Bettina von Arnim
Clemens Brentanos Frühlingskranz
Bettina von Arnim

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An Bettine.

Du hast nun wohl meinen letzten Brief, der mit dem Deinigen sich gekreuzt hat, und ich hoffe, er hat Dir einen ruhigen, ja glücklichen Eindruck gemacht, damit die Verwirrungen der Sprachen wie in Babylon nicht den Fortbau unseres Glückes hindern.

Was hat Dein Brief mir und der armen Sophie für eine Angst gemacht, ich begreife Dich nicht! – Hab ich Dir nicht mehrmals gesagt, daß von Dir meine Zukunft abhänge, daß es Dein Wille ist, ja Deine Neigung, die mich bewegt zu allem, die mich lenkt! – Und ich sage Dir nun, daß ich Sophien nie heiraten werde, wenn Du sie nicht liebhaben kannst, das ist auch ihre feste Entschließung, und sie opfert mehr dabei auf als ich, denn sie liebt mich mehr als ich sie liebe, sie hat keine Bettine, ich habe eine, die ich ewig mehr lieben werde als alle Menschen! Es ist mir ewig leid, daß ich darüber an andre geschrieben habe. Man scheint alle Glocken bei einer Sache angezogen zu haben, die gar nicht der Mühe wert ist; was hat man Dir über uns gesagt? – sag es aufrichtig. Dabei sitzt Du in Frankfurt zwischen trostlosen Wänden und weißt Dir keinen Rat! hast Du denn gar kein Vertrauen mehr zu mir? – O liebes Herz, sei ruhig! glaube an mich und verirre Dich nicht! auch der Traum hat seine Ansprüche an die unverkümmerte Wahrheit; das zu schöne Leben ist ja Traum, sind wenn Du erst mit uns beiden vereint bist, dann ist mein Leben zu schön, und dann träumen wir alle drei uns glücklich, und Du wirst's doch nicht scheuen, im Traum Deinen Bruder glücklich zu fühlen, glücklich zu machen! –

Jetzt erst merke ich, wie ich von den Leuten verschieden bin, denn meine Idee, mich mit Sophie zu vereinigen, ist mir eine der einfachsten meines ganzen Lebens; ich kann Dich versichern, zu Dir aus meiner Stube in die Deine zu gehen war mir immer wichtiger und mit mehr Sorge verknüpft; Deine Angst aber ist nicht in der Ordnung. Du solltest mich so lieben, daß alles, was ich mit Gleichmut und Ruhe tue, das heißt: daß alles, was ich eigentlich tue, Dir gar keine Sorge machen könnte. Schau mir in die Augen, mein Kind, mein treues, gutes Kind, und störe Dich nicht, was an meiner Seite vor sich geht; es geht uns beide nichts an, wir müssen unser Sein, unser Denken miteinander, nicht mit der Welt vermengen, sonst gibt es Schmerzen. So wie Du allerlei Übles ahnest, so ahne ich Gutes oder doch vielmehr ganz ordentliche ruhige Begebenheiten und erschrecke nur darüber, wie Dich etwas so ganz Gewöhnliches in Sorgen setzen kann! – Ich sage Dir daher nur noch einmal, Sophie wird nicht mein Weib, wenn Du sie nicht lieben kannst, aber Du wirst sie lieben, das ist gar nicht anders möglich, sie wird Deinetwegen expreß nach Trages kommen, sie hat eine Begierde nach Dir wie noch nie nach einem Menschen. Sooft ich ihr einen solchen Sorgenbrief wie den letzten Deinigen bringe, wird sie immer sehr gerührt und betrübt, aber wenige Minuten drauf wird sie wieder froh und viel mutiger als vorher, sie fühlt sich so viel, viel besser, als man von ihr denkt, und freut sich inniglich darauf, Eure Liebe zu gewinnen. Ich versichere Dich, ich werde so glücklich mit ihr sein, als man es dans ces pays bas auf dieser Erde sein kann, und das Schönste bei dem allen ist, daß wir uns gar nicht störend sein werden, daß das Schwere, Plumpe der gewöhnlichen Ehe uns nicht berühren soll; wir werden leben, wie es Schneeflocken zusammenschneit, und wie die zerrinnen, wenn ein neuer Frühling kommen sollte, so werden auch wir zerrinnen, wenn wir nicht beisammen bleiben sollten etc.

Mache mich nicht unglücklich, liebes Kind, sei nicht traurig um mich, ich schwöre Dir, so wahr als Gott und unsere Liebe lebt, es ist da nichts, was Dich mit Recht betrüben kann! Vertraue mir ganz, aber verstelle Dich nicht, als seist Du ruhig, wenn Du es nicht bist. Ach aber, welcher göttlicher Beweis von Deiner großen Liebe zu mir wäre es, wenn Du mit aller Innigkeit so recht aus ganzer Seele mir vertrautest! wenn Du wirklich ruhig würdest und zu Dir sprächet: der Clemens kann nichts tun, was mich betrübt, er wird mein Glück nur vermehren, nur befestigen können; in diesem Vertrauen will ich auf die Zukunft mich freuen. Liebes Kind, blicke um Dich auf die Herrlichkeit Gottes in der Natur und in der Kunst und in unserer Liebe, liebes Kind, lasse Dich keine Sorge einnehmen. Ein tüchtiger Mensch kann nicht unglücklich werden, ich fühle, ich kann es nicht, denn ich bemerke mich nicht mehr, so klein bin ich gegen Natur, Kunst und die Liebe, und so auch tue Du.

Es wäre sehr betrübt, wenn Dich dieser Brief gar nicht ein bißchen trösten sollte, er geht mir so recht von Herzen! – Gunda schreibt mir aus Frankfurt, Du seist sehr krank gewesen aus Liebe und Sorge zu mir, deswegen hättest Du mir nicht geschrieben, Du seist so krank gewesen, daß die ganze Familie um Dich besorgt gewesen sei! Mein Kind, ist das wahr? und – Du hättest es mir verschwiegen? – Das kränkt mich, das ist gewiß ein Schreckenberger von der Gundel! Liebes Kind, nehme Dich zusammen, sei lustig und vergnügt, ich schwöre Dir, es ist auch nicht für zwei Pfennige Elend auf der Erde, und ich hab gar nicht nötig, besorgter oder vergnügter als sonst zu sein; denn es wird ewig beim Alten bleiben; die Natur strengt sich nicht an, natürlicher zu sein, Gott hat bis dato noch keine Ursache gefunden, göttlicher zu werden, der Mensch ist so menschlich als genug, und der Clemens ist und bleibt halt der Clemens, und wenn ich sechstausend Weiber nehme, so werde ich immer nach wie vor der Clemens sein. Ich würde auf die letzten Nachrichten von Euch gleich zu Dir gekommen sein, wenn mich nicht folgendes abhielt: Erstens kann Sophie nicht eher nach Trages reisen als in ungefähr vierzehn Tagen, und ich kann sie doch nicht allein hinreisen lassen; zweitens will ich meine Büste von Tieck für Dich modellieren lassen, und der konnte noch nicht anfangen, weil ein großer Bacchus, den er macht, umgefallen und zerbrochen ist, so daß er ihn erst von neuem machen mußte. Diese Büste ist das überraschende Geschenk, was ich Dir versprochen habe, es wird Dir große Freude machen; er gießt einem nicht ab, wie Franz und Toni abgegossen wurden, er modelliert einem aus freier Hand! – Ich will nun doch nicht eher von hier gehen, bis ich Dir mein Wort gehalten habe! –

Savigny schrieb mir heut, er habe einen Brief von Arnim an mich, ich aber habe den Brief noch nicht, auf den ich unendlich ungeduldig bin; er hat ihn Christian gegeben, ihn mir zu schicken, und der ist ein Kommst du heut nicht, so kommst du morgen! –

Eben erhalte ich zu meinem haarzubergerichtenden Erstaunen beiliegenden verwirrten Brief der Großmutter! Ich weiß nicht, was er bedeuten soll. Es muß ihr von hier aus, wo vom Schuster bis zum Herzog alles von mir und der Mereau spricht, manches Unwahre erzählt worden sein; – sie spricht mir auch von Dir! – O sei um Gottes willen nicht betrübt über mich, wolltest Du denn, daß ich nie heiraten sollte? – Liebe Bettine, wenn Du es verlangst, so will ich das einzige Weib, was mich als Gattin glücklich machen kann, verlassen und will ein Einsiedler werden! Sei doch ruhig und setze mich nicht in Angst. Ich weiß mir nicht zu raten und zu helfen, wenn Dir es nicht wohl wird. –

Heut hab ich ein Liedchen an Arnim gemacht und eine schöne Melodie dazu, ich weiß noch nicht, wo er jetzt wohnt, drum schicke ich es Dir allein, da er noch wohl in Deinem Herzen wohnt. Mädchen! wenn Du meine Freunde so lieben kannst, warum wehrst Du Dich so gegen meine Freundin? –

Wunderlich ist's, daß alle Leute, welche die Mereau kennen, sich ebenso wunderlich gegen unsere Verbindung wehren; wie Ihr auf sie zürnt, so zürnen sie auf mich. Ja zieht und zerrt nur, wir lieben uns, und Ihr müßt Euch einst noch freuen daran!

Dies Liedchen ist das Beste, was ich gemacht habe, mir ist es recht wie dem Jäger!

Der Jäger an den Hirten!

    Durch den Wald mit raschen Schritten
Trage ich die Laute hin,
Freude singt, was Leid gelitten,
Schweres Herz hat leichten Sinn!

    Durch die Büsche muß ich dringen
Nieder zu dem Felsenborn,
Und es schlingen sich mit Klingen
In die Saiten Ros' und Dorn.

    In der Wildnis wild Gewässer
Breche ich mir kühne Bahn,
Klimm ich aufwärts in die Schlösser,
Schaun sie mich befreundet an.

    Weil ich alles Leben ehre,
Scheuen mich die Geister nicht,
Und ich spring durch ihre Chöre
Wie ein irrend Zauberlicht.

    Haus' ich nächtlich in Kapellen,
Stört sich kein Gespenst an mir,
Weil sich Wandrer gern gesellen,
Denn auch ich bin nicht von hier.

    Geister reichen mir den Becher,
Reichen mir die kalte Hand,
Denn ich bin ein guter Zecher,
Scheue nicht den glühen Rand.

    Die Sirene in den Wogen,
Hätt' sie mich im Wasserschloß,
Gäbe, den sie hingezogen,
Gern den Fischer wieder los.

    Aber ich muß fort nach Thule,
Suchen auf des Meeres Grund
Einen Becher, meine Buhle
Trinkt sich nur aus ihm gesund.

    Wo die Schätze sind begraben,
Weiß ich längst, Geduld! Geduld!
Alle Schätze werd' ich haben,
Zu bezahlen meine Schuld.

    Während ich dies Lied gesungen,
Nahet sich des Waldes Rand,
Aus des Laubes Dämmerungen
Trete ich ins offne Land.

    Aus den Eichen zu den Myrten,
Aus der Laube in das Zelt
Hat der Jäger sich dem Hirten,
Flöte sich dem Horn gesellt.

    Daß du leicht die Lämmer hütest,
Zähme ich des Wolfes Wut,
Weil du fromm die Hände bietest,
Werd ich deines Herdes Glut.

    Und willst du die Arme schlingen
Um ein Liebchen zwei und zwei,
Will ich dir den Baum bald zwingen,
Daß er eine Laube sei.

    Du kannst Kränze schlingen, singen,
Schnitzen, spitzen Pfeile süß,
Ich kann ringen, klingen, schwingen
Schlank und blank den Jägerspieß.

    Gib die Pfeile, nimm den Bogen,
Ich bin Ernst und Du bist Scherz,
Hab die Sehne ich gezogen,
Du gezielt – so triffts ins Herz.

Schreib, mein Kind, sei ruhig, Heiopopeio, in drei Wochen küssen wir uns.

Clemens.


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