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F[elix] Armand et R[ené] Maublanc, Fourier.

2 Bde. Paris Editions Sociales Internationales 1937. 264 S., 264 S.

Fourier ist sein Lebtag darauf aus gewesen, in seiner Schreibweise dem Publikum entgegenzukommen. Vor allem bemüht er sich, seiner »papillonne«, seiner Zerstreuungssucht so weit wie möglich sich anzupassen. Er greift dabei zu Prozeduren, die an Jean Paul erinnern (mit dem ihn in der Tat eine tiefe Verwandtschaft verbindet); in schrullenhafter Weise durchsetzt er den Text mit Prologen und Präambeln, Postambeln, Korollaren, Appositionen und Intermezzi, schafft sich dazu neue, im üblichen Schriftvorrat unbekannte Zeichen, Kennmarken einer besonderen philosophischen Gruppenbildung. Mit alledem hat er eine fortlaufende Lektüre seiner Bücher sehr erschwert und anthologische Versuche an seinem Werk so gut wie nicht leicht ein anderer legitimiert. Sie sind des öfteren unternommen worden; ein neuerer von A. Pinloche wurde an dieser Stelle im Jahre 1934 (S. 291 f.) angezeigt.

Die Anthologie von Armand und Maublanc unterscheidet sich von den früheren auf die vorteilhafteste Weise. Sie geht in der Zerschlagung des Textes weiter, als dies bisher geschehen ist. Das erweist sich als sehr berechtigt. Nicht nur weil derart, befördert durch Stichworte, Losungen oder Thesen, mit denen die Herausgeber die Fragmente betitelt haben, der anziehende Eindruck, den Fourier seinen Schriften zu geben getrachtet hat, in der Tat zustande kommt; das Verfahren wird weiterhin durch die Kompositionstechnik von Fourier nahegelegt. Dieser merkwürdige Mann ist in seiner Schriftstellerei etwas rückständig gewesen. Man stößt bei ihm, genau wie bei den an den gradus ad Parnassum geschulten Schriftstellern und Rhetoren des siebzehnten Jahrhunderts, auf eine Fülle stereotyper Wendungen, mit denen er bei jeder Gelegenheit seinen Text bereichert – Wendungen, die freilich nicht der klassischen Konvention, sondern seinen eigenen Studierheften entnommen sind. Diesen Wiederholungen war aus dem Wege zu gehen, und das ist den Herausgebern gelungen.

M[aublanc] hat schon durch eine Edition der Fourierschen Erotologie bewiesen, daß er besonderes Verständnis für die Exzentrizitäten dieses Autors besitzt. Indem er diesen »romanhaften Elementen« – so nennt er sie in der Einleitung – in der Auswahl einen besonders großen Platz einräumt, führt er den Leser an diejenige Seite Fouriers heran, die die anziehendste auch für Marx und Engels gewesen ist. Fourier erscheint in der Tat in dieser Auswahl als der Schriftsteller, welcher seine »kolossale Anschauung vom Menschen ... der bescheidenen Mittelmäßigkeit des Restaurationsmenschen mit naivem Humor gegenüberstellt«. Diese Worte enthalten für viele der Fourierschen Divagationen den Schlüssel, und man kann sich mit den Herausgebern fragen, ob nicht Fourier selber zuzeiten sie sich so zurechtgelegt habe. Jedenfalls verbirgt ihr Humor eine unerbittliche Kritik an seinen Zeitgenossen. (Ähnlich ist ein satirisches Element oft im Humor Daumiers aufgehoben.) Unter den drei Hauptteilen der Anthologie haben die Herausgeber den mittleren der Kritik der gesellschaftlichen Ordnung vorbehalten, die Fourier, ausgehend von seinen Erfahrungen als Verkäufer, geübt hat. Von den beiden übrigen befaßt sich der eine mit Fouriers »Philosophie générale«, der andere mit der »Utopie phalanstérienne«. Das Spannungsverhältnis, in dem der erste zum dritten Abschnitt, der Deismus des Metaphysikers zu dem Hedonismus des Utopisten steht, kann dem Historiker zu denken geben. In Fourier, der, wie die Einleitung bemerkt, eigentlich ein Mann des achtzehnten Jahrhunderts gewesen ist, mag dieses Jahrhundert, das einen Bayle neben einem Swedenborg, einen Basedow neben einem Sade hervorgebracht hat, ihm in seiner Widersprüchlichkeit konzentriert erscheinen.


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