Edward Bulwer-Lytton
Godolphin oder der Schwur
Edward Bulwer-Lytton

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Viertes Kapitel.

Hochzeit. – Der Zufall. – Liebe.

Es war an dem Morgen, an welchem Konstanze und Godolphin verbunden werden sollten; es war bestimmt worden, daß sie noch denselben Tag nach Florenz abreisen sollte und Konstanze war an ihrer Toilette, als ihre Kammerfrau mit einem Blumenbouquet hereintrat.

– Von Percy, von Herrn Godolphin, vermutlich? – fragte sie, es annehmend.

– Nein, Mylady; eine junge Frau gab es mir vor dem Pallaste, und bat mich in dem schönsten Englisch, es Ihrer Herrlichkeit zu überreichen, und als ich ihr Geld anbot, wollte sie nichts nehmen, Mylady.

– Die Italiener sind artige Leute – antwortete Konstanze, und steckte die Blumen an die Brust.

Als Godolphin nach der Ceremonie seiner Gattin in den Wagen half, drängte sich eine, in einem weiten Mantel gehüllte Frau einen Augenblick vor. Godolphin hatte sich in demselben Momente abgewendet, um seinem Diener einen Befehl zu geben, und im nächsten war die Frau schon wieder in die Menge zurück, welche sich um den Wagen versammelt hatte; doch hatte Konstanze deutlich die mit bewunderndem und doch schmerzvollem Ausdruck gesprochenen Worte vernommen: Schön! Wie schön! O Gott!

– Hast Du nicht gesehen, was dieses junge Mädchen für herrliche Augen hatte? – fragte Konstanze, als der Wagen fortrollte.

– Welches Mädchen? Ich habe nur Dich gesehen.

– Horch! Was ist das für ein Lärm hinter uns?

– Es ist nur ein junges Mädchen, das in Ohnmacht gefallen ist – sagte der hinten sitzende Diener. – Sie sank gerade vor den Pferden zusammen, aber sie fuhren auf die Seite und thaten ihr nichts.

– Das ist ein Glück – sagte Godolphin, sich wieder neben seine junge Frau setzend – fahre schneller zu.

In Florenz erzählte Godolphin Konstanzen die Umrisse von Lucillas Geschichte, und Konstanze theilte fast die Empfindungen, mit welchen er sie ihr vortrug.

– Ich habe – sagte er – in den Händen der Äbtissin eine Summe hinterlassen, die ganz Lucilla zu Gebot stehen soll, und die ihr, sie mag nun im Kloster bleiben oder nicht, überall ihre Unabhängigkeit sichern wird. Aber ich gestehe, ich möchte jetzt wohl noch einmal nach dem Kloster zurückkehren, um zu hören, für welches Loos sie sich entschieden hat.

– Das solltest Du thun – antwortete Konstanze, die in ihrem hohen Gedankenflug keinen Gedanken von Eifersucht kannte – in der That, das ist das wenigste, was Du thun kannst.

Und Godolphin drückte auf diesen großmüthigen Mund den süßen Kuß, in welchem sich Hochachtung mit der Einbildungskraft zu verbinden anfängt. Was hat die Erde, was jener ersten, frischen Vereinigung zweier Herzen gliche, die lange getrennt, nun für immer verbunden sind? Das gibt der gesetzlichen Liebe, was die verstohlene nie erreichen kann, das Gefühl der Sicherheit in dem Bunde. Die, deren Liebe sich nicht an den Altar knüpft, können tausend Zufälle trennen, aber in der Liebe, die geweiht ist und die wir zuerst besitzen, kennen wir keine Furcht, und wir schwelgen in dem vollen Genuß der Gegenwart, und vergessen, daß, wenn auch das Schicksal weniger die Macht hat, zu scheiden, doch die Gewohnheit nicht weniger die Gewalt hat, zu erkälten. Wie stark auch die Sympathie zwischen der Frau und dem Geliebten ist, wie sehr auch jeder den andern ergründet zu haben glaubt, so bleibt doch noch eine Welt zu ergründen, so lange die Ehe nicht jenen heiligen und süßen Austausch, alle jene bezaubernden Geständnisse weckt, welche kein gesondertes Interesse und keine ungetheilten Gedanken dulden. Allerdings ist dieses Verhältnis selten und die Ehe im Allgemeinen nur ein Patent für zwei Personen, sich ungestört zanken zu dürfen. Aber es gibt Eins, was doch die Unterhaltung eines jungen Ehepaares von der von Geliebten unterscheidet, die nicht auf einem so gesetzlichen Fuße zu einander stehen – das erstere spricht von der Zukunft! Andere Liebende sprechen von der Vergangenheit; ihre Aussichten sind von Ungewißheit umflort: sie fühlen es und scheuen davor zurück; sie sehen es ein, daß ihre Pläne nicht eins und untheilbar sind. Aber Verheirathete blicken immer in die kommende Zeit und sprechen stets von ihren Plänen: dies vermindert oft die Zärtlichkeit in Neigung, erhöht aber deren Genuß.

Godolphin und Konstanze überließen sich untereinander sitzend und auf den silbernen Arno blickend, Hand in Hand der Betrachtung ihres zukünftigen Glückes.

– Und was wäre Deine liebste Lebensweise, theurer Percy?

– Ich habe keinen Plan mehr, Konstanze. Seit ich Dich mir gewonnen, habe ich alles Träumen aufgegeben. Doch ja: ein Haus in England – denn Du liebst England – nur zehn oder zwanzig Meilen von dem großen Babel entfernt; Bücher, Gemälde, Statuen und alte Bäume, die uns an unsre Normännischen Väter erinnern, welche sie gepflanzt haben, und vor Allem ein rauschender, klarer, durchsichtiger Strom, der durch sie hinfließt, am Ufer drüben einiges Wild, das halb im Ginster verborgen ist; Felsen, die sich darüber erheben, ein Vorrecht der Excentricität, das einem erlaubte, nach Belieben bald die Einsamkeit, bald die Gesellschaft vorzuziehen, und das Haus so voller Gäste, daß es keine Beleidigung für den Einzelnen wäre, wenn man zu Zeiten Allen auswich –

– Nur weiter – sagte Konstanze lächelnd.

– Ich bin fertig.

– Fertig?

– Ja, meine schöne Unersättliche. Was möchtest Du noch mehr?

– Du sprichst nur von einem Landleben, und das mag in seiner Art drei Monate im Jahr gut seyn.

– Für die andern neun wünsche ich mir dann Italien.

– Ach Percy, ist Vergnügen, und nur Vergnügen, gemeines Vergnügen, wirklich der einzige Zweck des Lebens?

– Gewiß.

– Und Thaten, Handlungen, Unternehmungen, sind sie nichts?

Godolphin schwieg und warf gedankenlos Steine in das Wasser. Dies erinnerte Konstanzen an das erstemal, wo sie ihn auf dem Gebiete seiner Vorfahren gesehen hatte und sie seufzte, als sie jetzt auf eine Stirn blickte, welcher Verweichlichung und träumerisches Wesen viel von ihrem frühern ritterlichen und ernsten Ausdruck genommen hatten.


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