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Diese Seite der Untersuchung oft irrtümlich vernachlässigt – Annahme, weil wir die Wirte seien, der Jude der Fremde, sei bei uns keine Verantwortung – dieser Irrtum übersieht, daß der Jude immer bei uns und daß jede dauernde menschliche Beziehung Verantwortung mit sich führt.
Die erste Ursache der Reibung auf unserer Seite ist Unaufrichtigkeit in unserem Umgang mit dem Juden – Beispiele dafür – wir verbergen vor dem Juden unsere wirklichen Gefühle – wir täuschen ihn – die reicheren Klassen, die Ehen schließen mit Juden und in enge Geschäftsverbindungen treten mit ihnen, besonders tadelnswert – das Volk gerader – diese Täuschung des Juden verwirrt ihn, wenn der Streit ausbricht – er hört nicht, was hinter seinem Rücken gesagt wird.
Unaufrichtigkeit in unserer Unterdrückung des jüdischen Problems in der Geschichte – starke Beispiele dafür im zeitgenössischen Leben und besonders in der populären Presse – Juden werden »Russen«, »Deutsche« genannt, nur nicht, was sie sind. – Unintelligenz eine zweite Ursache der Reibung – Beispiel: unsere Behandlung jüdischer Einwanderung – wir hassen sie, aber erlauben sie, weil wir sie nicht beim rechten Namen zu nennen wagen – unintelligente Behandlung des Juden in Erzählungen – Unintelligenz in unserem Erstaunen über seine internationale Stellung – Beispiel des in Verlegenheit geratenen Vetters eines Kabinettsministers.
Letzte Ursache: Mangel an Liebe – Leute wollen sich nicht hineinversetzen in die Lage des Juden und sehen, wie Dinge sich ausnehmen von seiner Seite. – Wir berühren uns nicht (wie wir sollten) mit Juden aus jeder Klasse und sprechen nicht in ihren Versammlungen – Zusammenfassung – Eine Warnung vor der Idee, die Reibung zwischen den Juden und uns sei nicht wichtig – sie hat in der Vergangenheit Katastrophen erzeugt und kann es in der Zukunft wieder.
Nach dieser kurzen Übersicht über die Ursachen der Reibung auf jüdischer Seite müssen wir nach denen auf der unsrigen sehen.
Auf den ersten Blick könnte es scheinen, daß die Aufgabe überflüssig sei. Aktion und Reaktion sind gleich und stehen einander gegenüber. Hat man gezeigt, warum A den B reizt, so hat man vermutlich auch gezeigt, warum B den A reizt. Oder auch: betrachtet man eine fremde Minorität in einem Staate als einen Reizkörper (der sie fast immer ist und der sie sicherlich im Falle der Juden ist), dann hat man, so möchte es scheinen, die Stellung richtig definiert, und man braucht sich nicht die Mühe zu nehmen, zu prüfen, welche Rolle der Gereizte in dieser Sache spielt. Was ein Parasit ist, zerfrißt im schlimmsten Falle den gemeinsamen Leib, und stört ihn im besten. Der gemeinsame Leib scheint sich passiv zu verhalten. Er ist nicht beteiligt an der Sache, außer daß er auf die Ursache der Störung reagiert und, wenn möglich, ihrer los wird. Da diese Ursache nicht von ihm geschaffen ist, braucht man auch auf seiner Seite nach einer Verantwortlichkeit nicht zu suchen.
Es ist unser Haus: der Jude ist ein Eindringling (so mag einer sagen), und damit Schluß.
Aber so einfach ist die Situation nicht. Ganz abgesehen von der Tatsache, daß der Jude sicherlich eine solche Beschreibung seiner Tätigkeit nicht zulassen wird, ist da auch noch die offensichtliche Wahrheit, daß, wo man es mit zwei menschlichen Faktoren zu tun hat, das heißt mit zwei Faktoren, die eine gemeinsame Natur und darum gemeinsame Pflichten haben, man es auch zu tun hat mit zwei bekannten und analysierbaren organischen Dingen. Man hat es auch zu tun mit zwei Willenssystemen, und vom Willen wissen wir, den Sophisten zum Trotze, daß er frei ist. Ein Mensch und eine Gruppe von Menschen können Gutes oder Böses tun, sowohl absolut wie relativ zu einer einzelnen vorliegenden Frage; und keine Gruppe von Menschen kann der Verantwortlichkeit entgehen in bezug auf eine andere Gruppe, mit der sie in Berührung steht. Es ist gewiß, daß wir eine Rolle spielen in diesem Kampfe zwischen uns und den Juden. Es ist eine Rolle, die in einem gewissen Sinne unvermeidlich ist, insofern sie einfach aus dem bloßen Gegensatze zwischen zwei Rassencharakteren hervorgeht. Aber es bleibt ein Rest, bei dem eine Aktion des Willens Abhilfe schaffen kann.
Wiewohl wir dieses Element nicht ändern können, das in unserer Natur liegt, so wenig wie die Juden ihres, so macht doch ein Verständnis ihrer einen großen Unterschied, und sicherlich können wir jene Elemente ändern, die von unserem Willen abhängig sind.
Der Beweis dafür ist, daß in der langen Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Rassen, in verschiedenen Zeiten und Orten, es jene Ausnahmekapitel von Ruhe gegeben hat, auf die ich früher schon angespielt habe; und solche Zustände hätten nicht aufrecht erhalten werden können, wären die Ursachen der Reibung nicht beiderseits modifiziert worden, besonders aber unsererseits.
Alle diese Ursachen der Reibung, die aus dem bloßen Gegensatz des Charakters hervorgehen, können sehr kurz dargestellt werden. Sie liegen einbeschlossen in dem, was eben über die allgemeinen Ursachen gesagt worden ist: der Unterschied im Wesen zwischen den Juden und uns. Wenn ihre Form von Mut, ihre Form von Freigebigkeit, ihre Form von Loyalität eine andere Qualität haben – und das haben sie – als unsere; wenn ihre Mängel denselben Unterschied der Qualität und Farbe zeigen; wenn wir ohne Unterlaß die Reibung fühlen – und wir tun das –, die dieser Gegensatz verursacht, so fühlen auch sie, vermutlich, eine entsprechende Reibung in ihrem Umgang mit uns. Wir werden beide nicht imstande sein, an dieser Sachlage etwas zu ändern. Wir müssen sie zugeben und müssen versuchen, ihr Wesen zu verstehen.
Vor allem dürfen wir es nicht einfach als ausgemacht hinnehmen, daß etwas, weil es anders ist, deshalb an sich schon etwas Schlechtes sei. Auf diesen Punkt ist Nachdruck zu legen. Haben wir es mit der leblosen Natur zu tun, oder mit der tierischen, dann hüten wir uns, Motive unterzulegen, denn es sind keine da. Kein Mensch hat Bitterkeit in seinem Herzen gegen Wespen, wiewohl die Zwecke der Wespen recht verschieden sind von denen des Menschen und ihre Interessen auseinanderlaufen. Er nennt nicht die Wespe böse oder gibt ihr, außer um sich Luft zu machen, Schimpfnamen. Er verurteilt nicht die Wespe. Noch weniger verurteilt er alle Wespen oder sonst etwas in der Natur, das ihm im Augenblick entgegen ist. Aber wenn er es mit anderen menschlichen Wesen zu tun hat, dann fängt der Mensch sofort an, Motive zu unterlegen. Er muß das, weil er weiß, daß alle menschliche Tätigkeit motiviert ist, auch die seine. Wenn nun jenes Motiv von seinem verschieden ist, im Gegensatz zu dem seinen und darum in irgendeiner Weise feindlich ist, dann ist er geneigt, von einem schlechten Motive zu reden. All das hat die Wahrheit einer Banalität.
Braucht man nicht zusammenzuleben mit den Menschen, die solchermaßen von uns verschieden sind, dann macht es nicht viel, hat man sie aber hinzunehmen als einen Teil unseres Lebenskreises, dann ist es eine andere Sache. Dann ist es für die Ordnung des Staates wesentlich, ein wachsames Auge zu haben auf diese Illusion einander direkt befehdender Motive, und ihr zu wehren.
Aber all das betrifft eher unsere Pflicht in dieser Sache, als die bloße Ursache der Reibung.
Die erste Ursache der Reibung ist jener Gegensatz, der derselbe ist, ob wir ihn vom Standpunkt des Fremden aus beschreiben, wie wir es soeben getan haben, oder von unserem aus.
Die Ursachen der Reibung, die innerhalb des Bereiches des Willens liegen und darum direkt der Reform zugänglich sind, sind anderer Art. Der erste unter ihnen ist zweifellos unsere Unaufrichtigkeit im Verkehre mit den Juden.
Diese Unaufrichtigkeit erstreckt sich von unseren täglichen Gewohnheiten bis zu unserer Behandlung der Geschichte. Sie ist tiefer verwurzelt, als die meisten Menschen merken, weiter verbreitet als die, welche es merken, zugeben möchten. Sie bestimmt unsere Beziehungen zu den Juden ebenso, wenn wir ihre Stellung im Staate zu verteidigen trachten, wie wenn wir sie angreifen. In der Tat, ich glaube, sie bestimmt unsere Beziehungen noch mehr, wenn wir sie zu verteidigen versuchen, als wenn wir sie angreifen. Die beiden einzigen Arten von Menschen, die vollkommene Unbefangenheit in ihrem Umgange mit den Juden zeigen, sind der vollkommen unwissende Düpierte, der kaum einen Juden unterscheiden kann, wenn er einen sieht, und der die alte Fiktion, es bestehe kein Unterschied außer einem der Religion (von der ihm aber gelehrt worden ist, daß sie unwichtig sei), für Wirklichkeit nimmt; und der Mensch, den man »Antisemit« nennt.
Beide diese Typen sagen sicherlich, was sie denken. Darum sind im Innersten ihres Herzens die Juden beiden dankbar, wiewohl beide intellektuell verächtlich sind. Der Jude hat, glaube ich, wenn er einem von diesen Typen begegnet, das Gefühl: »Jedenfalls weiß ich, woran ich bin.« Aber die große Masse der Menschen, im besonderen unter den mehr Gebildeten, ist von grober Unaufrichtigkeit in ihrem ganzen Umgang mit den Juden. Sie ist der große Fehler auf unserer Seite, der dem der Verheimlichung auf ihrer entspricht. Und wenn man Rechnung getragen hat der Routine, den Notwendigkeiten gesellschaftlichen Verkehrs, der Konvention, und allem übrigen, dann bleibt ein vorsätzlich gepflegtes moralisches Übel.
Es begegnet etwa einer mit seinem Freunde auf der Straße einem Juden, den sie kennen; sie tauschen die üblichen Höflichkeiten mit ihm aus und gehen weiter. Kaum aber haben sie ihm den Rücken gekehrt, so macht ein jeder von beiden Bemerkungen über den jüdischen Charakter des Mannes, den sie eben verlassen haben, und fast immer zu dessen Nachteil.
Dieses Benehmen tadeln heißt nun natürlich nicht, daß man, wenn man einem jüdischen Bekannten begegnet, ihm ins Gesicht die Dinge sagen soll, die man hinter seinem Rücken sagt; das wäre nur ein monströser Zynismus und in der Praxis Wahnsinn. Wir handeln in keiner Lebenslage so. Aber es heißt, daß wir in Haltung, Geste, Stimme eine vorsätzlich falsche Rolle spielen in unseren Beziehungen zu den Juden, die wir nicht spielen in unseren Beziehungen zu anderen Leuten. Eine besondere Art der Vorspiegelung, nur für die Juden gültig, wird sorgsam aufrechterhalten. Da ist kein Anklingen, kein Zugeben unserer wirklichen Haltung, unseres Gefühles des Gegensatzes. Darum leiden wir unter einer unnatürlichen Spannung; und wir befreien uns von dieser Spannung unmittelbar darnach durch eine Übertreibung des Gegensatzes, den wir zu ignorieren vorgaben. Das verdient Tadel in ganz besonderem Grade, weil es eigentümlich ist nur diesem einen Falle. Wenn wir den Juden als Juden nähmen, mit ihm über die Dinge redeten, die seinem und unserem Geist am nächsten liegen, und ihn behandelten, wie wir jeden anderen Ausländer in unserer Mitte behandeln, dann wäre kein Schaden angerichtet worden. So aber hat die Lüge doppelt geschadet – ihm und uns. Uns durch eine Erbitterung, die ganz und gar unsere eigene Schuld ist, ihm dadurch, daß sie ihn über seine wahre Lage täuscht.
Die Juden, die heute unter die reichsten Klassen, besonders in London, sich mischen, haben keine wahre Idee von ihrer wirklichen Stellung in den Augen ihrer Gäste; und der Fehler liegt bei ihren Gästen.
Ich habe ein alltägliches Beispiel erwähnt, das aber sehr wenig Bedeutung hat und unwichtig ist. Die Unaufrichtigkeit dehnt sich auf viel dauerndere Beziehungen aus. Ein Mann geht ein Geschäft ein mit einem Juden, nimmt ihn auf als Teilhaber, arbeitet mit ihm unaufhörlich und nährt doch in seinem Herzen eine unehrenhafte Gesinnung gegenüber diesem Geschäftsverhältnis. Es ist ein Phänomen, auf das man immer wieder stößt, und es vergiftet die Beziehungen zwischen den beiden Rassen. Wenn ein Mann sich entschließt, mit einem anderen, der in Tradition und Charakter fundamental sich unterscheidet von ihm, in eine dieser dauernden Beziehungen zu treten, dann muß er auch auf die Konsequenzen gefaßt sein. Eine dieser Konsequenzen ist, wenn er ein ehrlicher Mann bleiben will, die Hinnahme der Lage mit allem, was sie einschließt. Er kann nicht die Vorteile haben, die er zu haben hofft – aus der jüdischen Nüchternheit, der jüdischen Hartnäckigkeit, der jüdischen Klarheit des Denkens, den jüdischen internationalen Beziehungen, den jüdischen Gelegenheiten, vorwärts zu kommen durch die Mithilfe ihrer Brüder, und zur selben Zeit im geheimen einer Verachtung und einer Abneigung für seinen Kompagnon sich hingeben, und von diesen unterdrückten Gefühlen in dessen Abwesenheit sich befreien. Und doch tun gerade das die Menschen täglich überall im Geschäftsleben.
Man höre zu, was ein solcher Mann sagt, der in vertrauten Geschäftsbeziehungen zu einem Juden stehend ein Mißgeschick erleidet. Er verbringt den Rest seines Lebens damit, die Juden im allgemeinen und seinen Teilhaber am Mißgeschick im besonderen anzuklagen. Er hat kein Recht dazu. Es ist würdelos; es ist kindisch, und, was das schlimmste ist, es ist ungerecht. Er wußte vermutlich, was er tat, als er ein Verhältnis einging, das in jedem Falle ein schwieriges werden mußte. Die Konsequenzen dieses Verhältnisses sollte er hinnehmen, ob sie nun für ihn gut oder schlimm ausfallen.
Vielleicht noch Schlimmeres finden wir zu verzeichnen in der Haltung derer, die geschäftliche Erfolge gehabt haben durch ihre Verbindung mit den Juden. Denn in diesem Falle sollte sich ja zur Gerechtigkeit noch der Dank gesellen, aber eben er wird recht selten bezeigt. Im Gegenteil, der nichtjüdische Partner ist in einer ewigen Verfassung der Klage über seinen Anteil. Er lebt fortwährend von Beschwerden, er sei übervorteilt, er sei eingeschüchtert worden, oder er sei bestohlen worden, ausgenommen in jenen recht seltenen Fällen, wo der Erfolg so überwältigend ist, der Gewinn so rapide wächst, daß kein Platz bleibt zum Murren. In fast allen anderen Fällen, die mir unterlaufen sind, fand sich dieses Element der Anschuldigung – hinter dem Rücken des Juden –, selbst wo die Erfolge nicht ausgeblieben waren.
Ich weiß sehr wohl, was von der anderen Seite gesagt werden kann. Nämlich daß, was ich im Vorhergehenden einmal die »Rücksichtslosigkeit« des Juden in geschäftlichen Dingen genannt habe, ebenso seine Hartnäckigkeit und alles, was damit zusammenhängt, den Wettbewerb ungleich machen; daß bei einer Teilhaberschaft zwischen Jude und Nichtjude der Nichtjude tatsächlich oft übervorteilt wird und tatsächlich oft »hereinfällt«. Aber, bitte, warum ging der Nichtjude die Verbindung überhaupt ein? Geschah es nicht genau deshalb, daß er wenn möglich dank eben jener Eigenschaften profitieren möchte, die er nachher denunziert? Er erwartete, daß diese Eigenschaften, die dem Juden im Handel Erfolg verbürgen, auch ihm Gewinn bringen sollten. Er wußte, daß überall mit einer gewissen Konkurrenz zu rechnen ist, auch bei einer solchen Verbindung. Er traute sich zu, hinter seinen Interessen her zu sein auch unter Bedingungen, die ihm vollständig bekannt waren, als er sie einging. Er hat keine Entschuldigung, wenn er wegen der Resultate der Verbindung herumstreitet, da er damit nur gegen sein eigenes Urteil streitet und übrigens, um es recht zu sagen, gegen seinen eigenen Anschlag.
Wenn ein Mann den Gegensatz zwischen der jüdischen Rasse und unserer nicht ertragen kann, oder wenn er meint, daß diese Rasse Kräfte besitze, die ihn unweigerlich in jedem Handelswettbewerb den kürzeren ziehen lassen, dann soll er sich eben von jeder jüdischen Verbindung völlig fernhalten. Das ist sehr einfach. Aber teilnehmen an jüdischer Handelstätigkeit und dann über die Resultate schimpfen, das ist jämmerlich.
All dies wird natürlich noch schlimmer, wenn es sich um innigere Beziehungen handelt als die des Geschäfts. Diese Beziehungen sind zahlreich in der modernen Welt; und Unaufrichtigkeit in ihnen nimmt die schlimmste mögliche Form an. Leute, besonders der wohlhabenderen Schicht der Gebildeten, schließen mit Juden die innigste Freundschaft zu dem offen eingestandenen Zwecke, persönliche Vorteile sich zu verschaffen. Sie meinen, die Freundschaft werde ihnen zu großen Stellungen im Staate verhelfen, oder zur Vergrößerung ihres Vermögens, oder zu Bekanntheit. Mit dieser Kalkulation haben sie recht. Denn der Jude hat heute in allen diesen Dingen ungewöhnliche Macht. Sie haben deshalb fortwährend den Juden an ihren Tischen, sie weilen deshalb fortwährend unter dem Dache des Juden. Und in allen solchen Beziehungen sind sie so intim, wie Freunde nur sein können. Dann jedoch befreien sie sich von der Spannung, die eine so unnatürliche Situation auferlegt, durch einen ständigen Hohn auf ihre jüdischen Freunde in deren Abwesenheit. Man kann von solchen Leuten sagen (und sie sind heute unter unseren Reichen in wachsender Majorität), daß die Unwahrheit ihrer Situation ihre Nerven angegriffen hat. Es ist eine Art Krankheit bei ihnen geworden; und ich bin ganz gewiß, daß, sobald die Gelegenheit sich bietet, sobald die öffentliche Reaktion gegen die Macht der Juden kommt, lärmend, nicht nachlassend, und offen, sie unter den ersten sein werden, die ihre Rache nehmen. Das ist freilich abscheulich, aber es ist so.
Und das gilt nicht bloß von Freundschaften, es gilt sogar von Ehen. Heirat zwischen Christ und Jude in diesen Kreisen ist eine Sache des Geldes und der Interessen. Und die Bitterkeit, die aus solchen Verbindungen wächst, ist grenzenlos.
Diese Unaufrichtigkeit also – Mangel an Unbefangenheit auf unserer Seite im Umgang mit dem Juden – ein Laster, das besonders unter den reicheren und mittleren Klassen (weit weniger unter den armen) im Schwange ist, erstreckt sich, wie ich gesagt habe, auf die Geschichte. Wir wagen nicht, in unseren Geschichtsbüchern die reinen Tatsachen der Beziehungen zwischen uns und den Juden zu erzählen, oder wir wollen es nicht. Wir stellen die Geschichte dieser Beziehungen, die doch zu den paar führenden Faktoren der Geschichte gehören, einfach in den Hintergrund, auch wenn wir sie erwähnen. Was der Schüler und der Student über diese Beziehungen in der Geschichtsstunde lernt, füllt eine oder zwei Zeilen. Der Lehrer kann nicht völlig schweigen über die Vertreibung der Juden unter Eduard I. oder über ihre Rückkehr unter Cromwell. Niemand kann die Geschichte des Römischen Reiches lesen, ohne etwas über den Jüdischen Krieg zu erfahren. Niemand kann die Verfassungsgeschichte Englands lesen, ohne etwas über die spezielle wirtschaftliche Stellung der Juden im Mittelalter zu erfahren. Aber der Umfang des Gegenstandes, sein dauernder und stehender Charakter durch zwei Jahrtausende; seine großen Episoden; seine allgemeinen Wirkungen – all das wird grundsätzlich unterdrückt.
Wie viele z. B. von denen, die eine genaue Kenntnis des Römischen Reiches sogar in Detailfragen zu haben behaupten, wissen etwas, geschweige denn, daß sie etwas geschrieben haben, über die furchtbaren Metzeleien und Gegenmetzeleien von Juden und Europäern, die Menge von Edikten bald zum Schutze bald zur Verfolgung der Juden; die wirtschaftliche Lage der Juden, besonders im späteren Kaiserreiche; die Art der Zerstreuung?
In Cyprus und in den lydischen Städten fand unter Hadrian eine jüdische Bewegung statt gegen die nichtjüdische Umgebung, die an Gewalttätigkeit die letzte russische Katastrophe, die uns alle so sehr beschäftigte, weit übertraf. Die Metzeleien ließen nichts übrig, und so auch die Repressalien. Die Juden töteten allein eine Viertelmillion der Bevölkerung von Cyprus, und die römischen Behörden antworteten mit einer Bedrückung, die ein erbarmungsloser Krieg war.
Man könnte endlos Beispiele aufhäufen. Aber die Sache ist die, daß dem Durchschnitts-Gebildeten niemals Gelegenheit gegeben worden ist, davon zu hören, welcher Faktor der Jude war in jenem römischen Staate, von dem wir alle herkommen, wie er dessen heftige Feindschaft gegen sich überlebte und seine gegen ihn; das spezielle Privilegium, das ihn von einer Anbetung der Götter desselben befreite; seine Handhabung der Finanzen desselben – die ganze intime Analogie, die hier für spätere Zeiten vorliegt, wird mit Stillschweigen übergangen. Der durchschnittliche Gebildete, der seine Römische Geschichte sogar ziemlich eingehend studiert hat, verläßt dieses Studium mit dem Eindruck, daß die Juden (wenn er sie überhaupt bemerkt hat) nur ein unbedeutendes Detail in der Geschichte ausmachen.
So ist es auch mit der neueren und sogar der zeitgenössischen Geschichte. In der Geschichte des 19. Jahrhunderts wird es zum Skandal. Der spezielle Charakter des Juden, seine Taten durch die geheimen Gesellschaften und in den verschiedenen Revolutionen ausländischer Staaten, seine rapide Erlangung der Macht durch Geld, politische und soziale Macht, besonders in diesem Lande – all das wird ausgelassen. Hier ist eine genaue Parallele zu der Unaufrichtigkeit, die wir in sozialen Beziehungen bemerken. Derselbe Mann, der etwa eine Monographie über einen Punkt der Geschichte des 19. Jahrhunderts geschrieben und seine Leser über die jüdischen Elemente, die hiebei in Betracht kommen, in Unwissenheit gelassen hat, kann uns privatim mit einem Dutzend Anekdoten aufwarten; der und der war ein Jude; der und der war ein Halbjude; ein dritter wurde in seiner Politik beeinflußt von einer jüdischen Mätresse; der Unterhändler bei der und der Verhandlung war ein Jude; das jüdische Blut in der und der Familie kam so und so hinein – Und so fort: aber nicht ein Wort davon in seinem gedruckten Buche!
Diese vorsätzliche Unehrlichkeit herrscht gleicherweise in zeitgenössischen Berichten. Der Zeitungsleser wird getäuscht – soweit es noch möglich ist, ihn zu täuschen – mit den schamlosesten Lügen. »Abraham Cohen, ein Pole«; »Herr Mosevitch, ein distinguierter Rumäne«; »Herr Schiff und andere repräsentative Amerikaner«; »Herr Bergson mit seiner typisch-französischen Klarheit«; »Maximilian Harden, immer ein tapferer Kritiker seines eigenen Volkes« (wobei sein eigenes das deutsche ist) … und all der übrige Schwindel. Er läßt nach, gewiß, aber er hat noch nicht aufgehört.
Nun frißt diese Art von Unehrlichkeit natürlich an der Seele derer, die ihr sich hingeben. Aber das ist nicht Sache dieses Buches. Wo sie mitspielt als Ursache der Reibung zwischen den beiden Rassen, und zwar als abstellbare Ursache, das ist bei der Wirkung, die sie auf die jüdische Vorstellung von ihrer Lage in unserer Gesellschaft hat. Sie fälscht diese Vorstellung völlig. Sie bringt in dem Juden ein falsches Gefühl der Sicherheit hervor und ein völlig verdrehtes und phantastisches Bild von der Art, in der er wirklich in unserer Gesellschaft aufgenommen wird. Je mehr diese Unaufrichtigkeit geübt wird, um so größer die Überraschung, die auf die Entdeckung folgt, und um so berechtigter die Erbitterung und der Haß, die eine solche Überraschung in jenen hervorruft, deren Wirte wir sind. Das gilt nicht bloß von diesem Lande; es gilt von jedem anderen Lande auch, in welchem der Jude beherbergt und eine Zeitlang beschützt worden ist. Immer wieder hat er sich beklagt, wie rauh sein Erwachen war, daß er bestürzt war über die ihm neue und unerklärlich vorkommende Stimmung gegen ihn; daß er gedacht habe, unter Freunden zu sein, und nun plötzlich unter verräterischen Feinden sich fand. All dies wäre den anderen in der Vergangenheit erspart geblieben, und wird uns in einer nahen Zukunft erspart bleiben, wenn diese verdammte Gewohnheit der Unehrlichkeit aufhört.
Unaufrichtigkeit ist, auf unserer Seite, die erste Hauptursache der Reibung zwischen den beiden Rassen.
Die zweite Hauptursache auf unserer Seite ist die Unintelligenz unseres Umgangs mit den Juden. Diese Unintelligenz hängt natürlich zusammen mit der Unaufrichtigkeit, von der ich gesprochen habe; aber sie ist trotzdem eine Sache für sich, und wir können von den Juden ihr Gegenteil lernen, denn ihr Umgang mit uns ist immer intelligent. Sie wissen, was sie wollen in diesen Beziehungen, wiewohl sie oft das Material mißverstehen, mit dem sie umgehen. Wir aber, immer und immer wieder, scheinen nicht einmal zu wissen, was wir wollen.
Was könnte z. B. unintelligenter sein, als die speziellen Höflichkeitsformen, mit denen der Jude behandelt wird? Ich rede hier nicht von der ausgedacht falschen Freundschaft, die ich eben unter dem Titel Unaufrichtigkeit behandelt habe, sondern von den echten Versuchen, höflich zu sein gegenüber diesem fremden Volke – von der Höflichkeit, die jene zeigen, die keine vertrauten Beziehungen zu ihnen haben und auch kein Verlangen darnach haben. Nahezu unterschiedslos zeigen die, die gemeinhin die Juden meiden, eine Art Höflichkeit, die einen Zug von Gönnerschaft auf dem Gesichte trägt. Man mag sie vergleichen mit der Höflichkeit, die reiche Leute gegen arme zeigen – eines der verletzendsten Dinge der Welt.
Und wie unintelligent ist unsere Behandlung irgendeines besonderen jüdischen Problems; z. B. des Problems der jüdischen Einwanderung! Wir maskieren es mit falschen Namen, nennen es »die Fremdenfrage«, »russische Einwanderung«, »das Eindringen unerwünschter Elemente aus Ost- und Zentraleuropa« und andere schüchterne Synonyme. Das Verfahren beweist eine feige Unehrlichkeit, aber die Unehrlichkeit ist nicht größer als die Stupidität; denn keiner fällt herein, und am wenigsten die Juden selber.
Diese Unintelligenz erstreckt sich auf viele andere Punkte. Wie unintelligent sind die Bemühungen der Schriftsteller, die sozusagen den Juden Genugtuung leisten möchten für frühere Verfolgungen, indem sie in ihren Büchern imaginäre jüdische Helden auftreten lassen. In dieser Beziehung stoßen wir freilich weniger an als unsere Väter aus der viktorianischen Ära. Dickens stieß schwer an. Er konnte Juden instinktiv nicht leiden; wenn er einen Juden seinen Neigungen gemäß beschrieb, machte er einen Verbrecher aus ihm. Als er hörte, er müsse dafür Genugtuung geben, führte er einen Juden ein, der nichts auf der Erde ähnlich ist – ein Gemisch von einem arabischen Scheich und einem Familienbibelbild aus dem Alten Testament, das Ganze aufgesetzt auf einen durch und durch nichtjüdischen – einen rein englischen Charakter.
Wie unintelligent sind die verschiedenen Verteidigungen der Juden durch den Nichtjuden, selbst bei den besten Absichten! Man kann Leute feierlich erzählen hören, als eine Art von Offenbarung, daß es gütige, witzige Juden gibt, Juden, die sogar gute Preisboxer oder gute Fechter sind. Ich erinnere mich gut an einen alten Herrn, der sich die größte Mühe gab, mich zu überzeugen (als ob es dessen bedurft hätte), daß es Juden gebe, die Geschmack haben. Er sagte mir: »Ich selber gehe nicht in jüdische Häuser, aber mein Sohn geht, und er versichert mir, daß viele Einrichtungen von gutem Geschmack zeugen.« Wie unintelligent ist die Vorstellung, daß, weil die Motive eines Mannes nicht offen daliegen, und weil er nicht dieselben Gründe hat, einem Staate zu dienen, wie man selber, er deshalb in beständigem Verdachte leben soll! Wie noch unintelligenter ist aber die Vorstellung, daß, obgleich er ein Fremder ist, man ihn nicht für gewisse spezielle Dienste im Staate verwenden könnte.
Diese Unintelligenz tritt besonders zutage in der Behandlung des Juden, wenn es sich um seine internationalen Beziehungen dreht. Der Jude ist ein Nomade, der Nichtjude ein Mensch, der seßhaft ist. Der Engländer, der Franzose und alle anderen gehen fortwährend an den Juden heran, wie wenn er auch seßhaft wäre. Wir scheinen niemals imstande zu sein, über den Schock der Überraschung hinwegzukommen, wenn wir erfahren, daß ein bestimmter Jude im Auslande der Vetter oder Neffe oder Bruder eines anderen Juden mit verschiedenem Namen in England ist, oder noch eines anderen Juden mit noch einem anderen Namen in Pinsk oder San Franzisko. Indessen gehört gerade dies zum eigentlichen Wesen der jüdischen Stellung. Wir sollten es einfach für ausgemacht hinnehmen, daß der Jude Nomade ist, international, verbreitet über die ganze Welt, ein Wanderer, wie wir das bei Zugvögeln als gegeben hinnehmen. Die Haltung einnehmen, die wir fast ohne Unterschied einnehmen und Überraschung empfinden, wenn wir etwas entdecken, was doch nach der Natur der Sachlage der regelmäßigste Zug der bürgerlichen Situation des Juden sein muß, heißt in jenen allerstupidesten Irrtum fallen: das Hineinsehen seiner selbst in andere.
Ich erinnere mich noch des Entsetzens und des Skandals bei den Leuten, die sich die Entdeckung zuflüsterten, daß ein Mann mit einem deutschen Namen, der vor ein paar Jahren in Schwierigkeiten geraten war, der leibliche Vetter eines Kabinettsministers sei. Warum nicht? Sie schienen alle wie vom Donner gerührt zu sein durch die fürchterliche Offenbarung, daß die von Juden getragenen Namen nicht immer deren ursprüngliche Namen sind, daß reiche und bedeutende Männer oft arme Verwandte haben, und daß arme Verwandte oft in Verlegenheiten kommen.
Im Komment ihrer eigenen Gesellschaft wäre die Sache doch höchst einfach. Es hätte sie gar nicht überrascht zu hören, daß irgendein Mann unserer eigenen Rasse, der rasch ein Vermögen verdient hatte und sich eine politische Stellung erkaufte, unter einem übel beleumundeten Verwandten, auch von unserer Rasse, zu leiden habe. Aber weil im Falle des Juden die zwei ungewohnten Elemente eines ausländischen Namens und eines entfernten Ursprungs dazukamen, wurden sie verwirrt. Sie hielten es sogar irgendwie für besonders skandalös. Sie hatten nicht die Eigenart des Materials gewürdigt, mit dem sie es zu tun hatten, und das ist ein Zeichen von Unintelligenz. Aber der Gipfel der Unintelligenz, die Form, in der die unintelligente Behandlung des Juden diesen am meisten erbittert, ist zweifellos jenes typische, überall und immer zu treffende Verhalten des Menschen, der unaufhörlich sein Geschrei erhebt gegen Israel und nichts damit bezweckt – des Menschen, der einen fruchtlosen Groll hegt; der nicht einmal die Klarheit oder Kraft hat, eine Bedrückung zu versuchen; dem eine Verfolgung Grauen einjagen würde, da ihm bereits eine Verletzung der Konventionen schon Grauen einjagt, und der doch sein Geschrei fortsetzt gegen einen Zustand der Dinge, den zu korrigieren er nichts tut, und für den er nicht einmal eine theoretische Lösung bereit hat.
Die letzte der Hauptursachen der Reibung zwischen den Juden und uns ist Mangel an Liebe, und zwar in der einfachsten Form, der Weigerung, den Juden halbwegs entgegenzukommen, und in der Weigerung, uns an die Stelle der Juden in Gedanken zu versetzen, um [ihre] Lage in unserer Gesellschaft und [ihre] Haltung ihr gegenüber zu verstehen. Diesen Fehler haben die, welche täglich mit den Juden verkehren, von ihnen leben, sie kriecherisch umschmeicheln, gemeinsam mit denen, die sich fern von ihnen halten. Es scheint keinem von uns, der mit dem jüdischen Problem sich beschäftigt, einzufallen, seine Phantasie genügend anzustrengen. Und doch haben wir die Parallele vor uns. Der Jude fühlt unter uns, nur noch weit intensiver, was wir fühlen, wenn wir in einem fremden Lande wohnen – ein Gefühl der Verbannung, eine Reizbarkeit gegenüber fremden Dingen, bloß weil sie fremde Dinge sind; eine große Sehnsucht nach Kameradschaft und nach Verständnis, jedoch eine große Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal derer, unter denen er sich befindet; dazu die Anhänglichkeit, nicht freilich an eine erdhafte Heimat, denn er hat keine, aber an seine Nation. Wenn wir diese Parallele fortwährend im Auge behalten könnten, würde die Reibung von unserer Seite sehr gelindert werden.
Es gibt viele jüdische Gesellschaften, die nichts Besseres sich wünschen als gelegentliche Ansprachen von Nichtjuden. Solche Ansprachen werden auch gehalten, solche Gesellschaften werden besucht, aber nicht so oft, wie es sein sollte.
Es gibt eine große jüdische Literatur – ich meine eine ganze Masse von Büchern, die speziell mit der jüdischen Lage vom Standpunkt des Juden aus sich beschäftigen. Man liest sie nicht und kennt sie nicht. Man mag sagen, der Fehler liege großenteils bei den Juden selbst, an ihrer Methode der Verheimlichung. Ich glaube, der Einwand hält nicht Stich. Mit all seiner Methode der Verheimlichung ist der Jude doch mitten unter uns, wir können ihn erreichen, wenn wir wollen, und verstehen, so gut wir können. Und ich behaupte, daß der Versuch dazu nicht gemacht wird.
Es kostet Anstrengung, gewiß. Niemand weiß das besser als ich; denn bei mehr als einer Gelegenheit habe ich Ansprachen gehalten vor einem jüdischen Auditorium und bin dabei der Zielpunkt recht scharfer Sprache geworden. Aber es ist eine Anstrengung, der ein jeder sich unterziehen müßte, der die Existenz eines jüdischen Problems zugibt; indessen die Anstrengung wird sehr selten gemacht. Es ist nicht nur eine Anstrengung, weil ein Abgrund überquert werden soll, sondern auch, weil uns dieser fremde Gegenstand in vieler Hinsicht zuwider ist. Indessen Leute machen diese Anstrengung fortwährend für Staatszwecke in Fällen, wo es um andere Rassen sich handelt. Es ist aber weit wichtiger, daß sie sie machen, wo es um Juden sich handelt. Denn jene anderen fremden Rassen, die für den Augenblick von Beamten unserer eigenen verwaltet werden, werden es nicht dauernd werden. Die Beziehungen zwischen ihnen und uns gelten nur für kurze Zeit, und es sind Beziehungen, die konstantem Wechsel unterworfen sind. Der Jude ist immer bei uns; und die Art der Berührung zwischen seiner Rasse und der unseren wird so ziemlich die gleiche bleiben für eine unbestimmbar lange Zukunft, wie sie es in einer langen Vergangenheit gewesen ist.
* * *
Das also ist nach meiner Ansicht der Inbegriff der Ursachen der Reibung zwischen den beiden Rassen.
Zuerst eine allgemeine Ursache, die in der gegensätzlichen Natur der beiden liegt und von der Reizwirkung dieses Gegensatzes kommt. Diese Ursache ist nicht auszuscheiden, wiewohl ihre Wirkungen modifiziert werden können. Es ist ein tiefer Gegensatz, der in seiner Auswirkung ein konstantes scharfes Reizmittel abgibt. Das Wesentliche ist, seine wahre Natur zu erkennen, ihn nicht mit allgemeinen Worten von Fehlern und Lastern zu benennen; sondern den Unterschied der Qualität anzuerkennen, der in Betracht kommt, vor allem aber, keine Lügen über ihn zu sagen, oder vorzugeben, er sei gar nicht da.
Zweitens, was die speziellen Ursachen der Reibung anlangt – ich meine die Ursachen, die auf ihrer wie auf unserer Seite wenn nicht ausgeschieden, so doch in jedem Falle modifiziert werden können – so scheint mir, daß die vorragendsten sind: 1. das Gefühl der Überlegenheit, das, wiewohl es nicht vernichtet, doch wenigstens im Ausdruck gezähmt werden kann, und das, infolge einer artigen Ironie, auf beiden Seiten gleich stark ist. 2. die Methode der Verheimlichung bei den Juden selber; teilweise als Verteidigungswaffe, teilweise als Aktionsmethode, immer beklagenswert und von besonders verbitternder Wirkung auf unser Temperament. 3. auf unserer Seite, eine dauernde Unaufrichtigkeit in unserer Behandlung dieser Minorität; Unintelligenz im Umgang: das Ganze noch schlimmer gemacht durch eine Gleichgültigkeit oder Mangel an Liebe, eine Weigerung, sich die nötige Mühe zu geben, der Nation, die immer unter uns sein muß, wiewohl sie so verschieden von uns ist, entgegenzukommen und sie so gut wir können zu verstehen.
Nun aber haben diese dauernd bestehenden Ursachen der Reibung die Tendenz, zu jenem tragischen Zirkel zu führen, von dem ich gesprochen habe: Bewillkommnung einer jüdischen Kolonie, dann Unbehagen, gefolgt von akutem Unbehagen, gefolgt von Verfolgung, Verbannung und sogar Niedermetzelung. Dieses hinwiederum, natürlich, gefolgt von einer Reaktion und der Aufnahme des Prozesses wieder von neuem.
In unseren Tagen haben wir, ganz kürzlich, die Ablösung des ersten dieser Stadien durch das zweite gesehen; wir sind vom Willkommen zum Unbehagen weitergeschritten. Dieser Übergang droht uns mit einem weiteren vom zweiten zum dritten Stadium; vom dritten zum schrecklichen Ende.
Wir fühlen uns heute ganz sicher vor dem äußersten Stadium dieses Zirkels. Wir sind gewiß, es wird nie zu Verfolgungen kommen: das ist noch nicht faßbar. Aber es ist nicht überall unfaßbar: und keine Gesellschaft ist sicher vor Wandlung. Einige, die heute leben, mögen noch Aufstände erleben sogar in diesem ruhigen Gemeinwesen, und schlimmere in neueren oder weniger geordneten Staaten.
Eine solche Katastrophe muß vermieden werden mit allen Mitteln in unserer Macht, und eine Lösung des dargestellten Problems muß dringend gesucht werden. Aber ehe wir weitergehen, möchten wir zur Beachtung für jene, die an der Akutheit des Problems vielleicht zweifeln und auch an der unmittelbaren Notwendigkeit einer Lösung, auf ein Phänomen hinweisen, das reichlich beweist, daß das Problem akut ist, und daß eine Lösung notwendig ist. Dieses Phänomen ist das Dasein eines neuen Typus heute, des Antisemiten, des Menschen, dem alle Juden verabscheuenswert sind.
Es ist ein Phänomen, das erstaunlich angewachsen ist; und es wächst an in beschleunigtem Tempo, und als Warnung vor der Gefahr, als Beweis für deren Größe, habe ich vor, in meinem nächsten Kapitel dieses Phänomen genau zu untersuchen.