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Philosophie auf der Terrasse

Wir saßen auf der Terrasse am See und sahen nach dem Schiffe hin, das mit weiß ausgebreiteten Segeln auf der blauen Ebene des Gewässers lag.

Das Schiff manövrierte von Ufer zu Ufer auf uns zu, es legte die Segel nach rechts und nach links, und wir fanden ein großes Vergnügen daran, seine kluge Navigation zu betrachten.

»Dieses Schiff«, so sagte die schöne Dame, »dieses Schiff ist einfach entzückend. Ich weiß nicht, warum. Es sieht ungefähr aus wie eine Möwe, die sich eben auf das Wasser gesetzt hat, um auszuruhen. Oder gefällt es uns nur deshalb, weil es so fern und so still ist?«

Ich erwiderte: »Dieses Schiff kommt geradenwegs aus Tyrus. So haben die Piratenschiffe der Odyssee auf der gekräuselten Fläche des Pontus gelegen. Geheimnisvolle, spitzbärtige Männer sitzen darin; sie führen Gold bei sich, Elfenbein und jenen Bernstein, der im Lande der trüben Barbaren gefunden wird. Und mit diesen Schätzen verlocken sie am Strand der Insel das törichte Weib und entführen es als Sklavin und verkaufen es in den lärmenden Häfen Zyperns.«

Als ich geendet hatte und von meiner Ekstase zurückkam, landete das Schiff vor uns, und es entstiegen ihm drei Männer, die in weiße Flanellgewänder gekleidet waren. Sie hatten das Haupthaar ganz kurz geschoren, so daß sich die herbstliche Sonne feurig in ihren blanken Schädeln spiegeln konnte. Nachdem sie das Schiffsgerät geordnet hatten, begaben sie sich zu der Terrasse; und während sie eintraten, sagte der eine: »Paule, wenn's hier keenen Aal zu futtern jiebt, zahlst du eine Lage.«

Da habe ich der schönen Dame das Wort des Dichters Barbusse zitiert, daß immer das Werk edler sei als der Mensch; und habe versucht, ihr dieses schwere Wort zu erklären.

Also: das Schiff ist anmutiger als der darinnen sitzende Lümmel.

Die steinerne Madonna an der Kirchentür ist wichtiger und notwendiger zu erhalten als eine Armee von Grenadieren.

Das Gedicht ist heiliger als der es verfertigt habende Schriftsteller, der nur allzuhäufig ein Schweinehund zu sein pflegt.


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