Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtzehntes Kapitel

Mr. Billy Nutt, der Einäugige, und sein Freund und Genosse, dessen Name anscheinend Hank mit nichts dahinter und nichts davor war, verdienten ihren Lebensunterhalt durch Uebertretung der Gesetze der Vereinigten Staaten und Versorgung des Marktes mit einer viel begehrten Ware. Die Damen der Gesellschaft tragen bunte Federn zum äußeren Schmuck, und die Seminolen der Everglades trachten nach Branntwein zu ihrer inneren Stärkung, und während das Vogelschutzgesetz die Erlangung jener erschwert, verbietet das Gesetz zum Schutze der Indianer die Verteilung dieses, und die Uebertreter dieser Gesetze werden mit schweren Strafen bedroht.

Allein die Wirkung der Gesetze reicht nicht weit in Florida, der Heimat der Geächteten, und dann wurden Mr. Nutt und sein Freund bereits wegen verschiedener Thaten, worunter vorsätzlicher Totschlag, »gesucht«, so kam es, daß sie vor keiner That zurückschreckten und Wilddieberei und verbotenen Schnapshandel mit den Eingeborenen für die mildesten unter allen milden Sünden hielten.

Die drei Männer an Bord des Dampfers waren in keiner Weise darauf vorbereitet, solche zweifelhaften Gäste zu empfangen, sie ahnten in der That deren Kommen gar nicht, da sie noch in den Banden eines todähnlichen Schlummers lagen. Die Sonne war hinter den Kronen der Bäume versunken, und schon erhoben sich die Geräusche der Nacht. In den dunkeln Baumgängen schwirrten Feuerkäfer, und im schwarzen Wasser des Flusses zeigten sich andre leuchtende Erscheinungen, ähnlich wie diese, nur daß sie von den Augen eines nach Beute spähenden Alligators ausgingen.

Die Schaluppe holte ihren Klüver nieder, und als die eisernen Oesen am Stag herunterrasselten, lief ein Neger gewandt auf dem Bugspriet hinaus, um das Segel in seinen Beschlagseisingen festzumachen. Der Wind flaute mit Sonnenuntergang ab, und da der Strom an der Stelle, wo der gestrandete Dampfer lag, sehr stark war, kam die Schaluppe beim Aufkreuzen mit jedem Schlage über den Fluß nur etwa einen Faden vorwärts. Der Einäugige trommelte mit seinen nackten Füßen einen Zapfenstreich der Wut auf den Bodenplanken des Hahnenlochs, und sein Gefährte, der immer noch auf dem Kajütendach lag, kicherte lustig. Aber für ihre Zwecke hielt sich die Brise lange genug, so daß sie endlich über den Dampfer hinaus gelangten und sich vom Strom gegen dessen rostige Seite treiben lassen konnten. Ein paar Davitsläufer hingen herab, deren Blöcke im Wasser schwammen und schon mit Moos und Algen bedeckt waren. Einen von diesen machten sie an den Bätingshölzern ihrer Schaluppe fest, kletterten am andern Läufer in die Höhe und erreichten alle fünf das Verdeck des Dampfers.

Sowie ihre Füße die warmen grauen Planken berührten, nahm ein jeder, Weiße wie Schwarze, seine Waffe zur Hand, bereit, je nachdem es kam, zu fechten oder zu verhandeln, allein niemand kam, um eine Erklärung für ihr Erscheinen zu verlangen, und nachdem sie sich anfangs erstaunt angesehen hatten, fingen sie an, einander mit ziemlich dummen Gesichtern anzuglotzen.

»Wenn ich mir die Sache recht überlege,« meinte Hank, »so hätten sie uns schon angerufen, ehe wir so weit kamen, falls eine Ankerwache vorhanden wäre. Ich wette, der Alte schläft im Kartenraum, und es wäre kein übler Gedanke, ihn dort einzusperren.«

Er trippelte übers Verdeck und lugte vorsichtig durchs Fenster des Kartenhauses; aber keine größeren lebenden Geschöpfe, als Fliegen und Schwaben waren darin zu sehen. Von der Unheimlichkeit der ganzen Sache betroffen, fuhr er etwas zurück, winkte seinen Genossen und schlich wie ein Bühnenverschwörer auf den Fußspitzen die Kajütentreppe hinab, während die andern ihm folgten. An deren Fuße befanden sich zwei Thüren, wovon eine in den leeren Mittelgang, die andre in die Hauptkajüte führte, auf deren Fußboden der Oberheizer den Kapitän niedergelegt hatte. Allein dieser war, als seine Magenkrämpfe den Höhepunkt erreicht hatten, unter den großen Tisch gerollt, wo man ihn nicht sehen konnte, so daß also auch die Hauptkajüte verlassen schien.

Die Leute sahen sich um, liefen nach hinten und steckten ihre Nasen in die Speisekammer, die Kombüse und den Maschinenraum. Als sie durch den Mittelraum zurückkamen, durchsuchten sie die zwei Steuermannskojen und fanden sie leer, und als sie das Vorderdeck erreichten, machten sie die Entdeckung, daß auch das Vorderkastel verlassen war. Nun versammelten sie sich in verständnisloser Verwunderung um das große Loch, wo einst die Vorderluke gewesen war, betrachteten die zerrissenen und verbogenen Platten, die von frischem Rost gelb gefärbt waren, und machten einander auf die zerbrochenen Stützen und die sonstigen umherliegenden Trümmer aufmerksam. Damit waren sie noch beschäftigt, als sich die Dunkelheit, die in den Tropen mit so überraschender Schnelligkeit auf den Sonnenuntergang folgt, auf sie herabsenkte.

»Hank,« sprach der Einäugige, »dies geht über meinen Horizont. Was haben sie mit dem Dampfboot angefangen, und warum si–si–si–si–sind sie denn ausgerissen und haben's im Sti–ti–ti–ti–tiche gelassen?«

»Mathematik ist mir zu hoch,« antwortete Hank geheimnisvoll.

»O, du leerer Strohkopf,« erwiderte sein Freund, »de–de–de–de–denk doch nach.«

»Du wirst ledern! Wenn sie nicht hier sind, na, dann sind sie wo anders. Vielleicht sind sie weggegangen, um das Zeug zu verstecken, vielleicht ist es auch noch hier an Bord, und dann werden wir's schon finden. Jetzt will ich vor allen Dingen futtern. Wir haben seit Monaten kein christliches Essen gehabt, weil der neue Sheriff so hinter uns her war, aber jetzt wollen wir mal die Vorratskammer untersuchen und ein ordentliches Abendessen zurecht machen. Vorwärts, ihr schwarzen Schlingel, kommt mit!«

Die Neger folgten dem großen Weißen nach der Kombüse, und Nutt blieb nach einem vergeblichen Sprechversuche, der ihn in Wut versetzte, nichts übrig, als dasselbe zu thun.

Fett, Backpulver und Mehl fanden sie im Ueberflusse und sie machten Pfannkuchen daraus, drei Blechdosen mit Juliennesuppe wurden gewärmt, eine Menge Pökelfleisch auf einer Unterlage von weißen Bohnen gebacken und aus Kartoffeln, australischem Hammelfleisch und Gänseleberpastete ein Irish-Stew hergestellt. Das Meisterstück aber waren kleine dreieckige Törtchen mit Erdbeermarmelade gefüllt, die einer der Neger zu stande brachte. Nun ging Hank mit einer Lampe in einer Hand und einem Traggestell voll Teller in der andern, während seine Taschen von Messern, Gabeln und Löffeln strotzten, nach der Hauptkajüte, um den Tisch zu decken.

Doch an der Thür blieb er mit aufgerissenem Munde stehen, und die Teller fielen rasselnd zu Boden. Auf dem Drehstuhl am obern Ende des Tisches saß ein zusammengekrümmtes Männchen, so von Kohlenstaub geschwärzt, daß Hank nicht hätte beschwören können, ob der kurze, spitze Bart, der auf der Brust der Erscheinung lag, schwarz, rot oder preußischblau war.

»O, geben Sie sich keine Mühe, den Höflichen zu spielen,« begann der Mann auf dem Drehstuhl. »Ich bin gewaltig froh, jemand zu sehen, der sprechen und ein paar Hände gebrauchen kann.« Nach diesen Worten hob er seine Nase und schnüffelte in der Luft wie ein Hund. »Ihr kocht wohl Abendessen?«

»Na ob!«

»Habt ihr denn auch was gefunden, womit man's hinunter spülen kann?«

»Ein Dutzend Flaschen Bier; aber wir waren durstig, und ich glaube, sie sind schon leer.«

»Es müßte eigentlich mehr da sein, aber mein unverschämter Steward wird ihnen wohl den Hals gebrochen haben. Indessen, dies ist eine große Gelegenheit, und da ich das erste Mal das Vergnügen habe, Sie und Ihre Freunde bei mir zu sehen, wird wohl Champagner gerade gut genug für uns sein. In der Ecke dort steht eine Kiste zu einer solchen Festlichkeit bereit. Vielleicht haben Sie die Güte, sie zu holen, denn ich bin immer noch ein wenig schwach.«

Hank gehorchte voll Verwunderung, deckte hierauf den Tisch und brachte die Speisen, wobei er von Nutt und den Schwarzen unterstützt wurde.

Jetzt ergriff Kettle wieder das Wort.

»Aber hört mal, Freunde, ich setze mich nicht mit Niggern zu Tische.«

Beinahe schien es, als ob es zu Streitigkeiten kommen sollte. Einer von den Schwarzen erklärte, sich das nicht gefallen lassen zu wollen, und ein andrer zog ohne weiteres das Messer und fuchtelte vielsagend damit in der Luft herum.

»Natürlich,« fuhr Kettle fort, »wenn ihr zwei Herren eure Farbe vergessen habt und mit diesen Zierden der Gesellschaft essen wollt, so habe ich nichts dagegen; ich aber bin ein Weißer und habe meinen Stolz.«

»Sie haben ganz recht,« mischte sich jetzt Nutt ins Gespräch. »Auf der Schaluppe ist's was andres mit dem Futtern, aber di–di–di–dieses ist ein ordentliches Abende–e–e–e–essen mit Ti–ti–ti–ti–tischtuch und Servietten, und da gehört was Farbiges nicht hin. Also meine Sö–sö–sö–sö–sö–söhnchen –«

»Ich habe aber doch euer Futter gekocht,« wimmerte der mit dem Messer, »und will auch meinen Bauch voll haben.«

»Na, dann greift zu und nehmt so viel, daß ihr pla–la–la–latzt.«

»Ja, aber wo sollen wir denn hingehen?«

Nutt sah Kapitän Kettle fragend an. Der kleine Mann ersuchte seine afrikanischen Gäste zuerst, sich gefälligst an einen Ort zu scheren, der beträchtlich heißer ist, als der Feuerungsraum, schlug dann aber die Mannschaftsmesse vor, wohin sich die Neger auch murrend zurückzogen, und nun begannen die drei Weißen ihr Mahl.

Kettle löste den Draht einer Champagnerflasche mit einer Gabel und füllte drei Wassergläser mit dem schäumenden Trank.

»Wein!« rief Hank. »O, Jemine!«

»Ha–ha–ha–haben Sie kein Eis?« fragte der Einäugige.

»Thut mir leid, ist alle geworden,« erwiderte der Kapitän.

»Du scheinst mir deine Manieren auf Eis gelegt zu haben, Billy Nutt. Wenn ich ein so feines Abendessen vor mir sehe und im Begriffe bin, mich voll zu essen, dann bin ich vergnügt und dankbar; also halte dein albernes Maul und hör' auf der Stelle auf, zu brummen. Verstanden?«

Seine Gäste verschlangen die Speisen, und Kettle unterhielt sie, ohne daß er jedoch dabei zu kurz gekommen wäre. Die Nahrung schien ihn zu kräftigen und seine Schlaffheit zu vertreiben; aber Nutt und sein Freund schlürften den Champagner zu eifrig, so daß ihnen die Bedeutung dieser Veränderung entging. Die Mahlzeit nahm ihren regelrechten Verlauf durch die verschiedenen Gänge, und die Zahl der leeren Flaschen auf dem Fußboden der Kajüte mehrte sich. Kapitän Kettle trank sehr mäßig, und die beiden andern konnten große Mengen vertragen, aber alle waren in höchst angeregter Stimmung und zu lustigen oder schlimmen Streichen reif, wie sie die Gelegenheit bringen mochte.

»Hören Sie mal, Kap,« sprach der lange Mann, während er mit seinem letzten Erdbeertörtchen spielte, »ist das wahr, daß Sie als Ballast in diesem feinen Dampfer Goldfüchse führen?«

»So ist es,« erwiderte Kettle, »oder wenigstens ungefähr so.«

»Ihr Eigentum?«

»Lieber Gott, nein! Fracht nach New Orleans und hierher durch die Explosion verschlagen, wovon ich euch erzählt habe. Ihr Herren werdet wohl nichts dagegen haben, mir hilfreiche Hand zu leisten, da ihr einmal da seid. Mir geht's ein bißchen knapp mit der Mannschaft, und es wäre doch schade, eine so schöne Fracht verrosten zu lassen, weil wir sie nicht wegschaffen können.«

Hank grinste den ihm gegenübersitzenden Nutt an und wandte sich dann dem kleinen Kapitän zu.

»Nein,« sprach er, »ich sehe nicht ein, warum wir das nicht thun sollten, aber ich fürchte, wenn wir uns darauf einließen, wäre uns Nuh Orliens doch zu weit.«

»New Orleans kann sich verzuckern lassen,« rief Kapitän Kettle. »Bin ich denn noch nicht deutlich genug gewesen? Haben Sie nicht gemerkt, daß die Explosionsgeschichte ein Schwindel ist? Wir werden dem Dampfer neue Namenplatten auf die Maschine schrauben, ebenso den Namen am Heck ändern, den Schloten ein andres Muster geben und den ganzen Kasten grau anstreichen; und wenn er dann so verwandelt ist, daß ihn sein eigener Erbauer nicht wiedererkennen würde, wollen wir nach einem südamerikanischen Hafen fahren, wo nicht so viele neugierige Fragen gestellt werden, und ihn dort verkaufen, das heißt, wohlverstanden, nur das Schiff. Ich denke, es hat die Fracht weit genug geschleppt: die wird hier gelöscht.«

»Das will ich meinen,« sprach Nutt, sich die Hände reibend. »Wir wollen Ihnen die Dollars hier aufheben, bis Sie wiederkommen. Unsre Nigger können Sie als Heizer mitnehmen, wenn Sie sie überreden können und mit ihnen fertig werden.«

»Darüber brauchen Sie sich keine Sorge zu machen,« versetzte Kettle. »Wenn's Not an den Mann ginge, würde ich mit Heizern fertig, die frisch aus der Hölle kämen. Ich wollte auch mit Ihnen fertig werden, Mr. Nutt, wenn Sie sich an Bord meines Schiffes verheuert hätten. Sie sollten nach meiner Pfeife tanzen, bis Sie nicht mehr wüßten, ob Ihre Seele noch Ihnen gehörte oder nicht.«

»Wa–wa–wa–wa–was wollten Sie?« zischte Nutt wütend, indem er sich von seinem Stuhle erhob.

»Bleib sitzen und halt's Maul,« rief sein Spießgeselle dazwischen. »Was fällt dir denn ein, mit dem Herrn Streit anzufangen, wo wir gerade so freundschaftlich und hübsch zusammen sprachen?«

Der Einäugige versuchte, etwas zu erwidern, allein sein Gebrechen raubte ihm die Sprache, und ein krampfhafter Wutanfall verzerrte seine Züge.

Sein Freund drohte ihm höhnisch mit dem Finger.

»Was für ein schöner Anblick, Kapitän! Schauen Sie sich den Menschen mal an. Sieht er nicht aus, wie ein chinesischer Mops? Sehen Sie nur hin, ohne zu lachen, wenn Sie das fertig bringen. Und hören Sie mal, reichen Sie mir doch eine frische Flasche Wein. Danke, Excellenz. In dem Stoff könnte ich mich tot trinken. Prost, Kapitänchen! Und wenn Billy Nutt jetzt vor Lachen nicht schlucken kann und nicht mit mir anstoßen will, dann will ich nicht Hank heißen, wenn ich ihn nicht in einer leeren Flasche schwimmen lasse. Hörst du, Billy Nutt?«

Mit dem Ausdruck satanischer Wut in den Augen sprang der Einäugige auf, und diesmal ließ die Zunge ihn nicht im Stiche. Die verhängnisvollen Worte sprudelten über seine Lippen, und racheglühend streckte Hank die Hände aus. Im Augenblick hatten sich die Beiden umklammert, und Hanks Daumen thaten ihre gräßliche Arbeit. Mit einem entsetzlichen Schrei und blutender, leerer Augenhöhle riß der Kleine sich los und rannte heulend durch die Kajüte, bis er gegen die auf der andern Seite stehende Schenke stieß. Sein Freund aber fiel steif vornüber und stürzte dann mit dem Gesichte nach unten zwischen die zu Boden gefallenen Teller und Schüsseln. Er war tot. Nutt hatte ihm das Messer, womit das Fleisch zerlegt worden war, unter der Schulter ins Herz gestoßen.

»Da spare ich meine Patronen,« meinte Kapitän Kettle und holte den gespannten Revolver hervor, den er während des ganzen Auftritts zwischen seinem Knie und der unteren Seite des Tisches gehalten hatte.

Rasch trat er aus der Kajüte und kam gerade zur rechten Zeit, um das zu verhindern, was er erwartet hatte. Durch Nutts Geheul aufgeschreckt, kamen die Neger aus dem Meßraum gestürzt, um zu sehen, was vorgefallen war. Doch mit wütenden Drohungen trieb er sie zurück, stellte sich dann in der Thür auf und richtete seinen Revolver auf sie.

»Rasch, ihr Gesindel,« rief er, »werft eure Messer, Pistolen und was ihr sonst noch habt, über Bord! Wenn sich einer von euch auch nur eine Minute besinnt, zerschmettere ich ihm seinen dicken schwarzen Schädel.«

Die Neger gehorchten in verdrossenem, angstvollem Schweigen und blieben ihm gegenüber stehen. Kettle beobachtete sie mit festen Blicken, aber sein Ohr lauschte gespannt nach rückwärts auf das geringste Geräusch, das von dem Orte kam, den er verlassen hatte.

Das Geheul des Geblendeten in der Kajüte war zum Aechzen geworden, und nun wurde dumpfes Stöhnen und Kratzen hörbar, als ob er sich tastend seinen Weg suche und dabei hie und da anstoße. Gleich darauf erschollen die Tritte nackter Füße auf der Kajütentreppe.

Voll Entsetzen hielten die Zuschauer den Atem an und warteten, was nun kommen werde, und es dauerte nicht lange, so erhob sich auf dem oberen Deck eine Flut haßerfüllter Flüche die in einem durchdringenden Verzweiflungsschrei und einem plätschernden Rauschen endeten. Und wieder war weiter nichts hörbar, als die fernen Stimmen der Nacht.

»Nutt ist tot,« sprach Kapitän Kettle, »und es thut mir fast leid. Ich glaube, den Mann hätte ich gern haben können. Der hatte Schneid in sich und ließ sich von keiner lebenden Seele was gefallen. Euer andrer Herr ist auch tot: Nutt hat ihn erstochen, also seid ihr jetzt meine Nigger und werdet es bleiben, bis ich mit euch fertig bin.«

»Was meinen Sie?« fragte einer der Gefangenen weinerlich.

»Ihr müßt das thun, wozu Nigger in die Welt geschickt worden sind. Eure Regierung sagt zwar, ihr wäret keine Sklaven mehr, und deshalb werde ich euch wie freie Arbeiter behandeln, das heißt, ihr werdet bezahlt werden; aber erst werde ich aus euch an Arbeit herausziehen, was mein Geld wert ist.«

»Oho, wir leben in einem freien Lande! Sie können uns nicht zwingen, zu arbeiten, wenn wir nicht wollen.«

»Das haben mir schon andre Leute gesagt, versetzte Kettle kalt, »und zwar bessere als ihr seid, Weiße, aber sie kamen sehr schnell zu andern Ansichten, wenn ich sie in Behandlung nahm. Nun, das werdet ihr ja später sehen. Vorläufig wenigstens bleibt ihr hier.«

Damit schloß er die Thüre des Meßraumes, drehte den Schlüssel im Schloß um und kehrte in die Hauptkajüte zurück. Der große Mann lag noch genau so, wie er gefallen war. Unter seinem Halse rieselten fünf rote Bächlein hervor, wie die Finger einer Riesenhand. Wo sich Nutt an den Wänden entlang getastet hatte, zeigte das Licht der Lampe noch andre rote Flecken. Kettle lehnte sich gegen die Schenke und wischte sich das Gesicht mit einer Serviette. Der Schweiß hatte den Kohlenstaub gelöst, so daß jetzt die weiße Haut zum Vorschein kam und nur noch hie und da Schmutzflecke zurückblieben.

»Angenommen, wir würden jetzt erwischt und es käme zu einer Untersuchung,« sprach er bei sich selbst, »wie könnte ich beweisen, daß ich dem Menschen dort das Messer nicht in die Schulter gestoßen habe?«



 << zurück weiter >>