Edward Bulwer-Lytton
Godolphin oder der Schwur
Edward Bulwer-Lytton

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Zwölftes Kapitel.

Ein Abend bei Konstanze.

Konstanzens Herz sprach aus ihren Augen, als sie Godolphin diesen Abend eintreten sah. Allerdings war ihr Wiedersehen nicht ohne Verlegenheit abgelaufen, aber wer kann zweifeln, daß es Konstanze nicht mehr Freude als Schmerz verursachte? Lord Erpinghams Tod hatte sie tief erschüttert; ihre Gemüther paßten zwar nicht zusammen; doch hatten darin die Großen einen bedeutenden Vortheil. In den vornehmern Klassen fallen sich Mann und Frau nicht durch beständiges Zusammenleben zur Last; verschiedene Wohnungen, verschiedene Stunden und Beschäftigungen erlauben ihnen, das Leben größtentheils für sich zu verbringen, so daß keine Nothwendigkeit für Haß, und das kälteste Gefühl Gleichgültigkeit ist.

Noch in der Blüthe der Jugend und im Glanzprunke der Schönheit, war Konstanze jetzt unabhängig geworden. Sie genoß den Reichthum und Rang, den ihre frühere Denkweise für unverläßlich gehalten hatte, und besaß jetzt die Macht, dies nur mit dem theilen zu dürfen, den sie gerne hatte. Natürlich wendete sich bei diesen Gedanken ihr Herz zu Godolphin zurück. Und als sie jetzt, obgleich nur verstohlen, nach ihm hinabblickte, der in geringer Entfernung von ihr saß und seiner Seits auf ein Zeichen ihrer Erinnerung wartete, fühlte sie sich tief ergriffen von der, Andern vielleicht unbedeutend erscheinenden Veränderung, welche die Jahre in ihm hervorgebracht hatten. Sie erinnerte sich seiner Erschütterung, als er sie widersah, und flüsterte sich den süßen Vorwurf zu: Daran bist Du Schuld. Das Feuer, die Gluth des Karakters, welche, als sie ihn zuletzt sah, ihm aus Augen und Miene sprach, war für immer erloschen. Statt des ungleichen Schimmers seiner Unterhaltung, der Heftigkeit seiner Bewegungen, zeigte sich nur gesammelter Ernst und selbst wehmüthige Ruhe. Seine Stirn war von den Furchen des Nachdenkens durchzogen, und das an den Schläfen dünner gewordene Haar verbarg nicht mehr durch seine Üppigkeit die Höhe seiner bleichen Stirn. Der Ausdruck zarter Gesundheit, welcher sie zuerst bei seinem Anblicke eingenommen hatte, war zurückgeblieben, und gab seiner sanften Stimme, dem weichen Glanze seiner Augen, einen unaussprechlichen Reiz. Nach und nach wurde die Anfangs vereinzelte und abgerissene Unterhaltung allgemeiner. Konstanze und Godolphin wurden mit hineingerissen.

– Unmöglich – sagte Godolphin – läßt sich das Leben eines südlichen Klimas mit dem vergleichen, welches wir in kälteren Gegenden führen. Die warme Sonne bringt in uns eine Indolenz, eine philosophische Sorglosigkeit hervor, die so gegen den Ehrgeiz und das übrige Streben unserer Nation absticht, daß es uns für immer von unsern Landsleuten absondert. Es ist ein Leben, wie in ewiger Musik; eine sanfte und üppige Poesie des Gefühls, die uns das Handeln, selbst das Bewegen, zuwider macht. Ein Aufenthalt in Italien ist nicht nur schädlich für das Gedeihen des Ehrgeizes, sondern stumpft ihn ab und zerstört sogar den Keim desselben.

– In der That – sagte Saville – es macht uns für Alles untauglich, außer für Liebe, eine Beschäftigung, die uns dem einfältigen Theil unseres Geschlechtes gleichstellt.

– Thoren können nicht lieben – sagte Lady Charlotte.

– Entschuldigen Sie – antwortete Saville – Liebe und Thorheit ist nicht bloß im Französischen synonym.

– Die Liebe – sagte Godolphin – welche Sie beide nennen, ist nicht werth, daß man sich darüber streitet.

– Welche denn? – fragte Saville.

– Die erste Liebe – rief Lady Charlotte. – Nicht so, Herr Godolphin?

Godolphin erröthete und sein Blick begegnete dem Konstanzens. Auch sie seufzte und schlug die Augen nieder. Er schwieg.

– Nein, Herr Godolphin – sagte Lady Charlotte – ich muß Antwort haben; ich berufe mich auf Sie.

– Nun denn – sagte Godolphin mit erzwungener Ruhe – die erste Liebe hat den Vortheil über andere, daß sie gewöhnlich fehlschlägt und daß der Kummer sie ewig frisch erhält.

Der Ton seiner Stimme drang Konstanze ins Herz. Den ganzen Abend konnte sie nicht mehr ohne sichtliche Anstrengung sprechen.


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