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Die Entwicklung des Individuums in den Museen von Toskana

Man wird bemerken, daß sich mir nach und nach die toskanische Kunst mit der ganz Italiens mischt. Eine in diesem Abriß wohl ganz erträgliche Art zu sehen.

Seit Giotto, dessen Einfluß alle italienischen Städte unterlagen, strahlt die in ihrem Fortschreiten nie unterbrochene florentinische Schule über alle begabten Künstler, die es jeder auf seinem Gebiete ehrlich versuchen, ihre Aufgabe zu erfüllen; andererseits eignet sie sich das Ideal, das die verschiedenen Meister schufen, in einer Weise an, daß man die florentinische Kunst Ursprung und Zentrum der italienischen Kunst wohl nennen kann; und diese ihre beiden Entfaltungen schaffen eine entsprechende Philosophie. Ausnehmen muß man Venedig, dessen Genius und Umstände ganz besondere sind. Für Venedig habe ich in »Un homme libre« eine analoge Synthese versucht.

 

Man nimmt an, daß ein Volk sich nach den gleichen Gesetzen entwickle wie ein Individuum. Wenn die Begriffe, die man sich über die Entwicklung des Ich gebildet hat, zutreffend sind, sollten sie sich dann in den Museen, in ihrer chronologischen Reihenfolge betrachtet, nicht ebenfalls als richtig erweisen? In gewissen Ländern sind sie die beste Urkunde, die wir für die Psychologie der Rasse besitzen.

I. Existieren

Vor sechs Jahrhunderten gab es noch keinen von den kleinen Leuten, die heute die Museen von Toskana bevölkern. In Lucca, in Pistoia, in Verfall geratenen, aber keineswegs toten Städten, findet man ihre weit zurückliegenden Vorfahren; es sind unbeholfene Reliefs, die gegen die Mitte des zwölften Jahrhunderts über den Portalen und Kanzeln der romanischen Kirchen in Erscheinung treten.

Kirchen sind schon wunderbar durch Größe und Ernst, denn sie drücken ein soziales Empfinden aus, die Einigkeit und den Stolz aller am Wohle des Staates interessierten Bürger. Was für einen mächtigen und scharf ausgeprägten Charakter sie hatten, diese kleinen, eingeschlossenen, dicht bevölkerten Städte, die man glaubt anrühren und in die Hand nehmen zu können! In diesen bereits so starken Gemeinwesen, die der Kunst so viele menschliche Vorbilder geben sollten, findet man im elften Jahrhundert noch keinerlei Ausdruck einer bestimmten Art zu empfinden. Und dennoch vermochten, wollten und bedingten sie schon alle Meisterwerke Toskanas.

Diese Verheißung, diese Kraft nimmt man deutlich wahr, wenn man abends, nach einem in ihrer Berührung verlebten Tage, einen Spaziergang auf ihren alten Mauern macht und seine Notierungen des Tages im Geiste zusammenfaßt.

Einen Rundgang um die Wälle zu machen heißt das kleine Aktenbündel über die in einer Stadt empfangenen Eindrücke endgültig abschließen, seine Enquète durch einen Blick auf die Landschaft vervollständigen, wo diese kleine Welt sich herangebildet hat; das bedeutet den Gürtel lösen, die Besitznahme vollenden. Auch durch ihre Stimme macht sich eine Stadt verständlich, lieb, und im April läuten gegen sechs Uhr abends die Glocken das Ave Maria. Nach solchen Eindrücken bleibt nichts anderes, als die Stadt sinnlichen Dankes voll zu verlassen, wenn sie es nicht vermochte, unser ganzes Wesen gefangen zu nehmen, wie es gewisse Heimaten machen, von denen wir ganz erfüllt sind. Ich verließ Lucca, an dem ich nichts sonst geliebt hatte, als seine Spaziergänge und seine Natur, aus der es keine Form zu gestalten verstand, zur Zeit, wo es noch von Leben voll war.

Land und Berge Toskanas sind niemals alltäglich, sondern von feiner, ausgeprägter Vornehmheit, die für uns etwas ebenso Gewinnendes hat wie die Sanftmut eines jungen Weibes, das es von vornherein nicht darauf abgelegt hat, daß wir sie auszeichnen.

Es gibt kein Land, wo die Bäume, die Hügel, die Tagesbeleuchtung eine solche Zwillingsähnlichkeit hätten mit dem kleinen Volke in den Museen. Man möchte glauben, sie seien in dem gleichen Augenblicke und unter den gleichen Einflüssen entstanden.

Entlang der Viale dei Colli, in dieser lichten Abendstunde, die Wirkliches in Erhabenes wandelt, sah ich über Florenz alle Kunstformen schweben, die dem Erscheinen des schöpferischen Genies Michel-Agnolo vorausgingen. Die Bildwerke des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts bieten mir keine Konzeption des Universums dar, die mir nicht schon, und zwar in sehr bestimmter Weise, die Linien dieser vollendeten Landschaft suggeriert hätten, die der Arno, die Apenninen und die Stadt mit ihren einzeln verstreuten, anmutig ernsten Villen bilden.

Die Horizontlinie von Florenz zeigt dem Beschauer die gebeugte Demut eines Giotto, die ernsten Formen eines Ghirlandajo, die Schärfe, Feinheit und Ebenmäßigkeit eines Lorenzo di Credi. Gestern am Abend, zur Rechten der Terrasse Michel-Agnolo, erglänzten die Bäume eines Olivenhaines wie Silber; die geringen, lautlosen Bewegungen in dem schwachen, gedrungenen Gezweig waren so traurig, so zart. Und das war ganz Boticelli mit der Grazie seiner Simonetta. Olivenhain, Zuflucht der Schönheit, einer Schönheit, die etwas schmollt, auch ein bißchen preziös ist und ganz leicht gezwungen, aber ohne jeden überladenen Putz. Dieses Toskana bedarf übrigens, um das Wesentlichste seiner selbst preiszugeben, nicht einmal der günstigen Umstände einer besonderen Tageszeit. In der vollen Mittagsbeleuchtung, an einem Sonntag, während sich der helle Klang seiner Glocken mit dem Vibrieren der Sonnenstrahlen in der erhitzten Luft verbindet, behalten die Berge des Horizontes von Florenz, die deutlich, bestimmt und klar wie Erz sind, die Schmiegsamkeit der Zeit ihrer schönsten Blüte, so daß der Barghello, wo alle Jünglinge der florentinischen Renaissance uns durch die Macht ihrer Bronze und das Sprühende ihrer Jugend begeistern, uns wie eine Sammlung, wie die Pflanzschule all der fruchtbaren Kräfte erscheinen wird, die wir in Toskanas vollem Sonnenlichte einzeln verstreut gesehen haben.

Daß die Bewohner dieses schönen Landstriches bereits im zwölften Jahrhundert empfänglich waren für diese Grazie und die Freizügigkeit in den allerkühnsten Linien, unterliegt keinem Zweifel. Was ihnen fehlte, das war, der Elemente dieser Schönheit sich bewußt zu werden. Es bedurfte eines Vermittlers zwischen ihnen und der Natur, eines, der sie auf die Gesetze des Lebens aufmerksam machte, auf den anatomischen Bau der Körper, auf die richtige Perspektive; mit einem Worte, eines Meisters bedurften sie, der sie selbst dazu befähigte, sich Vorbilder aus den Dingen, die in die Sinne fallen, zu schaffen.

Diesen Meister fanden sie Mitte des dreizehnten Jahrhunderts. Es war jener Greis, den man auf einer der Seiten der berühmten Kanzel des Nicolo Pisano im Baptisterium von Pisa sieht. Nicht darauf aufmerksam gemacht, hält man ihn einfach für einen der hohen Priester bei der Vorstellung im Tempel; ein Relief nicht besser und nicht schlechter als so viele andere. Aber man muß es wissen, daß dieser da der Vorfahre der ganzen Bevölkerung in den toskanischen Museen ist, und somit die Quelle vieler Empfindungen und vieler Handlungen, und daher eben auch von vielem Glück und Unglück, wie es die Menschheit seit der Renaissance bewegte.

Worin besteht nun, für einen so fruchtbringenden Einfluß, das geheime Verdienst dieses Alten, an dem wir alle achtlos vorübergingen, hätten uns die Kunsthistoriker nicht auf ihn hingewiesen? Besteht sein Wert in der Begeisterung, mit der er seines Amtes, Gott im Tempel zu empfangen, waltet? Haben wir hier vor uns einen jener rührenden Beweise der gläubigen Einfalt im dreizehnten Jahrhundert? Durchaus nicht. Dieser Hohepriester kümmert sich nicht um den religiösen Vorgang, in den ihn der Künstler gesetzt hat; er hat keinerlei Überzeugung; er ist ein einfacher Figurant.

Ein Figurant! Überschreitet den Platz und tretet in den Campo Santo ein; betrachtet aufmerksam in jenem Winkel die antike Vase auf der schönen Säule aus grünem Marmor; ihr findet dort genau denselben Alten. Hier verwandte ihn Pisano, um ihn seinen frommen Werken einzuverleiben. Und was tut der Greis seit so vielen Jahrhunderten auf diesem Friese? Er folgt einem Bacchantenzuge. Er begleitet den fetten Silen, der die Schalmei bläst. Die Riemen seiner Sandalen sind gelöst und ein junger Mann in gebückter Stellung befestigt sie. Er selber drückt mit den Falten seines Gewandes einen Knaben an sich. Wohin gehen sie so? Ich denke an die Milesischen Märchen. Keiner würde annehmen, daß ein solcher Bacchant in das Baptisterium geht, um die Frommen Christi zu rühren. Er hat auch nur künstlerischen Wert durch seinen schönen Bart und die Faltenharmonie in der Raffung seines Gewandes. Sein Verdienst ist, zu leben. Verlangt nicht mehr von ihm; dies eine aber bringt er dem kleinen Volke der Museen: er gibt ihnen das Geheimnis des Lebens.

Mit einem lebhaften Empfinden für die Natur ausgestattet, aber unfähig, beim ersten Anlauf die Vorstellungen zu verkörpern, die der heimatliche Boden in ihnen wachrief, eigneten sich die Toskaner zuerst die Vornehmheit der Formengebung der klassischen Kunst an.

Es bestand Gefahr, daß diese ersten Gestalten, die sie schufen, Figuranten blieben, wohl existenzfähig waren, sich sogar in Gruppen ordneten, aber ausdruckslos blieben. Wartet nur, laßt diese Rasse erst zum Bewußtsein der Wesenheiten menschlicher Schönheit und der Gesetze der Kunst kommen. Das Volk der Museen wird sich ziemlich rasch individualisieren ... Es bedarf nicht einmal der Zeitdauer eines Jahrhunderts, damit all die anmutige, sichere Grazie, die uns bat, daß wir ihr das Leben geben, als wir auf den Wällen von Lucca und der Umgegend von Florenz herumstreiften, daß diese Grazie Körper wird ... Es naht das fünfzehnte Jahrhundert! »Das Volk der Museen ist gerüstet. Alles was Toskana an kraftvollen Typen enthielt, richtet sich zum Dasein auf, strebt zur Existenz. Sie bedecken die Mauern ihrer Klöster, ihrer Paläste und ihrer Kirchen. Sie wissen sich zu bewegen, ihre Empfindungen auszudrücken, sich zu gruppieren, selbst uns zu bezaubern.

Freilich mehr vermögen sie noch nicht. Für sie handelt es sich vor allem darum, lebensfähig zu sein, zu existieren. Vom Weltall geben sie uns keine andere Vorstellung als die, welche unser Auge, das über die Horizontlinien Toskanas hinschweifte, selbst in sich aufgenommen hätte. All das kleine Volk der Museen im fünfzehnten Jahrhundert bedarf dringend, daß Lionardo da Vinci kommt und es die Meditation lehrt.

Ich weiß, es ist die Mode unserer Zeit, ergreifende Eigenschaften in diesen frühesten Primitiven zu finden. Man kann allezeit den Armen und Schwachen hilfeleistend beispringen; aber sie können uns wahrlich nur die Geduld lehren und uns ihren guten Willen zu empfangen zeigen. In der Nähe des Vinci, des Michel Agnolo und des Correggio erwirbt man etwas mehr als beim Einatmen des Blumenduftes im schönen Garten von Toskana. Gehen wir in die Kapelle der Medici; dort werden wir sehen, wie die Gestalten Michel Agnolos sich ein Universum schaffen; nicht nur die in Toskana einzeln verstreuten Bestandteile der Schönheit zusammenfassen, sondern eine Welt über die Wirklichkeit stellen.

II. Sich eine Welt schaffen

Sie haben recht, alle sie, die Eselchen, Kälber, jungen Weiber und Knechte, auf Ghirlandajos »Anbetung der Hirten«, sie alle haben recht, in bunter Reihe zur gleichen Tränke, zum gemeinsamen Akte der Anbetung zusammenzukommen. Es verbindet sie ein gemeinsames Empfinden: »Herr, gib uns heute unser tägliches Brot« und zweifellos auch die Bitte: »Erhalte uns fürderhin die Lebensfreude in dieser schönen Landschaft.« Darin ist ihre ganze Seele, gipfelt ihr höchstes inneres Bestreben, und das ist auch die Seele des gesamten kleinen Volkes in den Museen im dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert. Zu dem gleichen Gebete vereinen sich alle ehrbaren Leute des Fra Angelico, die Raffinierten des Botticelli, die kleine Venus des Lorenzo di Credi und bis zu den Madonnen von Raphael.

Wie anders aber klingt es, das Wort, das man von den Gestalten Michel Agnolos in der Sixtina und der Kapelle der Medici vernimmt! Hier ist eine sublime Illustration des größten aller ethischen Probleme.

Wer dieses gebieterische Rund betritt, glaubt zuerst einen Ort der Betrachtung vor sich zu haben. Das ist ein Irrtum. Mailand ist der Ort, der der Welt die tiefe Betrachtung schenkte, durch das Abendmahl von Vinci im Refektorium von Santa Maria delle Grazie! In dieser Atmosphäre erreicht das innere Leben seine höchste Intensität, und der menschliche Geist umfaßt und begreift zu gleicher Zeit alle Aspekte der Wirklichkeit und ihre Gesetze. Aber eine ganz andere Anstrengung zieht Michel Agnolos Gestalten zusammen und ihr Geheimnis ist nicht einfach dieses, daß sie meditieren.

Halten wir hier in unserer Enquete. In diesem Zeitpunkt haben die Etappen der Kunst eine solche Bedeutung, daß es für uns ein großer Gewinn sein wird, einen klaren Überblick über diese Entwicklung zu bekommen, die zudem durch unsterbliche Züge markiert ist.

Bisweilen machte sich bereits vor Vinci bei den Leuten in den Museen da und dort ein heimliches, intenses Leben bemerkbar. Vor diesem durch die Mode vulgär gewordenen Bilde des Botticelli, »Primavera«, ein Hain, in dem junge Frauengestalten unter Orangenbäumen tanzen, ist es mir unmöglich, mich nicht rühren zu lassen von dieser kleinen Frauenschönheit, die wie eine Jahreszeit vorübergeht und nicht imstande sein wird, sich erfolgreicher gegen gewalttätige Hände zu wehren als die Früchte, die an den Zweigen hängen. Darum haben sie selber mitten in ihrer Fröhlichkeit etwas Trauriges und bekunden das durch eine zur Seite geneigte Haltung; aber schließlich ist das etwas, dessen geistiger Gehalt den Eindruck nicht übersteigt, den ich von einer runzelig werdenden Olive haben kann. Bisweilen treten auch die Kümmernisse der Vereinsamung in Erscheinung: so ist manches Bild von Lippo Memmi, aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, bereits vom Leben verwundet, das sich aus der Hand, dem Ausdrucke des Kopfes und vor allem des Mundes einsam zurückzieht; aber das ist nicht sinnende Überlegung, sondern schmollender Trotz: es unterliegt den Empfindungen, den Eindrücken, ordnet sie aber nicht, gebietet ihnen nicht. Diese erhabene Aufgabe kommt Vinci zu.

Man kann Lionardo nicht genug bewundern, denn indem er das Verständnis der Ursachen bis zu diesem Grad brachte, gab er der Intelligenz einen moralischen Wert. Auch die geringste der Gestalten, die uns Vinci hinterließ, kennt beide Seiten des Gewebes, welches das Universum ist: daher das Lächeln ihrer gesenkten Augen und auch ihre rätselhafte Ruhe. Was wäre natürlicher als das Lächeln, die Ruhe, der rätselhafte Ausdruck, bei einem der sieht, welche Vorstellung vom Leben sich die Menschen bilden, und der andererseits dadurch, daß er sich der Gesetze der universellen Mechanik bewußt geworden, alle jene Impulse mit ihren wahren Namen benennen kann, die unter dem pomphaften sozialen Dekor das beleben, was man Ehre, Ruhm und Gerechtigkeit nennt!

Durch dieses Hellseherische gibt er schon seiner Joconda und den Zeichnungen seiner jungen Kämpfer eine hohe geistige Überlegenheit; macht sie zu wirklichen jungen Besiegern der Realität, zu Besiegern der Lüge; aber da tut er, um die Lüge zu überwinden, den entscheidenden Schritt und schafft den Gerechten, diesen Christus des Abendmahles, den man in der Skizze der Brera studieren muß.

Die Bewegung seiner Hände und der Ausdruck seiner Züge, die für unsere konstante Unwürdigkeit der schmerzlichste aller Vorwürfe sind, bedeuten, daß alles zu begreifen und die unverbesserliche Niedrigkeit am Beginne all unserer Gefühle zu erkennen für den Weisen, der alles weiß, auch alles verzeihen heißt. Dies ist das letzte Wort einer vollkommenen Erkenntnis und eines Umdenkens der Wirklichkeit: die Hinnahme.

 

Hinnehmen! das ist Zustand und Ziel des sublimen Vinci. Michel Agnolo führt uns mit heftigem Elan weit darüber hinaus, und nachdem der Vorläufer die Realität demaskiert, aber sich darauf beschränkt hat, sie zu verstehen ohne an ihre Stelle etwas anderes zu setzen, schleudert er noch siegreichere Gestalten ins Dasein, denn sie beanspruchen, eine andere Wirklichkeit an Stelle dieser zu setzen, die dadurch, daß sie ihrer eigenen Natur konform ist, schließlich auch keine Lüge mehr sein wird, sondern die Wahrheit.

Sich eine Welt schaffen! So lautet das große Wort, die zu erläuternde Formel, die aber die Kapelle der Medici, die Sixtina und der ganze Michel Agnolo in sich schließt.

Man bedenke wohl: dieser Einsame ist kein galanter Hofmann von Leonardos Art, der, neugierig die Gesetze der Natur kennen zu lernen, sich allen Dingen abkommodiert, durch die Ironie, die Verachtung, das Mitleid und auch durch eine gewisse vornehme Nachsicht. Aus seinem herben Munde, dem Gesichte des halsstarrigen Arbeiters, der auf Anderer Meinung nichts gibt, sieht man schon voraus, daß dieser da das Weltall seinem Willen anzupassen verlangt und nicht seinen Willen dem Weltall zu beugen. Aber treten wir ein wo sein Volk lebt, in die Kapelle der Medici, in die Sixtina, in San Pietro in Vincoli, vor den Moses.

In der Atmosphäre, die solche Persönlichkeiten schaffen, können nur sie selber leben. Wenn ich diese Athletenmuskel betrachte, so sehe ich, daß es sich hier nicht um Meditation handelt, denn um die Natur zu verstehen, kann der Mensch schwach sein wie ein Rohr; hier ist der Schauplatz der furchtbarsten Anstrengung.

Denkt aber nicht an Herkules. Michel Agnolo schafft vielmehr ein Prometheusgeschlecht. Die Wesen, die er uns vorstellt, besiegen den Marmorblock, entwinden sich ihm gewaltsam. Wenn sie uns zuerst nachsinnend erscheinen, wenn sie in der Tat in sich gekehrt sind, so ist es nur um in ihrem Bewußtsein diese Wesen zu unterscheiden, nach denen sie sich dunkel bildeten, um daraus in Wirklichkeit zu erstehen. Sie wollen werden. Die Pflicht, die sie sich auferlegten, ist die, sich nach ihrem Schicksale trotz allem zu bilden. »Jeder sollte seine eigene Statue aushauen,« sagten schon die Alexandriner.

Um aber sein eigener Bildhauer zu sein, bewußt alle Modifikationen zu verwirklichen, an denen unbewußte Arbeit im Laufe der Jahrhunderte die Rasse heben könnte, und in die Gegenwart alle Möglichkeiten zu setzen, die in uns emporquellen, welch eine ungeheuere Kraftleistung! Kurze Zeit vor seinem Tode schrieb Michel Agnolo dieses Wort, das nur zu häufig im Testamente derjenigen vorkommt, die sich der höchsten seelischen Kultur widmeten: »Ich Unglücklicher kann nicht auf die vergangenen Jahre zurückblicken, ohne mir sagen zu müssen, daß ich in ihrem ganzen Verlaufe nicht einen Tag finden kann, der mir gehört hätte.« Dies furchtbare Gefühl, daß man trotz aller Anstrengung, sich seinem Ideale anzupassen und wahrhaft ganz Selbst zu sein doch all der Niedrigkeit, die das menschliche Dasein mit sich bringt, nicht entrinnen konnte, das ist es, was die Anstrengung und die Gedankenwelt dieser Heroen mit soviel Schmerzlichem und Herbem durchsetzt. Seine Sklaven, seine Männer und Frauen der Medicäergräber, sein Moses, seine Madonnen fühlen ihre Ohnmacht, sich dem rohen Marmorblocke zu entringen, und in der Tat sind einige von ihnen auch stofflich erst halb geboren. Seine Sibyllen, seine Propheten haben eine tragische, fieberhafte Melancholie, denn sie entdecken Möglichkeiten in der Zukunft, in denen sie schöner, glücklicher hätten sein können, und erkennen aber auch, daß es ihr Schicksal nicht war; das Ziel dieses ewigen Werdens zu erreichen. Wie dieser Moses – in dem Michel Agnolo ein so mächtiges Symbol der Natur gab, die ihre Gesetze in der Hand hält – werden sie nicht in das Weltall eintreten, dessen Vorherwissen sie besitzen und wohin ihre riesenhafte Energie zielt.

Einen Blick von solcher Kraft und Traurigkeit kann man nur vom Gipfel der Metaphysik aus hinab werfen. Michel Agnolo gehört in die Reihe jener Geister der Spekulation, die man heroische nennen kann. Neben den Alexandrinern und den Deutschen aus dem Anfange des neunzehnten Jahrhunderts hat er das Ich als Herren der Welt begriffen.

Wir lassen, nicht wahr? die Legende beiseite, nach der die Frauengestalt (genannt die Nacht) vom Grabmale des Lorenzo den Schmerz ausdrücken soll, den die Unterjochung von Florenz Michel Agnolo verursachte. Die vulgäre Meinung gefällt sich darin, die Bedeutung eines Werkes zu verkleinern, sie auf das Niveau einer Anekdote herunterzudrücken. Am Tage, da der große Geist auf den Sockel das berühmte Sonett schrieb: »Wecket sie nicht auf«, bediente er sich seines Werkes, um seine Gefühle als Bürger zu bekunden, aber als er sich mit der Idee dieses Werkes trug, war es, um einer Kraft des Leidens Ausdruck zu geben und einer Enttäuschung, deren Ursache sicherlich kein vorübergehender Umstand war, sondern die Beschaffenheit seines Genies selber, und um alles zu sagen, des sich in Antinomien aufreibenden menschlichen Geistes.

Wenn ein Werk von solcher Wucht einen Kommentar vertrüge, so müßte man ihn den Gedichten Michel Agnolos entnehmen, die die lyrische Geschichte seiner Liebe zu Vittoria Colonna sind. Als er die starksinnige Strophe schrieb: »Eine irdische Schönheit, die wir mit durchdringendem Auge betrachten, gleicht mehr als irgendwas sonst dem geheimnisvollen Ursprung, aus dem wir alle sind,« so drückt er mit der Terminologie Dantes eine Anschauung aus, welche die modernen Anhänger der Evolutionstheorie ungefähr so übersetzen würden: Das Individuum sowie die Gattung entwickelt sich im Sinne seiner Bedürfnisse, d. h. das Verlangen ist es, das schafft; nun ist aber der Augenblick, wo das menschliche Wesen in allen seinen Teilen am stärksten vom Verlangen erschüttert wird, der Moment der vollkommenen Liebe; darum gleicht nichts so sehr der schöpferischen Kraft als die Beziehung zwischen dem Manne und der Schönheit.

Das Räsonnement und die Art der Ideenverbindung wechseln mit jeder Generation. Die großen Metaphysiken, die des Plato, Dante, Hegel und Fichte, und alle Systeme der Welt sind nur poetische Bilder, um an sich tiefinnerliche und dunkle Sensationen zu exteriorisieren und logisch zu verdeutlichen. Man lasse sich nicht durch die Verschiedenheiten des Vokabulariums verwirren; darunter ist immer dasselbe Aufwallen und Schäumen des Menschen, der Gott werden will. Michel Agnolo zeigt uns das direkt und ohne Vermittlung der Theorien, die alle so rasch ihre bewegende Kraft verlieren; er läßt vor uns eine Menschheit erstehen, die sich dem Marmor entringen und machtvoll individualisieren will.

Die Kapelle der Medici und die Sixtina sind ein Reservoir voraussichtlich unsterblicher Energien. Viele Philosophen, die den gleichen Individualismus lehren, werden unverständlich geworden sein, und man wird noch hieher kommen, um sich zu überzeugen, daß die einzige vornehme Lebensaufgabe diese ist, durch fortgesetzte Willensanstrengung sich selbst zu erschaffen, bis dahin, daß man an Stelle der hergebrachten Wirklichkeit, d. h. jener, welche die Menschheit gewöhnlich als solche annimmt, seine eigene Weltanschauung setzt. Mit einem Worte: man muß sich das Weltall wieder erschaffen. Aber: kann sich der Mensch auf so hohem Standpunkte behaupten? Darüber werden uns die Maler zu Ende des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts Aufschluß geben.

III. Nützen, spielen und sich täuschen

Willen, die imstande wären, ihr ganzes Leben lang wie Michel Agnolo in heldischem Kampfe zu verharren, sind sehr selten. Diesem großen Manne gelang es, sein eigenes Ideal der Realität zu substituieren; er schuf eine Welt für seinen Gebrauch und dennoch bemerkt er, daß ihm nach seinen Begeisterungen ein Etwas zurückbleibt, »ein unbestimmtes, brennendes Etwas, das Tränen verursacht«. Wenn er schon diese traurigen Perioden des Schwächerwerdens kannte, was soll dann aus den Durchschnittsgeistern werden, die nach seinem Beispiele sich bis zu den höchsten Höhen der Seele emporschwingen möchten? Nur in seltenen Augenblicken wird es ihnen gelingen, die Trunkenheiten des Schaffens zu genießen: das ist der so glühende aber unfruchtbare Kuß, den Leda mit dem Schwane tauscht.

 

Man kennt die Gruppe, die einer seiner Schüler, Ammanati, nach Michel Agnolo ausführte. Wieviel Sinn ich darin finde vom psychischen Standpunkte aus! Hier ist Leda, die Tochter Griechenlands und Roms, die Renaissance, das Geschlecht, das der Welt den Typus der Schönheit gab. Freundlich begrüßt sie den mysteriösen Vogel, den unbekannten Geliebten, den Ritter Lohengrin. Er ist der Schwan der großen nordischen Flüsse und unter seinen erzitternden Flügeln birgt er die Geheimnisse, die auf den Seen im Schatten der Wälder kreisen. Schlange, Vogel, Fisch, zu gleicher Zeit majestätisch und abstoßend, ist der Schwan zusammengesetzt wie die Natur selbst. Er übermittelt der Latinität die germanische Träumerei, den Sinn für das All, die pantheistische Neigung. Aber diese Verdienste bringen Leda und den siegreichen Schwan nur für einen Augenblick näher, in einem glühenden, zu flüchtigen, zugleich auch zu erdachten Kusse.

Ammanati wollte eben den Seelenstand bezeichnen, den er von jenen her so gut kannte, deren Geburt sie nicht über den Durchschnitt erhebt, die aber trotzdem mehr als die Wirklichkeit zu erkennen versuchen. Ein kühner Symbolismus, der uns angesichts der Maler Bolognas zum Nachsinnen anregen wird.

Zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts sucht sich das kleine Volk der Museen kein äußeres Modell mehr; es saugt sein Leben aus der Seele des Künstlers selber. Von Vinci hat es den Nachgedanken; von Correggio, von Sodoma die Anmut und sinnliche Traurigkeit; von Michel Agnolo aber das Beispiel eines heroischen Lebens; und daher plagt es sich von nun an mühsam, mit voller Überlegung und unter Heranziehung aller seiner langsam erworbenen Fähigkeiten, sich zur intensivsten Exaltation hinaufzusteigern. Jene, denen keineswegs die Seele eines Michel Agnolo gegeben wurde, verstehen es, sich so günstige Bedingungen zu schaffen, daß sie wenigstens für kurze Augenblicke die Begeisterung eines höheren Daseins kennen lernen. Leda ruft den Schwan!

Gerade dieses Jahrhundert wird sich eine Methode ausdenken, um jene in die höhere Welt der Mystik einzuführen, deren Streben darnach der impulsiven Kraft einer Therese, eines Loyola, einer Katharina von Siena ermangelt. Man kennt die »Geistlichen Übungen«, die für ganz kurze Momente selbst die Unbedeutenden zur seelischen Höhe eines Auserwählten emporheben. Diese Ekstase ändert nicht die natürliche Anlage der Menschen, aber läßt sie momentan aus der umgebenden Wirklichkeit heraustreten. So stellten die Maler Bolognas, die nicht imstande waren, ihren Schöpfungen das höhere göttliche Leben zu verleihen, über das Michel Agnolo verfügte, diese wenigstens unter Bedingungen, unter, denen ihre Begabung zur vollen Entfaltung gelangt.

Die bolognesische Kunst sucht systematisch, welche außergewöhnliche Situationen sie ersinnen könnte, um ihre Gestalten in eine höhere Sphäre als die des gewöhnlichen Daseins zu versetzen. Die Malerei und die Plastik werden eine Schaustellung bestimmter Personen in einer bestimmten besonderen Katastrophe.

Was man in den Museen des siebzehnten Jahrhunderts sieht, ist eine Folge leidenschaftlicher, mit einer wunderbaren psychologischen Einsicht angeordneter Fälle. Was das Pathos und die Analyse anlangt, so ist es schon unser moderner Rahmen, nur kommt noch das Streben nach der Schönheit dazu.

 

Man erwarte nicht, daß ich Werke beschreibe, die bereits überall als Stiche bekannt sind und die keine literarische Beschreibung ehrlich wiedergeben könnte ...

Man kennt in Mailand den berühmten Guercino »Die Verstoßung Hagars durch Abraham«. Es ist Sarah, eine legitime Frau, die ihre ansonsten unverständlicher Rivalin, eine verzweifelte Geliebte, schmählich verstoßen läßt, die sich aber vermöge ihres weiblichen Stolzes aufrecht erhält. Man studiere die befriedigte und versteckte Bosheit Sarahs! In Bologna den »Tod des Petrus Martyr« von Domenicchino; welch prachtvolle Erklärung für so viele Helden, die das oft gegen ihren Willen wurden! Niedersteigende Engel reichen ihm die Märtyrerpalme: er aber, von seinem Mörder zu Boden geworfen, möchte in seiner furchtbaren Angst nur zu gerne fliehen!

Man wirft diesen Malern vor, daß bei ihnen die Gottesmutter zur verdrießlichen Hüterin des Jesuskindes wird und manchmal so hochmütig gegen die musizierenden Cherubime und die anderen kleinen, schüchternen Engel ist, daß diese ihre Befehle nur mit mäßiger Beflissenheit entgegennehmen. Aber der Künstler wollte uns eben eine große Dame vorführen, die man zu unterhalten versucht. Das hier sind Sittenbilder, und tatsächlich eine ausgezeichnete Psychologie. Die Liebe wird ganz besonders in allen ihren Nuancen kräftigst analysiert. Die Ästhetiker sprechen davon als von einer Profanation und bemerken mit Entrüstung, daß der Ausdruck der Engel, welche die Jungfrau umgeben, manchmal bis zur Lüsternheit gehe. Aber in der Idee des Malers sind es Pagen; man denke an Cherubin bei der Marquise.

Diese von der heutigen Mode verachteten Künstler sind oft erhaben in der Darstellung zärtlicher Leidenschaften, namentlich im intensiven Ausdrucke der Wollust. Das Pathos festigt sich darin durch pathologische Wahrheit. Man sehe sich in Santa Maria della Vittoria in Rom die berühmte Statue der heiligen Therese von Bernini an: eine vornehme Dame, die im Liebesrausche vergeht. Man bedenke, was das siebzehnte und achtzehnte Jahrhundert wollte, denke an Stendhal und Balzac. Der Maler stellt seine Personen in eine Handlung, die ihnen Gelegenheit gibt, uns genau alles das an Verwickelung und Widerstandslosigkeit zu bieten, was wir verlangen, um eine genaue Kenntnis der Situation zu haben und bewegt zu werden.

Man staune nicht, wenn diese Jungfrauen, diese Heiligen, diese Märtyrer die Liebreize ihres Körpers, ihres Geistes hervorzuheben und Situationen zu wählen verstehen, worin sie diese am besten spielen lassen können. Das sind Hofleute. Wenn die Maler solche Vorbilder wählten, so hat es den gleichen Grund, der heute unsere Analytiker bestimmt, meistens Frauen der Gesellschaft vorzuführen: die Raffinements zärtlicher Leidenschaften verlangen, daß man Zeit hat. Was die Entnervten anlangt, die aufgerüttelt sein wollen und die sich heutigen Tages mit den Verbrechen und den Gerichtsverhandlungen begnügen, denen gaben damals die Maler schreckliche Darstellungen von Martyrien.

Mit welchem Rechte hebt man einen Widerspruch hervor, der zwischen den heiligen Vorgängen besteht, die als Vorwand zu diesen psychologischen Dramen dienen, und dem ganz weltlichen Geiste, der ihr wesentlicher Inhalt ist, wo es doch alle hinnehmen, daß alle Primitiven und Raphaele uns als heilige Jungfrauen gewöhnliche kleine Mädchen Toskanas vorführten?

 

Ich bin überzeugt, daß die Gruppe Vinci, Correggio, Sodoma, von Michel Agnolo beherrscht, den allerhöchsten, kurzen Augenblick der Kunst bedeutet; ich zögere aber doch nicht, den Primitiven und selbst den Malern aus der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, den Guido Reni, den Domenichino, den Guercino, die Carracci und ihre Nacheiferer vorzuziehen, die uns so kraftvolle und abundante Analysen der Leidenschaft geben.

Ich verstehe es, daß es den Archäologen gefällt, bis zu Giotto, Pisano, Duccio zurückzugehen. Ich erkläre es mir, daß Dichter, vom Archaismus bezaubert und um eine lieblichere Gebrechlichkeit zu erwerben, ihre Gefühle atrophieren, daß solche Dichter, sage ich, sich an der Armut und der Dürftigkeit dieser Kleinen ergötzen. Wer aber eigenen Urteils ist, nicht weder seinen Schulvorurteilen zugunsten der Nüchternheit, noch der Mode nachgibt, wer ein Amateur der menschlichen Seele in ihren unerschöpflichen Variationen ist, der wird in den guten Exemplaren der Künstler des siebzehnten Jahrhunderts Wesen erkennen, die ihren Impuls nicht von der äußern Welt erfahren, sondern von ihrem innen lebenden Universum, sich nicht nach antiken Reliefs oder nach Modellen herrichten, sondern nach ihren eigenen Bewegtheiten, von denen sie eine klare Vorstellung haben.

 

Um zu resümieren:

Zuerst mußte man existieren und lebensfähig existieren. Diesen Dienst erwiesen der Kunst im dreizehnten Jahrhundert vielleicht Pisa und Siena.

Sich langsam eine harmonische und eigene Anschauung des Universum bilden, das ist die zweite Etappe, die man in Florenz überschreitet, da das Einzelwesen Persönlichkeit wird, mit Vinci meditiert, mit Sodoma zu leiden, mit Correggio zu bezaubern liebt, und mit Michel Agnolo endlich an Stelle der von allen angenommenen Wirklichkeiten ein Universum setzt, dessen sämtliche Bestandteile es durch seine Meditation erschafft.

Hierauf handelte es sich darum, daß die vielen ins Leben geborenen Typen untereinander Beziehungen schaffen oder mit Intensität die Elemente nutzen, die sie sich zu schaffen daran sind. Dies ist das Werk, das wir nach Michel Agnolo in den Museen feststellten, und sind fast unsere Zeitgenossen, in denen die Leidenschaft ein gewollter Zustand wird, erreicht durch mechanische Verfahren, oder mindestens doch ein bewußter Zustand.

Diese drei Phasen bezeichnen die drei Etappen der seelischen Bestimmung jedes wahrhaften Individuums, ebenso wie sie die Entwicklung der Kunst in den toskanischen Museen resümieren. Auch sind diese eine vorzügliche Erziehung der Menschheit. Eine ganz angenehme Erziehung, denn um uns zu beherrschen, braucht Italien nur wollüstige Emotionen. Man hat behauptet: »Ein Freund, der seine erzieherischen Absichten zu deutlich durchblicken läßt, erweckt keinerlei angenehme Empfindung, währenddem eine Frau, die uns formt, indem sie uns zu verführen scheint, angebetet wird wie ein freudebringendes, himmlisches Wesen.« Aus diesem Gefühl heraus nannten die Menschen Italien, das ihnen seit Jahrhunderten alle Wonnen des Glückes spendet, ganz richtig ihre Geliebte.


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