Edward Bulwer-Lytton
Godolphin oder der Schwur
Edward Bulwer-Lytton

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Zweites Kapitel.

Godolphin.

– Mein Signor, sie will Sie nicht sehen.

– Sie haben ihr mein Billet gegeben – Sie haben ihr den Ring gegeben?

– Das habe ich, aber sie weigert sich dennoch.

– Sie weigert sich? Und ist das ihre ganze Antwort? Keine Zeile, um diese Härte zu mildern?

– Signor, ich habe meine Botschaft ausgerichtet.

– Grausame! Hartherzige! Glauben Sie nicht, daß ich ein ander Mal bessern Erfolg haben werde?

– Das Kloster ist zu bestimmten Zeiten für Freunde offen, doch bin ich nach dem Benehmen der jungen Signora überzeugt, daß Ihre Besuche umsonst seyn werden.

– Ja, ja, ich verstehe; Sie möchten sie gern dieser bösen Welt entreißen, möchten menschliche Gefühle hindern, ihre Gedanken zu stören. Guter Gott! Und kann sie, die so glühenden, jugendlichen Sinnes ist, an den Schleier denken?

– Sie denkt nicht daran – antwortete die Nonne kalt – sie hat nicht die Absicht, hier lange zu verweilen.

– Ich bitte Sie – rief Godolphin eifrig – stehen Sie mir bei, geben Sie sie mir wieder, lassen Sie mich nur einemal zu ihr in diese Mauern und ich will Sie reich machen, ich will –

– Leben Sie wohl, Signor.

Niedergeschlagen, traurig und doch voll Wuth kehrte Godolphin nach Rom zurück. Lucillas Brief riß an seinem Herzen, wie der Haken eines zerbrochenen Pfeiles; aber die Strenge, mit welcher sie ihn vorzulassen verweigerte, erschien seinem männlichen Stolze wie eine rauhe, gefühllose Beschimpfung. Er wußte nicht, daß die Augen der armen Lucilla hinter den Mauern des Klosters ihn bewacht hatten, und daß, obgleich sie mehr um seinet-, als ihretwillen die erbetene Zusammenkunft ablehnte, sie es sich doch nicht hatte versagen können, ihn noch einmal zu sehen.

Er erreichte Rom; auf seinem Tische fand er ein Billet von Lady Charlotte Deerham, in welchem sie ihm sagte, sie hätte gehört, er wolle Rom verlassen, und sie bitte ihn daher, diesen Abend sich ein Lebewohl von ihr zu holen. »Lady Erpingham wird bei mir seyn,« schloß der Brief.

Dies weckte eine neue Gedankenreihe. Seit Lucilla's Flucht war kein anderer Gedanke, als der an Lucilla in ihm rege geworden. Wir haben gesehen, wie sein Brief an Lady Erpingham in falsche Hände gekommen war und er hatte keinen zweiten geschrieben. Wie sonderbar mußte Konstanzen sein Benehmen, nach dem Geständnisse in der Syrenenhöhle erscheinen; keine Entschuldigung, keine Erklärung! Und welche Erklärung sollte er jetzt geben? Jetzt war keine Nothwendigkeit vorhanden, die Seligkeit zu fliehen, die seiner in der Liebe seiner angebeteten Konstanze warten mochte. Aber konnte er mit einem Herzen, das noch an dem gewaltsamen Riß eines Bandes blutete, schon wieder ein neues knüpfen? Schwankend, rastlos, aufgeregt und sich selbst verklagend, konnte er die Gedanken nicht ertragen, welche Antwort auf tausend Fragen verlangten; er stürzte aus seinem freudelosen Zimmer und eilte mit brennender Stirn und fieberhaftem Pulse zu Lady Charlotte Deerham.

– Guter Gott – rief diese unwillkürlich aus – was sehen Sie so schlimm aus, Herr Godolphin?

– Schlimm? Ha, ha! ich habe mich nie wohler befunden, aber ich komme so eben von einer weiten Reise zurück und ich habe seit drei Tagen und drei Nächten nicht gegessen und nicht geschlafen. Ich! Ha, ha! Nein ich bin nicht krank. Und dabei blickte er umher mit Augen, die von Wahnsinn funkelten.

Lady Charlotte Deerham trat schaudernd zurück; Godolphin fühlte eine kühle, weiche Hand die seinige berühren, er wendete sich um und blickte in das Gesicht Konstanzes, aus dem staunende Besorgnis sprach. Er stand einen Augenblick starr, ergriff dann diese Hand, preßte sie an seine Lippen, an sein Herz und brach dann plötzlich in Thränen aus. Dieser Anfall rettete sein Leben: mehre Tage noch verbrachte er ohne Bewußtseyn.


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