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Einundzwanzigstes Kapitel

Ein Neger, dessen Gesicht wie poliert glänzte, erschien auf ein Klingelzeichen und brachte Gläser, worin Eisstücke klirrten und Wasser. Onslow und Miß Kildare tranken gierig und sanken dann wieder in ihre Rohrstühle zurück. Die schwüle Hitze war furchtbar. Nicht ein Hauch von Wind, weder von der See noch vom Lande her, und wenn man die lange Linie der Veranda entlang blickte, sah man die andern Bewohner des Gasthauses, die Männer fluchend und sich den Schweiß abwischend, die Damen mit geschlossenen Augen und matt ihre Fächer bewegend, und oben knisterten und raschelten die Schindeln des Daches in der glühenden Hitze, als ob sie lebendig wären.

Der Abend kam, und die Glocke rief zur Hauptmahlzeit, aber niemand ging hinein. Die hölzernen Wände des Gasthauses, die durch die tropische Sonne eines Monats vollständig durchglüht waren, machten den Aufenthalt in den Zimmern unerträglich. Die Leute blieben also, wo sie waren, in der heißen, schwülen Dunkelheit und blinzelten bei dem Wetterleuchten, das von Zeit zu Zeit am schwarzen Himmel vor ihnen aufflammte.

»Ich kann's nicht mehr aushalten,« stöhnte Miß Kildare.

»Du mußt,« antwortete Onslow matt, »wenn du nicht vorziehst, hinunter an den Strand zu gehen und dich angekleidet ins Wasser zu setzen.«

»Das wäre wenigstens eine kleine Erleichterung, obgleich das Wasser so warm ist wie Thee. Aber das werde ich lieber nicht thun, ich ziehe es vor, auf der Brücke in die See hinaus zu gehen. Vielleicht falle ich, wenn ich halbwegs bin, in Ohnmacht, stürze ins Wasser und ertrinke, aber das ist jedenfalls besser, als hier zu bleiben und sich langsam zu Tode kochen zu lassen.«

Sie erhoben sich und schlenderten langsam über den trockenen weißen Sand und dann etwas lebhafter über den morschen Belag der Brücke. Die Dunkelheit, die sie zwischen den einzelnen Blitzen umgab, glich der einer Höhle. Nur unten im Wasser, an den Pfählen der Brücke, zeigten sich phosphoreszierende Streifen, und diese dienten ihnen als Führer, daß sie den Rand der Planken nicht überschritten.

»Du solltest bei dieser Hitze nicht hier im Süden bleiben,« sprach Onslow, als sie Hand in Hand über die schmale Brücke schritten. »Du verlierst deine gesunde Farbe und deine Schönheit.«

Keine Antwort erfolgte, und Onslow sprach auch nicht mehr, sondern ging gedankenvoll weiter.

»Du bist jetzt volle neun Tage hier, Pat,« begann das junge Mädchen endlich wieder, als sie eine halbe Meile gewandert waren.

»Unmöglich; und doch, du hast recht. Neun Tage! Wie rasch sie hingegangen sind! Was haben wir die ganze Zeit getrieben? Wir haben geplaudert und manchmal selbst das nicht. Du und ich, Kleine, kennen uns genug, daß wir einander gute Gesellschaft sind, auch wenn wir nicht unaufhörlich plappern; wir haben uns ja immer gekannt. Aber neun ausgeschlagene Tage! Ich hatte keine Vorstellung davon, bis du es aussprachst. Es war eine schöne Zeit der Erholung.«

»Das scheinst du gefunden zu haben. Du bist die ganze Zeit hier gewesen, und weißt du wohl, daß du dich nicht einmal ein Dutzend Meilen von hier entfernt hast?«

Mrs. Duvernays Wohnsitz lag fünfzehn Meilen entfernt, und Onslow fühlte, was Elsie meinte.

»Nein,« entgegnete er, »dazu hatte ich keine Zeit; du und ich hatten einander zu viel zu erzählen, Elsie.«

»Wir sind immer sehr gute Freunde gewesen,« sprach das junge Mädchen und wollte noch etwas hinzufügen, aber ihre Worte gingen in einem furchtbaren Donnerschlag unter, der plötzlich, unerwartet, ohne warnende Anzeichen losbrach.

»Das war dicht über unsern Köpfen,« bemerkte Onslow, »und es wird noch mehr kommen. Wenn's anfängt, zu regnen, dann gibt's eine Sintflut, oder wir haben noch etwas andres zu erwarten. Laß uns lieber umkehren, Elsie!«

»Bei dieser Hitze wäre ein ordentliches Schauerbad geradezu Wollust, aber ich fürchte, es steht uns etwas andres bevor. O, Pat, da ist es schon. Laufe oder es überholt uns.«

Mit einem unheimlichen Stöhnen, Rauschen und Heulen fuhr der Sturm über die Baumwipfel und überfiel die beiden gleich mit einer orkanartigen Gewalt, der kein Mensch widerstehen, konnte. Der Wind traf sie mit solcher Wucht, daß sie sich nicht auf den Füßen zu erhalten vermochten. Sie fielen auf die Brücke, aber selbst in dieser Lage mußten sie sich mit den Fingern in die Spalten zwischen den Planken krallen, wenn sie nicht weggerissen werden wollten. Ein Hagel von Sand, Blättern und Zweigen schlug gegen ihre Köpfe, und die Joche der gebrechlichen Brücke schwankten unter ihnen.

»Wir müssen suchen, ans Ufer zu gelangen,« schrie Onslow seiner Gefährtin ins Ohr. »Dies wackelige Ding wird bald zusammenstürzen.«

»Gut, vorwärts!« kam die Antwort in entschlossenem Tone; und dann begannen sie, mit den Händen Planke um Planke vorwärts greifend, dem Lande zuzukriechen. Das junge Mädchen war kräftig und daran gewöhnt, ihre Muskeln zu gebrauchen, aber lange Röcke sind eine sehr wenig günstige Tracht, wenn es gilt, Raupe zu spielen, und selbst mit Onslows Hilfe kam sie nur langsam vom Fleck. Als sie etwa fünfzig Schritte zurückgelegt hatten, bat sie ihn, ohne sie weiterzukriechen, sie werde schon folgen.

»Natürlich werde ich sofort gehorchen,« rief er lachend zurück. »Komm her, laß mich meinen Arm in den deinen haken. So ist's recht, nun soll's mit doppelter Geschwindigkeit vorwärts gehen.«

Allein sie kamen nicht viel weiter. Gleich darauf erfolgte ein noch heftigerer Windstoß, die graue alte Brücke schwankte, klapperte und krachte, und im nächsten Augenblick umklammerte Onslow mit einem Arm den mit Unkraut bekleideten Stumpf eines Pfahles, mit dem andern Elsie.

»Verletzt?« schrie er ängstlich.

»Nicht im geringsten. Gesund wie ein Fisch. Du?«

»Dito.«

»Aber wo ist denn das Wasser? Hier müßten mindestens sechs Fuß sein, und ich fühle doch keins.«

»Hinaus in die See getrieben! Wir können Gott danken, daß der Wind nicht nach der Küste zu steht, sonst wären wir ertrunken. Donnerwetter! Das war nahe daran.«

Ein Blitz zeigte ihnen einen großen Baum, der mit den Wurzeln ausgerissen war und tanzend, springend und sich überschlagend wie ein wahnsinniges lebendes Wesen an ihnen vorbeiraste. Dann flog ein schwerer viereckiger Dachbalken gegen ihren Pfahlstumpf und hätte um ein Haar Onslows Arm getroffen.

»Das Hotel stürzt ein,« rief er. »Gleich wird die Luft voll von solchem Zeuge sein, und wenn wir versuchen, uns vom Fleck zu rühren, werden wir zerschmettert, noch ehe wir zehn Schritte gemacht haben. Kauere dich am Fuße dieses Pfahles zusammen, Liebchen!«

»Du auch!«

»Nein, für zwei ist kein Platz.«

»Dann bleibe ich auch stehen.«

Sie zerrte an seinem Aermel und zog ihn an ihre Seite.

»Bleib bei mir, Pat! Du möchtest fortgerissen werden, und das könnte ich nicht ertragen.«

»Natürlich bleibe ich bei dir, Liebchen. Ich verlasse dich nicht, wenn du mich nicht wegjagst. Elsie, ich muß dir etwas sagen. Du weißt, ich habe dich immer gern gehabt wie eine Freundin, aber jetzt ist es mehr geworden, viel mehr – – Liebe, Elsie! Einst war mein Herz vom Bilde einer andern erfüllt, und ich glaubte, ich könnte nie wieder ein Weib so lieben, wie ich sie liebte. Aber seitdem sind Jahre vergangen, Tausende von Jahren – und, Elsie – ich – habe sie vergessen. Sie ist mir nicht mehr, als ein Name und deine Schwester. Liebchen, wenn wir aus dieser Gefahr errettet werden, meinst du, daß auch du mich etwas mehr lieben könntest, als einen gewöhnlichen Freund?«

Sie legte ihre Lippen an sein Ohr. »Glaubst du, daß wir mit dem Leben davon kommen werden, Pat? Sag's mir ehrlich!«

»Ich hoffe es.«

»Ehrlich, Pat?«

»Ehrlich gestanden, fürchte ich, daß unsre Aussichten verzweifelt gering sind.«

Ihre weiche, feuchte Wange schmiegte sich an die seine, und die vom Winde losgerissenen Strähnen ihres Haares mischten sich mit den seinen.

»Pat,« sagte sie, »du hast's nie gemerkt, aber ich habe dich von Anfang an geliebt.«

In diesem Augenblick lernte Patrick Onslow seit vielen Jahren zum erstenmal kennen, was es heißt, den Tod zu fürchten. Bis dahin hatte ihm das Leben viele Qualen gebracht, und ob Blei, Wasser oder Stahl drohten, ihm das große Geheimnis zu enthüllen, war ihm ziemlich gleichgültig gewesen; jetzt aber erwachte das Verlangen, zu leben, mit einer Gewalt in ihm, die ihn beinahe wahnsinnig machte.

»Du zitterst ja!« rief das Mädchen ängstlich.

»Das weiß ich. Du hast mich zu einem erbärmlichen Feigling gemacht, Liebchen.«

Sie verstand ihn und küßte ihn auf die Lippen, aber Worte wechselten sie nicht mehr.

Der Wirbelsturm raste heulend und zerstörend weiter und richtete unberechenbares Unheil an. Hundertjährige Bäume, Ceibas und Cypressen, Lebenseichen und Pinien lagen zu Spänen zersplittert im wirren Unterholz. Die Mangrovedickichte wurden durch hineingeschleuderte Steine, Massen von ausgerissenem Gras und den grauen Flechten des spanischen Mooses noch undurchdringlicher. Seen wurden leer geweht und ihr Wasser wie Staub weit in die schäumenden Wogen des Golfs gepeitscht. Die Landvögel trieben hilflos wie Schaumflocken in die See, die Palmettohütten der ärmeren Ansiedler verschwanden vom Erdboden, und selbst die Fachwerkhäuser der besser gestellten barsten und lagen in Trümmern auf der Erde.

Das große hölzerne Gasthaus von Point Sebastian löste sich sozusagen auf, wie eine Sandbank in einer Flußmündung bei einer Springflut. Zuerst flogen die von der Hitze verbogenen Schindeln davon, wie seltsame dunkle Vögel, die als Vorboten schlimmerer Dinge vorausgesandt waren. Dann folgten Bretter, einzeln und zu Dutzenden, dann Giebel, Balken und Dachsparren, Stühle und hölzerne Bettstellen, Kleidungsstücke, vom Winde in die seltsamsten Formen gezerrt, als ob sich die launenhaften Geister des Sturmes damit geschmückt hätten; die Säulen der Veranda und wieder Bretter in Massen flatterten in die Nacht hinaus und verschwanden für immer in der Bahn des Wirbelsturmes. Und unter dem Hagel dieses Teufelsbombardements kauerten Männer und Frauen und andre Dinge, formlos und gräßlich, die einst auch Männer und Frauen gewesen waren. Der Tod hielt eine furchtbare Ernte in jener Nacht.

Einmal gab es einen kurzen Stillstand im Sturme, die vertriebenen Küstenwasser begannen zurückzufluten und umrauschten die beiden, die sich an den Fuß des Pfahles angeklammert hatten, bis zu Kniehöhe mit zischendem Gischt.

»Komm,« sprach Onslow und faßte das junge Mädchen bei der Hand, »wir müssen fliehen.«

Ueber Haufen von Trümmern stolpernd, liefert sie dem Strande zu, während der feine Sand, den der Wind mit sich führte, um ihre Köpfe schwirrte und sie wie Peitschenhiebe ins Gesicht traf. Ein fliegendes Geschoß kam aus der tintenschwarzen Finsternis und traf Onslow an die Schläfe, noch ehe er zwanzig Schritte mit Elsie zurückgelegt hatte. Der Griff seiner Finger erlahmte, er schwankte einen Augenblick hin und her und stürzte endlich zusammen, ohne einen Laut von sich zu geben. Jammernd warf sich das junge Mädchen über ihn, beklagte verzweifelnd seinen Tod und beteuerte, bei ihm bleiben und auch sterben zu wollen. Aber eine tolle Hoffnung, daß er nur betäubt sei, ergriff sie. Sie hob ihn mit ihren starken jungen Armen in die Höhe und nahm, ihn halb tragend, halb schleifend, den mühsamen Weg nach dem Strande Zoll um Zoll wieder auf.

Jetzt brach der Wirbelsturm wieder mit frischer Wut los, und gegen ihn anzukämpfen, oder auch nur standzuhalten, war ganz unmöglich. Das junge Mädchen und seine Bürde wurden heftig zu Boden geschleudert, und eine Masse von Trümmern sauste über sie hinweg und türmte sich zum Teil über ihnen auf.

»O, Pat, Pat!« schrie sie. »Ich hätte so gern mit dir gelebt, und nun müssen wir beide hier sterben!«

Drei fürchterliche Stunden verbrachten sie dort, während deren das Mädchen jeden Augenblick einen gewaltsamen, jähen Tod erwartete, und der Mann, den sie in ihren Armen hielt, langsam wieder zum Bewußtsein erwachte. Dann erstarb die Stimme des Wirbelsturmes plötzlich wie die einer Orgel, deren Windlade leer geworden ist. In einer kurzen Minute war er aus nichts zur vollen Wut angewachsen, und in einer einzigen Minute verwandelte sich seine volle Wut in regungslose Windstille. Nur die See zeigte noch die Wirkung seiner Peitschenhiebe. In ihren tiefen Teilen wogte sie in einer Dünung voll düsterer Majestät und sandte ihre zornigen Wasser in rauschender Brandung wieder gegen die flache Westküste.

Diese zurückkehrende Flutwelle war es, die die letzte Gefahr brachte, allein den beiden, die unter dem Haufen von Trümmern lagen, gelang es, als das Wasser das Holz hob, hinauszuschlüpfen, und in der anbrechenden Dämmerung nach dem höher gelegenen Strande zu laufen. Sie waren beide zerstoßen und zerschunden, und Onslow blutete aus einer unregelmäßigen, klaffenden Wunde am Kopfe, aber im ganzen waren ihre Verletzungen Kleinigkeiten im Vergleiche zu dem, was sie hätten sein können. Dreitausend Menschen kamen in dieser Nacht im Süden ums Leben, und die Klagen der Geretteten, die ihre Toten suchten, zerrissen die Luft.

An diesem Tage fanden alle, die die Hände regen konnten, Arbeit genug, und auch am nächsten und am folgenden, aber am vierten Tage nach dem Wirbelsturme, als die Toten beerdigt und die Lebenden unter Dach gebracht worden waren, gelang es Onslow zum erstenmal, ein Wort unter vier Augen mit dem Mädchen zu sprechen, die gesagt hatte, sie liebe ihn und wolle seine Frau werden. Reiflich hatte er sich die Sache nach allen Richtungen hin überlegt und nach langem Kampfe beschlossen, ihr nichts, gar nichts zu verheimlichen, ganz besonders auch die letzte Unternehmung nicht, wobei er ein Vermögen zu gewinnen hoffte.

»Elsie,« hob er an, »ich bin in Geschäften hierher nach Florida gekommen.«

»Dann möchte ich diese lieben Geschäfte mit Blumen bekränzen und ihnen ein Stückchen Zucker geben,« erwiderte Elsie. »Wie sehen denn diese Geschäfte aus. Weiß?«

»Sie sind schwarz, ganz entschieden schwarz, aber wertvoll. In Zahlen ausgedrückt, beträgt mein, oder vielmehr, wie die Dinge jetzt liegen, unser Anteil eine Viertelmillion in englischem Gold.«

»Ach, wie reizend, Pat! Einen so reichen Mann werde ich heiraten? Wo hast du denn das Geld gestohlen? Oder hast du's durch eine Spekulation verdient?«

»Ja, durch eine Art Spekulation, obgleich Stehlen vielleicht der richtigere Ausdruck ist. Aber es ist da, und das ist die Hauptsache.«

»Geld in der Tasche ist jedenfalls besser, als zehn Pläne, welches zu verdienen. Pat, wir wollen uns eine große Dampfjacht anschaffen, und wenn wir Londons überdrüssig werden, sehen wir uns die Welt an. Nun sag' mir mal, wie hast du denn diesen Mammon verdient? Hoffentlich nichts Unsauberes wie Pökelfleisch?«

»Eine Spekulation in Gold, wenn das Euer Gnaden besser paßt.«

»O, das ist ja herrlich! Du hast also die amerikanische Not schlau benutzt? Nun erkläre mir die Sache einmal, ich werde sie schon verstehen. Man hört so viel von der Silberfrage, daß man ja notwendigerweise eine kleine Ahnung davon haben muß.«

So erzählte denn Onslow mit verzeihlicher Schönfärberei seine Geschichte, wie er die Mündung des aus den Everglades kommenden Flusses entdeckt hatte, seine Abmachungen mit Shelf, die gewagte Fahrt des Dampfers »Port Edes« und das Verbergen des Schatzes. Mit gespannter Aufmerksamkeit hörte das junge Mädchen der Erzählung zu, aber nichts in ihrem Gesicht verriet, was dabei in ihr vorging. Selbst die Schilderung der Meuterei und des grausenhaften Kampfes zwischen Nutt und seinem Freunde rief keine Bemerkungen hervor, denn in dem gemütlichen Florida ist ein kleiner Totschlag ein alltägliches Vorkommnis. Als aber Onslow seine Erzählung beendet hatte und einige Worte der Anerkennung von ihr erwartete, antwortete sie nur mit einem ernsten und entschiedenen Schütteln ihres braunen Köpfchens.

»Nun, Liebchen?« fragte er, durch ihr Schweigen beunruhigt.

»Nein, Pat,« antwortete sie ruhig, »an einem Vermögen, das auf diese Weise erworben worden ist, mag ich keinen Teil haben. Kleinliche Bedenken kenne ich ja nicht, denn ich kann meine Augen nicht verschließen und sehe, wie die Leute, in deren Mitte ich lebe, ihr Geld verdienen, es aber dabei doch verstehen, einen offenen Verstoß wider das Gesetz zu vermeiden und sich die allgemeine Achtung zu bewahren. Meine Ansichten über das, was erlaubt und nicht erlaubt ist, sind zwar sehr lax, aber –«

»Aber ich bin zu weit gegangen?«

Sie antwortete mit einem ernsten Nicken.

»Also nach allem, was ich gethan und durchgemacht habe,« entgegnete er bitter, »verlangst du von mir, daß ich auf dieses Vermögen verzichten soll? Elsie, du weißt doch ebensogut wie ich, wie widerwärtig Armut ist. Denke nur mal daran, was wir mit diesem Gelde alles anfangen könnten. Liebe füreinander haben wir ja schon, aber wir können uns jede Freude verschaffen, die das Herz begehrt. Ich weiß ebensogut wie du, daß es auf eine schmutzige Weise erworben worden ist, und ich werde meine Finger nie mehr in eine so faule Geschichte stecken. Alle meine Instinkte drängen mich dazu, als ehrenwerter Mann zu leben, und mit einem angemessenen Einkommen könnte ich das auch und dabei vergessen, daß ich jemals etwas andres gewesen bin. Bin ich nicht mehr arm, so bin ich auch keiner Versuchung mehr ausgesetzt. Siehst du das nicht ein? Entdeckt kann die Sache nicht werden. Das Gold wird allgemein für unwiederbringlich verloren gehalten, und es liegt jetzt hier in den Everglades wie eine geheime Goldgrube, woraus wir nach Belieben schöpfen können. Außerdem ist es Ehrenpflicht für mich, die Sache zu Ende zu führen; ich arbeite ja nicht für mich allein und darf Shelfs Interessen einer thörichten Empfindsamkeit wegen nicht außer acht lassen.«

»Mr. Shelf kann thun, was ihm beliebt, Pat, und du kannst auch thun, was dir beliebt, aber ich vermag nicht zurückzunehmen, was ich gesagt habe. Ich liebe das Geld sehr, aber Geld, das so gewonnen worden ist, könnte ich nicht anrühren. Du kannst vielleicht vergessen, auf welche Weise es in deinen Besitz gelangt ist, ich vermöchte das nie. Ich habe ein furchtbares Gedächtnis, gerade in Dingen, wo ich es am wenigsten wünsche. Seit dem Tage, wo du England verlassen hast, bis zu dem Augenblick, wo wir uns wieder hier getroffen haben, bin ich bemüht gewesen, dich zu vergessen, aber ich konnte es nicht, und wenn ich dich jetzt heiratete, Liebster, würde ich immer daran denken müssen, wie das Vermögen, wovon wir leben, erworben worden ist.«

»Was kann es denn nützen, wenn man immer Daumschrauben in der Tasche trägt?« fragte er halb ärgerlich.

»Ich kann nun mal nicht anders, Pat,« antwortete sie mit einem traurigen Lächeln. »Es wird wohl so in meiner Natur liegen, aber ich spreche, wie mir's ums Herz ist.«

»Ich dachte,« entgegnete er schroff, »du wolltest wieder in der Gesellschaft verkehren? Ohne diese Viertelmillion, die wir um die Mühe des Bückens und Aufhebens haben können, hast du zweihundert Pfund jährlich und ich dreihundert, also im ganzen fünfhundert, und ich brauche dir wohl kaum zu sagen, daß du damit weder in London noch sonstwo viel anfangen, am wenigsten aber dauernd in der feinen Gesellschaft leben kannst. Wenn dir daran liegt, mußt du einen andern heiraten.«

»O, Pat,« entgegnete sie getränkt, »ich glaube nicht, daß ich das von dir verdient habe.«

»Nein, das hast du nicht,« entgegnete er, indem er sie zärtlich an sich drückte. »Ich war roh, aber es ist schwer, ruhig zu bleiben, wenn einem alle Pläne über den Haufen geworfen und von dem einzigen Menschen in der Welt, an dessen Meinung einem gelegen ist, in den Boden getrampelt werden. Natürlich weiß ich, daß es ein Diebstahl ist, einfach Seeräuberei, aber die Umstände haben mich hineingedrängt, und ich habe mich vor ihnen gebeugt. Umstände, das heißt du, ganz allein du, reißen mich wieder heraus, und wieder beuge ich mich vor ihnen und sage: Kismet! Ich möchte nur wissen, was aus dem Gelde werden soll? Daß Shelf nicht die halbe Million und den Dampfer obendrein erhalten soll, das schwöre ich, aber wie ich meinen Anteil in die Hände der rechtmäßigen Eigentümer zurückgelangen lassen soll, weiß ich wirklich nicht.«



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