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Übertragung von A. v. Keller

Giovanni Marsili

Der Jude Simon und Sara sein junges Weib

In der an neuen und anmutigen Ereignissen immer fruchtbaren Stadt Florenz hatte vor wenigen Monaten ein Jude mit Namen Simon, einer der reichsten und angesehensten seines Stammes, ganz frisch ein schönes und artiges Mägdlein, namens Sara, als Weib heimgeführt, als ihm eines Tages in den Sinn kam, da es Sommer war, einen Spaziergang vor die Stadt hinaus zu machen, um sich wie andere Leute auf dem Lande ein wenig zu vergnügen. Er fragte bei der Frau an, und als er ihre Einwilligung erhalten hatte, wurde es verabredet, auf den Tag vor Sankt Johannis, der gerade auf einen Sabbath ihren Feiertag fiel, hinauszugehen. Der Tag kam und um Vesperzeit machten sie sich auf den Weg vor die Stadt. An dem verabredeten Ort angekommen, bestellten sie sich ein Salätchen von feinen Kräuterchen, ein paar Brote und eine Flasche guten Montepulciano; zogen dazu einige andere Sächelchen hervor, die sie mitgebracht hatten und machten sich mit Behagen über diese Mahlzeit her. Da geschah es aber, daß sie über dem Essen und Trinken und anderer Kurzweil der Abend überraschte, ohne daß sie es merkten. Es half nichts, jetzt noch umzukehren und noch so sehr zu eilen, denn das Tor, zu welchem sie herausgegangen waren, war bereits geschlossen. Darüber waren sie denn sehr betrübt. Es bleiben jedoch in Florenz die ganze Nacht über zu Nutz und Frommen der Fußgänger die beiden Haupttore der Stadt halb geöffnet, so daß für eine Grazia Grazia, der achte Teil des Paolo, dessen zehn auf einen Taler gehen. jeder, dem es beliebt, aus- und eingehen kann. Simon war sehr müde und hätte noch gar weit gehen müssen, um das San Gallustor Das nordöstliche Tor von Florenz. zu erreichen; er zog daher vor, zu Schiff über den Arno zu gehen und in San Pier Gattolini einzukehren, was denn auch allerdings das Gescheiteste war. Aber der Unstern wollte, daß gegen die sonstige Gewohnheit um diese Zeit in der Gegend keine Kähne zur Überfahrt sich fanden. Sie liefen in beständiger Hoffnung so lange am Ufer hin, bis sie einen Bauer erblickten, der, barfuß und ohne Hosen im Fluß herumwatend kleine Fische fing. Simon fragte ihn, ob in der Nähe kein Schiff zu finden sei, und da dies verneint wurde, wußte er sich gar nicht mehr zu raten. Der Bauer aber, erfahrener und verschmitzter Geselle, der sich nicht leicht einen guten Fang entwischen ließ, hatte schon das junge Weib ins Auge gefaßt und, da er sie schön und frisch sah, fiel ihm plötzlich ein, er wolle Simon eine Posse spielen. Er fing also an, ihm alle Hoffnung zu nehmen, eine andere Art, über den Fluß zu kommen, zu finden, und bot sich dann an, wenn er ihnen recht sei, sie eins ums andere hinüberzutragen. Simon, der nichts Arges dachte und vor Müdigkeit sich nicht mehr zu lassen wußte, hielt das für einen Ausweg, für den er Gott danken müsse. Sie kamen auf einen Testone = drei Paoli. für das Übersetzen von beiden überein, und Simon sagte zu der Frau, sie solle zuerst hinüber. Der Landmann setzte sie rittlings auf seine Schultern, brachte sie ohne Mühe und Gefahr ans andere Ufer; setzte sie ab, legte sich zu ihr, streckte sie ohne Umschweife auf den Schotter nieder und schritt eilig ans Werk. Sara fing an zu schreien, mit voller Kehle um Hilfe zu rufen; Simon aber auf dem andern Ufer, der, einmal wegen der Entfernung, zum andern wegen der Dunkelheit nicht wußte, wie der Handel ging, meinte, sie fürchte sich vor dem Wasser und rief ihr zu, sie solle ruhig sein. Die Frau aber schrie immerfort und als sie sah, daß der Bauer darum nicht ruhte, sagte sie am Ende deutlich, was ihr fehle. Als Simon dies hörte, war es ihm, als stieße man ihm ein Messer ins Herz, so fing er an zu krakehlen und zu toben. Weh mir, was ist das? rief er. Ha, du verdammter Hund, Verräter, Galgenvogel! Liebes Weibchen, erdrossele den Hund, kratz ihn, zerbeiß ihn!

Dreimal sprang er in seiner Wut und in seinem Ärger ins Wasser bis an den Nabel, dreimal war er genötigt, wieder zurückzutreten aus Furcht, er möchte ertrinken. Er begann von neuem sein wütendes Geschrei und kam ganz außer Atem vor lauter Ermahnungen an Sara, die Schenkel nur fest zusammen zu halten. Der Bauer aber war nicht der Mann, auf bloßes Geschrei hin loszulassen, fuhr vielmehr fort, sein Pferdchen zu spornen, und sei es, daß sie der Gewalt wirklich nicht widerstehen konnte, oder daß, wie ich mehr geneigt bin anzunehmen, der Mona Sara es endlich auch recht war, ein wenig christlich Fleisch zu versuchen und die Kraft dieser Neubelehrten kennen zu lernen, kurz, die Sache ging so von statten, wie sie hernach bekannt hat, nämlich, daß er nicht eher von ihr abließ, bis er sie völlig genossen hatte. Darauf machte er sich, ohne sich um den weiteren Lohn zu kümmern aus dem Staube, meinend, schon vollständig ja mehr als genug bezahlt zu sein. Ohne daß man ihn erkannt hatte, ging er seiner Wege und ließ die Frau diesseits, den Mann jenseits des Arno, wo sie denn auch zu großem Mißvergnügen oder wenigstens zu seinem, den Rest der Nacht zubringen und den Morgen erwarten mußten. Als er erschienen war und Simon Gelegenheit gefunden hatte, an das andere Ufer zu kommen, nahm er mürrisch seine Sara schäumenden Mundes und zornschnaubender Nase und lief schnurstracks mit ihr in das Haus des Fiscalauditors, dem er durch die Frau die ganze Sache erzählen ließ, Punkt für Punkt wie sie sich begeben hatte, wobei er die heftigsten Klagen von der Welt ausstieß und grausame Rache für so verruchte Schurkerei verlangte. Wie sehr der Richter über solche Neuigkeit lachte, muß jeder sich selbst vorstellen können! Da jedoch das Vergehen allerdings strafwürdig erschien, fragte er den Simon um Namen oder Kennzeichen dessen, den er strafen sollte; darauf aber wußte Simon nichts Stichhaltiges zu erwidern.

Je nun, sagte der Richter, ich bin kein Wahrsager. Geh in Gottes Namen deiner Wege und suche ihn, wenn du ihn gefunden hast, so komm wieder zu mir und ich will tun, was recht ist.

Simon schied beschämter und mißvergnügter von dannen als er gekommen war, suchte noch an demselben Morgen den Häscher Hauptmann auf, erzählte ihm die Sache mit aller Ausführlichkeit und versprach ihm ein Handgeld von 40 Goldzechinen in Gold, wenn er den Missetäter entdecke. Bis jetzt aber hat man umsonst nach demselben gefahndet; ich meinesteils bin fest überzeugt, daß man ihn nie finden wird, und daß Simon gescheiter daran getan hätte, seine Homer unterm Rock zu verstecken und in Frieden zu tragen, statt so geflissentlich sich bemerkbar zu machen und in ganz Florenz, wie dies der Fall war, zum ergötzlichen Stadtgespräch zu werden.

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