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Viertes Kapitel

Wenn zwei Leute verlobt sind, wissen sie es gewöhnlich so einzurichten, daß sie sich häufig treffen. Amy Rivers verriet demnach keine große Ueberraschung, als sie Fairfax schon am Abend desselben Tages wiedersah.

»Du hier? Ich wußte gar nicht, daß du die Latchfords kennst,« sagte sie nur, worauf Hamilton erwiderte, er kenne sie auch gar nicht, habe aber im Klub einen Herrn getroffen, der eingeladen sei und ihn eingeführt habe.

»Bei einer Tanzgesellschaft kommt es auf einen Herrn mehr oder weniger nicht an,« fuhr er fort, »und außerdem lag mir viel daran, dich heute abend zu sprechen. Seit wir uns zuletzt gesehen haben, ist mir etwas von einer Besitzung in Kent mitgeteilt worden, die dir, glaube ich, gerade passen würde. Der gegenwärtige Eigentümer braucht Geld, und deshalb wird sie wohl billig zu haben sein, aber es ist noch ein andrer Liebhaber hinterher, und ich habe das Vorkaufsrecht nur bis morgen abend erlangen können. Du siehst also, daß ich deine Ansicht über die Sache sofort hören muß.«

»Schön,« antwortete Miß Rivers, »du kannst mir, wir wollen sagen während des vierten Tanzes von jetzt, die Einzelheiten mitteilen. Für die nächsten drei Tänze bin ich engagiert. Einstweilen könntest du mir den Gefallen thun, Mrs. Shelf aufzusuchen. Als wir hierher fuhren, sagte sie mir, sie müsse dich sprechen.«

»Gut, also bis dahin adieu!« entgegnete Fairfax und trat nach diesen Worten seine Wanderung durch die Räume an, bis er das Funkeln der Diamanten und Rubinen sah, die die schöne Gestalt der Mrs. Theodor Shelf schmückten.

Wie gewöhnlich war sie der Mittelpunkt einer Schar von Herren, denn sie war eine Frau, die die Kunst, anziehend zu sein, ganz besonders pflegte, weil diese eines der wesentlichsten Mittel zur Erzielung ihrer gesellschaftlichen Erfolge war, und die Herren der Schöpfung lassen sich ja immer gern blenden und anziehen. Der Kreis ihrer Bewunderer lachte gerade über eine lustige Bemerkung, als Fairfax hinzutrat. Mrs. Shelf streifte ihn zwar mit einem flüchtigen Blicke, schenkte ihm aber zunächst keine Beachtung. Sie sprach durch die Federeinfassung ihres Fächers weiter mit den Herren, und ihre Bemerkungen erregten einen neuen Ausbruch der Heiterkeit, und dann klappte sie ihren Fächer geräuschvoll zusammen und wandte sich Fairfax zu.

Die andern Herren zerstreuten sich noch immer lachend, ein charakteristischer Beweis für Mrs. Shelfs Kunst. Sie legte es stets darauf an, ihre Gespräche zu einem wirksamen Abschlusse zu bringen, und keine Schauspielerin auf der Bühne verstand es besser, für einen »guten Abgang« zu sorgen.

Mit einem Lächeln milden Triumphes sah sie den Herren nach, das aber ausgesprochenem Aerger Platz gemacht hatte, als sie sich nach Fairfax umwandte.

»Warum kennen Sie diese Leute nicht?« fragte sie.

»O, ich kann wohl sagen, daß ich Lady Latchford der Form nach kenne, denn ich bin ihr durch den Herrn, der mich eingeführt hat, vorgestellt worden, allein sie wird mich jetzt wohl schon wieder vergessen haben.«

»Warum sind Sie denn nicht bei ihr geblieben und haben mit ihr gesprochen, sie unterhalten, oder noch besser, warum sind Sie nicht ungezogen gegen sie gewesen? Wissen Sie nicht, daß die Latchfords Leute sind, die einem sehr nützlich sein können? Sie machen mich wirklich ärgerlich, Hamilton, denn Sie geben sich auch nicht die geringste Mühe, vorwärts zu kommen und Leute kennen zu lernen, die Ihnen förderlich sein können.

Halb belustigt, halb ärgerlich zuckte Fairfax die Achseln.

»Was Amy mit Ihnen anfangen soll, wenn sie erst Ihre Frau ist, weiß ich nicht,« fuhr Mrs. Shelf fort. »Sie haben nicht die geringste Schneidigkeit oder Lebensklugheit. Wenn Sie sich selbst überlassen werden, verdienen Sie vielleicht viel Geld, aber einen Namen werden Sie sich nie machen.«

»Ich gehöre nicht zu den Leuten, die mit klirrenden Sporen umhergehen und in die Trompete stoßen,« entgegnete Fairfax mit einem halb ärgerlichen Lachen.

»Nein,« stimmte Mrs. Shelf zu, »wenn Sie allein zu bestimmen hätten, würden Sie täglich zehn Stunden in der City arbeiten und dann nach Hause gehen und schlafen. Schließlich werden Sie sterben und Ihre Grabschrift wird lauten: ›Hier ruht ein langweiliger Biedermann, der eine Million Geld verdient und sich keinen Feind gemacht hat‹. Was mich anbetrifft, so würde ich mir unglaublich verlassen vorkommen, wenn ich nicht wüßte, daß es Leute gibt, die mich hassen und fürchten. Das gibt Machtbewußtsein, und das ist gleichbedeutend mit Selbstvertrauen. Nur ein harmloser Dummkopf ist überall beliebt, ist aber dabei ein Mensch, den jedermann innerlich verachtet, wenn man das auch nicht gerade offen ausspricht. Sie müssen sich aufraffen, Hamilton, und je eher Sie damit beginnen, um so besser. Suchen Sie die Latchford auf und seien Sie ungezogen gegen sie. Sagen Sie ihr zum Beispiel, der Fußboden sei so schlecht gebohnt, daß man nicht tanzen könne, oder es sei eine Dame hier, die den Taschendieben ins Handwerk pfusche. Sie müssen sich ein bißchen Mühe geben und sich so ausdrücken, daß es wirklich trifft, wissen Sie; dann werden Sie zu ihrer nächsten Gesellschaft eingeladen, weil sie glauben wird, Sie seien ein so gefährlicher Mensch, daß man sich hüten müsse, Sie zum Feinde zu machen.«

»Dieser Aufgabe fühle ich mich nicht gewachsen,« erwiderte Fairfax. »Wahrscheinlich würde es damit enden, daß ich einfach hinausgeworfen würde, wenn ich etwas Derartiges versuchte.«

»Ach was!« antwortete Mrs. Shelf. »Eine höflich ausgedrückte Unverschämtheit ist heutzutage die beste Einführung. Sie müssen suchen, sich eine gewisse Eigenart des Benehmens zuzulegen. Vorwärts, fangen Sie nur gleich an!«

Fairfax war ganz froh, loszukommen, aber er ging keineswegs hin und suchte sich dem Gedächtnis der Hausherrin dadurch einzuprägen, daß er unartig gegen sie gewesen wäre. Statt dessen schlenderte er durch die Zimmer, bis Amy für ihn frei war, zog dann ihren Arm durch den seinen und führte sie in eine etwas abgelegene Nische an der Treppe.

»Nun,« hob sie an, »teile mir mal einiges über die Besitzung in Kent mit.«

Er erzählte ihr ruhig und sachgemäß alle Einzelheiten und unterhielt sie mit einem trocknen Bericht über Pachtverträge und notwendige Herstellungsarbeiten an den Wirtschaftsgebäuden.

»Es klingt ganz reizend,« sprach sie, als er fertig war, »aber begeistert scheinst du gerade nicht zu sein.«

»Du weißt, daß das nicht meine Art ist, Schatz! Mrs. Shelf hat mir vorhin eine Vorlesung gehalten, was für ein langweiliger Geselle ich sei, und hat mir angeraten, durch eine Ungezogenheit gegen unsre gütige Gastgeberin einen Beweis beginnender Besserung abzulegen. Doch muß ich leider gestehen, daß ich diesen Rat nicht befolgt habe. Erstens könnte ich's nicht, und zweitens würde mich Lady Latchford mit einem Blicke zermalmen, falls ich den Versuch wagte. Du siehst, liebe Amy, ich weiß genau, wie weit meine Fähigkeiten gehen. Ich bin ein ziemlich schwerfälliger Mensch mit sehr beschränkter Unterhaltungsgabe und kaum nennenswertem Sinn fürs Komische.«

»Ein bißchen aufgeweckter könntest du sein, das läßt sich nicht in Abrede stellen,« gab Miß Rivers aufrichtig zu.

»Wenn du meiner überdrüssig bist, Liebe –«

Miß Rivers beugte den Kopf übers Treppengeländer, um sich zu überzeugen, daß niemand in Sehweite war, zog darauf Fairfax an sich und küßte ihn.

»Sei kein Närrchen,« sprach sie; »aber du darfst auch nicht erwarten, daß ich dir stets und in allen Dingen zustimmen werde. Das wäre viel zu langweilig und musterhaft. Und glaube ja nicht, daß ich dich für vollkommen halte. Wenn du's wärst, würde ich dich nicht ausstehen können. Nun erzähle mir noch etwas von der Besitzung in Kent.«

»Was ich weiß, habe ich dir schon mitgeteilt. Wenn dir der Gedanke gefällt, könnten wir morgen mal hinfahren und uns die Sache zusammen ansehen, ehe wir uns für den Kauf entscheiden. Die einzige Schwierigkeit ist der Preis. Du weißt ja, daß ich ein ziemlich wohlhabender Mann bin, aber über unbegrenzte Kapitalien verfüge ich doch nicht. Natürlich muß der Preis bar bezahlt werden, deshalb ist die Besitzung auch so billig.«

»Nun, und –«

»Ja, siehst du, ich fürchte, es wäre nicht verständig, wenn ich sie allein kaufen wollte. Und darum kommen wir nicht um die Thatsache herum, daß du eine reiche Erbin bist, – entschuldige, wenn ich etwas prosaisch und praktisch werde – und daß wir doch voraussichtlich nicht von meinen Einkünften allein leben werden. Wenn Haus und Hof und Park dir also gefielen, meinte ich, du wärst vielleicht geneigt –«

»Aber liebster Freund, wie ängstlich du auf den Busch klopfst. Selbstverständlich will ich mithelfen, unser zukünftiges Heim zu kaufen, falls mir das Gut gefällt. Massen von meinem Gelde liegen müßig da, und es ist auch nicht der mindeste Grund vorhanden, weshalb wir es nicht gebrauchen sollten.«

»Aber werden deine Vormünder damit einverstanden sein?«

»Allerdings werde ich erst in einem Jahre mündig; aber die Vormünder haben Vollmacht, nach eigenem Ermessen zu handeln. Mr. Shelf hat sie wenigstens, und er thut mir immer den Willen. Ich will morgen, ehe er ausgeht, mit ihm sprechen.«

»Das wird wohl das Beste sein, Schatz. Wie du siehst, liegt die Sache so, daß wir uns mit unserm Entschluß beeilen müssen.«

»Um wieviel soll ich bitten?«

»Fünfzehntausend Pfund werden genügen; den Rest kann ich selbst bestreiten.«

»Ach, das wird er mir ohne die geringste Schwierigkeit geben, das weiß ich sicher. Aber hörst du? Die Musik fängt wieder an. Willst du denn heute abend gar nicht mit mir tanzen, Hamilton?«

»Hm, ja, einen Walzer oder so etwas würde ich wohl riskieren, aber jetzt spielen sie gerade den blödsinnigen Scheunentanz, Lancier, oder wie er heißt. Komm, wir wollen lieber hier sitzen bleiben, bis er zu Ende ist.«

»Fällt mir gar nicht ein! Ich schwärme für den ›Scheunentanz‹, wie du ihn nennst, tanze ihn auch recht gut und meine Toilette paßt ganz besonders dazu, folglich werde ich ihn mir nicht entgehen lassen, lieber Junge. Du brauchst das Tanzbein nicht zu schwingen, wenn's dir keinen Spaß macht, ich will aber mein Vergnügen haben, das sage ich dir. Also vorwärts, führe mich hinunter. Da haben wir's! Nun hast du mir mein Haar in Unordnung gebracht.«

»Na, denn los dafür,« sprach Fairfax lachend. »Vor dir hält keins meiner Vorurteile stand. Ich will zwei Scheunentänze mit dir tanzen, wenn du mir Gelegenheit dazu gibst.«



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