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10. Kapitel.
Die gegenwärtige Beziehung zwischen dem englischen Staate und den Juden

England hat beide Extreme gegen die Juden vertreten.

Der Jude in der römischen Zeit und im Mittelalter – sein Wuchermonopol im frühen Mittelalter. – Die Verbannung aller englischen Juden unter Eduard I. – ihre Rückkehr unter Cromwell – gefolgt von einer wachsenden Allianz zwischen dem englischen Staat und den Juden – hauptsächlich veranlaßt durch kosmopolitische Handelsinteressen Großbritanniens – auch durch gemeinsame Feindseligkeit gegen die katholische Kirche – unterstützt durch großen Reichtum und Sicherheit dieses Landes – in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geben die Juden trotz ihrer kleinen Anzahl den Ton an in jeder englischen Institution, besonders den Universitäten und dem Parlamente – die Interessen der Rassen begannen sich zu scheiden vor dem Großen Kriege – nichtsdestoweniger eine formelle Allianz infolge der Kontrolle der Politiker durch die jüdische Finanz – ihr Gipfel in dem Versuche, einen anglo-jüdischen Staat in Palästina zu gründen.

 

Die verschiedenen Nationen Europas haben alle im langen Laufe ihrer Geschichte gegenüber dem Juden aufeinanderfolgende Phasen durchgemacht, die ich den tragischen Kreislauf genannt habe. Eine jede hat ihn der Reihe nach willkommen geheißen, geduldet, verfolgt, zu verbannen gesucht – oft wirklich verbannt – wiederum willkommen geheißen, und so fort. Die beiden Hauptbeispiele für die Extreme sind, wie ich schon in einem früheren Teile des Buches bemerkt habe, Spanien und England. Die Spanier, und im besondern die Spanier des Königreichs Kastilien, sind durch jede Phase dieses Kreislaufs ganz hindurchgegangen. England hat sogar noch größere Extreme durchlaufen, denn England war das einzige Land, das Hunderte von Jahren die Juden absolut los war, und England ist das einzige Land, das, wenn auch für eine kurze Periode, etwas wie eine Allianz mit ihnen eingegangen ist.

Wiewohl wir es mit der gegenwärtigen Stellung des britischen Staates – d. h. der Stellung der offiziellen britischen Politik gegenüber dem Juden – zu tun haben, mag es doch von Nutzen sein, die Sache mit ein paar Worten über vergangene Beziehungen einzuleiten.

Das jüdische Element auf dieser Insel war, was es immer während der römischen Besetzung gewesen sein mag, während der dunkeln Zeiten von wenig Belang. Die Dinge änderten sich mit deren Ende im 11. Jahrhundert. Der Jude ist der Marketender jeder neuen wirtschaftlichen Bewegung unter uns, und darum findet man ihn im Kielwasser der normannischen Eroberung. Durch die ganze wirtschaftliche Entwicklung hindurch, welche damit begann, kann man die sekundäre Rolle des Juden verfolgen. Jedermann kennt die Regelung des jüdischen Status im Mittelalter. Sie galt hier wie überall sonst in der Christenheit. Der Jude stand unter dem König; d. h. unter dem speziellen Schutze des Staates. Griffen ihn die Volksmassen an, so war das ein Angriff auf des Königs Sonderrecht und unterlag sofortiger Bestrafung. Der einzelne Angreifer wurde mit besonderer Strenge bestraft, weil die Gefahr einer Massenbewegung immer groß ist, wo das Volk die Freiheit hat, in Massen zu handeln, wie das im ganzen Mittelalter der Fall war, und die Notwendigkeit, die Ausdehnung einzelner Angriffe zu verhindern, war dementsprechend groß. Hin und wieder ging die Volksstimmung durch, und der Monarch hatte es mit Mengen zu tun, über die er keine Kontrolle haben konnte; aber in der Regel genoß der Jude, und besonders der reiche Jude, eine privilegierte Stellung, sowohl in Nordfrankreich wie in ganz England. Der Jude des frühen Mittelalters in England war normal ein wohlhabender und oft ein ungewöhnlich reicher Mann. Damals wie heute waren eine kleine Anzahl von Juden bei weitem die reichsten Leute ihrer Zeit.

Er hatte den größten Teil der Finanzen in Händen und dazu das unermeßliche Privileg (das er verloren hat), daß er allein die Erlaubnis hatte, Wucher zu treiben. Hier müssen wir einen Augenblick verweilen, um den Wucher zu definieren.

Wucher bedeutete damals (wie heute) den Empfang von Zinsen auf unproduktive Anleihen. Es ist eine Praxis, die alle Moralisten und alle Philosophen verurteilt haben, und die die Kirche im besonderen verurteilt. Leiht man einem Manne Geld zu einem produktiven Zwecke: wenn er z. B. ein Schiff kauft, um Handel zu treiben mit dem vorgeschossenen Gelde, oder eine Farm kauft, die er bewirtschaftet, dann hat man die volle Freiheit, einen Teil des Gewinnes für sich auszubedingen. Aber leiht man Geld zu einem nicht direkt produktiven Zwecke, wie z. B. einem Menschen in schwerer Notlage, oder aus Barmherzigkeit, oder um etwa eine Kirche zu bauen, die keine Rente abwerfen wird, oder leiht man sonstwie einem Geld, von dem man weiß, daß er es nicht produktiv anlegen kann, dann ist es unsittlich, Zinsen zu verlangen.

Nun wurde aber im mittelalterlichen Christentum eine Ausnahme gemacht zugunsten des Juden. Ihm wurde gestattet, Geld auf Zinsen zu leihen, sogar in den bittersten Fällen der Notlage und für so unproduktive Zwecke wie Religion oder Krieg. Die einzige Bedingung war, daß die Gelder, die aus dieser lukrativen Praxis flossen, (theoretisch) beim Tode des Konzessionsberechtigten der Krone wieder zufallen sollten. Praktisch verblieb ohne Zweifel ein großer Teil dem Ansammler, der zu seinen Lebzeiten das durch Wucher erworbene Einkommen genoß, der es seinen Erben geben konnte, solange er noch lebte, und Gelegenheiten genug hatte, es heimlich anzulegen oder es mit Hilfe der internationalen Judenschaft bei anderen zu deponieren. Aber von ihm hinterlassene flüssige Summen, das Ergebnis seines Wuchers, fielen nach seinem Tode an die Krone zurück. Dies war ein großer Vorteil für die Krone, die nicht nur den Juden vor der eingeborenen Feindseligkeit seiner Wirte schützte (und besonders vor dem Pöbel), sondern ihm auch dieses große Privileg gab – ein Monopol.

Der Zinsfuß war enorm. Er ging von etwa 50% bis über 80%. Wenn die Juden Geld auf Sicherheit liehen, mußte der König teilweise für die Sicherheit bürgen, und ihr Privileg ging so weit, daß sie vom gemeinen Gesetz befreit waren, und ein Fall zwischen einem Engländer und dessen jüdischem Gläubiger konnte nur vor einem gemischten Gerichtshof verhandelt werden, in welchem des Juden eigene Volksgenossen in gleicher Anzahl wie die englischen vertreten waren.

Während des ganzen Zeitalters der Plantagenet dauerte die jüdische Finanzherrschaft an, bis zum Ende des zwölften und sogar bis in den Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Aber mit der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts aus Gründen, die ich niemals historisch genügend aufgeklärt gesehen habe, und wofür vielleicht die vollen Ursachen uns verlorengegangen sind, begann die jüdische Macht sehr rasch abzunehmen, soweit England in Frage kommt.

Und hier mag angemerkt werden, daß in jedem Lande die Mißgeschicke der Juden ihren Anfang erst dann nehmen, wenn ihre finanzielle Stellung erschüttert ist. Solange sie die finanziellen Herren der Regierung sind, werden sie beschützt; aber wehe ihnen, wenn sie anfangen, ihre finanzielle Macht zu verlieren! Dann gibt es nicht länger mehr einen Grund, sie zu schützen, weder von Seiten der regierenden Klassen im allgemeinen, noch von der Staatsgewalt im besonderen. Die Volksleidenschaft hat freie Bahn, und das Unheil folgt.

Jedenfalls sah das dreizehnte Jahrhundert in England einen rapiden Verfall der jüdischen Finanzmacht und zur selben Zeit ein rapides Steigen offizieller Animosität gegen die Juden. Sie wurden im Laufe des Jahrhunderts ärmer und ärmer. Ihre Tätigkeit wurde zur selben Zeit mehr und mehr beschränkt, Sie hatten viel Geld auf Land ausgeliehen, indessen im öffentlichen Interesse wurde ihnen verboten, ihre Hypotheken geltend zu machen. Der letzte Schritt war, daß ihre spezielle Wucherlizenz von Eduard I. zu Beginn seiner Regierung zurückgezogen wurde; und schließlich im Jahre 1290, nach wachsenden Härten, wurden sie alle, unter Androhung der Todesstrafe, aus dem Lande vertrieben.

Das unglückliche Volk, bereits durch zwei Generationen verarmt und heruntergekommen, wurde aus dem Lande gejagt; es wurde ihnen erlaubt, Geld und bewegliche Habe mitzunehmen. Sie standen freilich an den Häfen unter dem Schutze der königlichen Offiziere, die sogar die Überfahrt der Mittellosen unter ihnen bezahlten; aber sie wurden auf See geplündert, und einige von ihnen, sogar ermordet. Die Mörder wurden bestraft, aber die Erinnerung an die Verfolgung haftete im Gedächtnis des Juden, und England wurde der Gegenstand ihres Hasses. Die von den Engländern vertriebene jüdische Gemeinschaft war überraschend klein, nicht einmal 17 000, und stützt die historische Wahrheit, daß im Mittelalter, und freilich bis zu den neuesten Zeiten, die jüdische Gemeinschaft in Nordfrankreich und in England in der Hauptsache aus wohlhabenden Leuten bestand.

Es folgten mehr als dreieinhalb Jahrhunderte, während derer England das einzige Beispiel eines Staates in Europa war, der die Juden unter gar keinen Umständen bei sich dulden wollte. Gewiß verblieben während dieser Zeit auf der Insel, oder besuchten sie jedenfalls, nicht wenige von denen, die die Juden selber »Krypto-Juden« nennen, d. h. Juden, die äußerlich ihre Nationalität verleugnen und unsere Religion zum Zwecke privaten Gewinnes praktizieren. Diese verblieben, wenn sie die Gesetze erfolgreich umgehen konnten, auf den britischen Inseln. Aber ihr Einfluß war gering, und das englische Volk bildete während der ganzen Zeit seiner großen militärischen Erfolge in Frankreich, während der ganzen Periode, da seine Sprache und Kultur sich formten, während der ganzen großen nationalen Episode der Tudors und der Reformation, die einzige große Ausnahme in Europa, indem ihm der Jude unbekannt blieb und von ihrem Gemeinwesen streng ausgeschlossen war.

Sie kehrten, wie jedermann weiß, unter Cromwell zurück. Ihre Zahl und noch mehr ihr Reichtum wuchsen gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts, und in Begleitung damit traten (teilweise als eine Wirkung davon, wiewohl wir hier nicht übertreiben dürfen) eine Anzahl neuer finanzieller Eigentümlichkeiten im englischen Staatsleben auf, von denen eine jede die angewachsene Macht der Juden zeigt. Die Institution der Bank, der Nationalschulden, der Spekulation in Wechseln und Anleihekursen.

Aber die realen Ursachen dieser Allianz zwischen den Engländern und den Juden, die wir gegen Schluß des 17. Jahrhunderts sehen, und die so ausgesprochen im 19. wurde, war die kosmopolitische Stellung Englands, als des führenden Handelsstaates. Dies führte zu so etwas wie Identität zwischen den Interessen Israels und denen Englands, eine Identität, die so lange gedauert hat, daß jetzt, wo die Abweichung in Erscheinung zu treten beginnt, es der älteren Generation noch seltsam und neuartig vorkommt, daß es eine jüdische Aktion geben sollte, die für England nicht günstig ist. Sie können nicht verstehen, was die neue Gleichgültigkeit gegen jüdische Interessen, geschweige denn die neue Feindseligkeit gegen sie, bedeuten soll.

Es gab natürlich noch viele andere Ursachen, die zu der besonderen Stellung beitrugen, die der Jude im modernen England genießen durfte, eine Stellung, die er bislang in äußeren Dingen noch nicht verloren hat, wiewohl sie moralisch so peinlich erschüttert ist. Da war das Faktum, daß England die protestantische Macht des Westens war.

Dieses religiöse Motiv spielte eine große Rolle. Zwischen der katholischen Kirche und der Synagoge ist Feindschaft gewesen vom ersten Jahrhundert an. Soweit es möglich war, in diesem Streite Partei zu ergreifen, war es für die protestantische Macht das Gegebene, gegen die katholische Tradition und darum zugunsten der Juden Partei zu ergreifen. Ferner, die Engländer waren nicht nur Protestanten, ihre Mittelklassen waren fanatische Leser des Alten Testamentes. Die Juden schienen ihnen die Heroen eines Epos und die Schreine einer Religion zu sein. Bis auf diesen Tag wird man in der englischen Provinz starke Überbleibsel dieser Haltung finden. Man könnte noch hinzufügen einen gewissen nationalen Widerwillen gegen Gewalttat, ein Gefühl, das gesteigert wurde durch Nachrichten von Judenverfolgungen im Ausland. Man könnte auch ferner noch hinzufügen den Stolz, den der moderne Engländer aus dem Gefühle zieht, daß sein Land das Asyl aller Unterdrückten ist.

Inzwischen gab es bis ganz vor kurzem keine nennenswerte Anzahl armer Juden im Lande, die die Animosität des Pöbels hätte reizen können. Das war ein wichtiger negativer Faktor für die Unterbringung der Juden innerhalb des englischen Staates. Aber auch bei voller Würdigung aller dieser Faktoren bleibt es doch wahr, daß die Hauptursache der zufälligen Stellung der Juden in England der kosmopolitische Charakter des englischen Handels war und der wesentlich kommerzielle Charakter des englischen Staates. Wie der englische Export und die englische Schiffahrt den Erdkreis zu umfassen begannen, umfaßte ihn ebenso auch das englische Finanzsystem. London wurde nach Waterloo der Geldmarkt und das Clearing-House der Welt. Die Interessen des Juden als eines Geldhändlers und die Interessen dieses großen Handelsstaates näherten sich mehr und mehr. Man kann sagen, daß sie im letzten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts im Prinzip identisch geworden waren.

Jede neue wirtschaftliche Unternehmung des britischen Staates sprach den jüdischen Genius für Handel und besonders für Vermittelung in der abstraktesten Form – der Finanz – an. Umgekehrt sprachen jede jüdische Unternehmung, jede neue Idee des Juden bei seiner kosmopolitischen Tätigkeit (bis diese revolutionär wurde) den englischen Kaufmann und Bankier an.

Diese beiden Dinge hingen zusammen und paßten genau ineinander, und ebenso auch alle Hilfstätigkeiten. Die jüdischen Nachrichtenagenturen des 19. Jahrhunderts begünstigten England und seine ganze Politik, politisch wie kommerziell; sie opponierten gegen die seiner Rivalen und im besonderen gegen die seiner Feinde. Die jüdische Kenntnis des Ostens stand England zur Verfügung. Seine internationale Durchdringung der europäischen Regierungen stand ihm auch zur Verfügung – so auch seine geheimen Informationen. Bei der Konsolidation des indischen Reiches nach dem Aufstande waren wiederum die Juden Verbündete aus ihrem traditionellen Haß gegen das russische Volk heraus, welcher sie in unseren Tagen dazu geführt hat, eine so schauerliche Rache an ihren früheren Bedrückern zu nehmen. Der Jude kann auf dem europäischen Kontinent fast ein britischer Agent genannt werden, und noch mehr im nahen und fernen Osten, wo die wirtschaftliche Macht Englands sogar noch rascher als seine politische sich ausdehnte.

Und der Jude wies auf den englischen Staat als auf denjenigen, in dem alles, was seine Nation von den Goyim forderte, zu finden sei. Hier erfreute er sich einer Stellung, derengleichen er in keinem anderen Lande der Welt wieder zu finden hoffen durfte. Alle Gegnerschaft gegen ihn war ausgestorben. Er wurde zu jeder Institution des Staates zugelassen, ein hervorragendes Mitglied seiner Nation wurde der erste Beamte der englischen Regierung, und, ein noch zarterer und wirksamerer Einfluß: Heiraten begannen stattzufinden im großen zwischen den einstigen aristokratischen territorialen Familien dieses Landes und den jüdischen kommerziellen Vermögen.

Zwei Generationen danach zu Anfang des 20. Jahrhunderts bildeten diejenigen unter den großen territorialen englischen Familien, in deren Adern kein jüdisches Blut floß, die Ausnahme. In nahezu allen von ihnen war die Vermischung mehr oder weniger deutlich, in manchen von ihnen so stark, daß, wiewohl der Name noch ein englischer war und die Traditionen die eines rein englischen Geschlechts mit altem Stammbaum, der physische und moralische Charakter vollständig jüdisch geworden waren, und die Glieder der Familie für Juden gehalten wurden, wann immer sie in Ländern reisten, wo die Gentry eine solche Beimischung noch nicht erduldet oder genossen hatte.

Spezielle jüdische Institutionen wie die Freimaurerei (die die Juden als eine Art Brücke zwischen sich und ihren Wirten im 17. Jahrhundert gegründet hatten) waren in Großbritannien besonders stark, und es erwuchs eine aktive, am Ende als von größter Bedeutung sich erweisende politische Tradition, nach der der britische Staat bei ausländischen Regierungen stillschweigend als der offizielle Protektor der Juden in anderen Ländern galt. Es war Großbritannien, von dem entsprechend seiner Macht erwartet wurde, so oft eine Judenverfolgung im christlichen Osten stattfand, zu intervenieren, und in der ganzen Welt die jüdischen finanziellen Energien zu unterstützen, und hinwiederum den Nutzen dieser Verbindung einzuheimsen.

Wir werden aber ein höchst unvollständiges Bild von den Ursachen haben, die die Juden allmählich dieses Land als Aktionszentrum betrachten ließen, wenn wir einen wesentlichen Punkt auslassen. England bot Sicherheit.

Während der ganzen Periode, die die Erhöhung der Juden auf dieser Insel sah und ihre schließliche Allianz mit deren politischem und kommerziellem System, erfreute sich das englische Volk eines tiefen Friedens. Ausgenommen die armseligen Zwischenfälle von 1815 und 1845, hatten zwischen der Rebellion Monmouths und den Luftangriffen der Deutschen auf London während des letzten Krieges auf englischem Boden keine Feindseligkeiten stattgefunden. Es hatte (mit Ausnahme einiger völlig unbedeutender lokaler Tumulte) völlige Sicherheit für das Eigentum und besonders für das große Eigentum geherrscht. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts hatte es keine Konfiskation gegeben, und von Handelsvermögen keine seit Mitte des 17., keine Invasion, keinen Bürgerkrieg und deshalb keine Plünderung: keine persönliche Gefahr durch Gewalttaten.

Solche Bedingungen schufen eine ideale Umgebung zur dauernden Aufrichtung und Verwurzelung jüdischer Macht und zum Ausbau eines jüdischen Fundaments.

Die politische Situation spiegelte sich wie immer in der Literatur wider. Der Jude begann in englischen Romanen als erhabener Charakter aufzutreten, ganz herausgehoben zu seinem Vorteil aus der Masse der Menschheit. Bereits bei Sir Walter Scott ist er ein Heros, aber die volle Entwicklung sollte viel später kommen. Man konnte so spät noch wie Oliver Twist einem jüdischen Schurken begegnen, aber bei so verschiedenen Schriftstellern wie Charles Reade und George Eliot erreichen wir den Punkt, wo der Jude sündlos ist. Das schlimmste, was ein Schriftsteller am Ende dieses Prozesses zu tun wagt, ist, zu schweigen; das beste, dem jüdischen Typus gegen alles Wissen zu schmeicheln. Dieses einzigartige Intermezzo wurde zum Teil verdankt der Trennung zwischen Literatur und Volksgefühl in der Mitte und gegen Ende des 19. Jahrhunderts; zum mindesten ermöglichte diese Trennung seine Duldung. Aber die aktive Ursache davon war die Widerspiegelung der politischen Stellung des Juden im Geiste der gebildeten Klasse und im Ausdruck in deren Literatur.

Zur selben Zeit trat eine parallele Bewegung in der historischen Literatur zutage. Eine Konvention kam zustande, daß bei dem Zusammenprall der Juden mit den Engländern des Mittelalters die Engländer ohne Unterschied immer im Unrecht gewesen waren. Wo der Streit zwischen dem Juden und dem Nichtjuden auswärts stattfand, überschritt der Historiker vollends alle Grenzen. Der dem Juden feindliche Europäer war ein gefühlloses Ungeheuer, und der dem Europäer feindliche Jude war ein heiliges Opfer.

Die ganze Geschichte Europas und dieses Landes, insoweit sie von diesem recht bedeutenden Faktor berührt wurde, wurde verzerrt durch Unterdrückungen und falsche Hervorhebungen und ganz außergewöhnliche Lügen.

Der gewöhnliche Leser der Geschichte wußte weder, welche Rolle die jüdische Frage gespielt hatte, noch von den Anrechten, die zugunsten seiner eigenen Rasse in diesem Konflikte erhoben werden konnten. Und da Historiker davon leben, daß sie einander, abschreiben, wurde die Legende in jeder Schule und Universität eingeführt.

Am Ende dieser Entwicklung hatten die Juden im Verhältnis zu ihrer Zahl in diesem Lande eine Macht inne, die weit hinausging über alles, was man je in einem anderen gesehen hatte. Polen gegen das Ende des Mittelalters, als dieses Land in bezug auf die Beherbergung und den Schutz des jüdischen Volkes Großbritannien sehr nahe vergleichbar war, bietet die einzige Parallele, aber eine ziemlich entlegene.

Jede englische Regierung hatte (und hat) ihre jüdischen Kontingente. Sie waren eingetreten in die diplomatische Laufbahn und in das Oberhaus; sie wimmelten im Unterhaus, in den Universitäten, in allen Regierungsbüros, außer dem Auswärtigen Amt (und selbst da sind neuerdings Repräsentanten der jüdischen Nation vertreten). Sie waren übermäßig mächtig in der Presse: sie waren allmächtig in der City. Keine ihrer Nation unsympathische Sitte vom Duell bis zur Volksakklamation blieb am Leben. Sie konnten darüber frohlocken, daß England nicht nur das Land war, wo zwischen dem Juden und dem Einheimischen praktisch, geschweige denn im Gesetz, auch nicht der geringste Unterschied gemacht wurde, sondern daß England das einzige Land war, wo der Jude immer gut aufgenommen wurde; wo seine natürlichen Mängel am wenigsten zählten, und wo seine natürlichen Fähigkeiten den weitesten Spielraum genossen.

Ein solcher Zustand konnte keine Dauer haben. Er war nicht natürlich. Er stimmte nicht zusammen mit verborgenen, aber tiefen Volkstraditionen, noch mit den Strebungen des Volkes; er entsprach nur dem Sinne einer einzigen europäischen Gesellschaft in deren wohlhabenderen Klassen. Eine Divergenz zwischen den kosmopolitischen finanziellen Interessen des Juden und den besonderen nationalen Großbritanniens mußte kommen. Krieg in großem Maßstabe, wiewohl er das Land selber nicht in Gefahr brachte, wurde zur Warnung, daß eine Wandlung eintrat. Sie wurde sichtbar mit dem südafrikanischen Feldzug vor Ende des Jahrhunderts. Die Stellung des Juden hatte sich geändert. Eine Art Unzufriedenheit mit seiner Macht begann zu erwachen. Sie begann schon zu raunen und sich zu zeigen, als der kommerzielle und maritime Wettbewerb des neuen Deutschen Reiches zutage trat, das seinerseits, was seinen Handel anlangt, von Juden geführt worden war. Es mußte, sagte ich, eine Reaktion kommen, und zwar eine dauernde. Während sie noch im Begriffe war einzutreten, wurde jener unter den englischen Politikern, der durch mannigfache Bande der Freundschaft und Gastfreundschaft am intimsten mit ihnen und am besten geeignet war, für die Juden zu sprechen, Herr Arthur Balfour, auserlesen, die berühmte Erklärung zugunsten des Zionismus abzugeben. Sie kam in der Zeit der großen Krise des Krieges. Ihr Zweck war, den allgemeinen Einfluß der Juden in der ganzen Welt zu teilen, die bislang im großen ganzen der Sache der Alliierten entgegen waren, weil die Juden gleich allen anderen Neutralen, wie die Feldzüge sich hinzogen, mehr und mehr überzeugt waren, daß der Sieg der Zentralmächte sicher sei.

Wiewohl dies das Motiv war, war die Wirkung doch die, den britischen Staat noch enger an die Geschicke Israels zu knüpfen, denn hier nahm England die Verpflichtung auf sich, die besonderen Interessen der Juden zu unterstützen, zu verteidigen, als spezielle Protektor gerade dort, wo diese Interessen das Ganze der Christenheit und des Islam am meisten herausforderten, gerade dort, wo es am allerschwierigsten war, jüdische Ansprüche zu bestätigen.

Die Erklärung zugunsten des Zionismus, die feierliche Verpflichtung der britischen Kräfte auf eine außergewöhnliche Unterstützung des Juden in einer Sache, die gänzlich nur zu seinem Vorteil und nicht im geringsten zu dem Englands war, und die kam, wiewohl der Höhepunkt der jüdischen Macht bereits erreicht und überschritten war, bildete das letzte Stadium jener langen Entwicklung einer Allianz zwischen der britischen Handelspolitik und deren regierenden Klassen auf der einen und den Juden auf der anderen Seite.

Diese Allianz war, wie ich gesagt habe, bereits moralisch erschüttert. Der große Zustrom armer Juden hatte sie erschüttert. Die bloße Wirkung der Zeit, die unvermeidbare Revolte des menschlichen Gewissens gegen eine unnatürliche Vorspiegelung und eine offensichtliche Fiktion mußte kommen und war überfällig. Aber wiewohl die Allianz bereits erschüttert war, blieb der englische Staat offiziell eng verschränkt mit der Judenschaft, und seine letzte Tat, die Forderung der Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina, war, wie es sich schon so oft in der Geschichte menschlicher Entwicklungen ereignet hat, zugleich das Ende und der Wendepunkt eines Prozesses, der seinen Schlußpunkt erreicht hatte; denn es kann durch die ganze Geschichte hindurch beobachtet werden, daß jede Macht dann am ausdrucksvollsten ist, ihre Kraftäußerung am rohesten und emphatischesten in dem gefährlichen Intervall, nachdem ihre reale Stärke abzunehmen begonnen hat und vor ihrer ersten offenen Niederlage.

Aber die durch dieses Experiment in Palästina dargebotenen Probleme verdienen eine Sonderuntersuchung. An sie will ich mich jetzt machen.


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