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Opal

Es gibt in der deutschen Sprache – besonders in der norddeutschen – gewisse Redensarten, die sonst in keiner anderen Sprache vorkommen und sich auch in keine andere Sprache übersetzen ließen. Wer dauernd hier lebt, der merkt sie nicht, wie wir die Luft nicht merken, die wir einatmen. Es sind Wendungen des Alltags. Nur wer lange Zeit im fremden Lande gewesen war und fremde Sprachen gesprochen hat und dann plötzlich in die Heimat wiederkehrt, dem fallen sie auf in ihrer Würze und Kraft und Eigentümlichkeit.

Nennen wir zuerst einmal einige Beispiele. Solche Redensarten sind:

Von mir aus.

Da könnte ja jeder kommen.

Na wennschon.

Lieber Herr Liedtke, machen Sie das doch, wie Sie wollen.

Nun, wer hatte schon wieder einmal recht?

Wie komme ich denn dazu?

Ich habe es ja gleich gesagt.

Nu hastes.

Erlauben Sie mal.

Na, denn nicht.

Diese Redensarten, deren Liste jeder beliebig vermehren kann, gibt es also sonst nirgendwo; wie, um noch ein Beispiel zu nennen, das so herrliche, so richtig nach heimatlichem Muff riechende Wort »übelnehmen« in keiner anderen Kultursprache vorkommt. Man findet wohl im Lexikon ähnliche und ersetzende Formen, aber es ist nicht das.

In den inneren Konversationen, die ich, wie jeder Mensch, zu führen pflege (wenigstens hoffe ich, daß jeder Mensch innere Konversationen zu führen pflegt), in diesen heimlichen Gesprächen und Debatten nenne ich solche Worte »Opalworte«; aber diese Bezeichnung muß erst erklärt werden.

 

In Lessings »Nathan« kommt (in der berühmten Erzählung) der Mann im Osten vor, der einen allgemein beliebtmachenden Zauberring besitzt; von diesem Ringe sagt der Dichter:

 

Der Stein war ein Opal, Der hundert schöne Farben spielte, Und hatte die geheime Kraft, beliebt zu machen, Vor Gott und Menschen angenehm.

Ebenso wie den Mann im Osten sein Opal, so machen diese Worte uns in aller Welt beliebt, vor Gott und Menschen angenehm.


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