Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Beilings Tod.

Albert Beiling, der tapfere Verteidiger des Schlosses von Schoonhoven bei der Belagerung durch die Gräfin Jakobine von Holland 1424, wurde nach Übergabe des Schlosses zum Tode verurteilt, bat sich eine Frist vorher aus, erhielt dieselbe auf Ehrenwort und erlitt nach seiner Rückkehr den Tod. (D. H.)

1830.

Auf dem Mühlberg von Schoonhoven,
An dem Lech, nicht weit vom Rhein,
Muß es heut Orange boven!
Frischen Klangs geklungen sein;
Weiland klang's dort boven Angel! Boven Angel, England oben, war der Kriegsruf der Partei der Gräfin, Kabeljauwe, der Name der Gegenpartei, der Städte. (D. H.)
Klang's dort boven Kabeljau! Boven Angel, England oben, war der Kriegsruf der Partei der Gräfin, Kabeljauwe, der Name der Gegenpartei, der Städte. (D. H.)
Und ein wildes Kriegsgemangel
Färbte blutig Fluß und Au.

Ausgeflogen war die Biene
Wohl auf Amors Blumenau,
Hollands Gräfin Jakobine,
Hennegaus und Frieslands Frau,
Zwischen Buhlen hin und Lieben
Hat auf manches böse Riff
Lug und Trug und Wahn getrieben
Steuerlos ihr Lebensschiff.

Und durch Treu' und durch Gewissen,
Ja und durch Barmherzigkeit
Ist ein weiter Riß gerissen,
Welcher Volk und Land entzweit,
Von Jahrhundert zu Jahrhundert
Haben Wut, Verrat und Mord
Schlau durch welsche List bezundert,
Schlimm gebrannt von Ort zu Ort.

Jakobine war entronnen
Des Burgunders Burgverließ,
Der sie erst mit Trug umsponnen,
Dann im Kerker schmachten ließ:
Herr Johannes von Vianen,
Ihrer Flucht getreuer Held,
Rief am Lech zu Hollands Fahnen,
Rief die Angeln auf ins Feld.

Als man vierzehnhundertzwanzig
Einst geschrieben hat und vier,
Schlug die Schar fünftausendlanzig
Vor Schoonhoven ihr Quartier:
Bald war Stadt und Burg umzingelt,
Bald war Tor und Fluß gesperrt,
Wie den Raub die Schlang' umringelt,
Den sie langsam tötend zerrt.

Denn der Fische Kraft lag drinnen,
Auserlesen, wenn auch klein:
Schwer Verlieren, stolz Gewinnen,
Da muß hart gerungen sein;
Viermal ward zurückgeschlagen
Von der tapfern Schar der Sturm,
Und von mehr als hundert Tagen
Klang die Flucht der Glockenturm.

Doch ist so die Zeit verklungen,
Klang auch Mut und Hoffnung aus,
Die kein Eisen hat bezwungen,
Zwingt zuletzt des Hungers Graus,
Dieser allerschlimmste Zwinger,
Diese allertiefste Not,
Und es ruft der Stundenklinger:
Gebet euch, ihr habt kein Brot.

Ja, der Hunger kalt und mager
Treibt im Armensünderrock
Boten aus ins Fürstenlager
Mit dem Strick und weißen Stock;
Abzug flehn sie nur und Leben,
Jeder Wehr und Habe bar:
Langem Bitten ward's gegeben,
Weil noch Eisen drinnen war.

Also scholl nach düsterm Schweigen
Jakobinens Fürstenspruch:
Unglück nenn' auch ich mein eigen,
Leides ward auch mir genug;
Drum, ihr Fische, mögt ihr schwimmen
Übern Lech und übern Rhein –
Einem müssen doch die Kimmen
Fest an unsern Angeln sein.

Einen treffe die Harpune!
Albrecht Beiling heißt der Wal –
Also raunt's des Herzens Rune
In der Brust geheimstem Saal;
All die Kleinen mögen schwimmen
Nach Gefallen hin und her,
Diesen schlag' ich durch die Kimmen,
Dieser Fang ist reich und schwer.

Und darauf hat sie gesessen
Mit den Angeln lang im Rat,
Hat die Schrecken all' durchmessen
Jenes Manns der mächt'gen Tat,
Hat gerufen: »Eine Grube
Grabt ihm tief noch heute nacht,
Eine finstre Schlummerstube,
Deren Schläfer nie erwacht.«

Und sie spricht: »Du bringst die Rede,
Arnold Spiring, hin dem Mann,
Und du, Dietrich von Mervede,
Daß er sich bereiten kann:
Auf daß ihm der Seelentöter
Nicht zu schwer im Tode sei,
Daß er Beichter werd' und Beter,
Geb ich einen Tag ihm frei.«

Und sie gingen und sie kamen
Und sie sprachen: »Herrin, er
Rief: › Gott will's, so sei es! Amen!‹
Und kein Wörtlein sprach er mehr;
Doch dann bat er eine Gnade –
Und sie werd' ihm auch gewährt! –
Daß du dreißig Tage Pfade
Öffnest ihm zum eignen Herd;

Daß er kurz sein Haus bestelle
Und ermahne Weib und Kind,
Wie gleich Sand und Wind und Welle
Glück und Lust der Menschen sind;
Daß er Weib und Kind noch küsse
In der letzten Liebespein
Und den bittern Tod versüße,
Der ihm muß gestorben sein.«

Drauf die Fürstin: »Mir zum Pfande
Für den Beiling sollt ihr stehn,
Und so mag er seiner Bande
Dreißig Tage ledig gehn.«
Und sie setzten sich als Pfänder,
Sprechend: »Dieser löst uns aus.«
Brachen ihm die Eisenbänder,
Und der Beiling ritt zu Haus.

Und als dreißigmal im Kreise
Sich das Sonnenlicht gedreht,
Treu zurück von seiner Reise
An der Grube Beiling steht,
Auf dem Mühlenwarf gegraben,
Zwanzig schwarze Ellen tief,
Wo er soll ein Lager haben,
Wie's kein Ritter je beschlief.

Und er grüßt die edlen Männer,
Die sich ihm zum Pfand gesetzt,
Küßt sein Roß, den stolzen Renner,
Seine Waffen noch zuletzt,
Klingt sein letztes Weh vom Munde,
Eh' er springt ins offne Grab:
» Wie die Huren, wie die Hunde
Stößt man mich in Schlamm hinab

Und so fuhr in voller Rüstung
Aus des Lebens harter Not
Wie ein Held in Siegsgelüstung
Er hinab in dunkeln Tod,
Wo sie ihm sein Grab gegraben
Bei Schoonhoven an dem Lech,
Krähen flogen da und Raben,
Aber keine Tauben weg.

Und Herr Dietrich von Mervede
Rief dem teuren Helden nach:
»O die unglückselige Fehde!
O der schwarze Unglückstag!
Sprechen wirst du, stumme Erde,
Wenn auch jede Stimme schweigt,
Von dem Rittersmann zu Pferde,
Der sich treu wie Gold gezeigt.

Seine Sage wird noch klingen,
Wie die schönste Fabel klingt,
Wann sich hier statt Mühlenschwingen
Einsam nur die Möwe schwingt,
Wann von Fröschen selbst und Unken
Hier der wüste Sumpf nicht girrt
Und ins Meer zurückgesunken
Holland selbst zur Fabel wird.«


 << zurück weiter >>