Edward Bulwer-Lytton
Godolphin oder der Schwur
Edward Bulwer-Lytton

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Dreizehntes Kapitel.

Tod Georg IV. – Politischer Standpunkt der Parteien.

Mit dem Tod Georgs IV. brach eine neue Ära an. In den letzten Jahren dieses Monarchen hatte sich ein neuer Geist im Lande aufgemacht, der bis zu den Mauern seiner Abgeschiedenheit gedrungen war. Es läßt sich nicht leugnen, daß die verschiedenen Ausgaben seiner Regierung, die sich nicht mehr unter der jugendlichen Anmuth des Prinzen, unter dem kriegerischen Triumph des Volkes verbargen, mehr als alle theoretischen Spekulationen den Wunsch nach einer politischen Veränderung erregt hatten.

Der kürzeste Weg zu großer Freiheit geht durch geplünderte Börsen.

Konstanze war während der letzten Krankheit des Königs viel in Windsor. Es war die traurigste Zeit, die je in dem Raume eines Pallastes geherrscht hatte. Die Memoiren des prachtliebenden Ludwigs XIV. können dem Leser den besten Begriff von den letzten Tagen Georgs IV. beibringen. Wie jener große König war er der Repräsentant einer besondern Epoche und auch er hatte noch in dem traurigen Verfall des Alters viel von den Gewohnheiten der Jugend bewahrt. Es war ein betrübter Anblick, wie er, der eine so hohe, glänzende Rolle gespielt, seine letzten Kräfte erschöpfte, ein Anblick, der noch schmerzlicher wurde, wenn durch Krankheit und Schwäche Anklänge seines ehemaligen Geistes durchbrachen.

Georg IV. starb, sein Bruder folgte ihm und England athmete freier und blickte um sich und fühlte, daß die lange erwartete Veränderung endlich bevorstehe. Die Französische Revolution, das neue Parlament, Brougham's, Hume's Wiedererwählung, der Ausbruch des Staunens und Unwillens über des Herzogs von Wellington denkwürdige Worte gegen die Reform, alles verrieth den Anbruch einer neuen Epoche: das Whig-Ministerium wurde ernannt, ernannt wurden unter der unzufriedenen Stimmung der City und dem Argwohn der Volksfreunde, unter Tumulten und Brandstiftungen in den Provinzen und unter Kämpfen und Wirren im Auslande.

Konstanze hat eine eigene Stellung in diesen Veränderungen; ihre Vertrautheit mit dem verstorbenen König war keine Empfehlung bei der Whig-Regierung seines Nachfolgers. Ihre Macht hatte, wie dies der Macht der Mode in stürmischen Zeiten immer ergehen muß, einen Stoß erlitten; und da sie in der letzten Zeit in etwas mit den Hauptparteien der Whigs zerfallen war, so konnte sie auch keinen Antheil an ihrem Erfolge in Anspruch nehmen. Sie hielt sich still auf ihrer Höhe: ihre Gesellschaft war so gesucht und so glänzend wie je, aber die kleinen Versammlungen politischer Intriganten hatten aufgehört. Sie ließ geheimnisvolle Winke fallen, daß man noch abwarten müsse, was die Minister für eine Reform vorschlagen, welche Ökonomie sie einführen würden. Die Torys, besonders der gemäßigtere Theil derselben, fingen jetzt an, ihr den Hof zu machen; während die Whigs, in dem Stolze ihres Sieges und zu beschäftigt, um an Frauen zu denken, sie vernachlässigten. Konstanze empfand das tief, obwohl es ihr mehr Verachtung, als Verdruß einflößte: die Zeit hatte auch ihren Widerwillen gegen die Aristokratie geschärft und sie betrachtete die Whigs nicht als das, was sie durch den Drang der Umstände geworden waren, sondern vielmehr wie Spieler, die mit demokratischen Marken um einen aristokratischen Einsatz spielen. Sie vergalt ihre Vernachlässigung mit Geringschätzung und die stille Neutralität wurde bald von ihnen als eine geheime Feindschaft betrachtet.

Aber bei alledem war Konstanze Weib genug, um sich innerlich doch gekränkt und verletzt durch eben das zu fühlen, was sie zu verachten schien. Ihre frühern Freunde hatten ihr keine Stelle bei Hofe angeboten; die Vertraute Georg IV. war nicht mehr Vertraute des Lord Grey. In einem Alter, wo die Schönheit ihres Zaubers nicht mehr sicher ist, empfand sie die Abnahme ihres persönlichen Einflusses als eine persönliche Beleidigung und in diesem Kummer wendete sie sich mit schmerzlichen Seufzern zu den Bildern jenes häuslichen Glücks, welches auf immer ihr verloren schien.

Neben der offneren, sichtlichern Fluth der Politik, lief noch ein verborgener Strom theoretischer Ansichten. Während die praktischen Politiker ihre einstweilige Rolle spielten, verbreiteten andere Spekulanten und Gleichheitsprediger ihre Lehren, welche ihnen zu einem unsterblichen Ziele zu führen schien. Konstanze, welche immer mehr eine sociale, als eine legislative Reform gewünscht hatte, wendete sie sich mit einiger Theilnahme zu diesen Anregern eines großartigen Versuches. Die schöne Gräfin lauschte den Reden der enthusiastischen Anhänger St. Simon's und Owen's, erwog ihre Erörterungen und sann über ihre Hoffnungen. Aber sie hatte zu viel in der wirklichen Welt gelebt, ihre Gedanken waren zu rein weltlich, um durch Lehren bekehrt zu werden, die, so sehr sie anzogen, in ihren Entschlüssen doch so abschreckend waren. Sie beschränkte sich wieder auf sich selbst und wartete in trüber und gedankenvoller Ruhe ab, was geschehen würde, überzeugt, daß Alles doch wieder vergehen müsse.


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