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Die Reise ins Paradies.

Ein fahrender Schüler kehrte einmal im Wirtshaus eines Schwarzwalddorfes ein. Die Wirtin, eine alte, etwas einfältige Fran, war allein zu Hause und fragte den Gesellen, woher und wohin die Reise gehe. »Nach Paris«, erwiderte er. Die Frau hatte noch nie von dieser großen Stadt gehört, dafür aber umsomehr vom Paradies, und sie glaubte nicht anders, als der Fremde habe gesagt, er reise nach dem Paradies. »Ei du meine Güte!« rief sie und schlug die Hände vor Verwunderung zusammen, »gar ins Paradies! Hab' ich meiner Lebtag noch niemand gefunden, der lebendig dorthin gezogen oder Nachricht von dannen gebracht hätte. Mein Mann, dem Gott gnad, ist vor etlichen Jahren dahin gezogen, aber er ist vorher gestorben. Ach, wie gern würde ich ihm als Gruß etwas schicken, wenn Ihr so gut wäret und es mitnehmen würdet!«   Der fahrende Schüler merkte wohl, wes Geistes Kind die Frau war, und daß er sie mit leichter Mühe rupfen könnte; deshalb antwortete er: »Ich tu' Euch gern einen Gefallen, liebe Frau, und will, was Ihr mir für Euren seligen Mann mitgebet, verwahren, als ob es mein Eigentum wäre.« Die Frau war darüber seelenvergnügt, gab ihm reichlich zu essen und zu trinken und beim Abschied einen Rock und ein Hemd, sowie ein schönes Stück Geld, was er alles ihrem Mann ins Paradies bringen sollte. Noch unter der Tür dankte sie ihm mit Tränen für seinen Dienst und gab ihm viele Grüße an ihren Mann im Paradies mit auf den Weg.   Kurze Zeit darauf kam ihr Sohn nach Hause. Der war ein sehr pfiffiger Mensch; und als ihm die Mutter erzählte, was für eine geschickte Gelegenheit sie gehabt habe, dem Vater ins Paradies etwas zu senden, wurde er zornig und schalt seine Mutter eine Gans. Schnell setzte er sich auf sein Pferd und eilte dem Gauner nach. Dieser sah den Bauern von weitem kommen, und da er nichts Gutes ahnte, warf er schnell das Kleiderbündel in ein Gebüsch, setzte sich an den Rain und tat, als ob er ausruhte. Als der Wirtssohn daherkam, fragte er den Ruhenden, ob er nicht einen Mann mit einem Pack gesehen hatte. »Doch, doch«, versetzte dieser, »er ist schnell an mir vorbeigelaufen, wie wenn er gestohlen hätte; es wäre mir ein Leichtes, ihn einzufangen, wenn ich ein Pferd hätte.« Der Wirtssohn trug ihm sein Pferd an und versprach ihm auch eine Belohnung, wenn er den Dieb brächte. »Ich kann leider nicht gehen«, sagte der Schlaumeier, »denn hier unter meinem Hut hab ich eben einen wunderschönen Vogel gefangen, den ich nicht verlassen kann.« »Ei,« sagte der junge Mann, »den kann ich ja hüten, bis Ihr mit dem Gauner zurückkommt.« So wurden die zwei handelseins, und der fahrende Schüler trabte auf dem Gaule davon. Als es Abend wurde und der Fremde mit dem Gaul immer noch nicht zurückkam, wurde die Sache dem jungen Bauern bedenklich. Er hob sachte den Hut des Schelmen in die Höhe, um den Vogel zu erhaschen, der darunter sitzen sollte. Aber statt des Vogels bekam er etwas in die Hand, was man sonst bei jedem Dorf hinter der Hecke finden kann. Da sah er ein, daß er betrogen war und zwar noch ärger als seine Mutter, und kehrte beschämt nach Hause zurück.

(Nach Wendunmut und Birlinger von K. R.)

Schlußvignette

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