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Georges Laronze, Le Baron Haussmann.

Paris: Librairie Félix Alcan 1932. 260 S.

Für eine soziologische Charakteristik des zweiten Kaiserreichs gibt es kaum einen günstigeren Ausgangspunkt als das Studium der Aktivität, die der Seinepräfekt Baron Haussmann als Städtebauer an Paris entfaltet hat. Haussmann war ein Arrivist im Dienst eines Usurpators. Bei Napoleon III. verbanden sich die merkantilen und militärischen Momente, welche auf eine Umgestaltung des Stadtbildes drängten, mit dem Bestreben, seine Friedensherrschaft in Monumenten zu verewigen. In Haussmann fand er eine Kraft wie er sie brauchte. Mit Recht nennt Laronze den Baron einen »réalisateur«. Von allen Titeln wird man ihm diesen am wenigsten streitig machen können. Im übrigen bemüht sein neuer Biograph sich um eine vorwiegend pragmatische Lebensbeschreibung, die ihre Hauptverdienste in der Charakteristik von Haussmanns Aufstieg hat. Frühzeitig und geschickt genug hat er die Präsidentschaft, dann das Kaisertum Napoleons vorbereitet, um späterhin den höchsten Vertrauensposten in seiner Nähe einzunehmen. Die urbanistische Wirksamkeit, die er auf diesem Posten ausübte, ist von gewissen Autoren abfälliger, damit aber auch prägnanter als von seinem gegenwärtigen Biographen gekennzeichnet worden (Man schlage die eingehende Charakteristik der Ära Haussmann bei L. Dubech und P. d'Espézel, »Histoire de Paris«, Paris 1926, nach.) Dagegen erhalten die politischen und administrativen Hintergründe dieser urbanistischen Tätigkeit bei Laronze das gebührende Licht. Derart treten vor allem die polizeilichen Interessen dieses gewaltigen Bauvorhabens zu Tage, dem die Zeitgenossen nicht umsonst den Namen »l'embellissement stratégique« gegeben haben. Die Quellen reden da eine deutlichere Sprache als die Festreden, mit denen der Präfekt die neuen Straßenzüge einzuweihen pflegte. Unter Louis Philippe bereits hatte man Teile der Stadt mit Holz gepflastert, »um der Revolution den Baustoff zu entziehen. Aus Holzblöcken«, schrieb damals Gutzkow aus Paris, »lassen sich keine Barricaden mehr machen.« Aber wie rückständig erscheint dieser Eingriff, verglichen mit der radikalen Operation von Haussmann, der schnurgerade Straßenzüge quer durch Paris legte, um die Kasernen mit den Arbeitervierteln zu verbinden, und der diese Straßenzüge so breit anlegte, daß keine Barrikade sie mehr sperren konnte. Freilich erschöpft sich die »geheime Geschichte« der letzten Reorganisation von Paris nicht in diesen Zusammenhängen. Was Hegemann so glänzend für Berlin geleistet hat – die Verklammerung der Bau- und der Sozialgeschichte einer Stadt – bleibt für das Haussmannsche Paris noch zu leisten. Laronze verrät nur eben genug, um die Bedeutung der Sache ahnen zu lassen; er zeigt, wie sich die Rechtsprechung des Kassationshofs in den Dienst einer Opposition gegen den Präfekten stellt, in der die Gegner des Regimes – Legitimisten und Republikaner – sich zusammenfinden. – Der Autor hat die Laufbahn Haussmanns dann eingehend über seinen Sturz hinaus verfolgt. Und das ist dankenswert. Die Mißgriffe und Fehlspekulationen, die sich zu Ende seines Lebens häufen, zeigen, wieviel für Haussmann daran gelegen war, seinem Wirken den glänzenden Rahmen zu schaffen, in dem es sich so lange behaupten konnte. Außerhalb dieses Rahmens, im Milieu der Bank- und Finanzleute seiner Tage ist es das eines Großbourgeois aus der Blütezeit des Imperialismus. Tatkräftige Borniertheit ist der Kern des Mannes, dessen Pläne, so großartig sie waren, unbestreitbar der Perspektive in Vergangenheit und Zukunft ermangelten. Seine Vorstellung von den Aufgaben des Urbanismus war kaum gediegener als sein Gefühl für die geschichtliche Schönheit und Würde seiner Vaterstadt.


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