampf zu gerathen. Wenn sie einander zuerst erblicken, so nicken sie drei oder vier Mal mit ihrem Kopfe auf und nieder und breiten zu derselben Zeit den Kragen oder die Tasche unterhalb ihrer Kehle aus. Ihre Augen glänzen vor Wuth und nachdem sie ihre Schwänze einige Secunden lang hin und her geschwungen haben, als wollten sie sich Energie sammeln, stürzen sie wüthend auf einander los, rollen sich kopfüber über einander und halten sich mit ihren Zähnen fest. Der Kampf endet meist damit, daß einer der Kämpfer seinen Schwanz verliert, welcher dann häufig von dem Sieger verzehrt wird.« Das Männchen dieser Species ist beträchtlich größer als das Weibchen,Mr. N. L. Austen hat diese Thiere lange Zeit lebendig gehalten. s. Land and Water, July, 1867, p. 9. und soweit Dr. Günther im Stande gewesen ist, es nachzuweisen, ist dies bei Eidechsen aller Arten die allgemeine Regel. Bei Cyrtodactylus rubidus der Andaman-Inseln besitzen nur die Männchen praeanale Poren; und nach Analogie zu schließen, dienen dieselben dazu, einen Geruch auszusenden.Stoliczka in: Journal of Asiatic Soc. of Bengal. Vol. XXXIV. 1870, p. 166.

Die Geschlechter weichen oft bedeutend in verschiedenen äußeren Merkmalen von einander ab. Das Männchen des obenerwähnten Anolis ist mit einem Kamme versehen, welcher dem Rücken und Schwanze entlang läuft und nach Belieben aufgerichtet werden kann; aber das Weibchen zeigt von diesem Kamme auch nicht eine Spur. Bei der indischen Cophotis ceylanica besitzt das Weibchen einen Rückenkamm, doch viel weniger entwickelt als beim Männchen, und dasselbe ist, wie mir Dr. Günther mittheilt, bei den Weibchen vieler Iguana, Chamaeleon und anderer Eidechsen der Fall. Bei einigen Species ist indessen der Kamm in beiden Geschlechtern gleichmäßig entwickelt, so bei der Iguana tuberculata. Bei der Gattung Sitana sind allein die Männchen mit einer großen Kehltasche (Fig. 33) versehen, welche wie ein Fächer auseinandergefaltet werden kann und blauschwarz und roth gefärbt ist. Diese glänzenden Farben bietet dieselben aber nur während der Paarungszeit dar. Das Weibchen besitzt auch nicht ein Rudiment dieses Anhangs. Bei Anolis cristatellus ist der Angabe von Mr. Austen zufolge der Kehlsack, wenn auch in einem rudimentären Zustande, beim Weibchen vorhanden und hellroth mit Gelb marmoriert. Ferner sind bei gewissen andern Eidechsen beide Geschlechter in gleicher Weise mit Kehlsäcken versehen. Hier sehen wir, wie in vielen früher erörterten Fällen, bei Species, welche zu derselben Gruppe gehören, einen und denselben Charakter entweder auf die Männchen beschränkt oder bei den Männchen bedeutender entwickelt als bei den Weibchen, oder auch in beiden Geschlechtern gleichmäßig entwickelt. Die kleinen Eidechsen der Gattung Draco, welche auf ihrem von Rippen unterstützten Fallschirm durch die Luft gleiten und welche in Bezug auf die Schönheit ihrer Färbung jeder Beschreibung spotten, sind mit Hautanhängen an ihren Kehlen versehen, »ähnlich den Fleischlappen der hühnerartigen Vögel«. Diese werden aufgerichtet, wenn das Thier gereizt wird. Sie kommen in beiden Geschlechtern vor, sind aber am besten bei dem Männchen entwickelt, wenn es zur Reife gelangt, in welchem Alter der mittlere Anhang zuweilen zweimal so lang wie der Kopf wird. Die meisten dieser Species haben gleichfalls einen niedrigen Kamm dem Rücken entlang laufend, und dieser ist bei den völlig erwachsenen Männchen viel mehr entwickelt als bei den Weibchen oder jungen Männchen.Alle diese Angaben und Citate in Bezug auf Cophotis, Sitana und Draco, ebenso die folgenden Thatsachen in Bezug auf Ceratophora und Chamaeleon rühren entweder von Dr. Günther selbst her oder sind seinem prachtvollen Werke »Reptiles of British India«, Ray Society, 1864, p. 122, 130, 135, entnommen.

Fig. 33 Sitana minor. Männchen mit entfaltetem Kehlsacke. (nach Günther's Reptiles of India.)

Eine chinesische Art soll während des Frühlings paarweise leben; »wenn eine gefangen wird, fällt die andere vom Baume herab und läßt sich ungestraft fangen« – ich vermuthe aus Verzweiflung.Swinhoe, Proceed. Zoolog. Soc. 1870, p. 240.

Es sind noch andere und viel merkwürdigere Verschiedenheiten zwischen den Geschlechtern gewisser Eidechsen vorhanden. Das Männchen von Ceratophora aspera trägt an der Spitze seiner Schnauze einen Anhang, der halb so lang wie der Kopf ist. Er ist cylindrisch, mit Schuppen bedeckt, biegsam und wie es scheint einer Erection fähig; beim Weibchen ist er vollständig rudimentär. Bei einer zweiten Species der nämlichen Gattung bildet eine endständige Schuppe ein kleines Horn auf der Spitze des biegsamen Anhangs, und bei einer dritten Species (C. Stoddartii, Fig. 34) ist der ganze Anhang in ein Horn umgewandelt, welches gewöhnlich von weißer Farbe ist, aber wenn das Thier gereizt wird, eine purpurähnliche Färbung erlangt. Beim erwachsenen Männchen dieser letzteren Species ist das Horn einen halben Zoll lang; dagegen beim Weibchen und den Jungen ist es von einer äußerst geringen Größe. Dieser Anhang läßt sich, wie Dr. Günther gegen mich bemerkt hat, mit den Kämmen hühnerartiger Vögel vergleichen und dient, wie es den Anschein hat, zur Zierath.

Fig. 34. Ceratophora Stoddartii. Figur links das Männchen, Figur rechts das Weibchen.

Fig. 35. Chamaeleon bifurcus. Obere Figur das Männchen, untere Figur das Weibchen.

Bei der Gattung Chamaeleon kommen wir zu dem höchsten Grade von Verschiedenheit zwischen den Geschlechtern. Der obere Theil des Schädels des männlichen Chamaeleon bifurcus (Fig. 35), eines Bewohners von Madagascar, ist in zwei große solide knöcherne Vorsprünge ausgezogen, welche mit Schuppen bedeckt sind wie der übrige Kopf, und von dieser wunderbaren Modification der Bildung besitzt das Weibchen nur ein Rudiment. Ferner trägt bei Chamaeleon Owenii (Fig. 36), von der Westküste von Afrika, das Männchen an seiner Schnauze und dem Vorderkopfe drei merkwürdige Hörner, von denen das Weibchen nicht eine Spur hat. Diese Hörner bestehen aus einem Knochenauswuchse, welcher mit einer glatten, einen Theil der allgemeinen Körperbedeckungen bildenden Scheide überzogen ist, so daß sie ihrer Structur nach identisch mit den Hörnern eines Ochsen, einer Ziege oder anderer scheidenhörniger Wiederkäuer sind. Obgleich diese drei Hörner in ihrer Erscheinung so bedeutend von den beiden großen Verlängerungen des Schädels bei Chamaeleon bifurcus verschieden sind, so läßt sich doch kaum zweifeln, daß sie in der Lebensgeschichte dieser beiden Thiere demselben allgemeinen Zwecke dienen. Die erste Vermuthung, welche wohl einem Jeden entgegentreten wird, ist, daß sie von den Männchen, wenn sie mit einander kämpfen, benutzt werden; und da diese Thiere sehr streitsüchtig sind,Dr. Buchholz in: Monatsberichte d. K. Preuß. Acad. Jan. 1874, p. 78. ist diese Ansicht wahrscheinlich die richtige. T. W. Wood theilt mir auch mit, daß er einmal zwei Individuen von Chamaeleon pumilus auf dem Aste eines Baumes heftig mit einander kämpfen gesehen habe; sie schwangen ihre Köpfe herum und suchten einander zu beißen; dann ruhten sie für eine Weile und nahmen später den Kampf wieder auf.

Fig. 36. Chamaeleon Owenii. Figur links das Männchen, Figur rechts das Weibchen.

Bei vielen Arten von Eidechsen weichen die Geschlechter unbedeutend in der Farbe, den Schattierungen und Streifen von einander ab, welche bei den Männchen heller und deutlicher abgegrenzt sind als bei den Weibchen. Dies ist z. B. mit den vorhin erwähnten Cophotis und dem Acanthodactylus capensis von Süd-Afrika der Fall. Bei einem Cordylus des letzterwähnten Landes ist das Männchen entweder viel röther oder viel grüner als das Weibchen. Bei den indischen Calotes nigrilabris besteht eine größere Verschiedenheit in der Farbe zwischen den Geschlechtern, auch sind die Lippen des Männchens schwarz, während die des Weibchens grün sind. Bei unserer kleinen gemeinen, lebendig gebärenden Eidechse (Zootoca vivipara) ist »die untere Seite des Körpers und die Basis des Schwanzes beim Männchen hell orange mit Schwarz gefleckt; beim Weibchen sind diese Theile blaß-gräulich-grün ohne Flecke«.Bell, History of British Reptiles. 2. ed. 1849, p. 40. Wir haben gesehen, daß allein die Männchen bei Sitana einen Kehlsack besitzen, und dieser ist in einer glänzenden Weise mit Schwarz, Blauschwarz und Roth gefärbt. Bei dem Proctotretus tenuis von Chile ist nur das Männchen mit Flecken von Blaugrün und Kupfrigroth gezeichnet.In Bezug auf Proctotretus s. Zoology of the Voyage of the »Beagle«. Reptiles by Mr. Bell, p. 8. Wegen der Eidechsen von Süd-Afrika s. Zoology of South Africa: Reptiles by Sir Andrew Smith, pl. 26 und 39. Wegen des indischen Calotes s. Günther, Reptiles of British India, p. 143. In vielen Fällen behalten die Männchen die nämlichen Farben durch das ganze Jahr, in anderen aber werden sie während der Paarungszeit viel heller; als ein weiteres Beispiel will ich noch den Calotes maria anführen, welcher in dieser Zeit einen hellrothen Kopf hat, während der übrige Körper grün ist.Günther in: Proceed. Zoolog. Soc. 1870, mit einer colorierten Abbildung.

Bei vielen Species sind beide Geschlechter vollständig gleich schön gefärbt, und es ist kein Grund zu der Vermuthung vorhanden, daß solche Färbungen zum Schutze dienen. Bei den hellgrünen Arten, welche mitten in der Vegetation leben, dienen zwar diese Farben ohne Zweifel zum Verbergen; im nördlichen Patagonien sah ich eine Eidechse (Proctotretus multimaculatus), welche, wenn sie erschreckt wurde, ihren Körper platt machte, die Augen schloß und dann wegen ihrer fleckigen Färbung kaum von dem umgebenden Sande zu unterscheiden war. Die glänzenden Farben aber, mit denen so viele Eidechsen geschmückt sind, ebenso auch die verschiedenen merkwürdigen Anhänge werden wahrscheinlich von den Männchen als Anziehungsmittel erlangt und dann entweder allein auf die männlichen Nachkommen oder auf beide Geschlechter überliefert. In der That scheint geschlechtliche Zuchtwahl bei Reptilien eine fast ebenso bedeutungsvolle Rolle gespielt zu haben wie bei Vögeln. Die weniger auffallenden Färbungen der Weibchen im Vergleich mit denen der Männchen können, wie es Mr. Wallace bei Vögeln thun zu können glaubt, nicht dadurch erklärt werden, daß die Weibchen während der Brütezeit Gefahren ausgesetzt sind.

 


 


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