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Der Stuttgarter Poet auf dem Krebsstein

Wer das Lenninger Tal, das Kirschengäu, kennt, der weiß, daß am Anfang oder am Ende desselben Gutenberg liegt. Wen schon die Kirschenblüte in den ersten Maitagen dahin gelockt hat, der weiß auch, wie hoch über dem Dorfe der Krebsstein steht und daß man gerne nach erhaltener Stärkung im Gutenberger Wirtshaus diesen Felsen ersteigt, wo man vieles überschauen könnt', wenn das Tal nicht so krumm wäre. Man guckt dann um so lieber das Nahe an. So etwas weiß uns ein junger Dichter aus Stuttgart zu rühmen, der einst am ersten Maitage in munterer Gesellschaft das Gäu durchwandert, in Gutenberg sich eine erkleckliche Erfrischung beigebracht und dann voll Begeisterung, voll Dichterlust den Krebsstein erstiegen hatte. Er kann aber auch noch von den Leuten auf dem Krebsstein (denn man trifft dort einen kleinen Weiler, der auch von Menschen bewohnt ist) erzählen, daß sie nicht auf den Kopf gefallen sind und überhaupt Red' und Antwort zu geben verstehen, wie es ein junger Dichter am ersten Maimorgen brauchen kann. Als er am ersten Hause von Krebsstein angelangt war, begegnete ihm ein hübsches Bauernmädchen, das ein Liedchen vor sich hinträllerte. Er ist voll Begierde nach einem rohen poetischen Stoffe und redet sie süß freundlich an: »Schönes Kind, gibt's hier auch Sagen? nicht wahr, hier gibt es Sagen?« Das Mädchen, ganz der sichtbaren Gegenwart angehörend, faßt die Frage unseres gierigen Dichters recht praktisch auf und erwidert ohne langes Besinnen und Stottern: »Noa, vo deane woaßt mer bei uns nex; aber gang der Herr nu um däs Eck do num, do geits nuibachene Wecka.«

(Aus Nefflens Schwäbischer Feierabend, herausgegeben von A. Holder.)

Schlußvignette

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