Bettina von Arnim
Clemens Brentanos Frühlingskranz
Bettina von Arnim

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Liebe Bettine.

Ich komme in ein paar Wochen wenigstens auf einige Tage nach Frankfurt, und Du bist eigentlich die Ursache, freue Dich darauf und habe mir recht viel zu sagen. – Was Du einmal in Offenbach schriebst, lese ich noch oft mit vielem Genuß, es ist mir wie ein ewiger Brief von Dir. Ich bitte Dich, bring alle jene Gedanken, die Dir selbst auffallen, zu Papier, es ist eine schöne Gewohnheit, und wenn man einstens in ganz andern Verhältnissen ist, so sind solche Blätter liebliche Andenken verfloßner Frühlinge. Ich kannte ein recht liebes Mädchen, die arm und von geringen Eltern war, sie konnte nicht schreiben und bezeichnete alles, was ihr am meisten auffiel, mit Blumenblättern, die sie zu solchen Zeiten gebrochen hatte; diese Blätter hätte sie nachher um vieles nicht gegeben, als sie schreiben konnte und für eine gescheute Frau galt, ja diese Blumenblätter sind mir lieber als das, was sie nachher schrieb, denn an denen kann sie ihre Fortschritte sehen, an dem Folgenden nur, wie sie stehenblieb. Dies letztere wird nun nie bei Dir der Fall sein, Du wirst nie stehenbleiben, Du wirst ewig fortfahren, Deine Seele zu bilden. Diese Bildung besteht nicht sowohl in Kenntnissen, die man uns lehrt, als in der eigentlichen Erkenntnis. Eine gebildete Seele ist die, die alle Kenntnisse, die sie hat, wie der bloße Mensch seine Sinne, anwendet, alles um sich herum zu vernehmen und zu beurteilen. Der bloße gesunde Mensch hört, sieht, fühlt, spricht; dem Gebildeten aber wird das Gehör zur Musik, das Gesicht zur Malerei, das Gefühl zur Gestalt und die Sprache zur schönen gebildeten Sprache, alle seine Bildung und seine Liebe zu verkündigen. Drum sei hübsch fleißig und fröhlich, treibe alles recht so von selbst, ohne irgend gleich darauf zu denken, wie das und jenes, was das eigentliche Ende davon ist, dabei herauskomme; das Ende einer jeden Kenntnis sind wir selbst, die Menschen und unser erhöhtes Talent, sie zu lieben, zu begreifen und uns ihnen verständlich zu machen. Lebe wohl.

Dein Clemens.


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