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Der Gott und der Vorschuß

Jedesmal, wenn ich des Vormittags in die Stadt gehe, muß ich an dem Museum vorüber, in dem der große goldene Buddha sitzt. Der große goldene Buddha sitzt so hoch, daß man ihn von draußen durch das Fenster sehen kann.

Das heißt, man kann nur sein Gesicht sehen; er hat die Lider halb gesenkt, und wenn ich da draußen vorübergehe, habe ich das Gefühl, als ob er mich durch das Fenster ansieht, gerade einen Augenblick.

Ich habe mir schon lange vorgenommen, einmal in dieses Museum hineinzugehen und mir den Buddha des Näheren zu betrachten. Buddha, das war, irre ich nicht, ein Königssohn und ein Kronprinz, der als Meister in der Kunst des Bogenschießens galt. Aber er hat den goldenen Bogen hingelegt und ist ein Bettler geworden, um seinen Menschenbrüdern den Frieden zu bringen. Ein solcher Kronprinz verdient es wohl, einmal näher betrachtet zu werden.

Aber nun ist das Unglück dieses: immer, wenn ich da vorbeikomme, bin ich in Eile und habe etwas Dringendes vor. Ich muß Punkt zwölf Uhr im Büro sein, um Vorschuß zu holen. Oder der Professor erwartet mich schon lange. Oder es ist ein wichtiges Telefongespräch zu erledigen.

So renne ich denn da vorüber mit meiner Aktentasche, und der Buddha sitzt immer noch da drinnen hinter den Fenstern und hat die Lider halb gesenkt. Und ich fühle es und weiß es, daß er zu mir herübersieht; schweigend, immer gerade einen Augenblick.

Ich werde doch wohl einen anderen Weg einschlagen müssen, denn das fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Er soll mich gefälligst in Ruhe lassen. Was ist denn Gemeinsames zwischen ihm und meinem Vorschuß?


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